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Gegenstandsbezogene Theorien in der Geschichtswissenschaft: Schwierigkeiten und Ergebnisse der Diskussion

Jürgen Kocka zieht das Resumee der Diskussion auf der 2. Bielefelder Tagung für Sozialgeschichte - 'Theorien in der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte' - vom 11./12. Juli 1975. Das unterschiedliche Verständnis von 'Theorieanwendung in der Geschichtswissenschaft' führte zu Schwierigkeiten in der Diskussion. Theorien werden zum einen aufgefaßt und angewendet als Mittel kausaler Erklärung. Häufiger und von eigenständiger Bedeutung ist ein Verfahren - angesiedelt zwischen Kausalerklärung und Narration - das Theorien zur Identifikation, Beschreibung und plausiblen Strukturierung von Wirklichkeitselementen verwendet. Theorien wurden verstanden als Vermittlung zwischen Untersuchungsgegenstand und gegenwärtigen Problemzusammenhängen. Deutlicher unterschieden werden sollte zwischen gesamtgesellschaftlichen Theorien und solchen, die Teilprobleme erfassen. Bei der Frage nach Kriterien der Angemessenheit von Theorien wurde insbesondere über die 'historische Distanz' und über die wünschenswerte Abstraktionshöhe von Theorien diskutiert. Zukünftig sollte nach Reichweite und Funktion von Theorien differenziert werden, da der zeitliche Abstand die kausalanalytische Aussagekraft einer Theorie anders betrifft, als ihre Funktion als Idealtypus oder 'Bedeutungsträger'. Unbestritten wie der selektive Charakter von Theorien, war der Bedarf an theoretischen Zugriffen höherer Ordnung, um gewonnene Einsichten zu verknüpfen. Im Verhältnis Geschichtswissenschaft - systematische Sozialwissenschaft bezeichnet die Unterscheidung Theoriekonstruktion - Theorieanwendung nur graduelle Unterschiede. Spezifika geschichtswissenschaftlicher Theoriebehandlung sind: die Orientierung an Veränderungen im zeitlichen Zusammenhang, die Rückbindung von Theorien in einen Kommunikationszusammenhang zwischen Tradition und Gegenwart und die Verknüpfung der Theorien mit hermeneutischen Verfahren. Theorieskeptische Stimmen fehlten wegen der Zusammensetzung des Kreises. Mit der Diskussion sollte dem indifferenten Nebeneinander von empirischer Geschichtswissenschaft und empirieferner Geschichtstheorie entgegengewirkt werden. (KA)

ISBN
3-525-36402-4
Umfang
Seite(n): 178-188
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Status: Veröffentlichungsversion; begutachtet
2. Bielefelder Tagung für Sozialgeschichte. Bielefeld, 1975

Erschienen in
Geschichte und Gesellschaft : Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, Sonderheft(3)

Thema
Sozialwissenschaften, Soziologie
Geschichte
Wissenschaftstheorie, Wissenschaftsphilosophie, Wissenschaftslogik, Ethik der Sozialwissenschaften
Sozialgeschichte, historische Sozialforschung
Theorie
Kausalanalyse
Funktion
Forschungsergebnis
Methodologie
Sozialgeschichte
Hermeneutik
Theorie-Praxis
historische Sozialforschung
Empirie
Geschichtsschreibung
Wirtschaftsgeschichte
Konferenz
Geschichtswissenschaft
Wissenschaftsverständnis
Sozialwissenschaft
Theoriebildung

Ereignis
Geistige Schöpfung
(wer)
Kocka, Jürgen
Ereignis
Veröffentlichung
(wo)
Deutschland
(wann)
1977

Letzte Aktualisierung
21.06.2024, 16:27 MESZ

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Objekttyp

  • Zeitschriftenartikel

Beteiligte

  • Kocka, Jürgen

Entstanden

  • 1977

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