Bestand

Hexenprozesse gegen Geistliche unter Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg (Bestand)

Im Hochstift Würzburg erreichten die Prozesse gegen angebliche Hexen unter der Regierung des Würzburger Fürstbischofs Philipp Adolf von Ehrenberg (reg. 1623–1631) ihren grausamen Höhepunkt. Bis 1629 nahmen diese den Charakter systematischer Verfolgungen an. Nicht weniger als 900 wegen angeblicher Hexerei angeklagte Personen sollen während seiner Amtszeit im gesamten Hochstift auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden sein, allein in der Bischofsstadt über 200. Unter den in Würzburg Hingerichteten befanden sich auch viele Geistliche, zumeist Kleriker aus dem Domstift sowie den Kanonikerstiften Neumünster, Haug und St. Burkard. Ein auf die Verbrennungen in den Jahren von 1627 bis 1629 bezogenes Verzeichnis im vorliegenden Bestand nennt 43 im Zuge der Hexeninquisition hingerichtete Würzburger Geistliche (Nr. 12).

1. Behördengeschichte
Die im Bestand vorhandenen Akten der Hexenprozesse gegen Geistliche geben ein anschauliches Bild von der „bürokratischen“ Durchführung der Prozessverfahren, Untersuchungen und Verhöre, der Degradationen (Akt der Rangerniedrigung und Aberkennung der geistlichen Würde) sowie der Güterkonfiskationen und nennen die unmittelbar daran beteiligten Personen.
Da die angeklagten Geistlichen durch das Privileg der Exemtion der weltlichen Jurisdiktion entzogen waren, konnte das Verfahren zunächst nur vor einem geistlichen Gericht stattfinden. Im Fall der Würzburger Hexenprozesse gegen Kleriker waren bei den Verhören und Untersuchungen vor dem eigens für diesen Zweck etablierten geistlichen Gericht der Generalvikar, der Fiskal, mehrere Beisitzer sowie ein Protokollant anwesend. Als „Iudex ordinarius“ nahm Generalvikar Dr. Johann Riedner die bei den Verfahren von Fiskal Dr. Zacharias Stumpf „ex officio“ ausgesprochenen Anklagen entgegen und hörte dann die Stellungnahmen der angeklagten Geistlichen an. Das Protokoll führte als geistlicher Malefizschreiber der Würzburger Kanzleiverwandte Magister Johann Erthel.
Nachdem die geständigen Kleriker vor Gericht mehrfach ihre Aussagen bestätigt hatten, wurde ihnen die Degradation angekündigt. Für die Durchführung des Degradationsakts wurde nochmals ein eigenes geistliches Tribunal gebildet, das mit dem Generalvikar Dr. Johann Riedner als „Iudex aequissimus“ sowie mit dessen Assistenten, Weihbischof Jodocus Wagenhauer, mehreren Äbten Würzburger oder umliegender Klöster, den Dekanen von Stift Haug und Stift Neumünster, weiteren weltlichen Personen sowie Michael Nötzel als Notar besetzt war. Letzterer fertigte die im Bestand überlieferten Degradationsurkunden aus. Der Akt der Degradation selbst fiel in die Zuständigkeit des Weihbischofs. Nach Verkündigung des Degradationsurteils in der fürstbischöflichen Kanzlei wurden die Verurteilten in die im gleichen Gebäude gelegene Briccuskapelle geführt, wo ihnen der Weihbischof nach festgeschriebener Zeremonie die geistlichen Gewänder und Amtsinsignien auszog. Nachdem die Degradierten daraufhin bürgerliche Kleidung angelegt hatten, übergab man sie schließlich der weltlichen Gerichtsbarkeit zur Bestrafung.
Rechtsquelle für die im Hochstift Würzburg durchgeführte Güterkonfiskation der hingerichteten Geistlichen stellte ein von Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg am 10. Juni 1627 erlassenes Konfiskationsmandat dar. Am 28. Juli 1627 folgte als praktische Durchführungsbestimmung eine „Instruction vor die jenige, welche so wol in der Stadt Wirtzburg als auff dem Land, zu Einnehmung deren Hexerey wegen iustificirter Personen verfallener Güter verordnet seynd“.
Gemäß der genannten Instruktion musste von eigens dafür bestellten Exekutoren ein genaues Inventar der gesamten beweglichen und unbeweglichen Hinterlassenschaft der verurteilten Kleriker angefertigt werden. Die erhaltenen Inventarverzeichnisse dokumentieren auf der ersten Seite einen zumeist ausführlichen Vermerk über den Tag ihrer Abfassung und die dabei offiziell anwesenden Personen. Dies waren als hierzu bestellte Kommissare der Generalvikar Dr. Johann Riedner und/oder Fiskal Dr. Zacharias Stumpf. Ihnen zur Seite standen zwei Vertreter des jeweils am Verfahren betroffenen Stifts. Die vorhandenen Inventarverzeichnisse wurden zumeist von dem bereits oben genannten geistlichen Malefizschreiber Magister Johann Erthel erstellt. Die Inventarisierung des vorhandenen Eigentums erfolgte in manchen Fällen bereits vor der Hinrichtung, in der Regel jedoch am Hinrichtungstag bzw. innerhalb der nächsten Wochen danach.
Im Anschluss an die Inventarisierung begann der Verkauf der konfiszierten Hinterlassenschaft, der wiederum von eigens dafür delegierten Exekutoren oder Testamentaren aus den betroffenen Stiften abgewickelt wurde. Die überlieferten einschlägigen Abrechnungen enthalten als Einnahmen den Verkaufserlös bzw. als Ausgaben die im Zuge der Hexenprozesse und Haft entstandenen Unkosten. Der nach Abzug dieser Ausgaben von der Gesamtsumme verbleibende Rest wurde unter dem Bischof, dem jeweils am Verfahren beteiligten Stift und den Erben verteilt.
Der im nachfolgenden Findbuch verzeichnete Aktenbestand (0,3 lfd. Meter) entstammt wohl der Registratur des unter Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg für die Hexenprozesse gegen Geistliche eigens eingerichteten geistlichen Gerichts. Wie die Randvermerke „pro Rmus“ [d. h. für Reverendissimus = für den Fürstbischof] bzw. „für die H[erren] Räth“ auf den Gesamtabrechnungen der Güterkonfiskationen dokumentieren, wurden von den einzelnen Schriftstücken mehrere Abschriften angefertigt. Zu welchem Zeitpunkt die Unterlagen dann, vermutlich über die Kanzlei des Bischofs bzw. der Geistlichen Regierung, in das alte Ordinariatsarchiv gelangten, ist bislang unklar.

2. Überlieferung
Die im Diözesanarchiv Würzburg verwahrte Überlieferung beinhaltet 67 Verzeichnungseinheiten (0,3 lfd. Meter) über die während der Regierungszeit Ehrenbergs durchgeführten Hexenprozesse gegen Würzburger Kleriker. Mit Ausnahme der Nr. 11 aus dem Jahr 1642 umfasst der Bestand Schriftgut aus den Jahren von 1627 bis 1631. Bei den Archivalien handelt es sich inhaltlich in erster Linie um:
1.) Protokolle über die im Zuge der gerichtlichen Untersuchungen vorgebrachten Anklagepunkte und durchgeführten Verhöre, Folterungen bzw. durch die Tortur erpressten Aussagen und Geständnisse. Die Protokolle enthalten in der Regel auch die gegen die jeweiligen Angeklagten erhobenen und für die Einleitung eines Hexenprozesses notwendigen Denunziationen (= Besagungen), Informationen über die Haft, den Zeitpunkt der Degradationen und der Überstellungen an die weltliche Gerichtsbarkeit sowie die Urteile und den Tag der Hinrichtungen.
2.) „Instrumenta super Degradatione“, d. h. Urkunden über den Akt der Rangerniedrigung und Aberkennung der geistlichen Würde. Nach damaligem Kirchenrecht war eine Person geistlichen Stands durch das „privilegium fori“ jeglichem Zugriff der weltlichen Gerichtsbarkeit entzogen. Um einen der Hexerei überführten Kleriker der weltlichen Gerichtsbarkeit zur Aburteilung und Vollstreckung der Todesstrafe übergeben zu können, mussten ihm zuvor durch den Akt der Degradation seine Standesprivilegien entzogen werden.
3.) Unterlagen der mit den Hexenprozessen gegen Geistliche im Zusammenhang stehenden Güterkonfiskationen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um Inventarverzeichnisse über die vorhandenen Verlassenschaften der hingerichteten Kleriker, Abrechnungen über die Einnahmen aus dem Verkauf des konfiszierten Eigentums bzw. die im Zuge der Prozesse und Haft entstandenen Ausgaben sowie die anschließende Aufteilung der aus den Konfiskationen entstandenen Gewinne.

3. Bestandsbearbeitung
Im Jahr 1988 wurde ein erstes Bestandsrepertorium mit dem Titel „Hexerprozesse gegen Geistliche der Stadt Würzburg, Verlassenschaftsakten (1628–1630)“ angelegt, das bis zur Fertigstellung des vorliegenden Findbuchs in Gebrauch blieb. Die Ordnung orientierte sich damals vor allem an der vorgefundenen Faszikel-Einteilung des Bestands in Prozessprotokolle, Degradationsurkunden bzw. Inventare und Abrechnungen zur Güterkonfiskation. Im Februar/März 2018 erfolgte die Neubearbeitung des Bestands im Zuge des Projekts Bereitstellung archivischer Findmittel im Archivportal-D. Dabei wurden alle bestehenden Faszikel, soweit möglich, aufgelöst (Ausnahme gebundener Faszikel 2 mit den neuen Nr. 11–34), die Einzelarchivalien als fortlaufende Verzeichnungseinheiten durchnummeriert und in neue Archivmappen verpackt. Die im Bestand bisher unter Faszikel 20 genannte Abschrift des Hofkammerprotokolls von 1749 über die Verbrennung der Maria Renata von Mossau, Subpriorin des Klosters Unterzell, aus der Hand des Priesters, Landtagsabgeordneten, Bibliothekars und Universitätsprofessors Anton Ruland wurde aus dem Bestand entnommen und zu einem Bestand „Nachlass Anton Ruland“ formiert. Aufgrund der inhaltlichen Zusammensetzung der Archivalien wurde die Bestandsbezeichnung in „Hexenprozesse gegen Geistliche unter Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg“ umgeändert. Alle unmittelbar an den im Bestand überlieferten Hexenprozessen gegen Kleriker beteiligte Personen sind im vorliegenden Findbuch über einen Personenindex (mit Angaben zum jeweiligen geistlichen Stand und zu Amtsfunktionen) nachgewiesen.

4. Benutzung
Der Bestand ist uneingeschränkt zugänglich.

5. Zitierempfehlung
Diözesanarchiv Würzburg (DAW), Hexenprozesse gegen Geistliche unter Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg (Hexenprozesse gegen Geistliche), Nr. ...

6. Literatur (in Auswahl)
1.) Zu Hexenverfolgungen und -prozessen im Hochstift Würzburg allgemein:
- Hans Wolfgang Bergerhausen, Die Hexenverfolgungen in Würzburg 1590–1630, in: Markus Mergenthaler und Margareta Klein-Pfeuffer (Hg.), Hexenwahn in Franken, Dettelbach 2014, S. 84–97.
- Elena Bräutigam, Die Hexenverfolgungen im Hochstift Würzburg, in: Frankenland 60 (2008), S. 4–14.
- Hubert Drüppel, Hexenprozesse, in: Ulrich Wagner (Hg.), Geschichte der Stadt Würzburg, Bd. 2, Stuttgart 2004, S. 492–505, 928–931.
- Andreas Flurschütz da Cruz, Hexenbrenner, Seelenretter. Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn (1573–1617) und die Hexenverfolgungen im Hochstift Würzburg (Hexenforschung 16), Bielefeld 2017.
- Robert Meier, Alles anders als gedacht? Julius Echter und die Hexenverfolgung, in: Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft 135 (2015), S. 559–568.
- Robert Meier, Die frühen Hexenprozesse des Fürstbischofs Julius Echter (1573–1617). Mit einer Kritik an Lyndal Ropers „Hexenwahn“, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 79 (2016), S. 145–156.
- Robert Meier, Julius Echter als Hexenretter. Eine Polemik anhand von Prozessen aus Neubrunn, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 77 (2014), S. 287–296.
- Robert Meier, Strafjustiz auf dem Land. Die Tätigkeit der Zent Remlingen in der Zeit des Fürstbischofs Julius Echter mit besonderer Berücksichtigung der Hexenprozesse, in: Mainfränkisches Jahrbuch 67 (2015), S. 143–166.

2.) Zu Hexenprozessen gegen Kleriker unter Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg:
- Friedrich Merzbacher, Die Hexenprozesse in Franken (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 56), München 1957.
- Harald Schwillus, „Der bischoff läßt nit nach, bis er die gantze statt verbrennt hat“. Bemerkungen zu der 1745 veröffentlichten Liste der unter Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg wegen angeblicher Hexerei hingerichteten Menschen, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 49 (1987), S. 145–154.
- Harald Schwillus, Die Hexenprozesse gegen Würzburger Geistliche unter Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg (1623–1631) (Forschungen zur fränkischen Kirchen- und Theologiegeschichte 14), Würzburg 1989.
- Harald Schwillus, Kleriker im Hexenprozeß. Geistliche als Opfer der Hexenprozesse des 16. und 17. Jahrhunderts in Deutschland (Forschungen zur fränkischen Kirchen- und Theologiegeschichte 16), Würzburg 1992.
- Elmar Weiß, Würzburger Kleriker als Angeklagte in Hexenprozeßen in den Jahren 1626–1630, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 40 (1988), S. 70–94.

Stand: Dezember 2021

Bestandssignatur
Diözesanarchiv Würzburg, Hexenprozesse gegen Geistliche unter Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg

Kontext
Diözesanarchiv Würzburg (Archivtektonik) >> 01. Bistum Würzburg bis 1821 >> 01.04 Generalvikariat, Bischöfliches Vikariat, Konsistorium

Bestandslaufzeit
1621–1631

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Letzte Aktualisierung
28.09.2023, 11:31 MESZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1621–1631

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