Bestand
Nachlass Karl Erwin Müller (1878 - 1974) (Bestand)
Überlieferungsgeschichte
Im Jahr 1969 überließ Frau Dr. Carla Kramer die Briefe ihrer Mutter Else Schlette aus den Jahren 1945 - 1948 dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart, welche unter der Signatur J 50/300 in die Bestände des Hauses eingereiht wurden. Im Jahr 1995 überreichte sie dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart abermals Unterlagen, diesmal von ihrem Großvater Karl Erwin Müller aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, die die Signatur M 660/269 erhielten. Im Jahr 2003 kamen noch die Taschenkalender und eine Reisebuch ihres Großvaters hinzu, alle Unterlagen wurden dem Hauptstaatsarchiv als Geschenk übergeben. Nach Durchsicht der Unterlagen wurde aus archivfachlichen Gründen die Vereinigung der drei Teilbestände zu einem Bestand mit der Signatur Q 2/29 beschlossen.
Inhalt und Bewertung
Der Bestand bietet aufschlussreiche Einblicke in die Lebensverhältnisse einer bürgerlichen Familie im 20. Jahrhundert, mit all ihren Katastrophen und alltäglichen Banalitäten. Die Unterlagen dokumentieren den Alltag einer Familie neben Aufzeichnungen zum Wetter, Ausgaben und Einnahmen, sind es vor allem familiäre Ereignisse, die die ca. 30 Taschenkalender füllen.
1. Zur Biographie von Karl Erwin Müller: Karl Erwin Müller wurde am 26. Februar 1878 in Tuttlingen geboren, wo er nach dem Tod seiner Mutter mit seinen Geschwistern und seinem als Nagelschmied arbeitenden Vater aufwuchs. Der als Buchhalter tätige Karl Müller verlobte sich am 24. Dezember 1904 mit Sophie Hilzinger, am 20. September 1906 folgte die Heirat. Am 23. Juni 1907 erblickte die Tochter Else das Licht der Welt. Das bürgerliche Leben der jungen Familie ist außerhalb des Berufsalltags von vielen Hobbys, wie Wandern (Wanderverein), und Treffen mit Freunden geprägt. Nachdem Karl Erwin Müller im Jahr 1900/1901 als Einjährigfreiwilliger seinen Militärdienst ableistet hatte und als Vize-Feldwebel entlassen wurde, erfolgte im August 1914 im Zuge der Mobilmachung seine Einberufung, im August 1916 wurde er an die Ostfront versetzt. Bereits im September des gleichen Jahrs geriet er dort in russische Kriegsgefangenschaft, während der er in einem Gefangenenlager am Westural arbeitete. Im Zuge der russischen Oktoberrevolution wurde von zaristischen Offizieren die sogenannte Weiße Armee gebildet, welche gegen die Rote Armee kämpfte. In den Reihen der Weißen wie auch der Roten Armee mussten viele deutsche Kriegsgefangene kämpfen. Nach Mitteilung von Frau Dr. Carla Kramer floh Karl Erwin Müller mit drei Kameraden aus der Kriegsgefangenschaft und kämpfte in beiden Armeen, bis er sich im Frühsommer 1919 absetzen konnte und nach Deutschland zurückkehrte, wo er in Heilsberg in Quarantäne kam. Trotz der Jahre in russischer Gefangenschaft, verlor Karl Erwin Müller nie ein böses Wort über die Russen und lernte bereits in Gefangenschaft ihre Sprache. Das Leben normalisierte sich nach seiner Rückkehr in die Heimat schnell. Seine Tochter Else legte im Jahr 1926 als eines der ersten Mädchen aus Tuttlingen das Abitur im Königin Katharina Stift ab, anschließend studierte sie unter anderem in Wien und Grenoble. Karl Erwin Müller widmete sich vor allem seiner Arbeit. Wie Familie Müller den Nationalsozialisten gegenüber stand, ist aus den Taschenkalendern nicht abzulesen. Im Jahr 1936 heiratet Else Karl (Carlo) Schlette und brachte am 23. Juli 1937 Tochter Ulla zur Welt. Ihr Kontakt zum Elternhaus blieb allerdings weiterhin sehr eng. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Karl Schlette 1940 zum Wehrdienst eingezogen, beim Frankreichfeldzug war er nicht in Kampfhandlungen verwickelt, nach Abschluss des Waffenstillstands wurde seine Einheit an die polnisch-russische Grenze verlegt. Am 8. Juli 1941 wurde seine zweite Tochter Carla geboren. Mit Beginn des Rußlandfeldzugs musste seine Einheit schwere Kämpfe bestehen. Im September 1941 wurde Karl Schlette bei Charkow schwer verwundet. Nach seiner Genesung versetzte man ihn wieder nach Frankreich, wo er im Juni 1944 in französische Gefangenschaft geriet, aus der er im Juli 1947 entlassen wurde. Während des Zweiten Weltkrieges rissen die Briefe und Besuche Elses bei ihren Eltern nicht ab, die Bindungen zwischen den beiden Familien blieben sehr eng. Auch nach dem Krieg unterstützten sich die beiden Familien gegenseitig. Karl Müller kehrte rasch in seinen Beruf als Prokurist zurück und auch Else arbeitete nun in ihrem erlernten Beruf als Lehrerin. Im Jahr 1951 zogen Else und die beiden Kinder bei Karl Schlette aus und übersiedeln zu Karl und Sofie Müller. 1953 wird die Scheidung durch ein Gerichtsurteil rechtskräftig. Aus diesem Grund intensivierte sich der Kontakt Karl Müllers, besonders als er 1953 in den Ruhestand tritt, zu seinen Enkelinnen noch mehr. Karl Müller verbrachte aufgrund seiner Wanderungen, der zahlreichen Besuche, der Gartenarbeit und durch seine Familie einen sehr aktiven Ruhestand. Ab 1964 verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Eheleute Müller zusehends. Die Tochter Else kümmerte sich intensiv um ihre Eltern, im November 1974 starb dann Karl Erwin Müller und im Februar 1976 seine Frau Sofie nach kurzer Krankheit.
2. Dokumentationswert des Bestandes: Der Bestand Q 2/29 bietet aufschlussreiche Einblicke in die Lebensverhältnisse einer bürgerlichen Familie im 20. Jahrhundert, mit all ihren Katastrophen und alltäglichen Banalitäten. Die Unterlagen dokumentieren den Alltag einer Familie neben Aufzeichnungen zum Wetter, Ausgaben und Einnahmen, sind es vor allem familiäre Ereignisse, die die ca. 30 Taschenkalender füllen.
3. Zur Geschichte des Bestandes: Im Jahr 1969 überließ Dr. Carla Kramer die Briefe ihrer Mutter Else Schlette aus den Jahren 1945 - 1948 dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart, welche unter der Signatur J 50/300 in die Bestände des Hauses eingereiht wurden. Im Jahr 1995 überreichte sie dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart abermals Unterlagen, diesmal von ihrem Großvater Karl Erwin Müller aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, die die Signatur M 660/269 erhielten. Im Jahr 2003 kamen noch die Taschenkalender und eine Reisebuch ihres Großvaters hinzu, alle Unterlagen wurden dem Hauptstaatsarchiv als Geschenk übergeben. Nach Durchsicht der Unterlagen wurde aus archivfachlichen Gründen die Vereinigung der drei Teilbestände zu einem Bestand mit der Signatur Q 2/29 beschlossen. Verzeichnet wurde der Bestand im Rahmen der Anwärterausbildung durch die Anwärterin Maxi Eichhorn im August/September 2003. Der Bestand umfasst 0,6 lfd. m in 64 Verzeichnungseinheiten.
- Bestandssignatur
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Q 2/29
- Umfang
-
64 Einheiten
- Kontext
-
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Nachlässe, Verbands- und Familienarchive >> Sonstige Nachlässe
- Indexbegriff Person
- Bestandslaufzeit
-
1900 - 2003
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Rechteinformation
-
Es gelten die Nutzungsbedingungen des Landesarchivs Baden-Württemberg.
- Letzte Aktualisierung
-
20.01.2023, 15:09 MEZ
Datenpartner
Landesarchiv Baden-Württemberg. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1900 - 2003