Archivalie
Oskar Schlemmer über Moderne Kunst...
Transkription: 12.11.24 Oskar Schlemmer über moderne Kunst Tendenz-Kunst! als solche wird heute schlechthin solche politischen oder doch sozialen Einschläge verstanden. Welche Kunst ist ohne Tendenz? (Fragt O.M.) Als tendenzlos wird verstanden: ohne Argumente durch ihre optische Erscheinung selbstwirkende, "überzeugende" Gestaltung. Die psychologische Malerei wäre auch Tendenzkunst, indem sie des Mannes mit dem Stück bedarf, die Darstellung erläutert. Freilich kann er nicht hindern, dass ihm der Stock zum Querbalken vor dem letzten Geheimnis wird. Gefahr also: Vexierbild. Privatsymbolik. Kann aber, was heute Privatsymbolik wäre, nicht eines Tages allgemeingültig werden? Heute oder vorläufig ist es Sek- tirerei. Ist heute ohne Sekte, Sekte = Keimzelle einer werdenden Gemeinde oder Gemeinschaft, überhaupt zu beginnen? Nur durch (platte) Objektivierung der All- gemeinen, Allen Gemeinden? - - - - - - - - - - - - "Abstrakte" Gestalten, der Körperlichkeit ganz entkleidet und nur Hieroglyphen rätselhafte Zeichen, Felsenmalerei, Lapidarstil, sind so betrachtet der Eine pol. Der andere wäre die Bettung der Gestaltung im Raum, Ton, Valeur, Ziel: die glückliche Verbindung von Natur und Abstraktion, die - noch immer- der Gradmesser vollendeter Kunst zu sein scheint. Dazwischen -verderbliche Mitte!- die Holzpuppen Lenzens, die noch nicht das eine und nicht das andere sind. Zu jenem (Abstraktion) reizt mich die Phantasie, die [...] eines Stils und Ausdrucks, die Imstande wären, die eine Lücke unserer heutigen Kunst zu füllen; das Monumentale. Es wäre oder müsste sein nach der ganzen Konstellation unseres Kulturellen Lebens, dem jene breite, einheitliche Basis aus Volksbewußtsein und Kulturwillen fehlt: primär. primitiv, neu, seltsam. Ein- ziges Argument: das Gefühl - die unkontrollierbaren gefühlsmäßigen Ahnung- gen- die nichtsdestoweniger oder gerade deshalb (Runge!) der Regularität und Mathematik der Form bedürfen. Diese wären auch das Bindeglied zu einer ver- standmäßigen materialistischen Weltauffassung, wärend jenes andere - die Urgründe des Gefühls - der notwendige Zustrom und das Gegenwicht zu einer solchen herrschenden Weltauffassung wäre. Verzicht auf dieses große Ziel, scawelich ohne den Unterton von Resignation, da durch eben jene kulturelle Struktur bedingt, bedeutet die Rückkehr zum Bild- jenem Eigenwesen, das den Grad seiner Unabhängigkeit und Selbstherrlichkeit doku- mentiert durch den mehr oder weniger breiten Trennungsstrich von der Umwelt, den Rahmen. Vernunftgründe wie: die Sprache muss verständlich sein, so läßt sich nicht leben, die Isolierung infolge der resonnanzlosen Gestaltung führt zur [...]idee - sind nicht zu läugnen. Diese Darstellungsweise: Bettung in Raum, Ton, Valeurs - wird konventionell erschein- en, in vielen Teilen es auch sein, indem sie auf die selten erprobten Grundwahrheiten den Malerei baut. Dennoch oder eben auch deshalb wird hier möglich sein, tiefstes zu offenbaren, und die große Weisheit O.M. ist, sich der verständlichen Sprache zu bedienen, um Neues, Unerhörtes zu sagen. kompromiß, wie es scheint. Viel- leicht ist letzte weisheit Kompromiß. Ein Wort von Otto Flake scheint mir die gegenwärtige Kunstsituation richtig zu treffen, indem er sagt, dass er sich jetzt um "die Bindung des metaphysischen" handle. Die Entwicklungen in Deutschland, auch die der Kunst, werden vorzeitig abgebrochen; sie werden Opfer des Tempos dieser Zeit. Denn die letzte Freiheit und Erfüllung des Metaphysischen schien mir noch nicht erreicht; es hat sich noch nicht zu jener Klassik der Formvollendung entwickeln können, um das zu werden, was er- hoff wurde: Großer Stil. Nun ist "Rückfall" und derart, dass selbst "Errungenschaften" in Gefahr sind. Wenn es nicht die Einsicht, dass die Abstraktionen Gefahr liefen, den Boden unter den Füßen zu verlieren, zwischen Himmel und Erde im luftleeren Raum zu schweben, weder hier noch dort zu Hause zu sein; wenn es nicht das Bestreben ist "
- Sammlung
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Archiv Oskar Schlemmer
- Inventarnummer
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AOS 2016/1226
- Material/Technik
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Papier; maschinenschriftlich
- Ereignis
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Herstellung
- (wer)
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Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
- Provenienz
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Abschrift vorhanden; Ordner 1920-1926
- Rechteinformation
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Staatsgalerie Stuttgart
- Letzte Aktualisierung
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28.03.2025, 12:10 MEZ
Datenpartner
Staatsgalerie Stuttgart. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Archivalie
Beteiligte
- Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)