Archivale

Grundstücksangelegenheit: Streit um Lehnsrecht und Retraktrecht; Verfahrensrecht: Kompetenzstreit der beteiligten Instanzen

Enthält: Als Johannes Müller, Halbwinner aus Oberaussem, am 10.1.1696 beim Hofgericht des Stifts St. Gereon in Langenich erscheint, um nach dem Tod seines Onkels das sog. Hamblochische (von Theodor Hambloch herkommende) Lehnsgut, um das er noch vor kurzem gegen die Miterben Krey erfolgreich prozessierte, als neuer Pächter gemäß dem Lehnsrecht in Empfang zu nehmen, muss er erfahren, dass es bereits an Bertram Hillbrandt, den Gerichtsschreiber in Kerpen, verkauft worden ist. Er erhebt daraufhin am Hofgericht Retraktanspruch gegen Victor Ellermans Frau und Konsorten als die bisherigen Besitzer und gegen den Käufer Hillbrandt. Die Beklagten weisen ihn zurück. Vor allem Hillbrandt weigert sich, die Beschlüsse des "Untergerichts" unter keinen Umständen anzuerkennen ("wan gleich das Capitul St. Gereon ihme den Hoffscholtheißen auff den Kopff thete stehen"), und wirft dem Boten, der das Dekret überbringt, das Schriftstück vor die Füße. Das Hofgericht (Hofschultheiß Johann Wolters) spricht jedoch Müller am 20.3.1696 die Güter zu und befiehlt, ihn als Eigentümer zu zuzulassen (zu "admittieren"). Johannes Müller beginnt, das Land zu bearbeiten und die bisher gereiften Früchte einzufahren. Der unterlegene Bertram Hillbrandt wendet sich daraufhin an den Statthalter von Kerpen als Erbvogt (statt an das Gericht selbst) und, als dieser ebenfalls das Urteil vom 20.3. auszuführen befiehlt, verklagt er Müller, als Jülicher Untertan, beim kurfürstlichen Hofrat in Düsseldorf wegen Beraubung ("Spolium") des ihm, Hillbrandt, zustehenden Ertrags. Die jülich-bergische Gerichtskommission (Freiherr von Hochkirchen und Johann Newmann) lehnen am 25.8.1701 die Klage ab und weisen Hillbrandt an das Kerpener Gericht zurück. Er appelliert daraufhin an den Souveränen Rat nach Brüssel. Das Kapitel von St. Gereon indes sieht seine Rechte und Funktionen als Lehnsherr, insbesondere bei der Verleihung der Güter und der Anerbung sowie bei der Einziehung von Grundpachten, in Frage gestellt. Darüber hinaus ist die Abgrenzung des Hofgerichts zum Landgericht erschwert, weil die Gerichtspersonen, Schultheiß und Gerichtsschreiber, die die Erbung und Buchführung wahrnehmen, vielfach dieselben sind. Beispiele seit 1603 werden in einem beigefügten Rechtsgutachten ("rationes decidendi") aufgezählt; auch (Hof-)Schultheiß Wolters ist zugleich Schöffe in Kerpen. Es versucht zunächst direkt über den Herrn von Werll beim Amtmann Unterstützung durch einen "Executorial-Recess" für die Durchsetzung der Rechtsprechung seines Hofgerichts zu erhalten, sucht aber bald Hilfe beim Souveränen Rat in Brüssel (Advokat Francois Gilles Catz), zumal die eigentliche Appellationsinstanz, das Lehnsappellationsgericht in Junkersdorf, völlig übergangen worden ist. Für die Überbringung und Ausfertigung der Schriften nimmt es den Notar und Gerichtsschreiber von Lommersum Johann Nickell in Anspruch. Zugunsten von Hillbrandt setzt sich 1699 sogar der kurkölnische Steuerverwalter in Kerpen von Tondi ein und erwirkt vom Stiftskapitel St. Gereon für ihn eine, allerdings vorbehaltliche, Lehnsbestätigung. Den Herren von St. Gereon geht es aber nicht nur um die Jurisdiktionsrechte. Es ist ihnen auch um die Einkünfte aus den Lehnsgütern zu tun. So verlangten sie die Grundpachten für die umstrittenen Ländereien, zuerst von Hillbrandt, im Verlauf des Verfahrens ab 1697 dann von Müller. Gegen Ende des Verfahrens, als man eine Kassation des Urteils aus Brüssel fürchtet, wird der Schultheiß angewiesen, die Feldfrüchte auf den Ländereien genau zu registrieren. Und erst recht, als Prokurator Catz seinen Dienst für das Kapitel aufgibt, erinnert dieses nachdrücklich an die Eintreibung der Grundpachten. Auch Johann Müller reicht noch einmal eine Aufstellung aller Ernteerträge seit 1696 ein ("ulterior designatio"), die ihm von Hillbrandt streitig gemacht wurden, so dass ihm bis 1702 ein Schaden von 2653 Rtlr entstanden sei. Der Streit geht offenbar noch Ende 1702 weiter, auch nachdem der Rat von Brüssel in der Tat ein Urteil für Hillbrandt gefällt hat.

Archivaliensignatur
GerKer, 623
Umfang
Schriftstücke: 1 Faszikel von ca. 3 cm

Kontext
Schöffengericht Kerpen >> 1 Zivilsachen >> 1.2 Erb- und Besitzstreitigkeiten
Bestand
GerKer Schöffengericht Kerpen

Indexbegriff Sache
Gerichtskostenrechnung
Grundstücksangelegenheit
Instanzenzug
Lehnsrecht
Retrakt
Spolium = Raub
Verfahrensrecht
Indexbegriff Person
Catz, Francois Gilles, Advokat in Brüssel
De Monte, Engelbert, Syndicus an St. Geron
Ellerman, Victor
Hambloch, Theodor
Hillbrandt, Bertram, Gerichtsschreiber in Kerpen
Hochkirchen, Freiherr von
Hövel, H.W.von den, Scholaster von St. Gereon
Krey
Müller, Johannes, Halbwinner aus Oberaussem
Newmann, Johann, jülich-bergischer << 1701
Tondi, Johann Jacob von
Werll, von
Wolters, Johann
Indexbegriff Ort
Brüssel - Souveräner Rat
Düsseldorf - Hofrat
Kerpen
Köln - St. Gereon
Langenich

Laufzeit
1696 - 1702

Weitere Objektseiten
Geliefert über
Letzte Aktualisierung
24.06.2025, 14:24 MESZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Stadtarchiv Kerpen. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Archivale

Entstanden

  • 1696 - 1702

Ähnliche Objekte (12)