Zeichnung

Kopf des Apostels Paulus

Diese Kopfstudie zum Apostel Paulus ist wie die Zeichnung des Evangelisten Markus (Kat. 102) ein Entwurf zur rechten Aposteltafel Albrecht Dürers in München (A. 184). Auch sie ist auf breit verstrichenem, braun grundiertem Papier angelegt. Allerdings wurden hier Papierstreifen versetzt. Die übereinstimmende Farbe und Pinselstruktur der Grundierung lassen erkennen, dass die oben und rechts angesetzten Papierstreifen mit Datum und Monogramm zum ursprünglichen Bestand gehören, jedoch später unten und links abgeschnitten und an die heutige Stelle versetzt wurden. Ähnlich durchgreifend wie das Umkleben von originalen Papierstreifen waren die von Dürer vorgenommenen kompositorischen Veränderungen der Kopfstudie bei der Übertragung auf die Malfläche. Auf der Aposteltafel erscheint der auf dem Berliner Blatt dem Betrachter aus dem Profil leicht zugewandte Kopf in noch entschiedenerer Seitenansicht. In der Unterzeichnung der Münchner Tafel (vgl. Kat. München 1998, Abb. S. 496) werden Irritationen bei der Übertragung des Entwurfs in das strenge Profil erkennbar. Möglicherweise stehen auch einige auf der Zeichnung innerhalb der gültigen Kontur an Nase, Brauen und Kopfkalotte verlaufende, schwach erkennbare Parallelzüge einer alternativen Kopfwendung mit dieser Orientierungsvariante in Verbindung. Solche auf der Zeichnung erprobten Veränderungen unterstreichen auch den gegenüber der Markuszeichnung wesentlich stärker zweckgerichteten Charakter dieses Blattes als Arbeitsmittel Albrecht Dürers. Er zeichnete die Studie des älteren Herrn bereits in Hinblick auf das Gemälde. Bei der Umsetzung ins Bild wurden dann aber die Spuren des Alters noch eindringlicher und aufwendiger geschildert. In der Skizze verzichtete Dürer noch auf die Angabe von typischen Altersanzeichen, etwa Krähenfüße um die Augen, aber auch auf die detaillierte Schilderung gewundener Venenläufe an den Schläfen, wie sie die ausgeführte Bildtafel zeigt. Lediglich die charakteristischen tektonischen Verschiebungen der alternden Gesichtshaut werden auf der Zeichnung bereits zur Schilderung eines gelehrten Melancholikers genauer angegeben, den der Apostel repräsentiert (vgl. Schuster 1991, S. 113). Hier finden sich kleine Vertikalfalten über den wulstig-verkniffenen Brauenbögen, die durch die schräge Fixierung des grimmigen Blicks hochgeschoben werden. Weiter unten scheint die altersgemäß leicht erschlaffte Wangenhaut einer nicht erkennbaren Mundbewegung zu folgen. Im Zusammenhang mit den Personen auf den Münchner Aposteltafeln ist lange und kontrovers über die Möglichkeit von Kryptoporträts, versteckten Bildnissen, diskutiert worden. Sie wurde erstaunlicherweise nicht auf die zugrunde liegenden Zeichnungen übertragen, die denn auch tatsächlich keine physiognomischen Indikatoren für eine der in dieser Identifizierungsdebatte stehenden Personen bieten. Z. B. wurde Paulus mit dem damals 26-jährigen Joachim Camerarius identifiziert, eine Deutung, der Anzelewsky mit Recht widersprach. Text: Michael Roth in: Dürers Mutter. Schönheit, Alter und Tod im Bild der Renaissance. Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin 5.5.-16.7.2006, Berlin 2006, S. 158, Kat. 101 (mit weiterer Literatur)

Material/Technik
Schwarze Kreide, weiß gehöht, auf braun grundiertem Papier
Maße
Blattmaß: 38,1 x 29,2 cm
Standort
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
Inventarnummer
KdZ 3875

Klassifikation
Zeichenkunst

Ereignis
Herstellung
(wer)
Albrecht Dürer (21.5.1471 - 26.4.1528, Zeichner)
(wann)
1526

Rechteinformation
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
Letzte Aktualisierung
03.03.2023, 08:33 MEZ

Objekttyp


  • Zeichnung

Beteiligte


  • Albrecht Dürer (21.5.1471 - 26.4.1528, Zeichner)

Entstanden


  • 1526

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