Bestand
Rechnungshof des Deutschen Reiches (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Unter der Bezeichnung Rechnungshof des Norddeutschen Bundes übernahm die
Preußische Oberrechungskammer erstmalig für die Rechnungsjahre 1867-1869
die Kontrolle des Haushalts des Deutschen Reiches unter Umbenennung der
Behörde in Rechnungshof des Deutschen Reiches.
Neben der Kontrolle des Reichshaushalts war die Oberrechnungskammer
in ihrer Funktion als Rechnungshof für die Prüfung des Landeshaushalts
von Elsass-Lothringen (1874-1919) sowie für die Kontrolle des Haushalts
des Schutzgebiete (seit 1892/95 Afrika, seit 1898 alle Schutzgebiete)
verantwortlich. Der Rechungshof (RH) wurde vom Chefpräsidenten der
Oberrechungskammer geleitet; seine Mitglieder wurden auf Vorschlag des
Bundesrates vom Kaiser ernannt.
Die Aufgabe der
Rechnungsprüfung des Reichshaushalts musste der Oberrechnungskammer durch
wiederholte Einzelgesetzgebung meist jährlich neu übertragen
werden.
Durch Artikel 86 S. 2 der Weimarer
Verfassung ("Die Rechnungsprüfung wird durch Reichsgesetz geregelt")
wurde die Rechnungsprüfung für die Reichsverwaltung verfassungsrechtlich
fundiert. Die Reichshaushaltsordnung vom 31.12.1922 sah dementsprechend
die grundsätzliche Prüfung des Reichshaushalts durch den Rechnungshof des
Deutschen Reiches vor (Legalisierung der Prüfung der "Wirtschaftlichkeit
der Verwaltung"). Damit wurde erstmals die Rechnungsprüfung als Recht des
Staates fixiert; zugleich wurde die Einrichtung des RH als selbständige,
von der Reichsregierung unabhängige Reichsbehörde, geregelt. Die
Reichshaushaltsordnung bestimmte - als eine wichtige Zielsetzung des RH
nach Prüfung der gelegten Jahresrechungen - Denkschriften über die
hauptsächlichsten Prüfungsergebnisse anzufertigen und der Reichsregierung
Vorschläge zur Behebung festgestellter Mängel in de Verwaltung zur
Abänderung und Auslegung von Gesetzen zu unterbreiten.
Der RH der Weimarer Republik stellte ein Kollegium aus Präsident,
Direktoren und Räten dar, das alle grundsätzlichen Angelegenheiten durch
Mehrheitsbeschluss in der Vollversammlung entschied. Zur Entscheidung
sachlich begrenzter, nur einzelne Verwaltungsgebiete betreffender
Angelegenheiten räumte die Reichshaushaltsordnung die Bildung von
Senaten, die aus mindestens 3 Mitgliedern bestehen mussten, ein. Des
Weiteren konnte die gutachterliche Tätigkeit auf Ersuchen der
Reichsminister, des Reichstages und des Reichsrates erfolgen; darüber
hinaus konnten auch Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit vom RH
geprüft werden, Der Präsident und die übrigen Mitglieder des RH wurden
nunmehr vom Reichspräsidenten unter Gegenzeichnung des Reichsministers
der Finanzen ernannt. Der Präsident des RH war in Personalunion zugleich
zuständig für die Leitung der preußischen Oberrechnungskammer. Allerdings
führte er ab 1. Oktober 1922 nicht mehr die preußische, sondern die
Reichsbehörde hauptamtlich.
Präsidenten des RH
waren:
1869-1890: Karl Ewald von Stünzner
1890-1898: Arthur Paul Ferdinand von Wolff
1898-1914: Eduard Ludwig Karl von Magdeburg
1914-1922: Ernst Holz
1922-1938
Friedrich Ernst Moritz Saemisch
1938-1945 Heinrich
Müller
1922 wurde Saemisch außerdem zum
Reichssparkommissara ernannt mit der Aufgabe, zusammen mit dem
Reichsfinanzminister den gesamten Haushalt zu überprüfen und darüber
Gutachten zu erstellen.
Unterstützt wurde er vom
Sparausschuss des Reichstages.
Im Dezember 1933
wurde diese Stelle wieder aufgelöst und die Aufgaben gingen auf die neue
Präsidialabteilung des Rechnungshofes über.
Als
oberste Rechnungsprüfungs- und Kontrollbehörde oblag dem RH die
Übehrwachung der gesamten Reichshaushaltsführung durch Prüfung der
Haushaltsrechungen einschließlich der außerplanmäßigen Einnahmen und
Ausgaben aller Reichsveraltungen, der Rechnungen über das gesamte, nicht
in Geld bestehende Eigentum des Reiches sowie der Bücher und
Rechnungsunterlagen der Betriebe des Reiches.
Seit
Ende des 1. Weltkrieges hatte der RH auch hin zunehmenden Maße die
Verwendung der Reichsmittel zu kontrollieren, die in Form von Darlehen,
Krediten, Bürgschaften, Beihilfen und Beteiligungen in die private
Wirtschaft flossen, indem sowohl bedeutende Wirtschaftsuntennehmen als
auch eine Reiche kleinerer Betriebe in sein Prüfungsgebiet einbezogen
wurden.
Die innere Struktur des RH blieb im
Wesentlichen in der gesamten Zeit seines Bestehend unverändert. Er
gliederte sich in die Präsidialabteilung und in eine wechselnde Anzahl
von Prüfungsabteilungen, denen die zu prüfenden Behörden und Unternehmen
nach sachlichen Gesichtspunkten zugeordnet wurden. Zur Sammlung und
karteimäßigen Erschließung von Gesetzen, Verordnungen,
Verwaltungsbestimmungen, Dienstvorschriften und sonstigen für die
Rechnungsprüfung benötigten Unterlagen war der Präsidialabteilung eine
Nachrichtenstelle angegliedert, die ab 1937 die Bezeichnung "Archiv"
führte.
1933 wurde der RH als eine der
Reichsregierung gegenüber selbständige oberste Reichsbehörde bestätigt,
jedoch das bisherige Verfahren der Mehrheitsbeschlüsse aufgehoben und dem
Präsidenten weitgehend Weisungsbefugnis an alle Organe des RH eingeräumt.
Mit Ausnahme der Wehrmachtkontrolle und der Verwendnugsprüfung von
Zuschüssen des Staates an die NSDAP konnte der RH zunächst seine Aufgaben
im Rahmen der Finanzkontrolle auch nach 1933 in vollem Umfang
wahrnehmen.
1934 wurde das Büro des
Reichssparkommissars, der mit der Beratung der Reichsregierung in allen
Fragen der Haushaltsführung und zweckmäßigen Gestaltung, Vereinfachung
und Verbilligung der Verwaltung beauftragt war, aufgelöst und seine
wichtigsten Funktionen einem Büro der Präsidialabteilung des RH
überwiesen.
Ebenfalls ab 1934 bestanden durch das
Gesetz zur Erhaltung und Hebung der Kaufkraft Möglichkeiten, die
Zuständigkeit des RH auf die Prüfung von Körperschaften, Anstalten u. a.
juristische Personen des öffentlichen Rechts auszudehnen (endgültig
gesetzlich festgelegt durch die Reichsprüfungsordnung vom 30. März
1938).
Im Zuge der Reichsreform-Bestrebungen des
3. Reiches bracht das "Gesetz über die Haushaltsführung, Rechnungslegung
und Rechnungsprüfung der Länder und über die vierte Änderung der
Reichshaushaltsordnung" vom 17. Juni 1936 wichtige Beränderungen: mit
Beginn des Rechnungsjahres 1936 wurde die Prüfung der Haushalts- und
Wirtschaftsführung der Länder dem TH übertragen, In Anlehnung an die
bereits bestehenden Landesprüfungsämter errichtete der RH 1937 zu diesem
Zweck jeweils für ein oder mehrere Länder zuständige Außenabteilungen,
und zwar zunächst in Hamburg, Karlsruhe, Leipzig (ab 1940 Dresden) und
München. Später kamen noch Wien (1939), Posen (1942) und Metz (1942)
hinzu. Diesen Außenabteilungen des RH wurden von den Ländern als
Vorprüfstellen "Rechnungsämter" entsprechend der "Vorprüfordnung für die
Länder" vom 9. April 1937 zugeordnet.
Nach 1938,
insbesondere während des Krieges, verlagerte sich der Schwerpunkt der
Prüfungstätigkeit des RH: einerseits wurde die Rechnungsprüfung der
Verwaltungen im sogenannten "Altreich" reduziert, andererseits jedoch die
Zuständigkeit des RH auf alle deutschen Verwaltungen in den besetzten
Gebieten ausgedehnt und dort auch in vielem Umfang wahrgenommen.
Lediglich das Generalgouvernement und die autonome Protektoratsregierung
verfügten über eigene Prüfungsämter.
.
Bestandsbeschreibung:
Bestandsgeschichte
Der überwiegende Teil der sich
schon im Reichsarchiv befindlichen Registratur des RH gelangte nach
kriegsbedingter Auslagerung in das ehemalige Zentrale Staatsarchiv der
DDR. Ein weiterer Teil der vorhandenen Überlieferung befand sich bei
Kriegsende noch in den Dienstgebäuden des RH in Potsdam und Berlin und
gelangte nach 1946 ins Archiv. Die durch den alliierten Luftangriff vom
April 1945 auf Potsdam eingetretenen Verluste belaufen sich auf ca. 9
lfm.
Da die preußische Oberrechungskammer 1934 die
Prüfung von Reichaufgabe für Kunst, Wissenschaft, kirchliche
Angelegenheiten und Forstwirtschaft übernahm (für diese Gebiete bestanden
bei der preußischen Oberrechungskammer bereits entsprechende Abteilungen)
befinden sich diese Überlieferungen - ebenso wie die Vorakten des RH im
Bestand Rep. 138 des Geheimen Staatsarchivs, Stiftung preußischer
Kulturbesitz.
Archivische Bewertung und
Bearbeitung
Die Registraturen des RH unterschieden
entsprechend der Aufgabenstellung der Behörde drei Aktengruppen, die sich
auch in der Klassifikation widerspiegeln:
-
Allgemeine Akten
- Fachakten mit speziellen
Prüfungsunterlagen und -anweisungen
-
Prüfungsakten für die eigentlichen Prüfungsverhandlungen.
Im vorliegenden Findbuch werden sowohl die relevanten
Akten der bis 1990 im Zentralen Staatsarchiv als Bestand R 2301
verwahrten Überlieferung als auch die im Bundesarchiv als Bestand R 47
verwahrten Akten erfasst.
Dabei wurden zwar durch
Zusammenführung beider Überlieferungsteile notwendige Vereinheitlichungen
einzelner Erschließungsinformationen vorgenommen, eine vollständige
Neuverzeichnung hat jedoch nicht stattgefunden.
Die allgemeinen Akten wurden nach einem einheitlichen Aktenplan
geführt und stehen zusammengefasst am Anfang des Bestandes. Die Fach- und
Prüfungsakten sind entsprechend dem zuletzt gültigen
Geschäftsverteilungsplan geordnet. Daneben werden die Akten des "Archivs"
als relativ selbständiger Strukturteil mit verschiedenen
Spezialregistraturen gesondert aufgeführt.
Bei der
Verzeichnung der Akten war in der Regel die Bildung archivischer
Aktentitel, Bandfolgen und Serien erforderlich; dabei war, aufgrund der
Spezifik des Bestandes, die Bildung gleichlautender Titel
unvermeidbar.
Inhaltliche Charakterisierung: Die
Überlieferung des Rechnungshofes deckt mehr oder weniger umfangreich das
Gesamtaufgabenspektrum der Behörde mit folgenden
Überlieferungsschwerpunkten ab:
- Organisations-,
Rechts-, Verwaltungs- und Betriebsangelegenheiten
- Rechnungshof und Reichssparkommissar
-
Beamtenpflichten und-rechte
- Angelegenheiten von
Angestellten und Arbeitern
- Haushalts-, Kassen-,
Rechnungs-, und Rechnungsprüfungswesen
- Fach- und
Prüfungsakten über einzelne Behörden und Unternehmen wie
Reichsfinanzministerium, Reichsarbeitsministerium,
Reichsministerium
des Innern, Reichsstelle für
Raumordnung, Reichsnährstand, Reichsstellen und Hauptvereinigungen,
Vereinigte Industrieunternehmungen AG und
Untergesellschaften (VIAG), Kleinbahnunternehmen und
Wohnungsbauunternehmen, Hauptversorgungs- und Versorgungsämter sowie
Wehrmachtversorgungsämter
- Sammlung von
Verwaltungsberichten, Statuten und sonstigen Druckschriften von
Verwaltungen auf Orts- und Kreisebene (Orte A-Z)
-
Haushaltspläne und Haushaltsrechnungen der Länder und kommunalen
Einrichtungen
- Gesetzsammelmappen
Darüber hinaus gehören 3089 Personalakten zum
Bestand.
,
Zitierweise: BArch R
2301/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch R 2301
- Umfang
-
14491 Aufbewahrungseinheiten
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Finanzen, Bau und Raumordnung
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Amtliche Druckschriften: Die Denkschriften und Bemerkungen des Rechnungshofes zu den Reichshaushaltsrechnungen sowie sonstige Denkschriften erschienen als Drucksachen des Reichstages.
Rangliste (ab 1904: Liste) der Beamten der Königlich-preußischen Oberrechnungskammer und des Rechnungshofes des Deutschen Reiches. Zusammengestellt von F. Krüger (ab 1904 J. Gleesner).- Potsdam bis 1914.
Rechnungslegungsordnung für das Reich (RRO), 1929, 1935-1936, 1939, 1942 [RD 106/2]
Vorprüfungsordnung für die Länder (VPOL), 1937 [RD 106/1].
Literatur: Rainer Weinert: Die Sauberkeit der Verwaltung im Kriege - Der Rechnungshof des Deutschen Reiches 1938-1946. Westdeutscher Verlag GmbH. Opladen. 1993.
Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates, hrsg. von Heinz Boberach, München 1991, Teil 1, S. 335-337.
- Provenienz
-
Rechnungshof des Deutschen Reiches (RH), 1868-1945
- Bestandslaufzeit
-
1822-1946
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Rechnungshof des Deutschen Reiches (RH), 1868-1945
Entstanden
- 1822-1946