Brief | Korrespondenz
Brief von Arthur Segal an Raoul Hausmann. Berlin
Motiv Inhalt: "Charlottenburg Dernburgstr. 25 15 Mai 21 1 Uhr Nachts. Lieber Hausmann. Nachdem Sie fortgingen habe ich nochmals Ihren Brief gelesen, und ich habe doch ein greuliches Gefühl das mir weh tut - Die Stelle wo Sie mir schreiben ich hätte eine Menge für Sie getan tut mir weh - Ich komme mir da vor wie ein Bourgeois - Wissen Sie lieber Hausmann daß man manchmal einen «Wohltäter» totschlagen möchte? Wohltäter ist so etwas entsetzliches - mir ist ein Übeltäter fast lieber. Ich habe für Sie was getan! Eine Menge getan! Entsetzlich! - Jetzt muß ich aber schimpfen - tüchtig schimpfen; leider kann ich es nicht so wie Sie - Ich möchte Sie so runtermachen wie Sie neulich Baader runtergemacht haben - Sie Dadaiste Sie! oder auch, Sie Antidadaiste Sie! Sie Spießbürger - aber seien Sie ruhig - Ich bin es auch - ich würde auch so wie Sie empfunden haben - Wenn mir Jemand hilft, so belastet es mich, ich möchte dann millionenfältig zurückgeben - und wenn ich es nicht kann da möchte ich erdrosseln - Wir wollen uns klar werden - Die Schuld unseres Confliktes liegt nicht an uns - sondern an den Verhältnissen - Daß Einer geben kann und der Andere nicht - daran liegt es - Sie verstehen mich - Es ist unerhört daß es Reiche gibt die den Armen geben - Wenn auch ein Bettler einem Bettler gibt, so ist der Gebende der Reiche - Lieber Hausmann, wenn Sie wüßten wie das Problem des Gebens und Nehmens mich beschäftigt hat und noch beschäftigt - Ich habe um mich zu befreien von dem Druck des Nehmens und Gebens ein Buch geschrieben [1], nach einem Erlebnis mit Rubiner [2] - und jetzt schreiben Sie mir ich hätte eine Menge für Sie getan, und ich wohl denke Sie hätten mir einen schlechten Dienst geleistet! Erdrosseln könnte ich Sie - Ich könnte - na - Sie Spießbürger - was habe ich für Sie getan? - Was kann ich für Sie tun? Ich habe Sie lieb - das ist alles - Und ich möchte für Sie - aber auch für Alle - Alles tun - Hören sie ich will «ungleichwertig» [3] sprechen - Sie sind einer der bedeutendsten Menschen die ich kenne - aber ebenso ungleichwertig sage ich Sie sind ein Spießer - und so hebe ich die Ungleichwertigkeiten auf und Sie bleiben mir ein lieber Mensch - Kommen Sie bitte mit dem lieben Menschen Hanna Höch kommenden Donnerstag abend zu uns - Der Gösch [4] wird auch da sein - ich will Ihnen einige Püffe geben - und wissen Sie was? Vortragen sollen Sie nie mehr bei uns - Warum? Das sage ich Ihnen mündlich - Die herzlichsten Grüße Ihnen Beiden - (nicht «Mit bester Empfehlung - Ihr Ergebener») Ihr A. Segal Herzl. Grüße Ihnen Beiden von meiner Frau -" [1] Unveröffentlichtes Manuskript von Arthur Segal Über das Geben und Nehmen, Leo Baeck Institute, New York. [2] Ludwig Rubiner (1881-1920), Journalist und Schriftsteller. [3] Anspielung auf die von Segal seit 1916 in Abkehr von der expressionistischen Malerei entwickelte Kunsttheorie der "Gleichwertigkeit", die sein weiteres Schaffen dominierte. (4) Paul Goesch (1885-1940), Maler, Architekt, Entwurfzeichner und Lithograph.
Anzahl Teile/Umfang: 1 Blatt
- Standort
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Berlinische Galerie
- Inventarnummer
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BG-HHC K 4094/79
- Weitere Nummer(n)
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BG-HHE II 21.25
- Material/Technik
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Papier, handgeschrieben
- Würdigung
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Erworben aus Mitteln des Senators für Kulturelle Angelegenheiten, Berlin
- Bezug (was)
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Brief
Korrespondenz
2.1.3 von Dritten an Dritte (pK)
Nachlass-Hannah-Höch
todo motiv inhalt
- Ereignis
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Herstellung
- (wann)
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15.05.1921
- Letzte Aktualisierung
-
26.09.2024, 12:30 MESZ
Datenpartner
Berlinische Galerie - Museum für Moderne Kunst. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Korrespondenz; Brief
Beteiligte
Entstanden
- 15.05.1921