Bestand
Rep. 083 Lehrstuhl Prof. Dr. Toth, Imre (Bestand)
Bemerkungen Biographisches: Imre Tóth wurde am 26.12.1921 als Sohn eines germanophilen früheren k.u.k. Beamten in Satu-Mare im heutigen Rumänien in eine jüdisch-ungarische Familie geboren. Während seine Familie im Holocaust ermordet wurde, überlebte Tóth paradoxerweise, weil er im Widerstand war und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt war. Am 6. Juni 1944 wurde er mit anderen Häftlingen zu einem Zug gebracht, als ein Offizier kurz vor der Abfahrt meldete, dass die Alliierten in der Normandie gelandet waren; so wurden die Häftlinge wieder zurückgeführt. 1948 erwarb er an der Universität Bolyai in Cluj ein "Diploma licentiae" in Mathematik und Physik. Danach unterrichtete er Philosophie und Mathematikgeschichte an der Universität Bukarest. Seine Dissertation mit dem Titel "Das Parallelenproblem im Corpus Aristotelicum" (Heidelberg/Berlin/New York) erschien 1967. Positive Äußerungen zum Ungarischen Aufstand führten 1958 zu seinem Ausschluss aus der Kommunistischen Partei Rumäniens, was seine akademische Laufbahn massiv behinderte. Im WS 1969/70 kehrte er von einer Gastprofessur an der Universität Frankfurt am Main nicht zurück. Im WS 1970/71 war er Gastprofessor an der Ruhruniversität in Bochum; eine Gastprofessur an der Western Case Reserve University und an der University of Alabama lehnte er wegen seines Aufenthalts in Frankfurt am Main ab. Noch bis weit in die 1970er Jahre hinein hatte er seinen Hauptwohnsitz in Wiesbaden. Beim "Vorsingen" in Regensburg errang er den ersten Listenplatz. Er wurde am 28. Oktober 1971 von Rektor Gustav Obermair vereidigt. 1974 heiratete er in zweiter Ehe; er hatte drei Kinder. Im Dezember 1974 erhielt Tóth die deutsche Staatsbürgerschaft. An der Universität Regensburg arbeitete Tóth in zahlreichen Gremien, so in der Bibliothekskommission (Nr. 20) und in der Lehrerbildung (Nr. 19 und 22), was ihn jedoch keineswegs davor schützte, wegen übertriebener Buchausleihen wiederholt von der Zentralbibliothek gemahnt zu werden (Nr. 20). Besondere Aufmerksamkeit widmete er der Betreuung von Studierenden. Einer seiner bekanntesten Promovenden war der Raketenforscher Prof. Dr. Boris Kit (Nr. 66). Als bedeutendste Entdeckung charakterisierte 1981 die Entdeckung von 23 Fragmenten eines nicht-euklidischen Systems bei Aristoteles. Einen Ruf an die Universität Amsterdam nutzte er für Nachverhandlungen in Regensburg (Nr. 40). Im WS 1975/76 nahm er ein Forschungsfreisemester. Prof. Dr. Imre Tóth ist die Etablierung des Faches Wissenschaftsgeschichte an der Universität Regensburg zu verdanken (Nr. 21 und Nr. 43). Die umfangreichen Schriftwechsel Tóths vermitteln einen Eindruck, wie er in der Scientific Community (und darüber hinaus) vernetzt war. Tóth war Gastprofessor 1975 an der Ecole Normale Superieure in Paris. Über seinen Aufenthalt schildert er in Paris selbst ein wenig in einem Brief an Richard Jacob (DAAD, Paris) (Nr. 40), wo er auf zahlreiche Personen traf und auch im Institut Henri Poincaré vortrug. Er hielt Gastvorlesungen u.a. in München, Zürich, Paris, Aachen, London, Erlangen, Regensburg und Bochum. Eine Einladung nach Princeton konnte er im Oktober 1970 wg. Visum-Schwierigkeiten nicht antreten. Zum XIII. Internationalen Kongress für Geschichte der Wissenschaften war er 1971 nach Moskau eingeladen. Tóth war Mitglied der US-amerikanischen Society for Ancient Greek Philosophy und Associate Editor der "Philosophia Mathematica" an der Memphis State University (vgl. Nr. 41). 1988 zog er in eine Bedienstetenwohnung in der Rilkestr. 29 um. 1989 unternahm er im Sommer eine längere Reise nach Bologna in Italien. Er wurde zum 1. April 1990 entpflichtet; im Sommer ist er bereits in Budapest zu finden. Wenig später zog er nach Paris, wo er am 11. Mai 2010 verstarb. Tóth ist einer der bedeutendsten Mathematikhistoriker und Philosophen des 20. Jahrhunderts.; Vorwort Bestandsgeschichte Bei der Überlieferung an der Universität Regensburg handelt es sich um einen Überlieferungssplitter, denn Tóth hatte alle seine Unterlagen nach Paris mitgenommen. Die Pariser Nationalbibliothek bot bedeutende Summen auf, um den vollständigen Nachlass zu erhalten. Dem Leiter des Universitätsarchivs Dr. Martin Dallmeier gelang es jedoch 2010 eine Anzahl von Unterlagen nach Regensburg zu holen, die sich primär mit dem Wirken Tóths an der Universität Regensburg beschäftigten - und damit zugleich wertvolle Quellen für die ersten Jahre der Universitätsgeschichte. Tóth hatte seine Unterlagen noch einmal gesichtet und einige Stichpunkte zum Inhalt vermerkt. Seine Ablage erfolgte i.d.R. thematisch und innerhalb der einzelnen Themen chronologisch, ausgenommen die Fachbereichsprotokolle, die quer über den Bestand verteilt waren. Die zahlreichen Manuskripte, gerade auch aus Tóths früher akademischer Zeit in Rumänien, bieten einen tiefen Einblick in sein wissenschaftliches Denken. Interessant ist sicherlich auch der Hinweis, der den Protokollauszügen des Kleinen Senats zu entnehmen ist: Tóth ließ die Protokolle regelmäßig an seinem Lehrstuhl umlaufen (Nr. 90 bis Nr. 93). Im August 2013 verzeichnete der neue Archivleiter Dr. Andreas Becker den Bestand. Kassiert wurden nur einige Kopien sowie doppelte Unterlagen, die keine Notizen Tóths oder anderer enthielten. Der Bestand wurde entmetallisiert, klassifiziert und anschließend neu verpackt. Im April 2014 ordnete Praktikant Julius-Maximilian Hühn die Korrespondenzen alphabetisch.
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Rep. 083
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05.06.2025, 11:18 AM CEST
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