Archivbestand
270,11/Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e.V. (Bestand)
Verwaltungsgeschichte/biographische Angaben:
Form und Inhalt: Vorwort zum Bestand 270,11/Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e.V.
Vereinsgeschichte
Die Gesellschaft der Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e.V. (GETHEKOS, später Thekos) wurde am 18. Januar 1951 unter der Leitung von Ewald Kipper gegründet. Angeregt worden war die Vereinsgründung durch Oberbürgermeister Artur Ladebeck (1891-1963), der dem im städtischen Haushalt unterfinanzierten Stadttheater neue Wege der Mittelbeschaffung verschaffen wollte.
Sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs prägten Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und Währungsreform die junge Bundesrepublik und das alte Bielefeld. Anfang Januar 1950 hatte der Rat für das Stadttheater beschlossen, das Drei-Sparten-Haus beizubehalten, also weiterhin Schauspiel, Oper und Operette auf die Bühnen zu bringen. Das war außerordentlich ambitioniert, zumal mit dem Theater am Niederwall und dem Theatersaal am Alten Markt zwei Häuser zu bespielen waren - und zwar täglich. Am Niederwall verzeichnete man 1950 eine Auslastung von 68 bis 70 %, am Alten Markt von 80 %. Allerdings sorgten Ermäßigungen für den Jugendkulturring und die Volksbühne für Einnahmenabschläge, so dass die Erlöse nur bei 55 % und 60 % lagen. Um diese Defizite nicht wiederholt aus dem städtischen Haushalt auszugleichen, bedurfte es neuer Finanzierungsmodelle.
Bereits im Januar 1950 sprach Oberbürgermeister Ladebeck in einem Interview mit der Freien Presse die Gründung einer "Gesellschaft der Freunde des Theaters" an, ohne dass sich etwas tat. Im Dezember 1950 streckte er die Finger Richtung Unternehmerschaft aus, um das Theater finanziell abzusichern. Kaum vier Wochen später, am 18. Januar 1951 begrüßte der inzwischen an die Spitze der Initiative berufene ASTA-Direktor Ewald Kipper (1893-1976) zur Gründungsversammlung im "Westfalenhaus" (dem ehemaligen "Kyffhäuser" am Kesselbrink) 38 Personen, darunter auch Ladebeck. Kipper verwies auf dessen Initiative, Menschen zu gewinnen, "die aus Begeisterung, Idealismus und praktischem Sinn heraus bereit und in der Lage seien, sich für das Theater einzusetzen". Bis zur Gründungsversammlung hatte ein Vorbereitungskreis unter Vorsitz Kippers acht bis zehn Mal getagt.
Ein 8-Punkte-Programm Kippers umfasste: 1. Werbung für den Kartenabsatz, "um eine finanzielle Gesundung des Theaters" zu erreichen, "2. Unterstützung der Intendanz bei der Programmneuausrichtung auf das Publikum", 3. Pflege der Verbindung zwischen Theater und Publikum, 4. Premieren wieder als Festveranstaltung, 5. Sondergastspiele und Vermittlung von Anregungen seitens der Bevölkerung, 6. Einsatz eingeworbener Finanzmittel, dass diese "in echter Weise wirksam werden zur Förderung des Theaters", 7. jährlicher Theaterabend für die Mitglieder, 8. Herausgabe von Informationsblättern. Die vorbereiteten Statuten wurden einstimmig verabschiedet und Kipper zum Vorsitzenden bestimmt, dem ein achtköpfiger engerer Vorstand zur Seite gestellt wurde.
Am 23. Februar 1951 veranstaltete der junge Verein bereits eine "Erste festliche Veranstaltung" in der Rudolf-Oetker-Halle. Nachdem ein Sommerfest auf der Sparrenburg wegen einer Termindoppelung mit einem Konzert in der Rudolf-Oetker-Halle kurzfristig abgesagt werden musste, präsentierte sich der Verein am 24. August 1951 im Stadttheater mit einem neuen Format: "Neue Stimmen stellen sich vor". Als Kipper 14 Monate nach der Gründung die erste reguläre Mitgliederversammlung eröffnete, konnte er zwar einen, auf den ersten Blick recht beeindruckenden, Stand von 643 Mitgliedern verkünden, gleichwohl war das Ziel, 1.000 Mitglieder zu zählen, deutlich verfehlt worden, und die mittelfristig erhofften 2.000 kaum noch realistisch.
Von Anfang an bestimmten Diskussionen um Reichweite und Grenzen einer Teilhabe an politischen Prozessen, Ausgabenkontrolle und programmatisch-qualitativer Entwicklung das Verhältnis zwischen dem Verein, der Verwaltungsspitze, Kulturverwaltung und Theaterintendanz und -verwaltung, die eine gewisse Reserviertheit zeigten gegenüber ebenso spendablen wie engagierten Laien, und das blieben sie offensichtlich aus Sicht ihrer Gegenüber. Kulturdezernent Paul Jagenburg (1889-1975) wies frühzeitig auf mögliche Kompetenzkonflikte der neuen Gesellschaft und dem Kulturausschuss hin, aus dessen Reihen ebenfalls Unbehagen geäußert wurde, wenn der Verein, wie von Ladebeck angeregt, als Vereinsziel in die Satzung aufgenommen und immer wieder propagiert, einen Sitz im Kulturausschuss erhielt. In der Folgezeit forderte die GETHEKOS detaillierte Einsicht in die Haushaltsführung des Theaters und mengte sich wiederholt in Personalfragen ein, was das Verhältnis noch stärker abkühlen ließ.
Parallel hatte schon im August 1951 ein Konflikt mit der Volksbühne einen ersten Höhepunkt erreicht, als deren Vertreter Richard Schreiber aus dem Verein ausgeschieden war. Carl Dittrich, Geschäftsführer der Volksbühne, begründete dieses mit der "Tendenz der Gesellschaft, sich zu einer reinen Besucherorganisation zu entwickeln, die in ihrem Bestreben, der bisher bestehenden Besucherorganisation Volksbühne Abbruch zu tun, heute eindeutig auftritt", was dem Gründungsgedanken eindeutig widerspreche. Veranlasst war diese Reaktion durch eine Bestellung von 1.800 Karten durch die Firma Delius über die GETHEKOS. Firmen konnten diese Ausgaben als soziale Betriebsausgaben steuerlich absetzen und die Karten an das Personal günstiger abgeben, als wenn diese selbst bei der Volksbühne bestellten. Folge war eine regelrechte Austrittswelle bei der Volksbühne. Eine Aussprache hatte letztlich zu keiner Annäherung geführt.
Einen gewissen Alleinvertretungsanspruch konnte die GETHEKOS nicht verhehlen und wollte dieses auch nicht. Diese Einstellung führte zur bereits in der Satzung festgelegten Forderung nach einer Vereinsrepräsentanz im Kulturausschuss. Nachdem diese am 7. März vom Kulturausschuss wegen des Präzedenzfallcharakters abgelehnt worden war, diskutierte der Vorstand eine Vereinsauflösung, da die Vereinsziele ohne diesen Sitz als unerfüllbar galten. Im Frühjahr 1953 wurde die Forderung nach einem beratenden Sitz im Kulturausschuss erfüllt. Das ist umso bemerkenswerter, da die Volksbühne, der Jugendkulturring und der Bielefelder Besucherring kein derartiges Mandat erhielten, sondern über die GETHEKOS als eine Art Dachorganisation mitvertreten galten, obwohl das Verhältnis gerade wegen der eingetretenen Konkurrenz um Kartenabonnements inzwischen alles andere als harmonisch war.
In den Folgejahren normalisierte sich das Verhältnis zur Verwaltung, zumal sich die GETHEKOS schnell auf die finanzielle und ideelle Förderung von Theaterveranstaltungen und -talenten verlegte. Sie forcierte den Kartenvertrieb und nahm sich in Organisationsfragen stark zurück. Ewald Kipper blieb bis 1959 Vorsitzender, erwarb sich parallel höchste Verdienste im städtischen Kulturleben, als er die Jugend-Musikschule 1956 mitgründete und den dazugehörigen Verein leitete.
Seit 1982 verleihen die "Theater- und Konzertfreunde" beim "Festlichen Auftakt" zum Beginn einer jeden Spielzeit den Operntaler, seit 1992 den Schauspieltaler, später kamen gelegentlich ein Tanztaler und bisher einmalig ein Orchestertaler hinzu. In diesen Jahren rief der Verein auch eine eigene Kammerkonzertreihe ins Leben, um jungen und besonders hoffnungsvollen Musikern und Musikerinnen vor ihrem Einstieg ins Berufsleben die Möglichkeit für einen öffentlichen Auftritt zu geben. Dieses Format wurde zunächst als "Ihr erster Auftritt" bekannt und fand im Vortragssaal der Kunsthalle statt, bevor es dann Anfang der 1990er-Jahre als "Das junge Konzertpodium" ins 1. Obergeschoss der Kunsthalle verlegt wurde. Im Laufe der Jahre verteuerten sich allerdings die Veranstaltungskosten so sehr, dass der Vorstand 2015 mit Bedauern beschloss, die Reihe nicht länger fortzusetzen. Der Verein der Theater- und Konzertfreunde engagierte sich zusammen mit der "Neuen Westfälischen" für die erfolgreiche Neubestuhlung der Rudolf-Oetker-Halle. Im August 1993 begann mit dem Slogan "Neue Stühle für die Oetker-Halle!" die Spendenaktion und der Verkauf einer Benefiz-Graphik des Konzerthauses von Otmar Alt. Für die neue Bestuhlung des von 2004 bis 2006 umgebauten Stadttheaters sammelten die Thekos erneut 350.000 Euro.
In den letzten Jahren haben die Thekos ein Hauptgewicht auf Begegnungen mit den Künstlern im Theater und Orchester, den Mitarbeitern in den Werkstätten und in den begleitenden künstlerischen Abteilungen gelegt und dafür etliche wiederkehrende kommunikative Formate ins Leben gerufen, unter denen die exklusiven Proben die älteste Konstante der Begegnungen sind. Die Thekos haben sich darüber hinaus sehr für die Übergabe der künstlerischen Verantwortung der Rudolf-Oetker-Halle ans Theater 2019 und für eine bessere Ausstattung in den Aufenthaltsräumen des Konzerthauses engagiert. Darüber hinaus unterstützen sie den Musikverein, den Volkschor und die Kammermusikvereinigung der Stadt Bielefeld, einzelne Produktionen und Künstler, engagieren sich bei Regionalwettbewerben von "Jugend musiziert" und veranstalteten auch "Festliche Abende" eine Reihe von Kinder- und Jugendkonzerten.
Anlässlich des 60. Jubiläums 2011 bilanzierte die frühere Theaterintendantin Regula Gerber: "Die Thekos sind wichtige Gesprächspartner im besten Sinne, wohlwollend kritische Partner, immer wieder gute Brückenbauer in andere gesellschaftliche Bereiche - einfach echte Freunde für das Theater!"
Bestandsgeschichte
Das Thekos-Archiv wurde 2004 per Depositalvertrag an das Stadtarchiv abgegeben. 2013 wurden weitere Akten (Verzeichnungseinheiten Nr. 46 bis 60) und 30 Plakate übergeben.
Hinweise zur Benutzung
Ab 1990 hat der Vorsitzende Jahresordner angelegt, die alle im Jahr bearbeiteten Vorgänge enthalten: Veranstaltungen, Versammlungen, Korrespondenz, Broschüren etc. Eine konsistente Ordnung innerhalb der Ordner war nicht feststellbar.
Für eine Nutzung von Unterlagen, die jünger als 30 Jahre alt sind, bedarf es der Zustimmung des Thekos-Vorstands. Alle weiteren Nutzungen richten sich nach dem Archivgesetz NRW.
- Archivalienbestellungen: 270,11/Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e.V., Nr.
- Zitation: Stadtarchiv Bielefeld oder StArchBI, Bestand 270,11/Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e.V., Nr.
Literatur
- 10 Jahre "Gesellschaft der Theater - und Konzertfreunde Bielefeld", in: Bielefelder Kultur- und Wirtschaftsspiegel 2 (1961), S. 8 f.
- ASTA-Werke (Hg.), Ewald Kipper. Ein Unternehmer - ein Unternehmen, Bielefeld 1969
- Bootz, Andreas, Kultur in Bielefeld 1945-1960 (Bielefelder Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Bd. 12), Bielefeld 1993
- Ewers, Nico, "Bürger schützte Eure Anlagen" - ein Aufruf zum 50sten Jubiläum der Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e. V., Bielefeld 2001
- Heise, Klaus, Seit 28 Jahren engagiert: Die Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e.V., in: Bühnen der Stadt Bielefeld (Hg.), 75 Jahre Stadttheater Bielefeld 1904-1979, Bielefeld 1979, S. 16-18
- Rath, Jochen, 18. Januar 1951: Gründung der „Gesellschaft der Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e. V.“ (online-Ressource: https://historischer-rueckklick-bielefeld.com/2021/01/01/01012021/)
- Vogelsang, Reinhard, Geschichte der Stadt Bielefeld, Bd. 3: Von der Novemberrevolution 1918 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2005
- Wagner, Bernd J., Vom bürgerlichen Verein zum bürgerschaftlichen Engagement - Ein Netzwerk der Bürgerschaft für die Stadt, in: Andreas Beaugrand (Hg.), Stadtbuch Bielefeld 2014, Bielefeld 2013, S. 582-593
Dr. Jochen Rath
Archivdirektor
Bielefeld, Januar 2021
- Reference number of holding
-
270,011/Theater- und Konz
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-
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld (Archivtektonik) >> Nichtamtliches Schriftgut >> Vereine und Verbände
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05.11.2025, 2:00 PM CET
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- Bestand