Archivale
Inquisition über Maria, Witib des Johannes Stirm. +)
Regest: 1665 September 11
Anwesend:
Herr Lt. Georg Friedrich Jung, Syndicus.
Herr Stefan Grieninger.
Herr Johann Bihler.
Herr Schultheiß Johann Zendel.
Ratschreiber Johann Hess.
Sie ist graviert:
1) durch das gemeine Geschrei und daß sie der Hurerei ziemlich ergeben war.
2) Von dem justifizierten Echterdinger Johann Hauser.
3) Von Maria, der bereits justifizierten Hausfrau des Bartle Heldner, daß sie dieselbe laut Protokolls auf dem Roßwasen neben andern namhaft gemachten Weibern gesehen habe; man lasse sie eben laufen.
4) Von Agnes, der hingerichteten Hausfrau des Hans Blanckh, laut Protokolls, sie habe auf der Hexenzusammenkunft auch das Knorren-Mareile +) gesehen.
5) Von dem Hans Jacob Tochtermann laut Protokolls, bei dem Cappel-Tanz habe er neben andern namhaft gemachten Personen auch das Knorren-Mareile gesehen und mit ihr nicht allein getanzt, sondern auch Unzucht getrieben. Nota: Hat's wieder revociert.
6) Von Hans Ulrich Fassnacht laut Protokolls, daß er das Knorren-Mareile und die Procuratorin auf der Hexenzusammenkunft auf dem Galgenberg gesehen habe.
7) Von Urban Helbling laut Protokolls, die Schmer-Ursel und das Knorren-Mareile seien nachts zu ihm und seinem Schwesterle auf den Turm gefahren. Jede habe ein brennend Lichtlein in der Hand gehabt und gesagt, die Kinder gingen gern, wenn sie nur nicht angelegt wären.
8) Von Anna Maria Helbling laut Protokolls, das Knorren-Mareile und die Schmehr-Ursul haben ihr nachts Eier, Mutscheln, roten Wein und Gebratenes auf das Tor gebracht und haben sie abholen wollen.
9) Von Christof Hammlelin laut Protokolls, er habe auf der Hexenzusammenkunft das Knorren-Mareile gesehen, ein rötlich, dick Weib, das nicht gut gehen könne. Sie und die Schmer-Ursel seien bei seiner Teufels-Tauf dabei gewesen. Diese beiden und die Cron haben ihn auf dem Tor und von der Kette losmachen wollen.
10) Von Anna Margretha, Töchterlein des Weißgerbers Josua Kurtz selig, laut Protokolls, daß im Haus ihrer Ahne (= Großmutter), des Knorren-Mareiles, etlichemal bei Nacht eine Gasterei war, wobei vornehme Leut, besonders die Englerin (Engel), der Apotheker, seine Frau, seine Tochter, Hans Jacob Tochtermann, das Weib des Franz Vogel und das Weib des Georg Bofay waren. Wenn sie gegessen und getrunken hatten, seien sie ausgefahren, bisweilen auf die Scheibe und den Jergenberg, bisweilen auf den Galgenberg. Ihre Ahne, das Knorren-Mareile liebe sie sehr, habe sie verführt und ihr ernstlich verboten, etwas zu sagen. Sonst wolle sie sie zerreissen und verzerren. Ihre Ahne sei 2mal und erst in der vergangenen Nacht mit der Schmehr-Ursel und der Finckhen-Marie zu ihr auf den Turm gefahren. Ihre Ahne habe einen Spitzhut aufgehabt und einen Pelz mit einer roten Blege (= Besatz) und grünen Schnürlein darum, ferner ein weiß Paar Stiefel und rote Strümpf aus der guten Farb angehabt. Ein viertel oder halb Jahr, ehe ihr Vater in den Krieg gezogen, habe ihre Ahne ein lebendig Kindlein aus ihrer Kammer in die Stub gebracht, es mit einem spitzigen Messer, welches ein weiß Heft (= Handgriff) habe, gestochen und ihm das Mäule verhebt (= zugehalten), daß es nicht schreien konnte, dann es in der Küche in einem Kessel zu Pulver verbrannt, womit sie den Leuten vergeben habe, besonders den Bauernweibern, welchen sie davon auf den Pfeffer und Imber (= Ingwer) getan habe. Damit solches niemand riechen konnte, habe sie Tischtücher um das Feuer gehängt und das Haus unten geschlossen. Wie ihr Stief-Ähni (= Großvater) Christof Hochstetter zu München war, sei ihre Ahne mit der Finckhen-Marei ihm nachgefahren, habe ihm das Geld und die Kleider genommen und gesagt, sie wolle ihn rädern (= mißhandeln). Sie habe ihm mit seinem eigenen Messer das Mannrecht abgeschnitten. Ihre Ahne habe in der vergangenen Nacht sie mit Gewalt wegnehmen wollen und sie zugleich an die Füße grimbt (= geklemmt, gezwickt).
Das Töchterlein des Kurtz sagt am 13. November auf dem Burgerhaus weiter, daß das Kindlein, das ihre Ahne verbrannte, ungefähr 1 1/2 Viertel (= 1/4 Elle) lang und blau, das von ihrer Ahne daraus gemachte Pulver aber braun gewesen sei. Auf Befragen, ob sie dies und daß sie von ihrer Ahne verführt worden sei, nicht ihrer Mutter gesagt habe, sagte sie, wenn sie es sagen wollte, sei ihr die Rede immer genommen worden.
Ihre Ahne habe ein Erdmännlein (= Zwerglein), welches haarig, schwarz und ungefähr ein Viertel (= 1/4 Elle) lang sei. Dieses Erdmännlein habe ihre Ahne jeden Freitag, wenn sie ausfahren wollte, in rotem Wein gebadet. Wenn sie dieses Baden unterließ, habe es geschrien. Zu demselben habe sie Geld gelegt. Am Morgen aber sei es doppelt soviel und neu Geld gewesen. Ihre Ahne habe das Erdmännlein im Trog (= Truhe) liegen. Ihr Vater selig habe die Ahne auch einmal das Erdmännlein baden sehen. Sie bade es in einem Züberle (= einer kleinen hölzernen Wanne), welches sie fast voll Wein tue. Nach dem Baden habe ihre Ahne den Wein auf die Hexenzusammenkunft genommen und ausgeteilt.
Sie wisse nicht, wie lang es her sei, daß sie von ihrer Ahne auf die Hexenzusammenkunft genommen wurde. Ihres Vermeinens sei sie vor 4 Jahren auf der Scheibe getauft und in einer Kutsche mit der Apothekerin, welcher sie auf dem Schoß saß, hinausgeführt worden. Bei der Tauf seien der Hans Schill und der Heinrich Scherer ihre Döten, die Apothekerin und die Englerin (Engel) ihre Doten gewesen. Man habe sie auf ein Kissen, worin Stroh war, auf das Gesicht gelegt und Wein über sie gegossen. Der Bantlin habe sie getauft und dazu geschworen (= geflucht). Ihre Ahne sei auch dabei in dem Ring (= Kreis der Umstehenden) gestanden. Der Bantlin habe seinen Kirchenrock angehabt und sein Barett aufgehabt. Der Böse sei neben ihm gestanden. Der Teufel habe, so oft man sie examinierte, befohlen, daß sie die verdammten Schelme, die Commissare, und die mit ihren langen Röcken auch angeben solle.
Der Teufel habe ihrer Ahne, wenn sie allein war und er gelb gekleidet zu ihr kam, befohlen, sie solle die Gass anzünden. Ihre Ahne habe allerlei Pulver, gelbliches, darunter schwarze Kernle, welches sie unter den Pfeffer und Imber (= Ingwer) tue, ferner braunes, schwarzes und weißes Pulver. Das weiße Pulver streue sie den Leuten auf den Weg, um sie zu Fall zu bringen. Das braune Bestelle (= mache steif) den Leuten die Glieder und daß sie aussochen (= dahinsiechen). Mit dem schwarzen könne sie allerlei Schaden tun. Der Teufel habe ihr gesagt, wozu sie die Pulver gebrauchen solle.
Ihre Ahne habe ihrem Mädle alle ihre Schweine umgebracht und sie geritten. Bei Tag habe ihre Ahne den Leuten vergeben, bei Nacht das Vieh geritten. Wenn sie keinen Schaden tue, schlage sie der Teufel. Ihre Ahne habe auf Geheiß des Teufels auch ihr Brüderlein verführen sollen. Weil sie es aber nicht tun wollte, habe sie eher sich selbst in einem Gläslein vergeben wollen.
Folgende Zeugen sind verhört worden.
1) Margretha, Witib des Josua Kurtz, ungefähr 33 Jahr. (Die Angeklagte) sei ihre leibliche Mutter.
2) Agatha, Hausfrau des Claus Finckh, ungefähr 44 Jahr.
3) Anna Maria, Tochter des Georg Lockh, 18 Jahr.
4) Madlena, Hausfrau des Christof Hofstetter, 36 Jahr. Das Knorren-Mareile sei ihre Mutter.
Das Verhör.
1) Was sie von ihrer Mutter halte und ob sie etwas Verdächtiges von ihr gesehen habe.
1. Zeugin sagt, sie könne nichts Gutes von ihrer Mutter halten. Denn als ihr Mann selig sich habe unterhalten lassen (= ?) und zu Esslingen war, sei ihr ein Kind schnell krank worden, so daß sie meinte, es liege schon in Zügen (= in den letzten Zügen). Als sie nun abends nach der Torglocke Leut holen wollte, sei ihre Mutter über das Kind hingelegen, habe ihm in das Mäule geredet. Wie sie wieder aufgestanden, habe das Kind gleich wieder klare Äuglein gehabt, während doch demselben zuvor die sogenannten Kindlein (= Pupillen) in den Äuglein nicht mehr gesehen wurden. Ihre Mutter habe auch gesagt, die Zeugin mache das Kind so krank, und sei doch nichts. Das Kind habe sich am Morgen erbrechen müssen und sei am Leib etwas abgefallen (= mager geworden), aber wieder gesund geworden. Daher habe sie einen Argwohn auf ihre Mutter gehabt. - Nach dem Tod ihres Mannes habe ihre Mutter durch das Töchterlein des Claus Finckh der Zeugin entboten, daß sie ihrem Mann einen Trunk ... (?) und gemeint habe, er werde nicht mehr kommen. Daher habe sie gleich an die Reden ihres Manns selig gedacht, der zu seinen Lebzeiten, als er mit ihr so übel gehaust, übermäßig gegessen und getrunken habe, sie geroffen (gerauft, geplagt) und geschlagen und gesagt habe, man habe ihm wahrgesagt (= die Wahrheit gesagt), daß ihm ein Trunk worden sei, weshalb er die Zeugin so traktieren müsse. Wenn er Wasser getrunken, habe er sich zu Bett legen müssen. Wenn er aber Wein getrunken habe, sei er nicht recht im Kopf und wild gewesen und habe Händel haben müssen. 3 Wochen nach ihrer Hochzeit habe er solchen Trunk von ihrer Mutter bekommen. Er habe das gleich erzählt und gesagt, daß er gestern von seiner Schwieger, dem Knorren-Mareile einen bösen Trunk empfangen habe, wovon ihm die Lefzen (= Lippen) schwollen und sein Atem genommen wurde. Den Dr. Wuecherer habe man zu Rat gezogen. Als er den Urin gesehen, habe er gleich gesagt, daß er (der Mann) einen bösen Trunk bekommen habe, wovon ihm Lunge und Leber verzehrt worden sei. Die Zeugin getraue sich ihre Aussage mit leiblichem Eid zu erhalten (= zu bekräftigen). Ihre Mutter habe sie in dies Elend gebracht, daß sie sich kaum des Bettelns zu erwehren getraue (= hoffen könne).
Alle Kinder, die sie hatte, seien krank gewesen. Weil der hiesige Doctor nicht helfen konnte, habe sie den Haubensackh von Gönningen gebraucht.
Eine Zeitlang habe ihr bereits verhaftetes Töchterlein nicht mehr bei der Ahne, dem Knorren-Mareile, sondern bei ihr liegen wollen. Ihre Ahne aber habe demselben das Haus verboten. Sie (die Zeugin ) habe zwar oft von dem Mädle zu wissen begehrt, ob es verführt worden sei, aber das Mädle habe darauf nur geweint.
Ihre Mutter habe bisweilen sie und ihren Mann, bisweilen die Kinder gequält. Ihr Vieh, besonders die Geißen seien ihr lahm geworden und oft ledig (= frei) gelassen und das Haus unten und oben geöffnet und die Türen aufgestellt (= aufgemacht) worden. Daher habe ihr Mann selig Zauberleut gebraucht, die dahin ausgeschlagen (= ausgesagt) haben, daß solches von ihrer Mutter verursacht worden sei.
Wie ihre Mutter dem Kind so schnell half, habe sie gleich einen bösen Argwohn auf sie gehabt und gedacht, wenn sie so schnell helfen konnte, habe sie es auch getan. Sie wolle darauf leben und sterben, daß ihre Mutter eine Hex sei, und wenn es nicht wahr sei, wolle sie in ihre Statt stehen.
3mal habe sie in Abwesenheit ihres Mannes Kinder geboren und weil sie, ehe die Kinder zur Taufe befördert wurden, auf ihn warten wollte und daher die Kinder über Nacht stehen lassen mußte, habe ihre Mutter den Kindern nicht wachen, viel weniger ein Lichtlein brennen lassen wollen. Es sei ihr auch nichts Gutes eingefallen.
Sonst habe ihre Mutter viel gebetet und viel geschworen (= geflucht) und sei zugleich dem Wein ziemlich ergeben gewesen, wie sie täglich oft auf 3 Maß (mindestens = 5 Liter) gekommen, so daß Zeugin meinte, wo sie doch den Wein hingetan habe.
Sie wisse von keiner Hex, die ihr so zusetze wie ihre Mutter.
Wie sie und ihr Mann noch in der Kromergass seßhaft waren, habe ihre Mutter oft eine ganze Stund nacheinander Geld gezählt. Wo sie es herbrachte, könne Zeugin nicht sagen. Aber soviel sie wisse, habe ihre Mutter oft in 8 Tagen nicht 5 Kreuzer gelöst.
Wenn sie bei ihrem Mann wohl dran gewesen sei, hab's ihre Mutter immer nicht gern gesehen, sondern gesagt, warum sie ihm abermals anhange.
Diese ihre Aussag sei nicht aus Neid und Feindschaft geschehen. Wenn ihre 2 Buben bei ihrer Ahne waren, habe sie ihnen immer nach der Scham gegriffen und sei ihnen oft die Stege herab nachgeloffen. Wenn die Buben heimkamen, habe sie es der Zeugin geklagt.
2) Was Zeugin von dem Knorren-Mareile Verdächtiges gesehen habe.
2. Zeugin bekundet, mit dem Knorren-Mareile sei sie in Gemeinschaft, bei 5 Wochen aber jeden Tag 2mal in ihrem Haus gewesen und eingehaisst (= eingeheizt?). Die gemeine Sag sei, man werde sie holen. Zeugin halte sie für ein rechtschaffen Mensch, wenn sie nur nachts nicht allein im Haus liegen bleibe. Das Knorren-Mareile habe sich heut gegen die Zeugin vernehmen lassen, daß sie in der vergangenen Nacht die Herren vor dem obersten Richter verklagt habe. Von dem Sohn der Tochter des Knorren-Mareiles, Johannes Röser, seiner Hausfrau und besonders von dem verhafteten Mädle des Knorren-Mareiles habe sie gehört, daß das Kind von dem Knorren-Mareile verführt worden sei. Zeugin habe oft zu ihr gesagt, man werde sie holen. Sie aber habe geantwortet, sie gehe nicht, sondern sie liege in Gottes Banden. Weil man sagte, daß sie sich zur Sau gemacht und auf das Tor gefahren sei, habe sie das ihr auch gesagt. Aber sie habe es nicht geachtet, sondern gesagt, die Leut mögen sagen, was sie wollen. Wie das Knorren-Mareile in so böses Geschrei gekommen, habe sie anfangs nur darüber gelacht, jetzt aber bekümmere sie sich darum. Sie sei ihr nie verdächtiger vorgekommen, als wie man sagte, sie sei zu den Kindern auf das Tor gefahren. Denn das Knorren-Mareile sei damals morgens, wie Zeugin hinkam, noch zu Bett gelegen und habe ihre Füß im Bett verwickelt gehabt. Wie Zeugin diese auf ihr Geheiß losmachte, habe sie gefunden, daß die Füß wie ein toter Mensch kalt waren. Daher habe Zeugin geargwöhnt, sie werde gewiß so spät heimgekommen sein.
3. Zeugin kann von dem Knorren-Mareile gar nichts Unrechtes sagen. Wenn Zeugin hinkam, habe sie entweder gelesen oder gebetet. Das Knorren-Mareile habe oft ungefragt gesagt, sie möchte nur wissen, wer ihr Mädchen verführt habe.
4. Zeugin hat gehört, daß von ihrer Mutter insgemein nicht viel Gutes geredet werde. Allein sie habe nichts Unrechtes von ihr gesehen. Sie sei eben besonders in ihrem Witibstand frisch (= munter, keck?) gewesen.
3) Ob ihr nicht Vieh und besonders Schweine abgegangen seien.
4. Zeugin: sie habe vor 2 Jahren ein krankes Schwein mit 2 Knietzeln (= Knürzeln, harten Geschwülsten) am Hals gehabt. Obwohl sie für das Schwein 3 fl gezahlt habe, habe sie nur 4 ß dafür gelöst. Ihrer Mutter sei auch Vieh erkrankt, und sie habe selbst gesagt, daß es nicht recht zugehe, und solches den Hexenleuten zugeschrieben. Als Zeugen vor 5/4 Jahren ihres Kindes genesen, sei dieses im Kindbett krank geworden und habe in die 4 Wochen nicht mehr saugen können. Wer das Kind sah, habe gesagt, daß es nicht recht zugegangen sei. Weil Zeugin eifrig betete, sei das Kind wieder gesund worden, wozu sie den hiesigen Doctor und den Balbier Stoffel zu Metzingen gebrauchte. Der Dr. Lentz habe ein Sälblein hergegeben, von welchem das Kind besser wurde.
Vor diesem habe sie eine solche Schwermut und Angst angefallen, daß sie nicht wußte, wo aus und ein. Schließlich habe ihr ein Bauer von Lautlingen geholfen, welcher ihr etwas einschüttete. Weil sie keinen Schlaf hatte, habe man ihr ein Schlafsälblein in hiesiger Apotheke geholt. Wie man dieses ihr an den Schlaf (= die Schläfe) strich, habe sie gemeint, ihr Kopf werde zerspringen. Argwohn habe sie auf niemand gehabt.
Auf dem Peinturm.
Anwesend:
Herr Lt. Johann Jacob Kurz, Consiliarius.
Herr Georg Friedrich Jung, Syndicus.
Herr Schultheiss Johann Zendel.
Die Verhaftete wird befragt:
1) Warum sie auf den Turm gelegt wurde.
Antwort: Das wisse sie nicht.
2) Ob sie nicht vor diesem etwas frech war und ob sie mit niemand in Unehren zugehalten (= geschlechtlich verkehrt) habe.
Nein.
3) Ob sich nicht etwas hievor, als sie die Frankfurter Mess besuchte, sowohl unterwegs als auch zu Frankfurt zugetragen habe.
Als sie mit Reutlinger und Tübinger Kaufleuten dahin reiste, habe sie einer, den sie nicht kannte, aber nach ihrer Meinung wegen der Schwielen in seinen Händen ein Schneider, unter Heidelberg hinter sich auf das Pferd genommen. Wie sie denselben um den Leib gefaßt und sich gehebt (= festgehalten) habe, habe er ihre Hand an sein membrum virile (= männliches Glied) gedrückt. Sie habe die Hand davon gerissen. Als sie vollends in ein Dorf, das sie nicht namhaft machen könne, zu ihren Gefährten kam, habe dieser vermeintliche Schneider ihr wieder nachgehängt = nachgestellt), indem er der Wirtin einen Reichstaler für eine Bettlad über Nacht versprach und zugleich von ihr begehren ließ, mit ihm zu Nacht zu essen. Aber sie habe es nicht tun wollen (= es abgelehnt). Als sie vollends gen Frankfurt kamen, habe er ihr abermals zugesetzt und um sie verführen zu können, in einem Kramladen spanische Mucken gekauft und sich vernehmen lassen, daß er's ihr in Wein beibringe, wenn er anders nicht zukommen könne. Dann müsse sie ihm zu Willen sein. Er habe auch etlichemal nach ihrer Herberg und ihr selbst gefragt. Aber sie hab's ihn nicht wissen lassen. Daß sie aber unehrlich mit ihm zugehalten, das werde nie auf sie kommen. Man möge deshalb nachfragen.
4) Ob sie außerhalb ihrer besessenen (= rechtmäßigen) Ehe mit niemand sich fleischlich vermischt habe.
Nein, nur ihr verstorbener Mann Johann Stirm, nachdem sie ihn zu heiraten willens war, habe frühzeitig mit ihr zugehalten. Sie haben nur zu spät Hochzeit gehalten und sie sei schwanger gewesen, aber von der Obrigkeit deshalb um 10 fl gestraft worden. Als ihr Mann, der Stirm, vor den Rat gestellt und gestraft wurde, habe er selbst bekannt, daß er sie mit List überkommen (= überwältigt) habe. Im übrigen wolle sie mit Gott und ihrem guten Gewissen bezeugen, daß sie weder vorher noch nachher mit einem Mann unehrlich zugehalten habe.
Hierauf wurde ihr gütlich zugesprochen, daß sie Gott und der Obrigkeit die Ehre geben und weil sie überzeugt (= durch Zeugen überführt) werden könnte, doch bekennen solle.
Sie wisse nichts zu sagen, habe ein gut Gewissen. Man möge mit ihr machen, was man wolle, so sei sie wohlzufrieden.
1665 November 23
Auf der Ratsbehausung.
Anwesend:
Herr Lt. Georg Friedrich Jung, Syndicus.
Herr Schultheiss Johann Zendel.
Auf Befehl von Bürgermeister und Ratsgeheimen sind wegen des Knorren-Mareiles ferner folgende Zeugen verhört worden.
1. Zeuge Claus Finckh, 45 Jahr alt. Auf die Frage, ob er mit dem Knorren-Mareile in Gemeinschaft gewesen sei und was er von ihr gesehen habe, sagt er, als i. J. 1638 er ein frischer Junggesell um 18 Jahr und damals das Knorren-Mareile eine Witfrau gewesen sei, habe das Knorren-Mareile ihm sehr nachgehängt. Wie damals der General Merse (Mercy) hier im Quartier lag, sei er einmal, um Schmalz bei dem Knorren-Mareile zu holen, hingeschickt worden. Sie sei mit ihm in den Keller gegangen, habe ihm nach Abwägung des Schmalzes Wein zu trinken gegeben und sich freundlich gegen ihn erzeigt. Sie sei dann später etlichemal in des Zeugen Haus gekommen, habe Wein hintragen lassen, ihn etlichemal zu Gast geladen. Weil sie damals ein Schwein gemetzget hatte, sei ihm und ihr zu Schimpf von Georg Finckh eine Hirnwurst (= Wurst aus Hirn und Schweinsblut) an die Haustüren gemalt worden. Nichts desto weniger habe das Knorren-Mareile nicht nachgelassen, so daß er mit ihr im Bett in ihrer Kammer, doch nur einmal, Unzucht getrieben habe. Ein Jude namens Schmerlin, welcher damals unter des Mercy Hofstaat lag, habe ihm gesagt, als er einmal mit dem Knorren-Mareile nach Frankfurt fuhr, habe er unterwegs zu Leonberg im Wirtshaus mit ihr auf dem Lotterbett Unzucht getrieben. Daher habe Zeuge sich von ihr ferngehalten. Als Zeuge sich unterhalten (hier anscheinend = sich anwerben) ließ, habe das Knorren-Mareile ihn wieder losmachen und 50 fl dafür darschießen (= leihen) wollen. Zeuge aber hab's abgelehnt. Anno 1640 sei er vom Kriegswesen heimgekommen. Er sei nochmals in Knorren-Mareiles Haus gegangen, um noch etwas an Geld davonzubringen. Sie habe nachts um 12 Uhr ein Schächtelein, 1/2 Elle lang, hereingeholt und gesagt, ein kleines Kindlein liege darin. Das habe sie von ihm. Darüber sei Zeuge sehr erschrocken und fortgegangen. Sie habe neulich selbst seiner Hausfrau erzählt, er sei ihr Liebster gewesen.
Die 2. Zeugin, Catharina Finckh, 66 Jahr, sagt, sie könne auf das Knorren-Mareile nichts Verdächtiges und Unehrliches sagen. aber als sie eine Witfrau war, seien verschiedene Gesellen, besonders Johannes und Bernhart Kalbfehl, wie auch ihr eigner Sohn und der verstorbene Georg Epplen in ihr Haus gewandelt, welchen sie Essen und Trinken gegeben habe. Herr Ehringer habe auch einmal zur Zeugin gesagt, ihr Sohn solle vorher etwas lernen, ehe er auf die Buhlschaft zu gehen tüchtig sei, und er sitze bereits in des Knorren-Mareiles Haus und habe eine Hirnwurst vor sich liegen. Von andern Leuten habe sie gehört, das Knorren-Mareile habe ihren Sohn das Beischlafen gelehrt. Es habe auch verlautet, daß sie ein Erdmännlein (= Erdgeist in Zwerggestalt) habe.
Der 3. Zeuge, Jacob Klemm, 72 Jahr, sagt, daß er zwar des Knorren-Mareiles Kriegsvogt (= Rechtsbeistand) gewesen sei und sich ihrer Händel, besonders deren zu Frankfurt, angenommen habe. Aber er könne nichts Unrechtes über sie aussagen.
Die 4. Zeugin, Maria, Hausfrau des Hans Schill, 69 Jahr: als das Knorren-Mareile nicht recht im Kopf und wie das dumme Vieh war, sei Zeugin in die 2 Jahr bei ihr gewesen, habe aber während dieser Zeit nichts Ungebührliches von ihr gesehen.
Die 5. Zeugin, Catharina, Hausfrau des Johannes Kautz, ungefähr 40 Jahr, sagt, das Knorren-Mareile sei zwar frisch und fröhlich gewesen, aber sie habe von ihr nichts Unehrliches gesehen, ohnerachtet (= obwohl) der verstorbene Georg Epplin und der Schmehr-Reutter wie auch Claus Finckh und seine Mutter zu ihr gingen. Der Claus Finckh sei am liebsten dran gewesen, habe auch einmal zu Mittag und eine Hirnwurst gegessen. Der Herr Ehringer sei damals dazu gekommen.
Die 6. Zeugin, Agatha, Hausfrau des Claus Finckh, sagt, das Knorren-Mareile habe zu ihr gesagt, ihr Mädle habe heimgebracht, sie habe ein Kind gehabt und es nicht vergraben. Aber es sei nicht wahr. Sie habe den Georg Eplin, ihren Mann und den Schmer-Reutter gebuhlt (= ein Liebesverhältnis gehabt mit ...) Sie (die Zeugin) habe von ihrem Mann gehört, das Knorren-Mareile habe ihn in das Kriegswesen getrieben, sei ihm so nachgehängt, habe ihm auch ein Schindel-Lädlein gezeigt. Was aber drin war, habe er nicht gesagt. Darauf habe Zeugin geantwortet, wenn sie das gewußt hätte, hätte sie ihn nicht geehelicht.
7. Zeuge, Michael Hamer, 39 Jahr, Baumann (= Arbeiter auf Grundstück) des Knorren-Mareile, sagt, sie sei zwar frisch und frech gewesen, aber er habe, solang er ihr Baumann war, 26 Jahr her, nichts Argwöhnisches, sonderlich wegen der Buhlerei von ihr verspürt. Seit einem Jahr habe er ihr, weil sie in einem bösen Geschrei war, nicht mehr getraut, um so weniger, weil ihre eigne Tochter sie bezichtigte, sie habe ihrem Mann im Wein vergeben.
8. Zeugin, Barbara, Hausfrau des Herrn Nezenü (Nezenius?), 52 Jahr, ist viel in des Knorren-Mareiles Haus gekommen, hat aber nichts Ungebührliches und Verdächtiges von ihr gesehen.
9. Zeuge, Herr Johann Burkhart Siconius, 52 Jahr, weiß von dem Knorren-Mareile nichts Verdächtiges zu sagen. Er ist mit ihr etlichemal nach Frankfurt auf einem sogenannten Hander (oder Haunder = ?) gefahren. Ferdinand Schneider von Tübingen sei bei ihr gesessen. Was er für Geld, königliches oder andere Sorten, von ihr begehrte, habe sie ihm geben können. Woher sie aber solches brachte, könne Zeuge nicht sagen.
1665 Dezember 1
Anwesend:
Herr Lt. Jung, Syndicus.
Herr Schultheiss Johann Zendel.
Herr Schultheiss Hohloch.
Sie wird in der Güte erinnert, sie solle bekennen, weil sie besonders wegen Hurerei sehr graviert sei.
Ob sie besonders in ihrem Witibstand mit niemand Unzucht trieb.
Nein
Ob sie nicht einmal dem Claus Finckh Schmalz im Keller gewogen habe.
Nein
Ob nicht Finckh ihr etlichemal aus dem Rocksack Geld genommen habe.
Nein
Ob nicht mehr Gesellen damals in ihr Haus wandelten.
Sie könne es nicht leugnen. Damals habe sie eben Wein geschenkt.
Ob sie nicht anno 1638 mit dem Claus Finckh Unzucht getrieben.
Der Claus Finckh habe sie zwar heiraten wollen, habe aber keine Unzucht mit ihr getrieben, sondern sei in den Krieg gezogen.
Als ihr nun die Aussage des Claus Finckh vorgelesen wurde, sagte sie daß sie mit ihm in ihrem obern Kämmerlein in Unehren zugehalten habe. Sie hätten einander heiraten sollen. Das Kind habe sich zwar angelegt, sei aber durch einen Fluß nach 2 Monaten ungefähr einen Daumen groß von ihr gegangen. Sie habe es in einem Schächtelein gehabt und dem Finckh gezeigt.
Ob sie nicht mit einem Markedenter, einem Juden namens Schmerlin, zu Leonberg auf einem Lotterbett Unzucht getrieben.
Nein, ihr Lebtag nicht. Sie könne aber nicht in Abred stellen, daß dieser Jud einmal in ihr Haus kam und sich auf ihr Lotterbett legte. Sie aber habe die alte Finckhin geholt. Die habe ihn an der Nase herabgezogen und vor das Haus hinausgebracht. Man solle ihr die Leut vorstellen, die solches über sie behaupten.
1665 Dezember 6
Anwesend:
Herr Lt. Jung, Syndicus.
Herr Schultheiss Johann Zendel.
Herr Schultheiss Josua Hohloch.
Auf Befehl des Rats ist die Verhaftete in der Güte erinnert worden zu bekennen, weil sie nicht allein von ihrer Enkelin, sondern auch von andern teils hingerichteten teils noch lebenden Personen sehr graviert sei.
Sie wisse von der Hexerei gar nichts. Sie glaube an Gott und sei dem verfluchten Teufel feind, habe nichts mit ihm zu tun.
Weil sie mit der Sprach nicht heraus wollte, ist ihr ihre Enkelin unter das Gesicht gestellt worden. Diese sagt ihr rund unter das Gesicht, sie möge nicht daran denken, wie ihre Ahne (= Großmutter) sie verführt und dem Satan auf die Scheibe zugetragen habe und wie sie in ihrer Gegenwart von dem Bantlin getauft wurde. Ihre Ahne sei 1000mal hinausgefahren. Sie sei zu ihr auf das Tor gefahren und habe sie umbringen wollen. Sie habe auch ein Kind umgebracht und in einem Kessel zu Pulver verbrannt und damit niemand das riechen könne, Tücher um den Herd gehängt. Sie wiederholt die schon von ihr gemachten Aussagen.
Knorren-Mareile leugnet alles und sagt, das Mädle solle nur alles sagen, was sie wisse.
Die Enkelin: Ihre Ahne habe auch ein Erdmännlein. Der Teufel gebe ihm Geld, aber an Fronfasten habe sie es wieder erlegen müssen.
Knorren-Mareile: Der Teufel habe keine Macht an sie. Sie sei ein glückselig Mensch.
Enkelin: Sie habe ihrem Vater selig auch einen Trunk gegeben, daß er so wild wurde. Ihre Ahne habe Pulver, welches sie immer den Leuten unter den Pfeffer gegeben habe. Sie habe mit ihr nach Straßburg fahren müssen. Der Weg sei durch das Kamin gegangen.
Knorren-Mareile leugnet's.
Enkelin: Ihre Ahne lüge wie eine Hex. Ihre Ahne habe oft eine Gastung (= Gasterei) nachts in ihrem Haus gehabt. Die Modistin (= Schulmeisterin), des Greilins Weib, der Apotheker, seine Frau und die Finckhen-Marei seien dabei gewesen. Das Weib des Bofay habe dazu gekocht, in ihrem obern Stüble. Der böse Feind sei oben gesessen in einem Sessel.
(Seite 34-40. Die Beschuldigungen der Enkelin und dann am 7. Dezember die der 3 Kinder des Urban Helbling, seiner Schwester und des Christof Hamlehle, gehen in der gleichen Art weiter, wie sie schon aus der besonderen Vernehmung dieser 3 Kinder bekannt ist).
1665 Dezember 8
Anwesend die vorgenannten Herren Commissare.
Hans Ulrich Fassnacht wird der Verhafteten konfrontiert und sagt ihr frisch und freudig unter das Gesicht, daß er sie bei der Hexenzusammenkunft auf dem Galgenberg gesehen habe.
Sie leugnet. Sie sei lahm gewesen, habe geschwollene Schenkel gehabt und habe nicht gehen können.
1666 Januar 20
Anwesend:
Herr Lt. Georg Friedrich Jung.
Herr Schultheiss Johann Zendel.
Herr Schultheiss Josua Hohloch.
Anna Maria, Hausfrau des Michel Mayer, 37 Jahr, sagt, sie sei nur einmal, als die Tochter des Knorren-Mareiles blöd im Kopf war, mit ihr in ihre Kammer gegangen und habe die Börtlins-Ware (= Spitzen) besehen. Weil aber der Zeugin die Ware nicht annehmlich war, sei sie wieder fortgegangen. Es sei ihr damals, Gott sei's gedankt, nichts Unrechtes widerfahren. Aber vorher, als sie in das zweite Kindbett kam, sei sie schwer krank geworden, so daß der Dr. selbst, weil die Mittel nicht anschlugen, nichts auf sie gehalten habe. Der Zustand habe etwas, aber nicht ganz nachgelassen. Der Dr. Haug habe gesagt, die Krankheit sei ihr von der Mutter hergekommen. Schließlich habe sie den Haugele zu Gönningen gebraucht, welcher etliche Maß Wasser von ihr trieb. Zeugin habe auf niemand einen Argwohn gehabt. Allein der Zustand sei nicht natürlich gewesen.
1666 Februar 10
Anwesend die vorgenannten Herren Commissare.
Weiteres Zeugenverhör:
Maria, Hausfrau des Georg Rockhenstihl, 34 Jahr, sagt, in der vergangenen heil. 3-Königs-Nacht habe die Kurtzin gesagt, der Kosbauch (= Schmerbauch), die Kupfernase, habe sie in das Narrenhäusle gebracht. Es werde ihm noch ärger gehen. Er schreie in ihrer Stube wie ein Kalb. Sie laufe oft mit brennendem Licht im Haus umher.
Auf dem Rand: Auf Vorhalt sagt die Kurtzin (Margretha, Witib des Josua Kurtz), sie habe gesagt: Kropfhals und Wienst (= Wanst), und den Herzog gemeint.
Georg Rockhenstihl, 44 Jahr, sagt, die Kurtzin habe vor den Weihnacht-Feiertagen nachts oft ein Gefecht (= Gezänk) gehabt und geschrien, die dicke Unholdin sei abermals da, habe ihr Mädle verführt und lasse ihr keine Ruh.
1666 Februar 12
Anwesend:
Herr Georg Friedrich Jung, Syndicus
Herr Johann Bihler.
Herr Schultheiss Johann Zendel.
Obwohl der Rat beschlossen hat, daß nach Ausweis des eingeholten Gutachtens mit scharfer Frag an die Verhaftete gegangen werden solle, so haben doch die Herren Commissare zu allem Überfluß in der Güte sie erinnert (= ermahnt) und ihr vorgehalten, daß sie in ihrem Witibstand, nachdem sie von ihrer Blödigkeit restituiert worden, sich ärgerlich und unzüchtig verhalten, außerdem noch ihre Enkelin zur Hexerei gebracht, die Hexenzusammenkünfte oft besucht und andres mehr verübt habe, wie sie durch Zeugenaussagen überführt sei. Sie solle ihr Unrecht in der Güte bekennen. Widrigenfalls werde sie mit der scharfen Frage angegriffen.
Sie antwortet, sie sei ein Christenmensch, keine Hex. Der Teufel rede aus den verhafteten Kindern.
Hierauf wurde sie mit ihrer Enkelin konfrontiert. Diese sagt ihr ins Gesicht, sie habe sie verführt und auf die Hexenzusammenkunft genommen. Sie sei mit dem jungen Hammlelin getauft worden.
Antwort: Es sei alles nicht wahr.
Die Enkelin wiederholt ihre früheren Beschuldigungen.
Knorren-Mareile leugnet weiterhin.
Hierauf wurde ihr der Scharfrichter an die Seite gestellt und sie terriert (= geängstigt). Da sie auf gütliches Zusprechen mit der Sprache nicht herauswollte, wurde ihr der Stiefel angelegt. Er wurde ihr 1/2 Stund angelassen und sie dann wieder herabgelassen. Sie bekannte aber nichts.
1666 Februar 17
Anwesend die vorgenannten Herren Commissare.
Weil dem Rat mitgeteilt worden ist, daß das verhaftete Knorren-Mareile mit Leibschäden behaftet und daher die wirkliche Tortur mit ihr nicht vorzunehmen sei, so ist befohlen worden, daß sie durch geschworene Hebamm mit Zuziehung eines erfahrenen Balbierers besichtigt (= untersucht) werden solle. Die Besichtigung ist heute durch die Hebamm und Meister Michel Bögle vorgenommen und befunden worden, daß die Verhaftete einen ziemlichgroßen Leibschaden auf der einen Seite habe. Sie wird erinnert, in der Güte zu bekennen. Sie beharrt jedoch in ihrem Leugnen.
1666 März 3
Anwesend:
Herr Syndicus.
Herr Bürgermeister Felchlen.
Herr Schultheiss Hohloch.
Da sie wieder leugnet, ist sie auf-, aber nicht vom Boden weggezogen worden. Auch der Stiefel wurde ihr angelegt. Aber sie bekannte nichts.
1666 März 5
Anwesend:
Herr Georg Friedrich Jung, Syndicus.
Herr Bürgermeister Conrad Felchlen.
Herr Schultheiss Johann Zendel.
Herr Schultheiss Josua Hohloch.
Weil die Verhaftete durch die ausgestandene Tortur sich purgiert (= gereinigt) hat, auch keine weitere Indicia beizubringen sind, ist die Sach am 14. März vor den Rat gebracht und beschlossen worden, daß sie gegen eine geschworene Urfehd und Erstattung der Atzung und der andern Unkosten nach Hause gelassen werden soll, mit dem Anhang, daß sie 1/2 Jahr sich in ihrem Hauswesen aufhalten soll.
1666 März 20
Folgende Zeugen wurden ferner verhört.
Margretha, Witib des Josua Kurtz, sagt aus, daß sie in ihrer vorigen Aussage etliches vergessen habe, was ihr erst nachher eingefallen sei.
1666 März 20
Folgende Zeugen wurden ferner verhört.
Margretha, Witib des Josua Kurtz, sagt aus, daß sie in ihrer vorigen Aussage etliches vergessen habe, was ihr erst nachher eingefallen sei.
Als vor 2 Jahren ihr verstorbener Mann von Esslingen hierher in Benedikt Gretzingers Haus kam, habe er ein Brieflein an sie durch ein Mädle in ihrer Mutter Haus, wo sie wohnte, tragen lassen, worin er sie aufforderte, zu ihm zu kommen. Dieses Brieflein habe ihre Mutter zuerst empfangen und etliche Stunden von 8 bis 1 Uhr verhalten (= zurückbehalten), dann gelesen und der Zeugin zu lesen gegeben und zu ihr gesagt, Zeugin solle hingehen. Ihr Mann habe ihr entdeckt, er habe bei dem Scharfrichter zu Nürtingen darüber, daß er so übel hausen müsse, Rats gepflogen und ihm gesagt, sein Zustand komme ihm von seiner Schwieger durch einen beigebrachten Trunk, und er meine, seine Schwieger sei nicht recht. Der Scharfrichter habe einen Haspel hingestellt und herumgetrieben und gesagt, daß er in einem dargesetzten Spiegel sehen werde, wer es getan. Der Haspel sei auch gleich herumgeloffen und er habe ihre Mutter in dem Spiegel gesehen. Das Knorrle habe er auch darin gesehen. Der Haspel sei brav herumgeloffen, wie man's wegen ihrer Mutter und des Knorrle probierte. Aber wie man's wegen der Zeugin probierte, sei der Haspel stillgestanden.
Inzwischen habe ihre Mutter ein Mädle geschickt, sie solle heimgehen. Zeugin sei heimgegangen. Am Morgen sei Zeugin wieder zu ihrem Mann gegangen. Wie sie wieder heimkam, habe ihre Mutter gehadert, sie in ihre Kammer gejagt, hinter die Bettlade getrieben, jämmerlich gestaucht, am Hals gedrückt, ein Messer herausgezogen, um sie zu erstechen. Der Zeugin sei es dann gelungen, der Mutter das Messer herauszureissen. Aber sie habe die Hand, womit sie ihre Mutter gehalten habe, nicht mehr heben können. Doch ihre Mutter habe ihre Hand auf die der Zeugin gelegt. Darauf sei ihre Hand gleich wieder recht gewesen. Die Zeugin erzählt dann umständlich von verdächtigem oder vergiftetem Wein, von dem sie trinken sollte.
Georg Gersteneckher, Wächter auf dem Peinturm, 55 Jahr, bekundet, daß am vergangenen Sonntag nachts zwischen 8 und 9 Uhr und gegen Morgen um 3 Uhr auf dem Peinturm oben ein Poltern war, wie wenn einer Stötzleins-Schuhe (= Stöckelschuhe) hätte. Es habe etwa 1/2 Stunde gedauert. Es sei ihm nicht anders vorgekommen, als wie es bei den vorigen Personen hergegangen sei. Es habe gebockelt (= gepoltert oder = nach Bock gerochen?) wie wenn Geißen und Schafe droben gewesen wären.
Madlena, Hausfrau des Georg Gersteneckher, 50 Jahr, bestätigt die Aussage ihres Mannes.
Herr Dr. Erhart Wuecherer, Physicus, kann sich gut daran erinnern, daß Margretha, Witib des Josua Kurtz, in sein Haus kam und ein Glas mit Wein brachte und sagte, es werde Gift darin sein. Er solle es besehen und versuchen. Da der Wein trüb war und einen Satz hatte, habe er keine Lust gehabt, ihn zu versuchen. Sie habe das Glas stehen lassen, sei aber bald mit ihrer Mutter, dem Knorren-Mareile, wiedergekommen. Diese habe das Glas fast ganz ausgetrunken. Dabei habe ihre Tochter gesagt, sie könne sich wieder helfen. Die Mutter habe jämmerlich darüber getan (= sich aufgeregt).
Agnesa, Hausfrau des Hans Jacob Spohn, 26 Jahr alt, sagt aus, ungefähr vor 1/2 Jahr, als Margretha, Witib des Josua Kurtz selig, alle Morgen klagte, das Knorren-Mareile, ihre Mutter, sei zu ihr gekommen, habe Zeugin zu ihr gesagt, sie solle es mit Namen nennen und 3mal nacheinander sagen, sie solle in Gottes Namen da bleiben. Das habe Zeugin von der Hausfrau des Conrad Rösslin gehört und ihr daher geraten.
Catharina, Hausfrau des Benedict Gretzinger, 54 Jahr, sagt, sie wisse nur, daß der verstorbene Josua Kurtz, als er zu Esslingen unterhalten gewesen (= sich aufgehalten hatte), herauf und in ihr Haus kam in der Absicht, ihr sein Häuslein zu verkaufen. Das Knorren-Mareile sei mit dem Kind des Kurtz vor das Haus gekommen und habe die Zeugin aufgefordert herabzukommen und gesagt, der Vater solle sein Kind selbst verhalten (= ernähren). Nachher habe das Knorren-Mareile das Mädle als des Kurtz Töchterlein geschickt. Dieses habe zu seinem Vater gesagt, er solle auf Befehl der Ahne die Mutter heimschicken. Sie sei nur gekommen, um sich den Bauch füllen zu lassen.
Agatha, Tochter des Hans Georg Brothbeckh, etliche und 20 Jahr, bekundet, nachdem die Tochter des Knorren-Mareile ihre Mutter beschuldigt habe, sie habe ihr einen bösen Trunk beibringen wollen, habe sie dieselbe nicht mehr in ihr Haus lassen wollen. Daher habe ihr Herr Vetter ihr anbefohlen, dem Knorren-Mareile zu bedeuten, daß sie die Tochter nicht verstoßen solle. Das Knorren-Mareile aber habe gesagt, diese habe ihr soviel getan, daß sie sie nicht mehr in das Haus lassen möge. Sonst habe Zeugin von ihr nichts Unrechtes gehört.
1666 Juli 21
Anwesend:
Herr Georg Friedrich Jung, Syndicus.
Herr Johann Bihler.
Herr Schultheiss Josua Hohloch.
Herr Schultheiss Johann Baur.
Auf das Consilium (= Gutachten) der Juristen-Fakultät zu Straßburg, welches hauptsächlich dahin ging, daß genugsame Indicia vorhanden seien, um an das Knorren-Mareile mit scharfer Frag zu gehen, hat der Rat per maiora beschlossen, mit scharfer Frag an sie zu gehen, zuerst aber wegen ihres Leibschadens sie zu besichtigen, ob mit der Tortur füglich an sie zu gehen und nichts zu befahren (= befürchten) sei. Dann solle ihr ihre Enkelin konfrontiert werden. Aber trotz gütlichen Zuspruchs hat sie von keinem Hexenwerk etwas wissen wollen. Sie hat jedoch in der Hurerei selbstgestandnermaßen sich höchst sträflich vergriffen. Sie wurde von Herrn Dr. Wuecherer, Physicus, Michel Böglin und Hebamme besichtigt und nach Bericht des Physicus so befunden, daß er mit wirklicher Tortur an sie zu gehen nicht für ratsam erachte, sie aber mit dem Stiefel angegriffen werden könne.
Zuerst aber sind ihr die gefangenen Kinder konfrontiert worden.
Urban Helbling, Anna Maria Helbling, Christof Hammlelin und die Enkelin Anna Margretha Kurtz wiederholen ziemlich summarisch ihre schon früher gemachten Aussagen.
Knorren-Mareile beharrt auf ihrem halsstarrigen Gemüt. Deshalb wurde sie vom Scharfrichter geschnürt, ihr der Stiefel angelegt und sie aufgezogen, aber nicht vom Boden weg. Sie bekannte aber nicht das geringste.
1666 Juli 23
In Ratsversammlung wurde, weil die Verhaftete gar schlecht und nicht wirklich torquiert (= gefoltert) wurde und sich gegen den Stadtknecht vernehmen ließ, ehe sie etwas sage, werde sie sich zerreißen und zu Tod martern lassen, beschlossen per maiora (= mit Mehrheit), daß sie noch 1 oder 2mal torquiert und vom Boden gezogen werden solle, wie denn die Herren Commissare volle Gewalt haben sollen.
Demgemäß verfahren dann die Commissare, erreichen aber kein Geständnis.
1666 August 3 und 1666 August 6
Obwohl sie aufgezogen und ihr der Stiefel und Stein angelegt wurde, hat sie nichts bekannt.
1666 August 10
Die Herren Commissare berichten dem Rat. Die Sache wurde in die Umfrag gestellt. Weil die Verhaftete nunmehr durch die Tortur gänzlich purgiert war, wurde beschlossen, das Knorren-Mareile gegen eine geschworene Urfehd, doch nicht sogleich, aus dem Gefängnis zu entlassen.
1666 August 28
Der Verhafteten wurde die Urfehd vorgelesen und sie zugleich vernommen, ob sie der Urfehd nachleben und die Atzung bezahlen wolle. Sie hat sich dazu bereit erklärt und zugleich befohlen (= empfohlen) die Mittel von ihrem Wein zu nehmen.
- Archivaliensignatur
-
A 2 f (Hexenprozesse) Nr. A 2 f (Hexenprozesse) Nr. 7870
- Umfang
-
73 S.
- Formalbeschreibung
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Beschreibstoff: Pap.
- Sonstige Erschließungsangaben
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Bemerkungen: Das Lesen und Verstehen des Textes ist durch nachträgliche Ergänzungen und Korrekturen erschwert.
+) Knorren-Mareile = Maria Stirm
Genetisches Stadium: Or.
- Kontext
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Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25) >> Bd. 25 Hexenprozesse
- Bestand
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A 2 f (Hexenprozesse) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 23-25)
- Laufzeit
-
1665 September 11 - 1666 August 28
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
20.03.2025, 11:14 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Archivale
Entstanden
- 1665 September 11 - 1666 August 28