Akten | Bestand

Internationale Theosophische Verbrüderung e.V. (Bestand)

Vorwort: Bestandsgeschichte Im Jahr 1985 wurde dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv der sogenannte „Nachlass Walter Einbeck“ schenkungsweise überlassen. Im Zuge der Erschließungsarbeiten kristallisierte sich heraus, dass es sich dabei überwiegend um Verbandsschriftgut der „Internationalen Theosophischen Verbrüderung e.V.“ (ITV) handelt, deren zeitweiliger Vorsitzender Walter Einbeck war. Bereits 1977 hatte der damalige Vorsitzende der ITV Rudolph Fischer einen weitaus größeren Materialkomplex dem Staatsarchiv Coburg übergeben. Dieser Bestand, ergänzt durch eine Nachlieferung aus Berlin von 1989, wurde im Staatsarchiv Coburg unter der Bezeichnung „Internationale Theosophische Verbrüderung (ITV)“ verwahrt und war durch ein maschinenschriftliches Findbuch von 1989 sehr knapp erschlossen. Ein Vergleich der beiden Bestände machte deutlich, dass die Unterlagen inhaltlich zusammengehören bzw. sich in Teilbereichen sogar überschneiden. Aus fachlicher Sicht war daher eine Zusammenführung an einem Ort sinnvoll. Im Besitz des damaligen ITV-Vorsitzenden Rudolph Fischer befand sich neben dem Archivbestand auch eine theosophische Fachbibliothek im Umfang von knapp 300 Bänden, die von der Landesbibliothek Coburg übernommen wurde und sich nach wie vor dort befindet. Auf Coburg als zukünftigem Standort von Archiv und Bibliothek fiel die Wahl, weil einerseits „die während 40 Jahren (...) maßgebenden Männer der ITV (...) Hermann Rudolph und Hermann Fischer dort 1946 und 1953 gestorben sind“ (Hermann Rudolph Fischer), andererseits, weil sich dort beide Institutionen, Landesbibliothek und Staatsarchiv, bereit erklärt hatten, das Material dauerhaft zu verwahren. Angesichts der Tatsache, dass der Vereinssitz über lange Zeit (1959-1986) und insbesondere zum Zeitpunkt der Auflösung in München war, entschied man sich dafür, zukünftig die beiden Bestände unter dem Bestandsnamen „Internationale Theosophische Verbrüderung (ITV)“ im Bayerischen Hauptstaatsarchiv zu vereinigen. Dafür sprach auch, dass der Verein keinen regionalen Schwerpunkt hatte, sondern sich als deutscher Zweig der theosophischen Bewegung verstand. Eine tiefergehende Beziehung des Vereins zu Coburg bestand zu keiner Zeit. Zur Geschichte und den Zielen der ITV Im Jahr 1875 wurde u.a. von Helena Petrovna Blavatsky in New York die „Theosophische Gesellschaft“ gegründet, auf deren Basis Dr. Franz Hartmann 1896 die Theosophische Gesellschaft in Deutschland (TGD) ins Leben rief. Ideologische Richtungskämpfe innerhalb der internationalen theosophischen Bewegung führten schon im Folgejahr zu einem Bruch, der Hartmann am 3. September 1897 zur Gründung der „Internationalen Theosophischen Verbrüderung e.V.“ (ITV) veranlasste „als unabhängige und eigenständige theosophische Organisation, die an keine Muttergesellschaft gebunden war.“ 1897 in München gegründet, wurde die ITV schon im folgenden Jahr nach Leipzig verlegt. Die Satzung der ITV definierte den Zweck der Verbrüderung: „Die ITV ist eine Verbindung von Personen aller Nationen, welche zum Zweck hat, den Kern einer allgemeinen, die ganze Menschheit geistig umfassenden Verbrüderung zu bilden ohne Rücksicht auf Rasse, Nationalität, Glaubensbekenntnis, Stand und Geschlecht. Zur Erreichung diese Zweckes dienen: a) das vorurteilsfrei Studium alter und neuer Religionssysteme, Philosophien und Wissenschaften, der Hinweis auf die Wichtigkeit dieses Studiums und die Verbreitung der erlangten Kenntnisse (Aufklärung) (...); b) die Erweckung, harmonische Entwicklung und Pflege der im Menschen noch schlummernden höheren Erkenntnis- und Willenskräfte (Selbstbeherrschung, Liebe, Weisheit), die Erforschung der in der Natur waltenden Gesetze des Geistes und die uneigennützige Verwendung der erlangten Kenntnisse, Kräfte und Fähigkeiten zum Wohle der Menschheit (Veredelung und Durchgeistigung). (...) Die Theosophie oder göttliche Selbsterkenntnis, die Grundlage der Verbrüderung, ist kein Glaubensbekenntnis, keine Religionsform, Weltanschauung oder Philosophie, sondern das göttliche bewusste Leben, die Kraft der allumfassenden Liebe oder die Selbsterkenntnis der Wahrheit im Menschen.“ Die Theosophische Verbrüderung sah sich als „der Pfad zur Vollkommenheit“. Bereits um 1925 war die ITV die größte theosophische Gruppierung in Deutschland und umfasste 40 Logen und über 2000 Mitglieder. Laut einem Flugblatt der ITV war die „Theosophische Gesellschaft in Deutschland (...) eine Landesgruppe der ITV, ein Bund von theosophischen Gesellschaften auf Grundlage der Selbstverwaltung und Toleranz“. Beide, ITV und „Theosophische Gesellschaft in Deutschland“ waren also eng miteinander verbunden. Im Zuge des aufsteigenden Nationalsozialismus wurden die ursprünglichen Ideale einer Verbrüderung „ohne Rücksicht auf Rasse, Nationalität, Glaubensbekenntnis, Stand und Geschlecht“ immer mehr aufgeweicht. Ihr Vorsitzender Hermann Rudolph schrieb beispielsweise 1934: „Die nationalsozialistische Bewegung ist ideell von der theosophischen nicht zu trennen. (...) Wie es ohne den Nationalsozialismus, die Liebe zum Volke und den Dienst am Volke, keine theosophische Verbrüderung gibt, so kann ohne die theosophische Verbrüderung der Nationalsozialismus seine kosmische Aufgabe, seine Stufe in der Menschheitsentwicklung als Brücke zum reinen Menschentum nicht erfüllen, denn die Verbrüderung ist der Geist und die Vollendung des Nationalsozialismus.“ Aber auch diese Positionierung schützte die ITV wie alle anderen theosophischen Gesellschaften in Deutschland nicht davor, dass sie im Jahr 1937 von den Nationalsozialisten verboten wurden. 1946 erfolgte die Wiederbegründung des Vereins, 1959 wurde München wieder Vereinssitz und blieb dies bis zu dessen Auflösung im Jahr 1986 „wegen Überalterung der Mitglieder“. Zum Bestand Überwiegend besteht der Bestand aus den schriftlichen Hinterlassenschaften der ehemaligen Vereinsvorsitzenden Hermann Rudolph (Vorsitz 1898-1946), Walter Einbeck (1959-1968) und Hermann Rudolph Fischer (1969-1986). Neben persönlichen Dokumenten sind insbesondere Korrespondenzen und Vortragsmanuskripte zu nennen. Von beiden letzteren sind zudem Tonbandaufzeichnungen von Vorträgen überliefert (siehe die Übersicht im Anhang). Gut dokumentiert ist die geschichtliche Entwicklung des Vereins, so die Abspaltung der Theosophischen Gesellschaft in Deutschland 1934 durch Erhard Bäzner, das Verbot der ITV durch die Nationalsozialisten, die Neugründung des Vereins 1946 sowie die Bemühungen um Wiedergutmachung und Entschädigung. Darüber hinaus finden sich zahlreiche Publikationen (z.B. Monatsschriften wie die „Theosophische Kultur“) und sonstige Druckschriften (Satzungen, Veranstaltungsprogramme, Flugblätter, Plakate etc.) des Vereins. Ebenfalls dokumentiert sind die Tätigkeiten verschiedener Ortsgruppen, insbesondere des „Freien Theosophischen Studienkreises Berlin“ und der „Theosophischen Gesellschaft München“. Mai 2021 Joachim Glasner

Bestandssignatur
ITV
Umfang
163
Sprache der Unterlagen
ger

Kontext
Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Archivtektonik) >> Beständetektonik des Bayerischen Hauptstaatsarchivs >> 5 Abteilung V: Nachlässe und Sammlungen >> 5.2 Verbandsschriftgut >> 5.2.2 Geschichte, Kultur, Kunst, Presse und Medien, Weltanschauung

Provenienz
Internationale Theosophische Verbrüderung e.V.
Bestandslaufzeit
1875 - 1987

Weitere Objektseiten
Letzte Aktualisierung
03.04.2025, 11:05 MESZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Bestand
  • Akten

Beteiligte

  • Internationale Theosophische Verbrüderung e.V.

Entstanden

  • 1875 - 1987

Ähnliche Objekte (12)