Bestand

Heinrich Carl Lohmann (Bestand)

Vorwort Aufbau, Charakteristik und Bestandsgeschichte des Nachlasses Der mit 'Nachlass Lohmann' bezeichnete Bestand bietet mehr als sein Titel verspricht, denn der private Nachlass des bergischen Heimatforschers Dr. rer. pol. Heinrich Carl Lohmann ist nur ein Element der Sammlung. Hinzu kommen drei weitere Teile: a) Unterlagen zur Entwicklung der Firma Heinrich Kaufmann und Söhne/India-Werk (u.a. Bilanzen, Vergleichsverfahren); b) von Mitgliedern der Familie Lohmann/Kaufmann Überliefertes (u.a. Gertrud Lohmann, Hermann Heinrich Lohmann, Wolfgang Heinrich Lohmann, Karl Spielberg, Maria Streit). Zum besseren Verständnis der für den Nachlass wichtigen verwandtschaftlichen Beziehungen dient der beigefügte Stammbaum, der sich allerdings auf jene Familienmitglieder beschränkt, die für den Bestand relevant sind; c) umfangreiches Material der heimatgeschichtlichen Forschung H.C. Lohmann (Stammtafeln, Aufsatz- und Vortragsmanuskripte, Literatur- und Quellenexzerpte bzw. -abschriften usw.). Problematisch erscheint, dass diese verschiedenen Bestandteile des 'Nachlasses Lohmann' untrennbar miteinander verwoben sind. Beispielsweise liefert die aufbewahrte Korrespondenz zugleich Informationen über Privates wie über Geschäftliches. Darüber hinaus sind viele Einzelakten unsystematisch zusammengestellt. Insofern kann auch die vorgenommene Bestandsgliederung nur eine unzulängliche Übersicht bieten. Der Nachlass wurde zunächst personenbezogen grob nach seiner Provenienz unterteilt: 1. Firma Kaufmann und Familie Kaufmann/Lohman, 2. H.C. Lohmann und Gertrud Kaufmann, 3. Gertrud Kaufmann, 4, H.C. Lohmann, 6. W.H. Lohmann. Hinzu kam ein Kapitel (5.) zur heimatgeschichtlichen Forschung H.C. Lohmanns mit den Unterabschnitten: Allgemeines, Familienforschung, Ortsforschung, Arbeiten zum Themenkreis Solingen. Der erstellte Index hilft im günstigsten Fall, bestimmte Themenkomplexe rascher aufzufinden. Der Umfang des Bestandes, ein Resultat der Sammelleidenschaft und Kopierfreude H.C. Lohmanns, kann leicht über seinen Gehalt täuschen und allzu große Hoffnungen wecken. Sehr vieles, insbesondere die Korrespondenz sowie die heimatgeschichtlichen Exzerpte und Manuskripte, findet sich in mehrfacher Ausführung - allerdings in unterschiedlichen Zusammenhängen, so dass eine Kassation der Zweit-, Dritt- und Viertschriften nicht in Frage kam. Freilich besteht jetzt zum Teil die Gefahr, dass die bedeutsameren Teile des Nachlasses in der Fülle des Materials untergehen. Interessant erscheinen u.a. vier Themenkreise: (1) die Geschichte der Firma Heinrich Kaufmann und Söhne/India-Werk (insbesondere im Hinblick auf das Asien-Exportgeschäft und die Krise in der Weimarer Republik). Damit verknüpft ist die Geschichte einer (groß-)bürgerlichen Industriellenfamilie vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Weimarer Republik. Zu Lebensformen, Denkweisen und Selbstverständnis einer solchen Familie finden sich im Nachlass einige (wenige) aufschlussreiche Stücke (vgl. z.B. die Nachlassnummern l bis 3 und 19). (2) die Geschäftsreise H.C. Lohmanns nach Indien (1926/27). Aus den überlieferten Papieren (u.a. Reisebriefe) läßt sich neben dem technisch-praktischen Ablauf einer solchen Reise auch das zeitgenössische Bild eines gebildeten Westeuropäers vom Nahen, Mittleren und Fernen Osten, von indischer Kultur und englischer Kolonial Verwaltung rekonstruieren: "Indien, das Land der Wunder, der Naivität, des brünstigen Glaubens, der Primitivität" (Brief Lohmanns vom 20.11.1927, Nachlassnummer 29). (3) Reaktionen auf zeittypische Umbrüche wie die Revolution 1918/19, die Wirtschaftskrise 1929-1934, das Kriegsende 1945 (vgl. die Nachlassnummern 16, 25, 38 und 39). Auch die Einstellung zum Nationalsozialismus kommt in einigen Nachlasssplittern zum Ausdruck (vgl. die Nachlassnummern 6, 22, 23, 45, 201 und 205). (4) die Ergebnisse der heimatgeschichtlichen Forschungen H.C. Lohmanns. Zweifellos sind auf diesem Gebiet in den vergangenen 30 Jahren erhebliche Fortschritte gemacht worden. Dennoch dürfte jemand, der sich mit der Geschichte bestimmter Familien und Orte (nicht nur im engeren bergischen, auch im märkischen und rheinländischen Raum) befasst, im vorliegenden Nachlass eine Vielzahl von Informationen und Hinweisen finden, die eine Basis für weitere Forschungen darstellen können. Nach dem Willen des 1959 verstorbenen H.C. Lohmann, gelangte im Juni 1960 ein erster Teil des Nachlasses als Schenkung in das Stadtarchiv Solingen. Bücher und Druckschriften wurden dabei in die Archivbibliothek integriert, alle Papiere mit heimatgeschichtlichem Bezug später in die 'Null-Sammlung' aufgenommen. Der private Teil des Nachlasses wurde im Magazin aufbewahrt. Im Jahr 1990 stellte der Sohn H.C. Lohmanns, Dr. med. Wolfgang Heinrich Lohmann, dem Stadtarchiv weitere Unterlagen aus der Hinterlassenschaft seines Vaters zur Verfügung. Daraufhin wurden alle in der 'Null-Sammlung' befindlichen Nachlassstücke herausgezogen - ausgenommen Zeitungsausschnitte, durch zwischenzeitliche Ergänzungen angereicherte Einheiten sowie Arbeiten anderer Verfasser -, mit dem 1960 magazinierten Bestand 'Lohmann' und den neu hinzugekommenen Papieren vereinigt und anschließend verzeichnet. Das vorliegende Findbuch enthält auch Hinweise auf die in der 'Null-Sammlung' bzw. der Archivbibliothek verbliebenen Nachlassteile. Entwicklungsdaten der Firma 'Heinrich Kaufmann und Söhne, India-Werk' (HKS) 1856 gründete Heinrich Kaufmann dieses Stahlwarenunternehmen an der Hochstraße, das bald einen hervorragenden Platz in der Solinger Industrielandschaft einnahm. Produziert wurden insbesondere Taschenmesser und andere Spezialschneidwaren (Tafelmesser, Rasierklingen, Dolche), daneben zeitweise auch Werkzeuge, Baubeschläge, Maniküre-Artikel u. dgl. 1880 traten die Söhne des Gründers, Alfred und Ernst, in die Firma ein; 1884 eröffnete das Unternehmen Vertretungen in Bombay und Singapur. Das Indien-Exportgeschäft entwickelte sich zu einem wesentlichen Faktor des Betriebes (daher auch der Zusatz im Geschäftsnamen). Noch 1981 betrug der Exportanteil am Umsatz rund 40% (nach: Bergische Wirtschaft 52 (198,1), S. 689). 1895 schied Heinrich Kaufmann (+ 1910) als Geschäftsführer aus. Dennoch kam es in der Folge zu erheblichen familiären und unternehmerischen Auseinandersetzungen zwischen ihm und seinem Sohn Ernst, insbesondere nachdem Alfred Kaufmann, Vertreter der Firma in Asien, dort 1902 den Freitod gesucht hatte. 1899 bezog der Betrieb einen repräsentativen Neubau an der Rheinstraße, der bis 1914 endgültig fertig gestellt werden konnte. Die Briefköpfe vermitteln einen Eindruck: U.a. durch die Produktion des 'Mercator-Messers', das im 1. Weltkrieg von den Militärs mehr und mehr nachgefragt wurde, erlebte die Firma einen weiteren Aufschwung (Verdreifachung der Gewinne von 1913/14 bis 1918/19). Dank der Inflationsphase (das Unternehmen erwirtschaftete durch sein Exportgeschäft 'harte' Währung) setzte sich dieser bis 1922/23 fort. 1924 wurde die Exportagentur 'Mercatores-Werkvertretung' als Tochterunternehmen in Hamburg gegründet. 1926 beschäftigte 'Kaufmann und Söhne' 320 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 3 Millionen Mark und einer "außerordentlich starke[n] Ausfuhr nach Britisch-Indien" ('Bergische Arbeiterstimme' vom 9.6.1926). Zu dieser Zeit war die Geschäftslage jedoch bereits kritisch. Die Ursachen bedürfen noch näherer Untersuchung, doch scheint festzustehen, dass neben der insgesamt labilen wirtschaftlichen Situation der Zeit Fehlinvestitionen, Fehler der Geschäftsführung, ungenügende Erfolge im Indiengeschäft und relativ hohe Barentnahmen des Eigentümers Ernst Kaufmann zur Misere beitrugen. Ernst Kaufmann hatte die Unternehmensleitung schon seit längerem seinen Schwiegersöhnen Hehemann und Lohmann (1924-1926 Geschäftsführer der 'Mercatores-Werkvertretung') überlassen, seinen Sohn Günther dagegen weitgehend aus dem Firmenbetrieb herausgehalten. Zwischen den vier Personen kam es fortwährend zu Konflikten um den Kurs des Unternehmens. Gegenseitige Vorwürfe eskalierten teilweise in handgreiflichen Auseinandersetzungen (so zwischen Günther Kaufmann und H.C. Lohmann). Auch H.C. Lohman gelang es auf seiner Indienreise 1926/27 nicht, die Auftragslage der Firma zu verbessern und so zum Fortbestand des Betriebes beizutragen. Im August 1927 musste das traditionsreiche Familienunternehmen die Zahlungen einstellen; im Dezember 1927 wurde das Vergleichsverfahren eröffnet; zum 1.2.1928 gründeten die Gläubiger unter gleichem Namen, aber unter neuer Leitung, eine Aktiengesellschaft. 1932 spaltete man den Betrieb in eine Grundstücksverwertungs-AG und eine GmbH auf. Letztere produzierte ab 1932 in den Räumen des Hugo-Linder-Deltawerks an der Gasstraße und beschäftigte dort 1989 einschließlich der Heimarbeiter noch 18 Personen (Vgl. - auch allg. zur Firma - Stadtarchiv Solingen, Bildarchiv, Gruppe 1422 (Sammlung Industriegeschichte). Person und Werk Heinrich Carl Lohmanns Leben: Heinrich Carl Lohmann wurde am 11. Oktober 1892 in Solingen (Baustraße/Dorperstraße) als Sohn eines Schreiners geboren. Nachdem er 1910 das Realgymnasium Ohligs-Wald mit der Obersekunda-Reife verlassen hatte, versuchte er sich zunächst im kaufmännischen Bereich und im Textilhandel (u.a. als Reisender). 1914 entdeckte er seine Liebe zur Literatur, absolvierte eine Buchhandelslehre und wurde bald Prokurist bei 'Schmitz und Olbertz', Solingen. Nur wenige Monate (Juli bis Oktober 1915 und Oktober 1916 bis März 1917) zog man ihn als Füsilier bzw. Kanonier zum Kriegsdienst heran. Ein Asthmaleiden verhinderte seinen Einsatz an der Front. Den ersten wichtigen Wendepunkt seines Lebens bildete die Heirat mit Gertrud Kaufmann. Lohmann schreibt in seinem Lebenslauf in aller Offenheit: "Ich hatte die Tochter eines ersten Solinger Fabrikanten über den Büchern kennen gelernt. Wir heirateten. Durch meine Frau bekam ich Mittel in die Hände, um mich selbständig zu machen." (Nachlassnummer 206) Die Verheirateten ließen sich 1918 in Schweinfurt nieder, wo Lohmann eine Buchhandlung erwarb. National-konservativ eingestellt, trat er in der revolutionären Anfangsphase der Weimarer Republik 1919/20 einer Einwohnerwehr bei, die zur Organisation des reichsweit bekannten Revolutionsgegners Escherich zählte. 1921 kehrte Lohmann nach Solingen zurück, um als kaufmännischer Mitarbeiter der Geschäftsführung in der Firma seines Schwiegervaters Ernst Kaufmann tätig zu werden. Von 1924 bis 1926 leitete er die 'Mercatores-Werkvertretung' in Hamburg, ein Tochterunternehmen von 'Heinrich Kaufmann und Söhne, India-Werk' (s.o.). 1926/27 bereiste er im Auftrag von HKS Indien (daneben Aufenthalte in Frankreich, Italien, Palästina, Ägypten usw.). Geschäftliches Ziel war, den Export der Firma anzukurbeln. Als Kaufmann, Reisender und Privatperson sah sich Lohmann heftigen Angriffen von Seiten der 'Bergischen Arbeiterstimme' (BAST), dem lokalen KPD-Organ, ausgesetzt: "Den Personen Lohmann und Dr. Hehemann weinen die Arbeiter und Angestellten von Kaufmann keine Träne nach. Sie sind von den beiden genug unterdrückt und schikaniert worden. Wenn Lohmann nicht auf Reisen war, dann benahm er sich schlimmer und brutaler, als je ein anderer Betriebsleiter. Bei Verhandlungen mit dem Betriebsrat spielte er stets den tollsten Scharfmacher." (BAST vom 25.8.1927, vgl. auch BAST vom 24.9.1926). Seine Indienreise habe Lohmann - laut BAST - "zu einer tollen und verschwenderischen Vergnügungsreise benutzt" (BAST vom 30.8.1927). Solche Vorwürfe sind wahrscheinlich stark übertrieben und allzu einseitig, obwohl Lohmann im Betrieb zweifelsohne ein selbstbewusstes, vielleicht autoritäres Auftreten nicht fremd war. Seine Fernostreise nutzte er - verständlicherweise -zwar auch zur kulturellen Bildung und zur Unterhaltung, doch der Mangel an Aufträgen war wohl eher seiner fehlenden geschäftlichen Erfahrung und der allgemein problematischen wirtschaftlichen Lage zuzuschreiben als einem exzessiven Vergnügungsdrang. Im Rückblick räumt Lohmann indes allzu nonchalant ein, nicht wenig Zeit auf touristische Exkursionen verwendet zu haben: "Gewiss, ich war Handlungsreisender. Ich hatte meine Musterkoffer, ich hatte meine Pflicht. Die Firma zu Hause brauchte Orders. Doch da sind so viele Feiertage in Indien, da blieb einem noch etwas Zeit über für mich, die Stätten aufzusuchen, die mir aus Büchern längst bekannt waren." (Nachlassnummer 206) Der Zusammenbruch der Firma beraubte Lohmann seiner Existenzgrundlage, zumal am 6.7.1928 auch die Scheidung von seiner Frau erfolgte. In der wirtschaftlich schwierigen Zeit scheiterten zahlreiche Bewerbungen um eine neue Arbeitsstelle. Wie auch in den Konflikten mit Schwiegervater und Schwager um den Kurs der Firma präsentierte sich Lohmann in diesen Bewerbungen als außerordentlich selbstbewusster, fast schon selbstgerechter, gelegentlich auch von Selbstmitleid bzw. Larmoyanz heimgesuchter Mensch, dem im übrigen - darauf lassen viele Nachlassstücke schließen - auch Eitelkeit nicht ganz fremd war. Schließlich entschloss er sich dazu, das Abitur nachzuholen und ein Betriebswirtschaftsstudium in Köln aufzunehmen. Es zeugt von Willensstärke, dass er 1933 als 41-jähriger den Titel eines Diplom-Kaufmanns erwarb. 1934 promovierte Lohmann mit einer auch auf persönlicher Erfahrung fußenden Arbeit über 'Die Ausfuhr Solinger Stahlwaren nach Britisch-Indien, Burma und Ceylon' zum Dr. rer. pol. (Note: gut) und legte die Prüfung zum Diplom-Handelslehrer ab. Lehraufträgen des Solinger Arbeitsamtes (1934/35) und der Arbeit an der Kaufmännischen Berufsschule der Klingenstadt (1936-1938) folgte 1938 die Festanstellung an den Kaufmännischen Unterrichtsanstalten in Wuppertal. Am 26.1.1938 heiratete Lohmann zum zweiten Mal (Herta Weimann). Zumindest nach außen hin, etwa in Anstellungsvorträgen, stellte er, der die Beamtenlaufbahn anstrebte, sich auf den Boden des 'Dritten Reiches', wobei er noch Illusionen über dessen Ziele und Konsequenzen gehegt haben mag. 1950 zum Stellvertreter des Direktors ernannt, wurde Lohmann Ostern 1958 pensioniert. Nur wenige Monate später, am 20. Februar 1959, starb er in Wuppertal. Geplante Memoiren kamen über das Stadium autobiographischer Notizen nicht weit hinaus, in denen sich auch Lohmanns Versuch spiegelt, einen selbstgesetzten literarischen Anspruch einzulösen. Heimatgeschichtliche Forschung: Dieses an Wechselfällen und Wendepunkten reiche Leben beeinflusste auch die geschichtliche Forschungsarbeit H.C. Lohmanns: Anfängliche Initiativen auf dem Gebiet der Familienforschung setzten in der ersten Hälfte der 1920er Jahre ein, verebbten mit der Hamburger Tätigkeit bzw. der Indienreise und wurden etwa ab 1930 wieder aufgenommen. Doch erst, als Lohmann eine sozial und wirtschaftlich gesicherte Stellung erreicht hatte (1938), begann eine intensivere heimatgeschichtliche Forschung, die in der Folge (vor allem ab ca. 1940) zu zahlreichen Vorträgen, Rezensionen und Veröffentlichungen führte. Lohmann publizierte v.a. in regionalen Zeitungen und Zeitschriften wie 'Bergischer Volksbote', 'Die Heimat', 'Rheinische Landeszeitung', _ 'Solinger Tageblatt', 'Unsere bergische Heimat', 'Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins'. Lohmann verkörperte nach Inhalt und Methode seiner Arbeiten ganz den Typus des traditionellen Heimatforschers. Den Ausgangspunkt stellte die Familienforschung dar. Orden seines Großvaters weckten früh ein Interesse an der Geschichte seiner Vorfahren. Dabei begnügte Lohmann "sich nicht mit oberflächlichen Vorstößen" (Klaus Goebel: Portrait des bergischen Heimatforschers Dr. H.C. Lohmann. o.O. o.J., Nachlassnummer 34). Statt dessen entwirrte er die münsterländischen Ursprünge seiner Familie, die Beziehungen der Familie Kaufmann ins Sauerländische, Rheinländische usw. Unbewusst mag Lohmanns Eifer auch mit dem Wunsch zusammengehangen haben, adelige Ahnen auszuspähen und so Selbstbestätigung zu gewinnen. So widmete er sich intensiv der Familie von Driesch, die zu den Vorfahren der Familie Kaufmann zählte. Aus der Familienforschung entwickelte sich bald ein Interesse für die mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte des bergischen Raumes insgesamt. Daraus resultierten u.a. Zusammenstellungen für ein Solinger und ein Lützenkirchen/Grünscheider Urkundenbuch (Nachlassnummern 131/132 und 138). Methodisch beruhten Lohmanns Arbeiten v.a. auf einem intensiven Quellenstudium. In einer zeitaufwendigen, oft mühseligen Detailarbeit exzerpierte und kopierte er aus Akten, Urkunden und Monographien, befragte Standesämter und Pfarrer, korrespondierte mit anderen Heimatforschern und informierte sich Vor Ort' über Quellenbestände oder mündliche Überlieferungen: "Was es an erreichbaren Quellen gab, wurde, wenn es nicht käuflich zu erwerben war, abgeschrieben." (Marie-Luise Baum: Dr. Heinrich Carl Lohmann zum Gedächtnis. In: Unsere bergische Heimat 8 (1959). Nr. 4. unpag.). Neben der heimatgeschichtlichen Forschungsliteratur (u.a. von A. Fahne, J. Günther, E. Strutz, A. Weyersberg) sammelte und exzerpierte Lohmann aus vielen Quellenveröffentlichungen (z.B. Th. J. Lacomblets 'Archiv für die Geschichte des Niederrheins' oder Lacomblets 'Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins'). Wesentliche Teile seiner Quellenexzerpte gehen auf Originale im (Haupt-)Staatsarchiv Düsseldorf zurück. Daneben arbeitete Lohmann u.a. in den Stadtarchiven Köln und Solingen, in der Erzdiözesan-Bibliothek Köln, in der Hessischen Hochschul- und Landesbibliothek, in Privatarchiven (J. Strerath auf dem 'großen Driesch') und in Kirchenarchiven (u.a. ev. Gemeinde Solingen, St. Katharina Solingen-Wald, Wuppertal-Sonnborn). Der gesamte Nachlass zeugt von Lohmanns Sammelleidenschaft und dem immensen Fleiß, den er an den Tag legte - ganz im Gegensatz zur Schulzeit, als ihm das Zeugnis des Realgymnasiums attestiert hatte: "Fleiß = mangelhaft" (Nachlassnummer 14). Aus heutiger wissenschaftlicher Sicht kann man den wissensdurstigen Hobby-Forscher Lohmann zwar in manchen Punkten kritisieren. An einigen Stellen des Nachlasses, etwa in der Korrespondenz mit Pfarrern und anderen Heimatforschern, schimmert die tief verwurzelte Überzeugung durch, außerordentlich wichtige, einmalige Arbeit zu leisten. Dies führte gelegentlich zu recht energisch vorgetragenen Forderungen nach Auskünften. Die Nachlasspapiere belegen jedoch auch Lohmanns Hilfsbereitschaft, wenn er um Informationen gebeten wurde. Wichtiger sind andere Einwände gegen Lohmanns Arbeit: Teilweise geht er allzu quellenunkritisch vor, ist zu sehr auf Details fixiert, ohne diese in übergreifende historische Prozesse einzuordnen oder daraus systematisch weiterführende Thesen zu entwickeln. Gelegentlich mangelt es an Distanz zum Überlieferten, fehlen klare Interpretationen des Vorgefundenen, beschränkt sich das Forschen auf bloßes Suchen und Abschreiben. Charakteristisch für den traditionellen Heimatforscher, 'suchte Lohmann kaum je den Kontakt zur 'professionellen' Geschichtswissenschaft - weder persönlich noch über Veröffentlichtes. Seine Korrespondenzpartner waren - wie er - vorwiegend interessierte Laien oder andere Hobby-Forscher. Insofern wurde Lohmanns fast unbegrenzte Neugierde, wurde sein Wissensdrang immer wieder auf neue Themen und Quellen gelenkt, die er dann in Vertrags- oder Aufsatzform kurz behandelte. Was Lohmann wohl nicht vorgeworfen werden kann, ist sein zeitbedingt enges Verständnis von Geschichte: Geschichte erscheint bei ihm zumeist als Geschichte herausragender Personen, als Geschichte von Orten, Herrschaftsinstitutionen (Hofgerichte u. dgl.) und Finanzfragen, weniger als Geschichte gesellschaftlicher Gruppen, Strukturen oder Prozesse, als Geschichte von Denkweisen, Erfahrungshorizonten, Staats- und Gesellschaftssystemen, alltäglichen Lebensformen o.a. Lohmann fragte letztlich nach der Rolle von Individuen in der Geschichte; das Individualisieren dominierte allzu stark über das Typologisieren. Dennoch: Heinrich Carl Lohmann rief wichtige Quellenbestände z.T. erst ins Gedächtnis (etwa die Liste jener Untertanen, die 1487 dem bergischen Herzog ein Darlehen gewährten: 'Die Auftragung der Untersassen' des Herzogtums Berg, die Anno 1487 ihrem Herzog Wilhelm II. ein Darlehen gaben. In: ZBGV 69 (1941/42) und 70 (1949)). Er gab v.a. seine Quellen konkret an, womit er sich positiv von anderen Heimatforschern abhob. Schließlich vermittelte Lohmann der bergischen Heimatforschung mehrfach kräftige Impulse, z.B. hinsichtlich der Ausgrabungen am Ort der alten Solinger Kirche. Dies schloss nicht aus, dass seine Ansichten Widerspruch erfuhren, etwa im Hinblick auf den Namen Solagon/Solorichon/Solingen (vgl. dazu Lohmanns Plädoyer in: 'Der Widderter Zehnte von 1067'. Solingen 1967). Lohmann hinterließ ein quantitativ beeindruckendes Forschungsmaterial, das für den gesamten bergischen Raum (und z.T. darüber hinaus, s.o.) von Bedeutung ist und besonders in weiten familien- und ortskundlichen Teilen noch keineswegs überholt erscheint. Der von Ralf Stremmel im Juli 1991 bearbeitete Nachlass wurde im April 2011 durch Materialien Lohmanns aus der Archivbibliothek und einzelne Nachlasszugänge, verzeichnet von Ralf Rogge, ergänzt. Solingen, 2011 In der Archiv-Bibliothek verbliebene Nachlassteile: K. Hartwig: Die Sammlung und Erschließung des Schrifttums zur Geschichte des Bergischen Landes, 1941 (GA 26) W. Blankertz: Ewiges Bauerntum in der Bergischen Heimat. In: Sonderdruck des Bergischen Volksboten (GA 300/1) O. Fischer: Deutsches Brauchtum zur Maienzeit ... im Bergischen (GA 300/2) W. Blankertz: Schloß Hückeswagen, 1940 (GA 300/3) W. Blankertz: Die Germanen des Bergischen Landes (GA300/7) W. Engels: Die Eigenwälder der bergischen Herzöge zwischen Dhünn und Wupper (GA 300/8) Messinggrabplatte des 14. Jahrhunderts, insbesondere die Altenberger Wicbold-Platte (Materialsammlung) (GA 300/ 11)

Eingrenzung und Inhalt: * 11.10.1892 in Solingen † 20.2.1959 in Wuppertal Gewerbelehrer, Heimatforscher. Neben dem heimatgeschichtlichen Material (Stammtafeln, Aufsatz- und Vortragsmanuskripte, Literatur- und Quellenexzerpte bzw. -abschriften, Forschungen, etc.) umfaßt der Nachlaß privates Schriftgut von L. (und seiner Familie) und die Geschichte des Unternehmens "Heinrich Kaufmann und Söhne sowie die Geschichte einer (groß-) bürgerlichen Industriellenfamilie vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Weimarer Republik; die Geschäftsreisen H.C. Lohmanns nach Indien (1926/27), Reaktionen auf zeittypische Phänomene wie die Revolution 1918/19, die Wirtschaftskrise 1929-1934, den Nationalsozialismus oder das Kriegsende 1945.

Reference number of holding
Na 015
Extent
Findbuch: 353 AE

Context
Stadtarchiv Solingen (Archivtektonik) >> Bestände nichtstädtischer Provenienz >> Nachlässe und Sammlungen

Date of creation of holding
1670 - 1980

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Last update
23.06.2025, 8:11 AM CEST

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Object type

  • Bestand

Time of origin

  • 1670 - 1980

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