Feldpostbrief

Curt Emmerich an seine Schwester am 01.04.1916 (3.2011.3532)

d. 1.4.16. Mein liebes gutes Schwesterchen! Du warst gewiss ein wenig erstaunt, dass Du nicht einmal zu Deinem Geburtstage einen Brief erhalten hast, zum mindesten nicht pünktlich. Aber wie das so geht, ich hatte gerade gut gefrühstückt und war im Begriffe, an Dich zu schreiben, da erhielt ich plötzlich Befehl, zum Karabinerschiessen nach P. abzurücken. Als wir spät abends, hundemüde von dem weiten Weg, wieder heimkamen, da war die Post schon längst fort und mein Schwesterlein musste sich mit der ach so gemütsrohen Karte begnügen. Daher aber sende ich Dir heute doppelt und dreifach so viel Grüsse und treue Wünsche. Bleib vor allem hübsch gesund, mein kleiner Racker, und mach in Deiner Schule brav weiter fort. Dein erwählter schöner Beruf möge Dir alle Freude und Befriedigung, alles Glück gewähren, das man nur immer auf dieser Erden verlangen kann. Euch Lehrerinnen und Lehrern, und vorzüglich denen an Volksschulen, stehen schwere schwere Aufgaben bevor, aber auch stolze, schöne. Ihr habt einmal das neuen Deutschland heranzubilden, und Ihr seid den Kämpfern dieses Krieges einmal die Verantwortung dafür schuldig, dass Jung-Deutschland so stolz und stark, so frei und kampfesfroh werde, wie es die Jugend des August 1914 war. Der bodenständige, [...] deutsche Idealismus, der dennoch bis in den Himmel ragt, dies soll der Grund bleiben unseres Handelns und Strebens. Achte nur darauf, nicht zu verkommen in der Flachheit einerseits und im unverstandenen Materialismus andererseits, Die Großen von Weimar sind unsere würdigen Ahnen! Wollen nur Ihre Enkel sein! - Und bleib auch der kleine Sonnenschein unserer Familie, der lachende, lockende Frühlingskobold. Nicht wahr, mein Mäusle? - Daß ich Dich so lieb habe, daß am Montag alle meine Gedanken bei Dir sein werden, zumal in meiner stillen Nachtwachstunde, das weisst Du ja. Könnten wir nur bald ein Wiedersehen feiern, wie wollten wir uns einander das Dasein versüssen! Gelt, Luischen? Was gibts denn als leckeren Geburtstagsschmaus? Ich werde von meiner ersten Vizewachtmeisterlohnung, die ich morgen bekomme, ein Fläschle Wein auf Dein Wohl trinken. Ist Dirs recht? Ich denke doch. - Von Hause hatte gestern wieder liebe Post. O, wie ich Dich beneide um Deine Ferien, Du glücklicher […] Du! Ich glaube aber, Väterlein und Mütterlein freuen sich auch sehr, endlich mal wieder eins von ihren drei stolzen Sprösslingen wiederzusehen. Führe nur Vatern recht viel an die frische Luft. Wie mir scheint, arbeitet er wieder ein bisschen sehr viel. Vielleicht macht er sich über Ostern überhaupt gleich ein paar Tage frei. Mein Luischen! Zum Schluss viele tausend innige Küsse, Mit treuliebevollem Gedenken werden alle meine Gedanken bei Dir sein. Dein treuer Bruder Curt.

Urheber*in: Emmerich, Curt / Rechtewahrnehmung: Museumsstiftung Post und Telekommunikation | Digitalisierung: Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Urheberrechtsschutz

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Standort
Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Inventarnummer
3.2011.3533
Material/Technik
Papier

Verwandtes Objekt und Literatur
Online-Präsentation zum Schreiben in Kriegsgefangenschaft
Teil von Collection ID3.2011.3533: Curt Emmerich - 5 Briefe - März 1916 bis Juli 1918 - 3.2011.3533

Bezug (was)
FELDPOST

Ereignis
Herstellung
(wer)
Curt Emmerich
(wo)
Unbekannter Ort
(wann)
01.04.1916

Rechteinformation
Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Letzte Aktualisierung
15.04.2025, 13:55 MESZ

Datenpartner

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Objekttyp

  • Feldpostbrief

Beteiligte

  • Curt Emmerich

Entstanden

  • 01.04.1916

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