Archivbestand
Carlo Ross (Bestand)
Bestandsbeschreibung: Werkmanuskripte,
Korrespondenzen, Lebensdokumente, Sammlungen (Rezensionen, Berichte zu
Lesungen, bio-bibliographische Unterlagen, Belegexemplare eigener Werke und
anderer Autoren)
Form und Inhalt: Der literarische
Nachlass des in Hagen/Westfalen geborenen Schriftstellers Carlo Ross wurde
am 16. Februar 2005 in das Westfälische Literaturarchiv im LWL Archivamt für
Westfalen als Bestand 1013 übernommen und umfasst 71 Verzeichnungseinheiten
von 1934 bis 2005. Der Nachlass wurde durch den Hagener Lehrer Gerhard
Eicher und den Nachlassverwalter Rechtsanwalt Hans-Peter Weisskirch an das
Westfälische Literaturarchiv vermittelt. Der Bestand ist frei benutzbar im
Lesesaal des LWL-Archivamtes und zu bestellen bzw. zu zitieren als:
Westfälisches Literaturarchiv im LWL-Archivamt für Westfalen (WLA), Bestand
1013 / Nr. [...]. Ein Online-Findbuch kann auf der Website des
LWL-Archivamtes bzw. über das Internetportal archive.nrw.de abgerufen
werden.
1. Biographische Anmerkungen.
Carlo Ross wurde
am 7. Februar 1928 als Karl-Otto Müller in Hagen/Westfalen geboren. Er
wohnte zunächst mit Vater Peter, Mutter Emma Müller und Schwester
Rose-Margot im Stadtteil Haspe am Karweg. Nachdem seine Mutter (zum zweiten
Mal) verwitwet war, zog der 5-jährige Karl-Otto und seine Mutter, die ihren
früheren Nachnamen Ross wieder annahm, etwa 1933 in die Straße "Zur Stiege"
nach Altenhagen. Emma Ross ließ sich im Jahr 1910 als Baptistin taufen und
Karl-Otto selbst wurde später getauft und von Pastor Rehling in Hagen
konfirmiert, war also evangelisch.
Während der NS-Diktatur war es
für Mutter und Sohn überlebensnotwendig, die jüdische Herkunft strengstens
zu verschweigen. Das Stillschweigen und die ständige Angst, dass die
jüdischen Wurzeln entdeckt würden, prägten die Kinder- und Jugendzeit von
Carlo Ross und später auch seine literarischen Werke. In einer
autobiographischen Skizze (1013/57) beschreibt er nie überwundene psychische
Schwierigkeiten, die bis zu Angstpsychosen reichten.
Von 1934 bis
1942 besuchte Karl-Otto Müller die Hallenschule in Altenhagen, die im 3.
Reich Herbert-Norkus-Schule hieß. Die Namen mancher seiner damaligen Lehrer
und Mitschüler, wie den des zuckerkranken Erich Zittlau, mag er später in
seinem Roman "... aber Steine reden nicht" verarbeitet haben. Trotz seiner
Begabungen - Karl-Otto Müller interessierte sich besonders für
mittelalterliche Geschichte und deutsche Sprache und Literatur - haben ihm
die knappen Geldmittel (600 Mark Schulgeld pro Jahr waren damals zu
bezahlen) und der fehlende Nachweis einer arischen Abstammung den höheren
Schulbesuch unzugänglich gemacht. Seine Schulpflicht endete mit der
Entlassung aus der 8. Klasse am 21. März 1942.
Von 1942 bis 1946
absolvierte er eine kaufmännische Ausbildung im Autohaus "Hütter &
Schildberg" in Hagen und wohnte mit seiner Mutter in Hagen-Eckesey.
Schon 1945/46 entstand ein Roman "Kalte Herzen in kalter Zeit", in dem
Karl-Otto Müller sich mit der jüdischen Einwanderung nach Palästina
befasste. Das Manuskript ist im Nachlass nicht überliefert und wurde auch
nie veröffentlicht (vgl. 1013/71).
Nach der Kaufmännischen
Ausbildung hatte er das Glück, bei der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung"
(WAZ) unter dem Hagener Redakteur Walter Peddinghaus zu volontieren; 1949
beendete er freiwillig diese journalistische Tätigkeit.
Ende der
1950-er Jahre wurde er von der Stadtverwaltung Hagen eingestellt und
zunächst als Desinfektor beim Gesundheitsamt beschäftigt. Im Jahr 1962 starb
seine Mutter und mit Ablauf des Jahres schied er im gegenseitigen
Einvernehmen aus dem Dienst der Stadt Hagen.
Danach wechselte er
in die Sozialarbeit, war zwischen 1963 und 1965 Erzieher in mehreren Heimen
(vgl. seine Lebensdokumente in 1013/42).
Kurz darauf ging er nach
Berlin-Wilmersdorf, legte seinen Geburtsnamen Müller ab und trug fortan den
Namen des ersten Ehemannes seiner Mutter, Ross.
In Westberlin
arbeitete Carlo Ross wieder als Journalist, gründete den Kleinverlag Patria
und gab die "Berliner Seniorenpost" und den "Berliner Heimatkalender"
heraus, in dem er unter dem Pseudonym Michael Falk auch Gedichte
veröffentlichte.
Da er wegen seiner psychischen Störungen immer
wieder in Kliniken behandelt werden musste, verkaufte er die Rechte am
Patria-Verlag und verzog 1984 mit seiner langjährigen Lebensgefährtin nach
Maxhütte bei Regensburg. Hier lebte er bis ca. 1997, als er nach Hagen
zurückkehrte. In Regensburg entstanden seine bekannten Romane, die sich an
ein jugendliches Publikum wenden und v. a. Themen der jüdischen Kultur und
Geschichte behandeln. Für die Verbreitung des Debütromans "... aber Steine
reden nicht" (Recklinghausen: Bitter, 1987) hatte ihm der Verleger Dr. Georg
Bitter empfohlen, seine Autorenvita zu ändern und als Aufenthaltsort für die
Zeit von 1942 bis 1945 das Ghetto Theresienstadt anzugeben, was einen
besseren Verkauf seines Buches gewährleiste. Da Carlo Ross sehr froh war,
endlich einen Verlag für sein erstes Buch und auch die nachfolgenden vier
Romane gefunden zu haben, gab er dazu schließlich seine Einwilligung. Die
Schilderung der entsetzlichen Ereignisse um den Protagonisten David Rosen im
Ghetto Theresienstadt (in der Romanfortsetzung "Im Vorhof der Hölle",
Recklinghausen: Bitter, 1991) war jedoch unabhängig von der
verkaufsfördernden "Lebenslüge" des Autors so authentisch, dass Carlo Ross
1994 den "Alfred-Müller-Felsenburg Preis für aufrechte Literatur"
erhielt.
3. Zum Nachlass
Bei der Bearbeitung war der
Nachlass bereits vorgeordnet. Für die Erschließung wurde er klassifiziert
nach den Ordnungsgruppen: Werke - Korrespondenzen - Lebensdokumente -
Sammlungen. Entsprechend ihrer Gewichtung im Gesamtnachlass wurden die
Unterlagen zum Werk vorangestellt und in vier Untergruppen gegliedert, um
die für Carlo Ross wichtigsten Genres (Prosa, Drama, Lyrik und Hörspiel)
abzubilden. Bei der Verzeichnung der Werkmanuskripte ist im Feld
"Literaturangaben" ggf. der Titel der Erstveröffentlichung nachgewiesen. Die
Korrespondenzen wurden in der vorgefundenen Ordnung, zum Teil mit
beigefügten Materialien belassen; besondere Werk-Betreffe der
Korrespondenzen sind dem Feld "Literaturangaben" zu entnehmen. Die
Sammlungen umfassen Materialien wie Rezensionen, Berichte zu Lesungen, bio-
und bibliographische Unterlagen, Illustrationen, Belegexemplare eigener
Werke und von anderen Autoren.
Überlieferungsschwerpunkt im
Nachlass von Carlo Ross sind die Unterlagen zu seinem literarischen Werk,
hier vor allem zu seinen Prosatexten: Romanmanuskripte, die zum Teil
unveröffentlicht geblieben sind, sowie Kurzprosa, abgedruckt in Periodika
wie "Berliner Heimatkalender" und "Berliner Seniorenpost". Aus den Motiven
des Romans "Mordskameradschaft" (Leipzig: LKG, 1995) versuchte Carlo Ross
ein Bühnen- und Hörspiel zu gestalten. Gedichte schrieb er nur gelegentlich
und veröffentlichte sie im "Berliner Heimatkalender" unter dem Pseudonym
Michael Falk.
Im Rahmen eines freiwilligen Praktikums im
LWL-Archivamt für Westfalen wurde der Bestand von Pavel Khromykh im
September 2013 erstverzeichnet; für das Findbuch wurden Verzeichnung und
Vorwort noch einmal überarbeitet.
3. Literaturhinweise
Verwiesen sei auf den Eintrag zu Carlo Ross in der Datenbank "Lexikon
Westfälischer Autorinnen und Autoren"
(www.lwl.org/literaturkomission/alex/index.php) auf der Grundlage und in
Fortführung des vierbändigen "Westfälischen Autorenlexikons 1750-1950", im
Auftrag des LWL hrsg. und bearbeitet von Walter Gödden und Iris
Nölle-Hornkamp, Paderborn: Schöningh Verlag, 1993-2002. Bei den
Veröffentlichungen über Ross sei besonders hingewiesen auf den Beitrag von
Jochen Grywatsch "'... aber Steine reden nicht' - Zur Darstellung jüdischen
Lebens während der NS-Diktatur in Deutschland in den Jugendromanen von Carlo
Ross" , in: Hartmut Steinecke und Iris Nölle-Hornkamp (Hrsg.): Jüdisches
Kulturerbe in Westfalen. Spurensuche zu jüdischer Kultur in Vergangenheit
und Gegenwart. Symposion in der Akademie Franz-Hitze-Haus Münster, 19. - 21.
Oktober 2007. Bielefeld: Aisthesis, 2009, S. 101-119.
Zitierweise: Westfälisches Literaturarchiv, Best. 1013/lfd.
Nr.
- Reference number of holding
-
1013
- Context
-
Westfälisches Literaturarchiv (Archivtektonik) >> Schriftsteller
- Date of creation of holding
-
1934-2005
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05.11.2025, 1:59 PM CET
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Object type
- Bestand
Time of origin
- 1934-2005