Triptychon

Die Anbetung der Könige / Monforte-Altar

Der Altar, der nach seiner Herkunft aus dem entlegenen Kloster Monforte de Lemos in Nordspanien benannt ist, zählt zu den frühesten großen Leistungen des Künstlers. Einst bildete die Anbetung der Könige die Mitteltafel eines großen Triptychons. Noch trägt der reich profilierte alte Rahmen an den Seiten die eisernen Scharniere, in denen früher die beweglichen Flügel hingen. Die Wiederholungen des Altares bezeugen, wie sehr die Komposition als beispielhaftes Vorbild anerkannt worden ist. Dennoch blieb das Werk nicht vor den Unbilden bewahrt, denen Kunstwerke in späterer Zeit so oft ausgesetzt waren. Hierzu gehört der Verlust der beiden Flügel und die Verkürzung der Mitteltafel, die ursprünglich rechteckig überhöht war. Deshalb sind von den einst aus der Höhe herabschwebenden Engeln heute nurmehr die unteren Gewandpartien erhalten. Kopien überliefern die Darstellungen auf den Innenseiten der Flügel. Danach wurde die Anbetung der Könige auf dem linken Flügel von der Geburt Christi und auf dem rechten Flügel von der Beschneidung Christi gerahmt. Der mächtige Altar, der bei geöffneten Flügeln fast sechs Meter in der Breite maß, führt uns in einen neuen Bereich der altniederländischen Malerei. Vor uns steht ein ausgereiftes Werk, in dem van der Goes bereits den Zenit seiner Kunst erreicht hat. Die Bildfiguren, ungewöhnlich in ihrer körperlichen Monumentalität und spürbaren inneren Größe, sind in überzeugender Weise in den sie umgebenden Raum eingeordnet, mit einem Anspruch und einer Feierlichkeit, die für die niederländische Kunst etwas völlig Neues bedeuteten. Kaum eine Begebenheit hat so nachhaltig auf die Vorstellungskraft der Gläubigen gewirkt wie die Geschichte von der Anbetung der Heiligen Drei Könige. Theologie und Volksfrömmigkeit haben diese Geschichte weiter ausgestaltet. Bereits Tertullian deutete die Magier als Könige, deren Zahl Origenes nach den drei bei Matthäus genannten Gaben festlegte. Die bis heute geläufigen Namen Caspar, Melchior und Balthasar tauchen im 9. Jahrhundert auf. Im hohen Mittelalter galten die drei Könige als Abgesandte der drei damals bekannten Weltreiche: Europa, Afrika und Asien. So ist es zu erklären, dass einer der Könige oft mit dunkler Hautfarbe gekennzeichnet ist. Vor dem Mauerwerk der Ruine eines mächtigen Gebäudes sitzt Maria in stiller Feierlichkeit und blickt auf das nackte Kind herab, das sie behutsam mit beiden Händen auf dem Schoß hält. Dessen Aufmerksamkeit gilt jedoch nicht so sehr den Königen, sondern dem gläubigen Betrachter. Im Vordergrund kniet Joseph, der mit entblößtem Haupt die Könige grüßt, die sich von rechts her Maria und dem Kind nähern. Der älteste der Könige kniet anbetend vor dem Kind. Er hat den kostbaren Kronenhut als Zeichen seiner Demut abgelegt. Vorn auf einem Stein steht sein Geschenk, ein Pokal voller Münzen. Der zweite König huldigt dem Kind kniend und mit einer Handbewegung, die seine tiefe Verehrung zum Ausdruck bringt. Neben ihm kniet sein Page, der ihm die dem Kind zugedachte Gabe überreicht. Wie gebannt steht rechts der in nachdenkliche Betrachtung versunkene afrikanische König. In der erhobenen Hand hält er ein kostbares Gefäß. Eindrucksvoll hat der Künstler die drei Könige auch hinsichtlich ihres unterschiedlichen Alters gekennzeichnet – ein Motiv, das im 14. Jahrhundert aufkam und darauf anspielt, dass sich auch die drei Lebensalter des Menschen vor Christus verneigen und ihn anerkennen. Hinter dem afrikanischen König nahe dem rechten Bildrand sowie hinter dem niedrigen Bretterzaun in der Mitte des Bildes erkennt man die Gefolgsleute der Könige, die in recht unterschiedlicher Weise an dem Ereignis Anteil nehmen. In der Ferne erblickt man die Hirten, die – so berichtet die Legende des Johannes von Hildesheim aus dem 14. Jahrhundert – den Königen von dem geschauten Wunder berichtet und ihnen den Weg gewiesen hatten. Die Hirten galten als die Erstberufenen der Juden, die Könige als die Erstberufenen der Heiden. Ihre gemeinsame Wiedergabe ist hier als Hinweis auf die einigende Kraft der durch Christus gestifteten Kirche zu verstehen. Links öffnet sich der Ausblick auf eine Dorfstraße, wo vor den Augen der Dorfbewohner Reiter aus dem Tross der Könige eine Brücke überqueren. Die feierliche Ruhe und ungewöhnliche Monumentalität der Bildfiguren weisen weit über das in der niederländischen Kunst bis dahin Erreichte hinaus. Selten ist die Huldigung des zukünftigen Weltenherrschers so ergreifend gestaltet worden wie in dem Gegensatz zwischen dem kaum seiner Sendung bewussten Kind und der würdevollen Erscheinung des ältesten Königs, dessen schwere Hände andächtig zum Gebet gefaltet sind. Hier ist das Heilsmysterium, ohne dass dies die Größe der formalen Konzeption mindern würde, zu einer frommen, lebenswahren Legende geworden.| 200 Meisterwerke der europäischen Malerei – Gemäldegalerie Berlin, 2019_____________________________________________________________________________This altarpiece, named for its place of origin in a remote monastery in Monforte de Lemos in northern Spain, is among this artist’s greatest achievements. Originally, the Adoration of the Magi was the central panel of a large triptych. Even today, the sides of the original, richly profiled frames still bear the iron hinge from which the movable wings once hung. The existence of a number of copies of this altarpiece testifies to its recognition as an exemplary model. All the same, it was not sparedthe calamities to which works of art were often exposed during later periods. These misfortunes include the loss of the two wings and the cutting down of the central panel, which originally included a taller rectangular section at the centre. For this reason, all the remains today of the angels who once hovered above the scene are the lower parts of their garments. Existing copies transmit the depictions on the inner side of the wings. According to them, the scene of the Adoration of the Magi was flanked on the left-hand side by a wing that depicted the Birth of Christ, and on the right-hand side by a wing showing the Circumcision. This massive altarpiece, which once measured almost six meters in width with the wings opened, leads into a new realm of early Netherlandish painting. Standing before us is a mature work in which van der Goes has already attained the zenith of his art. The figures, whichare unusual by virtue of their monumentality and palpable inner greatness, are arranged in the surrounding space in a convincing fashion, and moreover with an artistic ambition and an atmosphere of solemnity that signifies something entirely new for the art of the Netherlands.Virtually no event had such a sustained impact on the imagination of the faithful as the story of the Adoration of the Magi. Theology and popular piety have contributed to additional embellishments of this narrative. Already Tertullian interpreted the Magi as kings, whose number was determined by Origenes with reference to the three gifts named by Matthew. Their names, which have remained familiar up to the present day, but which surfaced for the first time only in the 9th century, areCaspar, Melchior, and Balthasar. During the high Middle Ages, the Three Magi were regarded as emissaries from the three known world kingdoms: Europe, Africa, and Asia. This explains why one of the kings is often depicted with dark skin.Seated in an attitude of silent gravity before the masonry ruins of a massive building is Mary, who gazes down at the naked Christ child she holds gently with both hands on her lap. The child’s attention, however, is directed not towards the Magi, but instead towards the beholder. Kneeling in the foreground is Joseph, who greets the Three Magi – who approach Mary and the child from the right – with a bare head. The eldest of the three kings kneels before the child in an attitude of prayer.As a sign of humility, he has removed his precious crown-hat. Standing before him on the rock is his gift, a goblet filled with coins. The second king also worships the child from a kneeling position, the movement of his right hand expressing profound veneration. Kneeling next to him is a page, who presents the gift intended for the child. As though spellbound, the youngest king stands on the right, immersed in meditative contemplation. He holds a precious vessel in his raised hand. Van derGoes has characterised the Three Magi strikingly with regard to their divergent ages – a motif that emerged during the 14th century, and an allusion to the fact that the three ages of man bow down respectfully before Christ. Visible behind the king on the right side of the picture, as well as behind the low wooden fence at the centre, are the members of the entourage of the Three Magi, who respond to this event in highly contrasting ways. In the distance, we catch sight of the shepherds – as reported in John of Hildesheim’s 14th century legend – telling the Three Magi of the miracle they have witnessed, and showing them the way. The shepherds are regarded as the first called among the Jews, and the Magi as the first called among the heathen. Their depiction together can be understood as a reference to the unifying power of the church founded by Christ. Opening up on the left is a view of a village street, where the horsemen from the retinue of the kings cross a bridge before the eyes of the townspeople.The solemn tranquillity and uncommon monumentality of these figures go far beyond anything that had been achieved in Netherlandish art up to that point. Rarely has the act of obeisance before the future universal ruler been presented so movingly as here, in the contrast between the child, who seems barely aware of his mission, and the dignified demeanour of the eldest king, his heavy hands folded before him devoutly in prayer. Here, the mystery of salvation has become a pious, naturalistic legend, but without in any way lessening the greatness of the conception.| 200 Masterpieces of European Painting – Gemäldegalerie Berlin, 2019

Gesamtansicht, im Rahmen, freigestellt | Fotograf*in: Dietmar Gunne

Public Domain Mark 1.0 Universell

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Originaltitel
Die Anbetung der Könige
Standort
Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin, BerlinDeutschland, BerlinDeutschland
Inventarnummer
1718
Maße
Bildmaß: 147,2 x 241,4 cm
Rahmenaußenmaß: ca. 180,5 x 263,5 x 9 cm
Material/Technik
Eichenholz

Ereignis
Eigentumswechsel
(Beschreibung)
1914 Ankauf aus dem Kloster Monforte de Lemos in Nordspanien
Ereignis
Herstellung
(wer)
(wo)
Niederlande
(wann)
um 1470/75

Letzte Aktualisierung
09.04.2025, 10:13 MESZ

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Objekttyp

  • Triptychon

Beteiligte

Entstanden

  • um 1470/75

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