Bestand
Patrizierarchiv Krafft Akten (Bestand)
Vorwort: 1. Das
Patriziergeschlecht der Krafft in Ulm
"Von
dieser Familie hatte von Anfang an, da die Bürgerordnung begann, bis
jetzt fast immer einer ein höheres Amt in Ulm inne. Auch regierten
die Krafft mit großer Ruhe. Heute aber gilt diese Familie, geleitet
und erhalten durch die göttliche Vorsehung, für berühmt durch
Reichtum, Ehren und Zahl ihrer Mitglieder."
An dieser vom
berühmten Ulmer Chronisten Felix Fabri in der zweiten Hälfte des 15.
Jahrhunderts getroffenen Feststellung sollte sich bis weit ins 19.
Jahrhundert nichts ändern, die Krafft blieben seit dem späten 13.
Jahrhundert stets unter den führenden Ulmer Patriziergeschlechtern.
Etliche Bürgermeister, bedeutende Münsterpfarrer und viele weitere
Amtsträger in Stadt und Herrschaft Ulm zeugen von ihrem Ansehen und
politischen Einfluss. Ihre Familiengeschichte ist daher auf das
Engste mit der Geschichte Ulms verknüpft, das bekannteste bildliche
Zeugnis dürfte dabei das Relief mit der Grundsteinlegung zum Ulmer
Münster 1377 durch Altbürgermeister Lutz Krafft darstellen. Erst
nach dem Ende der reichsstädtischen Zeit zogen die zahlreichen
Mitglieder der Familie nach und nach aus Ulm fort, viele begaben
sich in den bayerischen Staatsdienst. Das Archiv ihrer
Familienstiftungen verblieb in Ulm, für ein weiteres Familienarchiv
gibt es bislang keine Hinweise, zumal sich die Krafft auch in eine
evangelische und eine katholische Linie aufgeteilt hatten.
Der größte Teil des vorliegenden Bestands geht auf das
Krafft'sche Stiftungsarchiv zurück und umfasst Unterlagen, die sich
auf die allgemeine Krafft'sche, die evangelische Krafft'sche, die
Krafft-Strölin'sche und die Karg'sche Stiftung, an der die Krafft
bis heute als Stiftungsverwalter beteiligt sind (vgl. auch StA Ulm E
Karg), beziehen. Während sich die drei letztgenannten Stiftungen auf
konkrete Stiftungsakte und -persönlichkeiten beziehen, vereinigte
die allgemeine Krafft'sche Stiftung nach der Reformation Ulms
verschiedene mittelalterliche Stiftungen: die Dreikönigskapelle, das
Ulmer Totengräberamt sowie mehrere Altar- und Jahrtagsstiftungen der
Krafft vor allem im Ulmer Münster. Zu dem damit verknüpften
Stiftungsbesitz zählten mehrere Häuser in Ulm, z.B. beim Frauentor,
beim Sammlungsstift und in der Ulmer Gasse, sowie einige Güter auf
dem Land, u. a. in Asselfingen, Lehr, Silheim, Hüttisheim oder
Hittistetten, auf denen sie auch die Niedergerichtsbarkeit ausübten.
1693 erwarben die Krafft auch das Reichslehen Burgstall Hohenstein
bei Lautern, zu dem ein Wirtschaftshof und eine Selde in Weidach
zählten. Mit den Einkünften der verschiedenen Krafft'schen
Stiftungen wurden und werden nicht nur Studenten aus dem
Familienkreis sowie auch bedürftige Familienmitglieder unterstützt,
aber auch soziale Zwecke in Ulm gefördert.
2.
Geschichte und Bedeutung des Archivs
Lange
Zeit befanden sich Archiv und Bibliothek der Krafft'schen Stiftungen
im Stiftungshaus in der Frauenstraße, bis dieses 1840 ebenso wie die
Bibliothek verkauft wurde (vgl. E Krafft Akten Nr. 1, 397 und 556
sowie E Krafft Urkunden Nr. 340). Vom Stiftungshaus in der Ulmer
Kramgasse wurden die Unterlagen des Krafft'schen Stiftungsarchivs
dann während des 2. Weltkriegs zur Sicherung ins Ulmer Münster
gebracht und lagerten dort im nördlichen Chorturm. Nach dem Krieg
wurde ein kleiner Teil (vormals StA Ulm D Krafft) von der
Evangelischen Kirchenverwaltung ans Stadtarchiv abgegeben, der
andere Teil Anfang der 1960er Jahre zur Erschließung an den
Historiker Hans-Peter Köpf (Nagold). Nachdem vom Stadtarchiv Ulm mit
den Vertretern der Familie Krafft, Heinrich und Erhart Krafft von
Dellmensingen, am 26.5.1989 ein Depositalvertrag geschlossen worden
war, der dem Archiv die Aufgaben der Erschließung und Verwahrung des
Krafft'schen Familienarchivs übertrug, wurden die Unterlagen (300
ca. Urkunden und ca. 4,3 lfd. m Akten) am 6.5. 1991 von Köpf an das
Stadtarchiv übergeben. Dieser Bestand wurde bei der aktuellen
Erschließung mit dem älteren Bestand "D Krafft" vereinigt. Weitere
Abgaben von Archivalien erfolgten 2006-2010 direkt durch die Familie
Krafft, darunter befanden sich genealogische Forschungen des 18.
Jahrhunderts und Familiendokumente des frühen 20. Jahrhunderts, z.
B. zu dem bekannten Infanteriegeneral Konrad Krafft und seinen
Brüdern.
Durch die zahlreichen Stiftungsurkunden wird
mittelalterliche Frömmigkeits- und Kirchengeschichte dokumentiert,
genauso wie etliche Einblicke in die Lebenswelten Ulmer Patrizier
ermöglicht - nicht zuletzt durch einige ausführliche Testamente,
Inventare und Heiratsabreden. Dazu sind einige genealogische
Forschungen von Familienmitgliedern zur Geschichte und Herkunft der
Krafft seit dem 16. Jahrhundert im Bestand enthalten. Ferner zeigen
etliche Unterlagen die Bereiche auf, in denen die Stiftungen tätig
waren. Des Weiteren finden sich Bauakten zur Dreikönigskapelle und
den Stiftungshäusern in Ulm, umfangreiche Dokumente zur Tätigkeit
der Ulmer Totengräber und Verwaltungsunterlagen zur Herrschaft der
Krafft über ihre Stiftungsgüter auf dem Land und den
Lebensverhältnissen der dortigen Untertanen. Durch die äußert
geschlossene Überlieferung wird hier detailliert frühneuzeitliches
Alltagsleben abgebildet, ebenso wie die Veränderungen der
politischen Verhältnisse nach 1806.
Für die
Familiengeschichte der Krafft und zu Forschungen zum Ulmer Patriziat
bildet der Bestand einen integralen Baustein, jedoch muss man
berücksichtigen, dass sich auch in zahlreichen anderen Beständen des
Ulmer Stadtarchivs Unterlagen zum Leben und Wirken dieser Familie
finden. Genannt seien insbesondere alle reichsstädtischen
Urkundenbestände, die reichsstädtischen Repertorien A 3/4, 6, 7, 10
und 13 sowie der Selektbestand G2 Krafft und verschiedene
persönliche Nachlässe im Bestand H. Dazu sind in den Beständen
anderer Patrizierarchive umfangreiche Informationen auch zur Familie
Krafft enthalten: E Karg Akten, E Besserer Urkunden und Akten, E
Gaisberg-Schöckingen Urkunden, E Gassold Urkunden, E Neithardt Akten
und Urkunden sowie E Schad Akten und Urkunden. In anderen Archiven
wären z. B. die Bestände Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 157/1 Bü 99
sowie Staatsarchiv Ludwigsburg B 209 Bü 2, Staatsarchiv Ludwigsburg
B 213 b Bü 57 zu nennen, die beiden letzteren Bestände betreffen
wiederum das Reichslehen Hohenstein unter den Krafft.
3. Zu Ordnung und Verzeichnung des Archivs
Zu den Unterlagen der allgemeinen Krafft'schen
Stiftung liegen zwei Repertorien aus dem 18. Jh. vor (E Krafft Akten
Nr. 175 und 553), für die späteren Dokumente sind derartige
Übersichten nicht erhalten. Für die bei Köpf verwahrten Urkunden
hatte dieser Regesten erstellt, diese wurden zur gegenwärtigen
Verzeichnung jedoch nur herangezogen, wenn aufgrund des schlechten
Erhaltungszustands einiger Urkunden (nach offenbar missglückten
Restaurierungsversuchen) der Originaltext nahezu unleserlich war.
Die von Köpf begonnene Verzeichnung eines Teils der Akten wurde
nicht berücksichtigt, seine Gliederung allerdings in einigen
Bereichen fortgeführt, da die Originalzusammenhänge nicht mehr
ersichtlich oder rekonstruierbar waren. Trotzdem wurden etliche
Unterlagen inhaltlich wieder zusammengeführt. Die von Köpf
vergebenen Nummerierungen wurden bei der Verzeichnung ebenfalls zur
Recherchemöglichkeit aufgenommen.
Ein Personen- und
Ortsregister erschließt den Bestand. Nach Abschluss der Erschließung
wurde das Familien- und Stiftungsarchiv Krafft in säurefreie
Aktenumschläge und Archivkartons verpackt und magaziniert. Der
Bestand umfasst im März 2011 nun 384 Urkunden und 597
Akteneinheiten.
4. Literatur
(Auswahl):
Dellmensingen 1092-1992, hrsg. von der Gde.
Erbach, Ulm 1992.
Fabri, Felix: Abhandlung von der Stadt
Ulm. Nach der Ausgabe des litterarischen Vereins in Stuttgart
verdeutscht von Professor Konrad Dietrich Haßler, Ulm 1909.
Köpf-Hans Peter: Lutz Krafft, der Münstergründer, in: 600 Jahre
Ulmer Münster, hrsg. von Hans Eugen Specker und Reinhard Wortmann,
Ulm 1977, S. 9-58.
Müller, Thomas: Konrad Krafft von
Dellmensingen (1862-1953). Porträt eines bayerischen Offiziers,
Kallmünz /Oberpfalz 2002 .
Reisen und Gefangenschaft des
Hans Ulrich Krafft, hrsg. von Konrad Dietrich Haßler, Litterarischer
Verein, Stuttgart 1861.
Schaefer, Albrecht: Zur
Geschichte des mittelalterlichen Ulmer Patriziats, in: Ulm und
Oberschwaben. Zeitschrift für Geschichte und Kunst, Bd. 32 (1951),
S. 71-89.
Specker, Hans Eugen/Tüchle, Hermann (Hrsg.):
Kirchen und Klöster in Ulm. Ein Beitrag zum katholischen Leben in
Ulm und Neu-Ulm von den Anfängen bis zur Gegenwart, Ulm 1979.
Specker, Hans Eugen: Ulm. Stadtgeschichte, Ulm 1977.
Weyermann, Albrecht: Neue historisch-biographisch-artistische
Nachrichten von Gelehrten und Künstlern, auch alten und neuen
adelichen und buergerlichen Familien aus der vormaligen Reichsstadt
Ulm, Bd. 2, Ulm 1829.
- Bestandssignatur
-
E Krafft Akten
- Kontext
-
>> Familien- und Herrschaftsarchive, Archive von Organisationen und Firmen
- Bestandslaufzeit
-
1314/2010
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 12:43 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1314/2010