Archivbestand
Karl Richard Müller (Bestand)
Vorwort Carl Richard Müller wurde am 2.
Juni 1889 in Knauthain bei Leipzig geboren. Nach dem Schulabschluss
erlernte er von 1903-1906 den Gärtnerberuf und arbeitete dann in mehreren
deutschen und schweizerischen Orten. Von Anfang 1908 bis Oktober 1909
hatte er eine Stelle als Gärtner auf dem Friedhof an der Casinostraße in
Solingen. 1910 und 1911 leistete er seinen Wehrdienst als
Marineartillerist in der deutschen Kolonie Tsingtau in China ab. Am Ende
seiner Dienstzeit schloss er einen mehrjährigen Arbeitskontrakt mit der
Firma Hernsheim, die Handel und Pflanzung im deutschen Kolonialgebiet
Neuguinea/Bismarckarchipel am Äquator nördlich Australiens betrieb. 1912
arbeitete er auf dem Bismarckarchipel und der Salomoneninsel
Bougainville. Nach einem ereignisreichen Jahr, in dem er zum ersten Mal
seinen Kindheitstraum als Pflanzer in der Südsee verwirklichen konnte,
aber auch manche Illusion über das Lebens in den Kolonien verlor, wurde
der Arbeitsvertrag (anscheinend nach Differenzen mit der Firma) vorzeitig
beendet und Müller kehrte auf dem Weg über Australien nach Deutschland
zurück. Schwere Malariaanfälle quälten ihn auf der Heimreise und in
Deutschland, aber die Heimat konnte ihn auf Dauer nicht halten. Vom
Sommer 1913 bis zum Frühjahr 1914 suchte er sein Glück in Argentinien,
fand aber keine befriedigende Arbeit und entschloss sich, die
Einwanderung nach Australien zu beantragen. Ende Juni 1914 hatte er die
nötigen Einreisepapiere und bestieg in Antwerpen den deutschen Dampfer
Roon mit dem Ziel Freemantle. Als im August 1914 der Weltkrieg ausbrach
und Großbritannien auf die Seite der deutschen Gegner trat, musste das
Schiff die Reise nach Australien abbrechen und in Niederländisch-Indien
Zuflucht suchen. Müller bewarb sich bei einer deutschen Firma in Java,
wurde angenommen und trat Ende August 1914 in Sumatra eine
Assistenzstelle auf einer Pflanzung an. Von 1914 bis 1940 arbeitete er
auf vier verschiedenen Stationen, seit 1927 auf Tandjongdjati im Süden
Sumatras, wo er Kaffee und Kautschuk anbaute, und ihn die belgischen
Besitzer 1939 zum Leiter ernannten. Dem Höhepunkt der Karriere folgte ein
schlagartiges Ende. Der Überfall der Wehrmacht auf die Niederlande am 10.
Mai 1940 machte die deutschen Staatsbürger zu Feinden im holländischen
Kolonialreich. Für Müller und viele andere begann die Zeit der
Internierungshaft - bis Ende 1941 im niederländischen Camp Alasvallei im
Norden Sumatras, dann unter britischer Kontrolle im Lager Premnagar bei
Dehra Dun in Nordindien am Fuße des Himalaya. Erst im Herbst 1946 wurde
der Gefangene Carl Richard Müller Nummer 56134 entlassen und kam im
Dezember 1946 in Solingen an. Hier fand er Arbeit in der Gärtnerei
Diederich in Wald, der er auch als Rentner mit Gelegenheitsarbeit die
Treue hielt. 1966 musste er wegen schlechter Gesundheit sein
selbständiges Leben aufgeben und zog in das Eugen-Maurer-Heim in
Gräfrath. Dort starb er am 21. März 1973. Der Nachlass hat einiges aus
dem abenteuerlichen Leben Müllers bewahrt. Die erzwungene Untätigkeit
während der langen Internierungsjahre nutzten Müller und andere
Gefangenen zum Schreiben und für Vorträge im eigenen Kreis. Von diesen
Arbeiten sind Stücke erhalten, die vor allem für die Erforschung
deutscher Kolonialherrschaft und europäischer Pflanzerarbeit im
Südseegebiet von Interesse sind. In erster Linie sind Müllers
autobiographische Manuskripte über die Jahre 1912-1940 zu nennen, die er
als "Roman eines Glückssuchers" zusammenzufassen dachte (Aktenstücke 11
und 12 mit Ergänzung durch die Fotografien in den Aktenstücken 6 und 7
und Karten in den Aktenstücken 17 und 26). Dazu kommen zahlreiche
Aufsätze Müllers über die Pflanzenkulturen, wirtschaftliche und
technische Probleme auf den Pflanzungen und Abhandlungen über die Natur
und Tierwelt Indonesiens, vornehmlich Sumatras (Aktenstücke 13 bis 16).
Arbeiten von Mitgefangenen über ihre Erfahrungen in Indonesien und
Australien finden sich im Aktenstück 23, u.a. auch ein Bericht über die
Internierungshaft in Sumatra mit einem kürzeren Anhang über die Zeit in
Indien. Über das Lagerleben in Dehra Dun erfährt man verhältnismäßig
wenig; Müller hat allerdings ein Heft mit dem Titel "Männerworte"
(Aktenstück 5) aufbewahrt, in dem sich 22 Mitgefangene mit Worten der
Erinnerung eingetragen haben. Über Müllers Leben in Solingen nach 1946
sind in erster Linie Fotografien erhalten, von denen vor allem die
Arbeiten für die Fa. Diederich von lokalgeschichtlichem Interesse sein
können (Aktenstück 8). Des weiteren enthält der Bestand eine Akte des
Sozialamtes der Stadt Solingen. Der Bestand wurde dem Stadtarchiv vom
Sozialamt in einem Koffer übergeben, der von obigen Unterlagen bei der
Verzeichnung getrennt wurde. Erstmals erfaßt wurde der Bestand im
September 1998 von Anika Schulze, erschlossen von Hartmut Roehr im Jahre
2007.
Eingrenzung und Inhalt: * 2.6.1889
in Knauthain/Leipzig † 21.3.1973 in Solingen. Der Bestand enthält
überwiegend Manuskripte und Bücher zur tropischen Botanik, Manuskripte zu
seiner Lebensgeschichte sowie Bücher und illustrierte Abschriften zu
verschiedenen Themen, Fotos und persönliche Unterlagen.
- Bestandssignatur
-
Na 055
- Umfang
-
Findbuch: 26 AE
- Kontext
-
Stadtarchiv Solingen (Archivtektonik) >> Bestände nichtstädtischer Provenienz >> Nachlässe und Sammlungen
- Bestandslaufzeit
-
1889 - 1978
- Weitere Objektseiten
- Geliefert über
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
17.09.2025, 13:26 MESZ
Datenpartner
Stadtarchiv Solingen. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1889 - 1978