Archivale

Dienstherr gegen Dienstmagd; Veruntreuung, Unzucht

Enthält: Gotthard von der Portzen protestiert durch seinen Anwalt am Kerpener Gericht, dass seine Dienstmagd Jenne, die Tochter von Johann Paulus, bei ihm wegen zurückgehaltenem Arbeitslohn (’Liedtlohn’) ein Pferd habe beschlagnahmen (arrestieren) lassen. Er entgegnet seinerseits mit Vorwürfen, die ihren schlechten Dienst belegen sollen. Jenne soll den Töchtern des Dienstherrn absichtlich den Stuhl ’under dem hindern außgezogen’ haben. Sie soll sie abends gezwungen haben, schlafen zu gehen, um unbehelligt ihr Unwesen treiben zu können. Und zwar soll sie mehrmals Quittenbier aus dem Keller geholt und Johann Scherer spendiert haben, mit dem sie dann die Nacht verbrachte. Von ihrem Herrn und seiner Ehefrau wurden sie ’in flagranti’ in ihrer Kammer auf dem Bett ertappt. Er glaubte nun, sie mit Zurückhaltung des Lohns bestrafen zu dürfen, zumal es ihm die Mutter der Beklagten bei der Anstellung nahegelegt habe: ’wan dieselbe [ihre Tochter] sich nit woll verhalten würde, man ihro keinen lohn geben solte’. Ihr Freund Johann indes hatte sich noch in der Nacht aus dem Staub (Stoff’) gemacht. Bei seiner Selbstjustiz, die der Junker Portzen mit Bezug auf sein Adelsrecht übte, spielte es für ihn auch keine Rolle, dass Jenne sich derzeit noch im fürstlich jülicher Gebiet im bergischen Land, also unter einem anderen Landesherrn, aufhalte. Zur Unterstützung seiner Klage reicht er gleichzeitig ein von den Schöffen Wilhelm Kürten und Emund Ahrem vom Gericht in Sindorf geführtes und beglaubigtes Zeugenverhör über die Ereignisse ein. Befragt worden waren Johann Scherer, Knecht bei Herrn von der Portzen, sodann die Viehmagd Dreutgen Strang aus Doveren, Claiß Noill und Jacob Hengst. Sie alle bestätigen die Anschuldigungen. Jennes Vater weist jedoch mit scharfen Worten die Forderung nach Aufhebung des Arrests zurück. Das Argument der Selbstbestrafung sei ’nit Pfifferlings wert’; der Junker von der Portzen bezahle seinen Bediensteten einen ’in himmel schreyenden Lohn’; dass er ’einen armen Dienstbotten zum Processen notigen wolte, solches verstehet ein quadrangularischer Bawr, einem Cavallier, Rechtsgelehrten auch zu geschweigen’; Herr von der Portzen solle besser ’Huren und Buben zu seinem Dienst nehmen’, denen er keinen Lohn zu geben brauche. Es klingt durch, dass im Hintergrund nicht näher bestimmte Schulden der Tochter stehen, die sie trotz einer reichen Aussteuer gemacht und am 5.2. des Jahres vor den Schöffen Johann Heinrich Schieffer und Michael Sieger ihrem Vater übertragen hatte. Anscheinend gehörte Herr von der Portzen zu den Gläubigern, aber auch die Kapuziner von Enskirchen, die Pfarre Sindorf und das Kloster Blatzheim werden genannt, und zwar als ’privilegatissimi creditores’.

Reference number
Ge, 633
Notes
25.2., 11.3.1670

Context
Gericht >> 1.3 Arbeitsrechtsklagen
Holding
Gericht

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26.03.2025, 8:48 AM CET

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