Feldpostbrief

Karl Friede an seine Freundin am 22.12.1917 (3.2002.9011)

22.XII.1917. 32) 28/12 Mein liebes Trudchen. Für Deinen Brief 42 habe vielen Dank, besonders für die Ansicht mit dem Raiffeisen-Haus. Ja, ja, der Zahnarzt ist ein böser Mann. Daß ich mich bei solchem Herrn schon mal halb tot gelacht habe, ist mir bisher noch nicht vorgekommen. Allerdings unter diesen Umständen wie bei Dir, ist es ja nicht zu verwundern. Ich kann mir Deinen neuen Verehrer so recht vorstellen, Kaliber „Franz -1- Weiß“, gelt. Na, da brauche ich mich garnicht so verwundern, wenn ich am 29. oder 30. XII. eine Verlobungsanzeige bekomme; Verlobungen unter dem Weihnachtsbaum sind ja altbekannt. Eins wundert mich nur bei der Sache. Wenn man von einem lieben Menschen etwas geschenkt bekommt, gibt man es doch nicht an irgend jemand anders weiter! Ich würde es jedenfalls nicht tun. Na, ist schließlich Ansichtssache. - Heute will ich Dir das versprochene Gedicht aufschreiben, welches ein Kamerad verfaßt hat. -2- Schmuddellied. 1)Wer kennt nicht die schönen Reden, die bekannt wohl einem jeden, der der schönsten Jahre bracht hier bei uns hat durchgemacht. 2) Ob sie schanzen, ob sie buddeln, schmuddeln hörst Du, nichts als schmuddeln. Sei's des Vordermanns Gestank, sei's der klotzige Empfang, immerzu die selben Würden Leck …. willst wohl auch was werden? Und die Lanser[?], wie's so sei, sind beim Urlaub nie dabei. 3) Steigert sich der Stimmung Wut heißt's gleich, „ach hab'n's mir gut!“ Eine Stimmt hierzu grollt, Wir hab'n ja den Krieg gewollt, -3- worauf Antwort folgt bestimmt, „Mir ist's egal, wer gewinnt.“ Manchen auch hörst Du entgegnen: „[...]! Es müßte Sch..... regnen! 4.) „Nicht zum Bremsen[?] Zeit ich fand, s' ist ja wirklich allerhand! Knurrt ein jeder: „S' ist zum Lachen, mit uns können sie's ja machen.“ Wir sind ja verschwiegen, wenn nur Stacheldraht wir kriegen. 5.) Wird die Stimmung wieder friedlich, raucht im Stäbchen man gemütlich. Rava[?], Serbien, Irrian[?] kommen nacheinander dran. Lanser nehmen's Maul dann voll, so war's dazumal – jawohl. -4- 6.) Der Gesprächsstoff geht indessen, wie ja immer nur um's Freßen. Und man liest in jeder Mine, was gibt’s heut wohl in der Kantine? Neu sind Lebensmittelkarten und das stundenlange Warten bis Du Deine Ware hast, und Dein Keks und Honig faßt. 7) Hast Du Pech und Großgeld grad heißt es, noch was, Kamerad? Etwas Wichse, Takak, nimm's - zahlst Zweimark, stiehste, stimmt's! Wie in[?] ? schwebt Dir noch im Munde Doch schon drückt der nächste Kunde Du nimmst Deine Siebensachen denkst – Was kannst Du daran machen. -5- 8) Im Innern aber Wut Dich faßt O, hätt's mir doch erst eine verpaßt. Dann wird mich die Kurve decken, und ihr könnte mich alle am A..... lecken! D.D. Aus diesem netten im thüringischen Dialekt verfaßten Gedicht kannst Du sehen, wie manchmal die Stimmung ist. Es ist darin nicht zuviel und auch nicht zuwenig gesagt. Es entspricht nur Tatsachen. Nun sei recht herzlichst gegrüßt von Deinem Karl. -6-

Urheber*in: Friede, Karl / Rechtewahrnehmung: Museumsstiftung Post und Telekommunikation | Digitalisierung: Museumsstiftung Post und Telekommunikation

In copyright

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Location
Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Inventory number
3.2002.9011
Material/Technique
Papier

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Online-Präsentation zum Schreiben in Kriegsgefangenschaft
Teil von Collection ID3.2002.9011: Karl Friede - 30 Briefe - Mai 1917 bis September 1918 - 3.2002.9011

Subject (what)
FELDPOST

Event
Herstellung
(who)
Karl Friede
(where)
Unbekannter Ort
(when)
22.12.1917

Rights
Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Last update
15.04.2025, 1:55 PM CEST

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  • Feldpostbrief

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  • Karl Friede

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  • 22.12.1917

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