Bestand

108,5/Bauordnungsamt, Hausakten (Bestand)

Verwaltungsgeschichte/biographische Angaben:

Form und Inhalt: Vorwort zum Bestand 108,5/Bauordnungsamt, Hausakten


Geschichte des Bauordnungswesens in Bielefeld

Eine erste Bauordnung für Bielefeld datiert vom 3. Mai/12. Juni 1860. Auf Grundlage der §§ 5 und 6 des Preußischen Gesetzes über die Polizeiverwaltung regelt sie vor allem die Feuersicherheit und Standfestigkeit von Gebäuden und gab wenige Hinweise zur Gestaltung von Wohnungen. Zuvor waren in Preußen vor allem die §§ 65 ff. des preußischen Allgemeines Landrecht (ALR) von 1794 einschlägig. § 65 Abs. 1 Satz 8 ALR lautet: "In der Regel ist jeder Eigenthümer seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu besetzen oder sein Gebäude zu verändern wohl befugt". Notwendige wesentliche Beschränkungen vor allem zur Gefahrenabwehr erfuhr diese "Baufreiheit" durch Ortsstatute, sofern diese vorhanden waren.

Am 16. Juli 1863 gab sich die Stadt Bielefeld mit königlicher Genehmigung einen Bau- und Erweiterungsplan für die Vorstadt-Bezirke, der am 22. Juli 1863 im Bielefelder Kreisblatt veröffentlicht wurde. Dieser vom Königlichen Bauinspektor Althoff entworfene "Allignements-Plan" hatte eher den Charakter einer allgemeinen Bauleitplanung mit Bebauungsplan, regulierte aber nicht die individuelle Gebäudegestaltung und das Baugenehmigungsverfahren (s. Bestand 100,2/Ältere Akten, Nr. 1205).
Aufgrund des preußischen Gesetzes über die "Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften" vom 2. Juli 1875 gab sich die Stadt Bielefeld am 13. März 1878 ein Ortsstatut (s. Bestand 108,2/Magistratsbauamt, Nr. 345), das ebenfalls einem Bebauungsplan entsprach und für Gebäude lediglich die Ausrichtung zur Straße bestimmte und das Bauen außerhalb erschlossener Straßen untersagte, um kommunale Fluchtlinien- und Straßenplanungen nicht zu stören. Mit dem Gesetz zur "Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften" vom 2. Juli 1875 reagierte Preußen auf die Folgen der Industrialisierung, des Bevölkerungswachstums und der Verstädterung. Dieses Gesetz entsprach einem Städtebaurecht und gab den Kommunen das Recht, Fluchtlinien für Straßen festzulegen, notwendige Verkehrsflächen zu enteignen sowie die Entschädigung, Bauverbote und Anliegerbeiträge zu regeln. Im "Jahres-Bericht über den Stand und die Verwaltung der Gemeinde-Angelegenheiten der Stadt Bielefeld" 1875/76 wird die Anzahl der "Bau-Consense" wie folgt angegeben: 1873/286, 1874/284, 1875/287 und 1876/260.

Die Bielefelder Baupolizeiordnung vom 26. Februar 1894 beinhaltete verschärfte Bauvorschriften, um vor allem den neu entstehenden Gebäudetyp des Mehrfamilienhauses hinsichtlich Größe und Höhe zu begrenzen und so einen Ausgleich zwischen Bauherren- und Mieterinteressen herzustellen. Es folgten weitere Baupolizeiordnungen 1901, 1908/09, 1913. Das Baurecht setzte sich seit 1875 aus dem ALR von 1794, Polizeiverordnungen zur Gefahrenabwehr, den hervorgegangenen Bauordnungen als auch den Gesetzen gegen die "Verunstaltung landschaftlich hervorragenden Gegenden" (v. 2. Juni 1902) und gegen die "Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden" (v. 15. Juli 1907) und den jeweiligen Ortsstatuten/Baupolizeiordnungen zusammen. Ein einheitliches Städtebaurecht fehlte weiterhin.

Erst das Preußische Wohnungsgesetz (v. 28. März 1918) führte einen Schritt weiter, als es Mängel des Fluchtliniengesetzes behob und und das Bauordnungsrecht um städtebaurechtliche und gestaltungsrechtliche Bestandteile erweiterte und die Abstufung der Bebauung und die Ausweisung von Baugebieten regelte. Auch dieses Gesetz war nur ein additives, auch wenn es Mängel behob. Das während der Weimarer Republik (1919-1933) angestrebte Reichsstädtebaugesetz wurde nicht zum Abschluss gebracht. Das Vorhaben der NS-Ministerien für ein zentrales Baugesetzbuch blieben ebenso stecken.

Nach 10-jähriger Vorbereitungszeit vom Erstentwurf bis zur Verabschiedung schuf das Bundesbaugesetzbuch v. 23. Juni 1960 ein einheitliches Baurecht, das die Gemeinde verpflichtete, die städtebauliche Entwicklung zu ordnen, durch die Bauleitplanung zu führen und die Bauleitplanung den Zielen der Raum- und Landesplanung anzupassen.

Eine institutionalisierte, wenn auch eher rudimentär ausgebildete, eigene städtische Bauverwaltung ist in Bielefeld erst im Adressbuch von 1868 als "Bau-Bureau" nachweisbar. Die Bauverwaltung trug danach folgende Bezeichnungen:
- 1868-1902: Bau-Bureau
- 1902/1903: Geschäftsstelle V/Sekretariat des Bauamtes
- 1930: Geschäftsstelle des Stadtbauamtes
- 1933: Stadtbauamt.


Bestandsgeschichte

Der "Hausakten"-Bestand im Stadtarchiv wurde spätestens 1973 angelegt, als erstmalig eine Aktenübernahme dokumentiert wurde. Die Bezeichnung 108,5/Bauordnungsamt, Hausakten wurde 2007 eingeführt.

Der Bestand beinhaltet die "Bauakten" regulär abgebrochener Gebäude, aber auch der durch den Luftkrieg 1940 bis 1945 zerstörten Objekte. Der Aktenbestand wird ab 1870 dichter, Einzelakten beginnen auch früher, einmalig im 18. Jahrhundert. Die Akten werden drei Jahre nach Gebäudeabbruch dem Stadtarchiv zur Übernahme angeboten - übernommene Akten werden für 30 Jahre gesperrt.

Akteninhalte sind vor allem: Bauanträge und -genehmigungen, Lagepläne, Baupläne, Grundrisse, Fassadenentwürfe, Statiken, Genehmigung von Werbe- und Leuchtreklameinstallationen, Ummauerungen/Einzänungen, Garagen, Be- und Entwässerungs-/Kanalisations- sowie Abbruchvorgänge, bei denen die Objekte gelegentlich fotografiert worden sind.

Der Papierakten-Bestand wurde im Wesentlichen bis 2020 übernommen, Einzelakten werden voraussichtlich noch bis 2023 folgen.

2020/21 werden sämtliche noch in der Bauordnungsverwaltung aufbewahrten Hausakten durch einen externen Dienstleister digitalisiert, d. h. es werden nach Gebäudeabbrüchen zukünftig keine Papierakten mehr in das Stadtarchiv übernommen, sondern nur noch elektronische.

Das Stadtarchiv übernimmt nach der Digitalisierung noch analoge Bauakten derjenigen Objekte, denen eine städtebauliche/architektonische Relevanz und ein Ausstellungsinteresse von Originalplänen zugebilligt wird und die im fortgeschrittenen Digitalisierungsprozess mit vertretbarem Aufwand zu ermitteln waren (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

- bestehender Denkmalschutz oder Denkmalwürdigkeit
- Gebäude in aktueller (2020) oder früherer Nutzung (Eigentum, Miete oder anderweitige Überlassung) durch Bund, Land oder Stadt (oder Kreis) Bielefeld, darunter: Rathäuser und andere Verwaltungsgebäude,
- Verwaltungsgebäude anderer Einrichtungen (Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Finanzamt, Zoll, Kreissparkasse, Land- und Amtsgericht, Polizei, Bundeswehr etc.)
- Universität, Fachhochschule und andere (z.B. kirchliche) Hochschulen
- Schulen
- Kindergärten
- militärische Anlagen (Kasernen, Bunker)
- Kirchen, Synagogen und andere religiös genutzte Gebäude
- Museen
- Denkmäler
- repräsentative Gebäude
- Hotels (> 20 Zimmer oder vor 1900 errichtet)
- Veranstaltungs- und Konzerthallen
- Sportanlagen
- historische Industriekomplexe
- Sparrenburg
- Krankenhäuser inkl. Objekte der v. Bodelschwinghschen Stiftungen (Auswahl)
- Infrastruktur (Bahnhöfe, Stadtbahn-Depot, Flugplatz etc.)
- Stadtbild prägende moderne Gebäude
- Gebäude vor 1900
- Baustile (Bauhaus, Neue Sachlichkeit)
- "Judenhäuser".


Ergänzende Überlieferung

Fotos abgebrochener Objekte sind möglicherweise überliefert in den Beständen 400,1/Westermann-Sammlung oder 400,3/Fotosammlung, Skizzen/Zeichnungen im Bestand 400,11/Graphische Sammlung, Pläne vereinzelt im Bestand 400,8/Karten und Pläne

Ergänzende Unterlagen vor allem zu städtischen Gebäuden können sich in folgenden Beständen befinden:
- Bestand 100,2/Ältere Akten
- Bestand 101,1/Geschäftsstelle I
- Bestand 101,5/Geschäftsstelle V
- 108,1/Baudezernat
- 108,2/Magistratsbauamt
- 108,3/Magistratsbaupolizei
- 108,7/Hochbauamt.

Auch zu privaten Objekten liegen weitere Unterlagen vor in den Beständen:
- 101,5/Geschäftsstelle V (Bauamt)
- 101,12/Geschäftsstelle XII (Baupolizei, Wohnungsamt)
- 109,5/Ausgleichsamt, sofern für die Gebäude Entschädigungen für Luftkriegs- und Besatzungsschäden geltend gemacht wurden.

Hinweise zur Verzeichnung

Ab lfd. Nummer 5855 verzeichnet durch die Fachangestellte Karina Langguth, davor durch die Archivmitarbeitenden Gerhard Wende und Ingrid Ruhnke.

lfd. Nummer 5901 - 5904: Zeitpunkt des Abbruchs der Gebäude konnte im Bauamt nicht mehr nachgewiesen werden.


Hinweise zur Benutzung

- Archivalienbestellungen: 108,5/Bauordnungsamt, Hausakten, Nr.
- Zitation: Stadtarchiv Bielefeld oder StArchBI, Bestand 108,5/Bauordnungsamt, Hausakten, Nr.


Literatur

- Ellwein, Thomas, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit. Die jüngere Verwaltungsentwicklung in Deutschland am Beispiel Ostwestfalen-Lippe, 2 Bde., Opladen 1993/97
- Lappe, Lena, Die gemeindliche Boden-, Bau- und Wohnungspolitik in Bielefeld, in: 39. Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg (1925), S. 29-184
- Verwaltungsberichte der Stadt Bielefeld, ab 1852
- Vogelsang, Reinhard, Geschichte der Stadt Bielefeld, 3 Bde., 1980/1988/2005


Bielefeld im Dezember 2020
Dr. Jochen Rath, Stadtarchivdirektor

Reference number of holding
108,005/BauoA Hausakten

Context
Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld (Archivtektonik) >> Amtliches Schriftgut >> Bauen, Wirtschaft und Umwelt

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23.06.2025, 8:11 AM CEST

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  • Bestand

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