Archivalie
LHM Nun sind Sie mir doch zuvorgekommen...
Oskar Schlemmer äußert sich zu den aktuellen Debatten am Bauhaus. Hierzu zählen der Konflikt zwischen Gropius und Itten sowie die Kritik der niederländischen Künstlerguppe de Stijl am Bauhaus.
Transkription: LHM Nun sind Sie mir doch zuvorgekommen. Natürlich wollte ich schon so und so oft; warum dann doch nicht war einmal das Gefühl eines wol nun scheintoten Punkts an dem wir in den Themen vielleicht angelangt wären, zu dessen Behebung eine Pause vielleicht das gegebene wäre. - Dann die Erwartung Ihrer Sendung von der mir Dr A. nun sagte daß sie an mich ginge; daß alle Einfuhrbewilligungen etc nicht nötig seien - aber ich werde ihn flugs fragen. Zuletzt: Itten ist in der Schweiz (Herliberg) und wird Sie besuchen. Er bat mich um einige Zeilen an Sie, ich gab sie ihm dazu 2 Lithos und die Drucksache. Ich dachte dies (der Besuch) wäre geschehen als Ihr Brief kam. Da noch nicht also, ist Ihnen vielleicht interessant zu wissen um den Charakter der Ittenschen Reise, falls er Ihnen darüber nicht deutlich genug sein sollte. - Ich schriebe Ihnen von dem Zweikampf Itten - Gropius. Der war einmal so, daß er schien: der eine oder der andre. Inzwischen wurde scheinbar gütlich beigelegt; Itten mußte sich in seinen Befugnissen beschränken, von G. begründet mit den Neuberufenen und dem Wirkungskreis. G. machte umsomehr in Expansion. I. zog sich sichtlich zurück - vom Unterricht, von den Werkstätten - auf seine eigene Arbeit: er malte wieder nach Natur und Tafelbilder. Dazu Mazdaz- nan. Die Ausbreitung die er dieser Lehre wünscht stieß besonders bei G. auf Widerstand. G. fürchtete die Sektiererei am Bauhaus. Diese Gefahr war in der Tat. I. zog sich zurück mit seinen Getreuen; die Sache, die eine Bauhaus Sache hätte werden sollen, blieb auf den kleinen Kreis beschränkt. In Herliberg lebt der Führer der Bewegung in Deutschland. I. will wie er mir sagte in Zürich Vortragskurse an der Universität u Kunstgewerbe- schule halten - nicht nur ich deuten dies dahin daß I. in der Schweiz sondiert wo u wie zu leben wäre um gegebenenfalls zu bleiben und das Bhs zu lassen. Vielleicht daß er ein Ultimatium stellen wird - vielleicht nicht einmal mehr das. Es wäre zweifellos ein Verlust für das Bhs. Er ist der pädagogisch Befähigste und hat aus- gesprochenes Führertalent. Ich empfinde nur zu sehr den Mangel bei mir. - Ferner: hat G. nicht mehr den starken Widerstand Ittens, dann ist G. die viel größere Gefahr. Denn dann entsteht ein Ab- rutsch ins Unschöpferische, Starre, Nachempfundene statt Originale und andres Schlimme. Schon hat auch G. den neuen Mann bereit: Kandinsky! Was I. wollte ist klar: nichts weniger als das Bhs leiten (wenn auch nicht zugegeben). Dies machte nötig daß er Gebiete beherrscht, die er nicht beherrschen kann, darin also Dilletant ist! Sodann sind zum Unglück Andre da, die ähnlichen Ehrgeiz oder Streben haben das Bhs zu leiten, zumal die Leitung (G.) in wesentlichen Dingen versagt. Von dort kommt aber bis heute nur Unklarheit. Auch ist G. von der bewussten Holländerseite dauernd beunruhigt: "Kunst u Handwerk ist tot - es giebt nur die Konstruktion, Technik, Maschine. Der Künstler muß ins Leben treten, das weltfremde individualistische Bilder malen muß einem Collektiv- Willen weichen. Das Leben zu gestalten ist Auf- gabe u Ziel der jungen internationalen Künstler- generation." Gropius: "Sie haben die metaphisische Seite außer Acht gelassen." (Gerade das, das er (G.) bei Itten bekämpft). Ich selbst komme vor zu vielerlei überhaupt zu nichts. Kann ich bauen wollen? Kann ich der Architektur dienen sollen? - Ich kann nichts - wenn ich etwas soll! Ich kann nur das tun wozu ich Lust habe und was ich gelernt habe. Grop- größte Angst ist: daß wir eine Akademie würden, (was wir heute schon sind), und sobald wir sie bejahen, alles bleiben kann u gut ist. So, so: also Frau Tut hat geschrieben: Dacht ichs doch. Sie will mich unbedingt "wohin tun". Gerne kann ich - wüßte ich nur wann. Käme gern wegen allem was Sie richtig sofort namhaft machten: die Themen, die Frische, das Drum u Dran beider. Nun ist es so: Ich muß noch nach Berlin u Hamburg. Aber auch nach Dresden. Ich müßte mich Burgern verpflichten für August u September, im Oktober
- Sammlung
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Archiv Oskar Schlemmer
- Inventarnummer
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AOS 2016/1579
- Material/Technik
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Papier; Tinte
- Ereignis
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Herstellung
- (wer)
- Provenienz
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Abschrift vorhanden; Kasten 20 Mappe 2 und Ordner 1920-1926 (in zwei Teilen)
- Rechteinformation
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Staatsgalerie Stuttgart
- Letzte Aktualisierung
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28.03.2025, 12:10 MEZ
Datenpartner
Staatsgalerie Stuttgart. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Archivalie
Beteiligte
- Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
- Otto Meyer-Amden (20.02.1885 - 15.01.1933)