Bestand

Evangelischer Siedlungsdienst (Bestand)

Der Bestand setzt sich aus den Teilbeständen der Geschäftsstelle des Ev. Siedlungsdienstes in Bielefeld und aus dem - nach deren Umzug nach Berlin - Reichsgeschäftsstelle Berlin genannten Teilbestand zusammen.

Vorwort: A. Geschäftsstelle Bielefeld

Die Gründung des Evangelischen Siedlungsdienstes (ESD) ist nur im nationalpolitischen und in dem mit diesem zusammenhängenden konfessionspolitischen Kontext der West-Ost-Siedlung dieser Jahre zu verstehen.
Sinkende Weltmarktpreise für die charakteristischen Produkte des Großgrundbesitzes in den deutschen Ostprovinzen (Getreide, Kartoffeln) bewirkten, daß diese Güter zunehmend an Siedlungsgesellschaften verkauft wurden, die sie ihrerseits aufteilten und die so gewonnenen Bauernstellen wiederum an Siedler zu verkaufen suchten. Während dadurch arbeitslos gewordene deutsche Landarbeiter - einem Trend folgend, der schon mit der Industrialisierung des Ruhrgebietes eingesetzt hatte - in die Städte abwanderten, bewarben sich die arbeitslos gewordenen polnischen Landarbeiter, wenn es ihre Mittel nur irgend zuließen, um Siedlerstellen. Dadurch drohten Sprach- und Bevölkerungsgrenzen sich zu verschieben (sog. nationalpolitische Gefahr), während - verstärkt durch die Ansiedlung katholischer Siedler aus West- und Süddeutschland - ehemals überwiegend evangelische Gebiete in die Gefahr gerieten, konfessionell zu zerfallen (sog. konfessionspolitische Gefahr).
Vor dieser Entwicklung konnte die evangelische Kirche nicht die Augen verschließen. Auch die Innere Mission begann sich langsam dem Gedanken zu öffnen, daß es vertretbar sein könnte, in die Stadt abgewanderten und dort arbeitslos gewordenen Bauern- und Landarbeitersöhnen aus West- und Süddeutschland zur Siedlung im Osten zu raten (sozialpolitische und ethische Gesichtspunkte). Die Annahmen, daß die industrielle Krise keinen vorübergehenden Charakter habe und die industrielle Arbeit aus diesem Grunde, aber auch ihrem Wesen nach keinen sicheren Daseinsgrund bieten könne, führten den ESD später sogar vor dem Hintergrund der Massenarbeitslosigkeit und ihrer Auswirkungen in den Großstädten zum praktischen Engagement in der Industriearbeiterrücksiedlung, d.h. der Ansiedlung arbeitsloser Industriearbeiter, die in zweiter oder dritter Generation aus den Ostgebieten stammten, in eben diesen Gebieten - einem Engagement, bei dem er sich weder der Unterstützung der Kirchenbehörden noch der der Siedlungsträger sicher sein konnte.
Der westfälische Provinzialkirchenrat hatte bereits im November 1928 beschlossen, einen Siedlungspfleger einzustellen. Durch ihn sollte ursprünglich die Eigenheimbewegung gefördert werden. Nachdem bereits der "evangelisch eingestellte" Werbebeauftragte der Schlesischen Landgesellschaft in Westfalen, Dr. Schultz, und auch die westfälische Provinzialverwaltung wegen des Mangels an evangelischen Siedlern Kontakt mit IM-Stellen aufgenommen hatten und die Hilferufe kirchlicher Vertreter der Ostprovinzen nach evangelischen Siedlern anhielten, entschlossen sich der westfälische Provinzialkirchenrat und der Westfälische Provinzialverband für IM im April 1929 dazu, die Anstellung eines hauptamtlichen Siedlungspflegers ins Auge zu fassen und die etwas komplizierte Konsensfindung der kirchlichen und IM-Stellen der übrigen Landes- und Provinzialkirchen in dieser Frage nicht mehr abzuwarten. Dr. Schultz wurde vom Westfälischen Provinzialverband für IM am 1.7.1929 eingestellt. Die Geschäftsstelle des ESD wurde am 1.10.1929 in Bielefeld eröffnet. Als Rechtsträger fungierte der Westfälische Provinzialverband für IM. "Die Gründung eines besonderen neuen Rechtsträgers erschien als zu kostspielig, zeitraubend und unpraktisch. So ist es zur Anstellung des Dr. Schultz durch den Provinzialverband für IM Westfalen gekommen." (Protokoll der Besprechung über den evangelischen Siedlungsdienst in Hannover am 9.9.1929, S. 3; ADW, ESD 1).
Die mit der Siedlungsfrage befaßten kirchlichen und IM-Vertreter der Ostprovinzen hatten sich zwar dringend mehr evangelische Aktivität, aber nicht unbedingt die Einrichtung einer zentralen Geschäftsstelle gewünscht (vgl. Rundschreiben Pfr. Heusers, Breslau an die Landes- bzw. Provinzialverbände für IM vom 15.4.1929; ADW, ESD 71). Hingegen wollte der Westfälische Provinzialverband für IM das von ihm prinzipiell für notwendig erachtete Engagement von Kirche und IM in der Siedlungsfrage nur bei Einstellung eines hauptamtlich tätigen Fachmannes verantworten (vgl. Schrw. Niemöller-Depuhl; ADW, ESD 57). Andere Provinzial- bzw. Landesverbände wie z.B. der Landesverband für IM Hannover zögerte hingegen mit ihrer Zustimmung, da sie in einer besonderen Geschäftsstelle "eine zu starke Identifizierung der Ostsiedlungsfrage mit dem kirchlichen Standpunkt" sahen. "Z.B... wenn Siedler in wirtschaftliche Not geraten, so hat die Kirche... zum mindesten eine moralische Bindung übernommen" (Depuhl an Niemöller, a.a.O.; dieser Befürchtung lag die bekannt gewordene Siedlerflucht in Posen und Westpreußen zugrunde). Zentrale Kirchenbehörden wie das Kirchenbundesamt und der Ev. Oberkirchenrat in Berlin wiederum standen der Einrichtung des ESD zumindest wohlwollend gegenüber.
In der Besprechung vom 9.9.1929 in Hannover konstituierten sich die anwesenden Vertreter verschiedener Konsistorien (Westfalen, Brandenburg, Pommern, Grenzmark, Ostpreußen sowie LKA Hannover), von Provinzial- bzw. Landesverbänden der IM (Westfalen, Rheinprovinz, Hannover, Hessen-Kassel und Niederschlesien) sowie von weiteren interessierten Stellen bzw. Vereinen (Kirchlich-Sozialer Bund, Auswandererfürsorge) "vorbehaltlich des Einverständnisses der sie entsendenden Stellen" als Beirat des ESD. Zum Vorsitzenden des Beirats wurde gemäß dem von ihm vorgelegten Entwurf von Richtlinien für die Tätigkeit des Beirats, der gebilligt wurde, der Vorsitzende des Westfälischen Provinzialverbandes für IM, Konsistorialrat Hymmen, bestimmt. Diese Richtlinien gaben keinen Aufschluß über die eigentlichen Ziele des ESD, sondern stellten nur einen gewissen organisatorischen Rahmen für die Tätigkeit des Beirats dar.
Entsprechend einem von P. Niemöller vorgelegten Entwurf eines Haushaltsplanes wurden die jährlichen Kosten der Geschäftsstelle mit RM 17.500,-- veranschlagt. Hingegen waren zum Zeitpunkt der Eröffnung der Geschäftsstelle nur die Zuschüsse aus Westfalen (Provinzialkirchenrat RM 2.000,--; Innere Mission RM 4.000,--) bewilligt. Der gegebene Mangel an Klarheit über die Notwendigkeit der Einrichtung der Geschäftsstelle des ESD unter den Beteiligten und über ihre Finanzierungsgrundlagen spiegelte sich von Anfang an in demjenigen über die Reichweite der Arbeit - ein Problem, das der Geschäftsführer auf seine Weise zu lösen trachtete und das erst infolge unliebsamer öffentlicher Auseinandersetzungen mit anderen, mit der Siedlung befaßten Stellen von den für den ESD Verantwortlichen in Kirche und IM als solches erkannt wurde.
In einem 12seitigen Bericht "Zu drei Jahren Arbeit und Aufbau des Evangelischen Siedlungsdienstes", den er aus Anlaß seiner bevorstehenden Entlassung allen Beiratsmitgliedern und Provinzialstellen am 1. Sept. 1932 zustellte, faßt Schultz das - wie er meint - "von vornherein durch Gründungsbesprechungen und die Verhältnisse fest umrissenen Aufgabengebiet des ESD wie folgt zusammen:
"a. Nicht Zurückdrängung des katholischen Volksteils in der Siedlung, sondern Erweckung des evangelischen Volksteils zur bewußten Bejahung der Siedlung. Einschaltung des Siedlungsgedankens in die seelsorgerische Arbeit des Gemeindepfarrers und Sozialarbeit der Berufsarbeiter der Inneren Mission. Förderung eines einheitlichen evangelischen Siedlungswillens durch Schaffung eines alle Länder und Provinzen umfassenden Netzes von evangelischen Siedlungsdiensten und Mitarbeitern.
b. Engste Fühlungnahme mit den Siedlungsträgern, den Ministerien, sonstigen behördlichen Organisationen, Landwirtschaftskammern, Landesverwaltungen pp.
c. Förderung der praktischen Siedlungsarbeit durch anregende Mitarbeit bei neuen Siedlungsformen (Siedlerschule, Suckwitz, Primitivsiedlung pp.). In Einzelfällen Beratung und Vermittlung evangelischer Siedler in besonders bedrohte Gefahrenpunkte des deutschen Ostens, während grundsätzlich die Siedlerberatung und Siedlervermittlung als Aufgabe staatlicher Behörden angesehen werden muß.
d. Möglichst eingehende und umfassende literarische Auswertung dieser evangelischen Mitarbeit in der ländlichen Siedlung" (ADW, ESD 1).

Gerade die unter Punkt c) formulierten, selbstgestellten und interpretationsfähigen Aufgaben wurden vom Geschäftsführer des ESD energisch angefaßt; so heißt es in einem ebenfalls am 1.9.1932 versandten Rundschreiben des ESD unter der Überschrift "Aus der Arbeit des Evangelischen Siedlungsdienstes 1931/32": "... Die hauptsächliche Arbeit des Evangelischen Siedlungsdienstes, Bielefeld wird durch die praktische Beratungstätigkeit bedingt. So konnten seit Anfang 1931 rund 260 Familien endgültig zur Ansiedlung gebracht werden..." (ADW, ESD 157). Das brachte ihn in Gegensatz zu zentralen Siedlungseinrichtungen wie der Gesellschaft zur Förderung der inneren Kolonisation und der ihr angeschlossenen Reichsstelle für Siedlerberatung, zu zentralen staatlichen Behörden (z.B. dem Reichsarbeitsministerium) und zu zentralen Kirchenbehörden (Kirchenbundesamt, Ev. Oberkirchenrat). Schultz hingegen war zutiefst davon überzeugt, daß nur die selbst durchgeführte Siedlerberatung und -vermittlung eine verläßliche Grundlage jeder Einflußnahme auf die anderen mit der Siedlung befaßten Organisationen und Behörden bilden könne.
Bei den zentralen Kirchenbehörden und beim CA in Berlin hatte man hingegen den Wunsch, in engem Einvernehmen mit den zentralen staatlichen Stellen zu arbeiten. Bereits am 17.9.1930 hatte der Beirat beschlossen, D. Steinweg als seinen Vertreter in den Verwaltungsrat der Gesellschaft zur Förderung der inneren Kolonisation zu entsenden (vgl. Protokoll der Beiratssitzung vom 17.9.1930, S. 8 (ADW, ESD 1); die zentralen Kirchenbehörden wollten aus kirchenpolitischen Rücksichten im Zusammenhang mit der Siedlung öffentlich nicht in Erscheinung treten. Aus diesem Grund beteiligten sich ihre Vertreter auch nur informell an dem auf der Beiratssitzung vom 17.9.1930 gebildeten Arbeitsausschuß, der sich vornehmlich der Beratung kirchenpolitischer Fragen widmen sollte (a.a.O.). Das Kirchenbundesamt erreichte später im Verfolg von Verhandlungen, die es wegen einer als Denkschrift veröffentlichten gegen die Gesellschaft zur Förderung der inneren Kolonisation gerichteten Polemik von D. Schultz mit dem Titel "Zur Umgestaltung der Siedlerberatung und -vermittlung vom 16.12.1931 mit zentralen Reichsbehörden zu führen hatte, daß die konfessionelle Imparität in der Reichsstelle für Siedlerberatung anerkannt und die Schaffung einer zweiten leitenden "mit einer erstklassigen evangelischen Persönlichkeit" zu besetzenden Stelle konzediert wurde (Protokoll der Arbeitsausschußsitzung vom 12.5.1932, S. 3; ADW, ESD 3).
Diese unterschiedlichen Auffassungen - verbunden mit den leeren Kassen bei den Provinzialkirchenräten und den Provinzialverbänden für IM - führten dazu, daß der Arbeitsausschuß des ESD bereits in seiner Sitzung am 15.4.1931 die Verlegung nach Berlin vorschlug; der Beirat erteilte daraufhin "dem Vorsitzenden Vollmacht, die Übersiedlung der Geschäftsstelle nach seinem Ermessen im Laufe des Jahres in die Wege zu leiten" (Protokoll der Arbeitsausschußsitzung vom 15.4.1931, S. 5; ADW, ESD 3 und Protokoll der Beiratssitzung vom 16.4.1931; ADW, ESD 1). Es sollte sich "nur um eine Büroverlegung, nicht aber um eine organisatorische Umstellung in der Arbeit" handeln. Im August desselben Jahres hingegen erschien "eine Verbindung des Siedlungsdienstes mit dem Central-Ausschuß in Form der Übersiedlung nach Berlin... aus finanziellen und sachlichen Gründen heraus nicht für zweckmäßig" (Protokoll der erweiterten Arbeitsausschußsitzung vom 17.8.1931, S. 4; ADW, ESD 3). Die veränderte Einstellung hing mit den Auswirkungen des Devaheim-Skandals und mit dem Weggang Pfr. Seyferths, des Siedlungsreferenten des CA, nach Dresden zusammen. In der erweiterten Arbeitsausschußsitzung vom 14.10.1931 wurde die Frage der Verlegung des ESD nach Berlin erneut diskutiert. Der Vorsitzende Hymmen berichtete, daß P. v. Bodelschwingh und die westfälische Landesverwaltung gegen eine Verlegung seien. Der Siedlungsdienst habe seine Arbeit bisher nur deswegen so ausdehnen können, weil er nicht in Berlin gewesen sei. Der Vertreter des Kirchlich-Sozialen Bundes Jagow trat für die Verlegung der Geschäftsstelle des ESD in das Ev. Johannesstift, Berlin-Spandau ein. Der Vertreter des EOK schließlich erhoffte zwar von einer Verlegung nach Berlin, daß "durch den Siedlungsdienst die nicht immer klare Politik der Behörden in der Siedlungsfrage beeinflußt werden könne. Er hält jedoch den augenblicklichen Zeitpunkt für die Umsiedlung nicht für geeignet" (a.a.O., S. 13). Schultz selbst schließlich sprach sich gegen die Verlegung aus, die "gerade unter den heutigen Verhältnissen von weiten Kreisen des Westens und Südens nicht verstanden werden" würde. Er sei "aus eigener innerer Überzeugung gegen eine Verlegung nach Berlin, da die Arbeit aus ländlichen Verhältnissen heraus ihm größere Bodenständigkeit und Sicherheit auch bei den zur Mitarbeit in Frage kommenden Stellen gäbe" (a.a.O., S. 13).
Auch bei der Sitzung des Arbeitsausschusses am 14. Jan. 1932 wurde über eine eventuelle Verlegung nicht entschieden. Es wurde lediglich festgestellt, daß "das Johannesstift in Spandau nach mehrfachen Erkundigungen für eine Aufnahme des Siedlungsdienstes nicht in Frage kommt und eine Finanzierungsmöglichkeit des Siedlungsdienstes in Berlin z. Zt. nicht gegeben ist" (Protokoll der Arbeitsausschußsitzung vom 14.1.1932, S. 4; ADW, ESD 3).
Am 12. Mai 1932 wurde anläßlich der Veröffentlichung der von Schultz verfaßten Polemik "Zur Umgestaltung der Siedlerberatung und -vermittlung" bei der Sitzung des Arbeitsausschusses "über die Person des jetzigen Geschäftsführers, Dr. Schultz, verhandelt" (Protokoll der Arbeitsausschußsitzung vom 12.5.1932, S.10; ADW, ESD 3). Das (negative) Ergebnis dieser nicht weiter festgehaltenen Verhandlungen lag den Beratungen des Arbeitsausschusses am 5.9.1932 zugrunde, die zugleich die entscheidende Beiratssitzung vom folgenden Tag vorbereiteten. Die Vertreter des Kirchenbundesamtes und des EOK unterstrichen, daß "die bisherige Tätigkeit des Siedlungsdienstes in der Industriearbeiterumsiedlung und die Pläne der Emslandbesiedlung für die Zukunft schwere wirtschaftliche Verantwortung kirchlichen Stellen aufbürden, die unter Umständen einen uneinlösbaren Wechsel darstellt". Hauptaufgabe eines Evangelischen Siedlungsdienstes in Berlin sei es, "ein gutes Verhältnis zur Reichsstelle für Siedlerberatung anzubahnen, den lebendigen Zusammenhang mit den provinziellen Siedlungsdiensten zu erhalten, die Siedlungsarbeit besonders der katholischen Kirche intensiv zu beobachten. Eine praktische Beratungstätigkeit kommt für die Berliner Stelle nicht in Frage. Ein eigener Rechtsträger für den Siedlungsdienst sei nicht notwendig, da Anschluß an den Central-Ausschuß für Innere Mission gefunden werden müsse" (Protokoll der Sitzung des Arbeitsausschusses vom 5.9.1932, S. 4; ADW, ESD 3). Die eingehende Aussprache brachte eine Mehrheit für die Verlegung nach Berlin, nachdem sich noch mehrere Diskussionsredner, u.a. der Geschäftsführer des Rheinischen Provinzial-Ausschusses für IM, D. Ohl, aus praktischen Gründen für die Aufrechterhaltung der Bielefelder Geschäftsstelle eingesetzt hatten. Auf der folgenden Beiratssitzung am 6.9.1932 wurden die Leitungs- und Standortfragen abschließend diskutiert. Schultz erklärte sein Desinteresse an dem Posten des Geschäftsführers mit Standort Berlin. Daraufhin wurde ein Aktionsausschuß gebildet, dem u.a. die Aufgaben gestellt wurden, die Verlegung des ESD nach Berlin in die Wege zu leiten, Maßnahmen für einen geregelten Übergang zu treffen und für die Zukunft von Schultz "Vorsorge zu tragen" (Protokoll der Beiratssitzung vom 6.9.1932, S. 7; ADW, ESD 1).
In seiner Sitzung vom 29.9.1932 beauftragte der Arbeitsausschuß den Beiratsvorsitzenden, Schultz zum 1.10.1933 - also mit einjähriger Kündigungsfrist - zu kündigen. Außerdem wurde beschlossen, den nach Berlin zu verlegenden Siedlungsdienst "büromäßig" an den CA anzuschließen. Der Vorstand des CA erklärte am 25.10.1932 sein Einverständnis mit der Aufnahme der Siedlungsdienststelle (Protokoll der gemeinsamen Sitzung des Vorstandes und des Fünferausschusses am 25.10.1932, S. 10; ADW, CA 67 B). "Der neue Geschäftsführer hat sich dem CA unterzuordnen und in die Arbeitsweise des Central-Ausschusses einzufügen." Als neuer Geschäftsführer wurde von seiten des CA, Pfr. Schröder aus Schlesien vorgeschlagen und "von den Mitgliedern des Arbeitsausschusses einstimmig gutgeheißen". Zur praktischen Arbeit des Ev. Siedlungsdienstes wurde festgelegt, "daß die Berliner Geschäftsstelle des Ev. Siedlungsdienstes nicht in der bisherigen Form die praktische Vermittlungsarbeit durchzuführen habe, daß die west- und süddeutschen Stellen weiterhin ihre Pionierarbeit in Form von Versuchen vorwärtszutreiben haben, besonders im Hinblick auf die Auswirkungen des Arbeitsdienstes auf die Siedlung. Es herrscht darüber Einstimmigkeit, daß die zukünftige westdeutsche Stelle in Bielefeld und der südwestdeutsche Siedlungsdienst dem Berliner Siedlungsdienst unterstellt sind und mit ihm Zusammenarbeiten werden" (a.a.O., S. 10). Zu diesem Zeitpunkt ging man im Arbeitsausschuß noch von einer - wenn auch in ihrem Status modifizierten - Aufrechterhaltung der Bielefelder Stelle aus. Dementsprechend verbreitete Schultz durch ein Rundschreiben, das er am 12.12.1932 an die Mitglieder des Beirats richtete, die Nachricht, daß die Absicht bestehe, "die Geschäftsstelle in Bielefeld ab 1. April 1933 als Geschäftsstelle des Westdeutschen Evangelischen Siedlungsdienstes weiterzuführen" (ADW, ESD 2). Der Arbeitsausschuß des Westfälischen Provinzialverbandes für IM hatte sich noch in seiner Sitzung am 3.2.1933 an der Fortführung des Ev. Siedlungsdienstes als Stelle für Westfalen, Rheinland, Hessen und Hannover interessiert gezeigt. Dabei war allerdings die Finanzierungsfrage offen geblieben.


B. Reichsgeschäftsstelle Berlin

Am 4.1.1933 trat der neue Geschäftsführer des Evangelischen Siedlungsdienstes, Pfr. Schröder aus Puschkau/Schlesien - er hatte sich bereits im Schlesischen Provinzialverband für Innere Mission interimistisch den Siedlungsfragen gewidmet und war vom Direktor des CA Jeep auf der Sitzung des Arbeitsausschusses am 15.11.1932 vorgeschlagen worden - seinen Dienst in Berlin unter ziemlich unklaren Voraussetzungen an. Nicht allein, daß er bei Dienstantritt keinen Anstellungsvertrag erhielt; es bestand auch keine rechtswirksame Vereinbarung mit dem CA über die organisatorische Zuordnung des ESD und die Finanzierung der von seiten des CA bereitgestellten Hilfsmittel (Zimmer, Büromaterial) und der Sekretärin.
Nach Auffassung der Mitglieder des Arbeitsausschusses sollte die Reichsgeschäftsstelle "sowohl personell wie auch örtlich" an den CA angeschlossen werden. Der Direktor des CA Jeep erklärte auf der Sitzung des Arbeitsausschusses am 15.11.1932 sogar, "daß er durch die Angliederung des Siedlungsdienstes seinerseits auch die volle Verantwortung für die Arbeit des neuen Geschäftsführers zu übernehmen bereit sei" (Sitzungsprotokoll des Arbeitsausschusses vom 15.11.1932, gefertigt von Schultz am 2.12.1932; ADW, CA 1622 I a). Der Vorsitzende des ESD Hymmen schlug daraufhin vor, der CA möge die Geschäftsführung doch selbst übernehmen, unter der Voraussetzung, "daß ihm die Mittel dafür von den am Siedlungsdienst beteiligten Kirchen und Provinzialverbänden für Innere Mission dargereicht werden" (Schreiben von Hymmen an den CA vom 17.11.1932; ADW, CA 1622 I).
Der Vorstand des CA, dessen Finanzgebaren nach dem Devaheim-Zusammenbruch von seiten der Sanierungsträger verstärkter Kontrolle ausgesetzt war, stellte demgegenüber in seiner Sitzung am 29.11.1932 fest, daß "dem Wunsche von D. Hymmen, den Evangelischen Siedlungsdienst als eine Abteilung in den CA einzugliedern, nicht entsprochen werden kann. Die Geschäftsführung des Evangelischen Siedlungsdienstes hat völlig selbständig zu bleiben, wie auch der Geschäftsführer dafür zu sorgen hat, daß die Beiträge der Kirchen und IM-Kreise zur Erhaltung des Evangelischen Siedlungsdienstes einkommen" (Protokoll der Vorstandssitzung des CA vom 29.11.1932; ADW, CA 67 B -1932-). Endgültige Abmachungen zwischen dem CA und dem Evangelischen Siedlungsdienst wurden zurückgestellt, "bis aufgrund der gemachten Erfahrungen die Lebensfähigkeit der Geschäftsstelle des Evangelischen Siedlungsdienstes in Berlin beurteilt werden kann". Der Arbeitsausschuß des ESD hatte dagegen bestimmt, daß "die Vereinbarungen mit dem Central-Ausschuß für Innere Mission bei endgültiger Anstellung von Pfr. Schröder schriftlich niedergelegt werden" sollten (Protokoll der Sitzung des Arbeitsausschusses des ESD vom 15.11.1932; ADW, CA 1622 I a).
Am 14.3.1933, gegen Ende der Einarbeitungszeit von Schröder, übermittelte der Direktor des CA Jeep dem Vorsitzenden des ESD Hymmen den Entwurf eines entsprechenden Vertrages zwischen CA und ESD. Dieser Vertrag wurde am 25.4.1933 von D. Jeep und D. Hymmen unterzeichnet. Er legte unter Punkt 1 fest:
"Der Evangelische Siedlungsdienst verpflichtet sich, das Gehalt für Pfr. Schröder... voll aufzubringen und an den Central-Ausschuß abzuführen. Sollte sich ergeben, daß die Aufbringung der Mittel nicht im vollen Umfang möglich ist, so macht der Evangelische Siedlungsdienst dem Central-Ausschuß so rechtzeitig Mitteilung, daß Verhandlungen und Maßnahmen erfolgen können, durch die eine finanzielle Belastung des Central-Ausschusses vermieden wird." Und weiter unter Punkt 4:
"Der Central-Ausschuß stellt dem Evangelischen Siedlungsdienst für das Jahr 1933 zwei Büroräume mit Licht und Heizung, eine Sekretärin sowie Büro- und Schreibmaterial frei zur Verfügung. Späterhin wird am Ende eines jeden Etatjahres festgestellt, ob der Evangelische Siedlungsdienst imstande ist, eine angemessene Vergütung für diese Leistungen an den Central-Ausschuß zu zahlen" (ADW, ESD 245). Anhand der vorliegenden Akten muß bezweifelt werden, daß der Vertrag rechtskräftig wurde. Die Zusicherungen des CA-Direktors standen im Widerspruch zu den Festlegungen, die der Vorstand des CA am 29.11.1932 und am 3.3.1933 getroffen hatte. Dr. Schubert, im Oktober 1933 von Dr. Heinrich mit Recherchen nach schriftlichen Vereinbarungen zwischen CA und ESD beauftragt, gab in einem Aktenvermerk vom 28.10.1933 zu Protokoll: "Schriftliche Unterlagen... bzw. entsprechende Vereinbarungen mit dem Siedlungsdienst habe ich nicht feststellen können" (ADW, CA 1622 II). Und der Arbeitsausschuß des ESD beschloß noch am 11.8.1933: "Der Vorsitzende wird ermächtigt, den anläßlich der Verlegung der Geschäftsstelle des Evangelischen Siedlungsdienstes von Bielefeld nach Berlin zu schließenden Vertrag zwischen Central-Ausschuß und Evangelischem Siedlungsdienst zu unterzeichnen" (Sitzungsprotokoll des Arbeitsausschusses vom 11.8.1933, Punkt 4, S. 7; ADW, ESD 260).
Am 24.3.1933 schrieb Jeep wegen der Unterzeichnung des Anstellungsvertrages von Schröder an den Präsidenten des CA Karow. Der Anstellungsvertrag bezieht sich ausdrücklich und ausschließlich auf das Fehlen der Rechtsfähigkeit des ESD als die das Anstellungsverhältnis erzwingende Voraussetzung. Im Zusammenhang damit heißt es: "Ihr dienstliches Verhältnis zum Central-Ausschuß, sowie die finanziellen Verpflichtungen des Evangelischen Siedlungsdienstes, sind durch besonderen Vertrag zwischen diesem und dem Central-Ausschuß zu regeln" (Personalakte Schröder). In dem o.a. Begleitschreiben an Karow versuchte Jeep, etwaige Bedenken zu zerstreuen: "Der Central-Ausschuß übernimmt ein finanzielles Risiko nicht, da bisher die Beiträge von Kirchenbehörden und IM-Verbänden in der vorgesehenen Höhe eingegangen sind. Ich nehme an, daß das auch weiterhin der Fall sein wird" (ADW, CA 1622 I a).
Obwohl wiederholt mahnende Rundschreiben versandt wurden, gingen die Beiträge für den ESD vor allem von seiten der IM-Stellen nach dem Machtwechsel nur noch schleppend und unvollständig ein. Diese Stellen - belastet durch andere Abgaben etwa im Zusammenhang mit der Notgemeinschaft - sahen die Notwendigkeit eines evangelischen Siedlungsdienstes, nachdem die Möglichkeit zu praktischer Arbeit entfiel, nicht mehr recht ein: "Die Mahnungen... fielen infolge der anderweitigen Belastungen und der kirchenpolitischen Schwierigkeiten auf wenig fruchtbaren Boden" (Aufstellung betr. Etat des Siedlungsdienstes, 18.10.1934; ADW, ESD 266).
Der Beirat des ESD hatte in seiner Sitzung vom 17.2.1933 "Richtlinien für die Arbeit und Organisation des Evangelischen Siedlungsdienstes" beschlossen, die von Schröder zusammen mit Dr. Wahl vom Kirchenbundesamt ausgearbeitet worden waren. Unter "I. Ziele der evangelischen Siedlungsarbeit" wird es als ein solches unter Buchstabe c bezeichnet, "auch eine den kirchlichen Grundsätzen und Belangen entsprechende Werbung, Beratung, Auswahl, Schulung und Vermittlung von Siedlern zu betreiben" (ADW, ESD 260). Über die Aufgaben der Reichsgeschäftsstelle wird gesondert ausgeführt:
"Sie hat die evangelische Siedlungsarbeit in Zusammenarbeit mit den bereits bestehenden evangelischen Stellen in den Ländern und Provinzen... und den ... Kirchen zusammenzufassen und erforderlichenfalls bei den Kirchenbehörden und Verbänden der Inneren Mission die Errichtung neuer Stellen anzuregen.
Sie hat ferner:
a. für die Wahrung der evangelischen Belange bei amtlichen, halbamtlichen und privaten Siedlungsstellen einzutreten und den Landes- und Provinzialsiedlungsdiensten durch Nachweis von Siedlungsland behilflich zu sein,
b. als Auskunftsstelle über die Vorgänge auf dem Gebiete der Gesetzgebung und Verwaltung und über die Siedlungsliteratur den vorgenannten Stellen zu dienen,
c. die Anliegen der vorerwähnten Stellen bei den Reichsstellen zu vertreten,
d. die notwendige Verbindung der Landes- und Provinzialstellen untereinander herzustellen,
e. die Statistik über das Siedlungswesen zu beobachten und wo nötig, selbständig zu führen" (ADW, ESD 260).

Den Richtlinien konnte, soweit sie praktische Arbeit intendierten, nach dem Machtwechsel nicht mehr entsprochen werden. Die in ihnen angesprochenen informativen und repräsentativen Funktionen der Reichsgeschäftsstelle lagen eo ipso mehr im Interesse der Kirchenbehörden als der IM-Stellen. Schröder sah immerhin die Möglichkeit zu eigenständiger Arbeit noch in der geistlichen Betreuung der Siedler: "Unsere Hauptarbeit liegt auf dem Gebiet der Seelsorge und Betreuung der Siedler" (Bericht zur Lage, Sitzungsprotokoll des Arbeitsausschusses vom 6.5.1933; ADW, ESD 260). Die seelsorgerliche Betreuung verlagerte sich in der Folge stärker auf die Landhelfer und die ihr Landjahr absolvierenden Jugendlichen. Es wurden auch Anstrengungen unternommen, um in Siedlungsgebieten Siedlungsdiakone anzusetzen und Vikare für die Arbeit in den Stadtrandgebieten zu gewinnen.
Die rückläufige Eigenfinanzierung des ESD führte zu wiederholten Kontroversen mit dem "Sanierungsvertrauensmann", Schatzmeister und Justitiar des CA Dr. Heinrich, der sich der Bezuschussung des ESD durch den CA widersetzte. Seine Haltung und die der Sanierungsträger in dieser Frage wurde auch dadurch bestimmt, daß der ESD in der Frage der Hergabe von Kirchenland für Siedlungszwecke im Auftrage der Kirchenbehörden ablehnend Stellung nahm (vgl. das Schreiben Heinrichs an Frick vom 27.4.1935; ADW, CA 1622 II); Sitzungsprotokoll der Beiratssitzung vom 12.3.1936 (ADW, ESD 269); Denkschrift des Evangelischen Siedlungsdienstes zur Frage der Abgabe von Kirchenland zu Siedlungszwecken; ADW, ESD 300).
Die Bezuschussung erwies sich dennoch als unvermeidlich, da die monatliche Gehaltsauszahlung an den Geschäftsführer durch den CA einen Bestandteil des Anstellungsvertrages bildete und auf das Konto des ESD, das mit diesen Gehaltszahlungen belastet wurde, immer weniger Beiträge eingezahlt wurden. In diesem Zusammenhang wurden Schröder nach der Neuordnung des Verhältnisses zwischen Deutscher Evangelischer Kirche und dem Central-Ausschuß im Jahre 1933 und in den sich an diese anschließenden neuen Geschäftsverteilungs- und Arbeitsplänen als Leiter des Referates 10 "Siedlungsfragen und Wohlfahrt auf dem Lande" als zusätzliche Aufgaben zugewiesen: Auswandererfürsorge, Wandererfürsorge, Herbergswesen, Bodenreform, Siedlungswesen, Landhilfe, ländliche Wohlfahrtspflege, Freiwilliger Arbeitsdienst, Wohnungswesen (Anlage zum Protokoll der Vorstandssitzung vom 3.11.1933 (ADW, CA 67 B -1933-). Dem Geschäftsführer des ESD wurden also, da ihn diese Funktion nicht auslastete und der CA den ESD bezuschussen mußte, Funktionen des CA übertragen; umgekehrt nahm Schröder die Wahrnehmung dieser Funktionen zum Anlaß, eine entsprechende anteilige Finanzierung des ESD durch den CA zu erwarten.
Hatte der CA im Jahre 1934 aufgrund der eingegangenen Beiträge nur einen Gehaltsanteil der Sekretärin übernehmen müssen, sah er sich 1935 dem Verlangen nach Übernahme der Hälfte des Gehaltes des Geschäftsführers und des vollen Gehaltes der Sekretärin auf eigenen Personaletat konfrontiert. "Einigkeit besteht darüber, daß die Arbeit des Evangelischen Siedlungsdienstes als solche im Augenblick beschränkt sein muß, daß sich aber für Landjahr usw. neue Aufgaben ergeben, so daß die Geschäftsstelle für das laufende Jahr wenigstens noch als Bereitschaft... fortzuführen ist" (Protokoll der Vorstandssitzung vom 7.5.1935; ADW, CA 67 B -1935-). D. Ohl schlug in diesem Zusammenhang vor, "statt Siedlungsdienst jetzt immer besser Landhelferarbeit oder Landhelferseelsorgearbeit zu sagen" (a.a.O.). Der Vorstand beschloß einen einmaligen Zuschuß von RM 7.000,-- unter dem Vorbehalt der Restfinanzierung durch die Reichskirche und der Genehmigung von seiten der Sanierungsträger.
Der sich daran anschließende späte eigene Vorstoß von Schröder, seinen Status als Geschäftsführer des ESD mit dem CA vertraglich abzusichern, mißlang. "... während die Stellung des Siedlungsdienstes als solcher in der IM bewußt in der Schwebe gehalten werden soll, soll Ihre... persönliche Stellung als fest gelten", wurde ihm bündig von seiten des Präsidenten des CA mitgeteilt (Schreiben Frick an Schröder, 5.7.1935; ADW, ESD 266).
1936 war das Schicksal des ESD entschieden. Die Divergenzen zwischen dem Interesse zentraler Kirchenbehörden am ESD und der mangelnden Finanzierungsbereitschaft von seiten der meisten Träger konnten vom Vorsitzenden Hymmen auf der Beiratssitzung am 12.3.1936 nur noch scheinbar überbrückt werden. Die Vertreter süddeutscher Landeskirchen (Bayern, Württemberg und Baden) sowie der Landeskirche Hannover hatten einen Antrag auf Auflösung des ESD zum 1.4.1936 eingebracht, der nach längerer Aussprache mit folgendem Beschluß abgelehnt wurde: "Der Beirat stellt nach eingehender Aussprache fest, daß der Evangelische Siedlungsdienst im Ganzen des Dienstes, der der Evangelischen Kirche und ihrer Inneren Mission aufgegeben ist, nicht entbehrt werden kann. Er kann deshalb die aus einzelnen Landeskirchen gestellten Anträge auf Auflösung des Siedlungsdienstes nicht ästimieren und bittet auch diejenigen Landeskirchen und ihre IM-Verbände, die nicht so unmittelbar von der Arbeit des Evangelischen Siedlungsdienstes berührt werden, um des Ganzen des kirchlichen Dienstes willen ihm ihre Hilfe nicht zu versagen" (Beirat, Sitzungsprotokoll vom 12.3.1936; ADW, ESD 260).
In der Beschlußfassung vorausgehenden Aussprachen war allerdings die weitere maßgebliche Beteiligung des CA an der Finanzierung des ESD als gegeben unterstellt worden, nachdem Schröder mitgeteilt hatte, "daß der Präsident des CA... ihm auch für das kommende Jahr die finanzielle Unterstützung von RM 7.000,-- wie im Vorjahr... in Aussicht gestellt habe" (Beirat, Sitzungsprotokoll vom 12.3.1936, a.a.O.). Dabei lag offensichtlich von seiten Schröders eine Verwechslung vor zwischen Sicherstellung des ESD und seiner persönlichen Sicherstellung; eine Unterscheidung, auf die Frick in seinem Schreiben an Schröder vom 5.7.1935 gerade aufmerksam gemacht hatte.
Nach erfolgter Beschlußfassung dementierte Dr. Heinrich noch in derselben Sitzung jede Zusage des CA im Hinblick auf weitere Zuschüsse (ADW, CA 1622 II, Protokoll der Beiratssitzung vom 12.3.1936). Beim CA machte man sich zu dieser Zeit schon Gedanken über die Aufnahme des Landhelferseelsorgedienstes in das Arbeitsgebiet der Volksmission (Protokoll der Vorstandssitzung vom 19.12.1935; ADW, CA 67 B -1935-, S. 15), da Schröder für die Übernahme des Geschäftsführerpostens beim Zentralverein für Innere Mission in Österreich in Aussicht genommen wurde. Es blieb jedoch beim Plan. Das Protokoll der Vorstandssitzung des CA vermerkt unter dem 9.3.1936, Schröder habe "vom EOK ein Angebot auf drei Monate erhalten mit der Möglichkeit einer vielleicht dauernden Anstellung... Entscheidung bleibt vorbehalten" (ADW, CA 67 B -1936). Der Zentralverein für Innere Mission in Wien wartete den Berliner Entscheidungsprozeß nicht ab und entschied sich für einen anderen Bewerber (Protokoll der Vorstandssitzung vom 23.6.1936; ADW, CA 67 B -1936). Schröder begann daraufhin seine Tätigkeit als theologischer Hilfsarbeiter beim EOK - vom CA beurlaubt - am 6.7.1936 mit einem zunächst auf drei Monate begrenzten Zeitvertrag. Die "aushilfsweise Beschäftigung" wurde zweimal um jeweils sechs Monate verlängert, zuletzt bis zum 31.12.1937. In dieser Zeit wurde dem EOK für die Weiterführung von Dienstgeschäften des CA durch Schröder - zu ihnen zählte auch die von Schröder betreute Landhelferseelsorge als Teil des Dienstes der "Wandernden Kirche" - ein Drittel dessen Gehaltes vergütet.
Am 1.1.1938 kehrte Schröder zum CA zurück. Beiträge für den Siedlungsdienst waren 1936 und 1937 nicht mehr eingegangen (Schreiben Heinrich an Frick vom 18.12.1937; ADW, CA 2022 - Personalakte Schröder -), so daß ihm von seiten des CA-Präsidenten nahegelegt wurde, sich eine anderweitige Beschäftigung zu suchen (Schreiben Frick an Schirmacher vom 16.12.1937; ADW, CA 2022). Zwar blieb die Stellensuche zunächst erfolglos; gleichwohl kündigte der CA das Anstellungsverhältnis mit Schreiben vom 30.3.1938 zum 30.9.1938 (a.a.O.).
Am 29.4.1938 wählte der Vorstand des Provinzialverbandes der Brandenburgischen Frauenhilfe Schröder zum Geschäftsführer des Verbandes. Er trat sein neues Amt offiziell am 1.10.1938, tatsächlich jedoch bereits am 1.6.1938 an.
Nach dem 12.3.1936 hatte keine Sitzung des Arbeitsausschusses oder des Beirats des ESD mehr stattgefunden. Eine von der Buchhaltung des CA für den ESD am 24.8.1938 erstellte Schlußrechnung für den Zeitraum vom 1.4.1937 bis zum 30.9.1938 wies einen Fehlbetrag von RM 9.457,75 aus, zu dessen teilweiser Deckung von seiten des CA beim EOK ein Beihilfeantrag auf RM 5.000,-- gestellt wurde. In der Antragsbegründung wird festgestellt: "Die Reichsgeschäftsstelle des Evangelischen Siedlungsdiensts befindet sich in Auflösung und zum 30.9.1938 wird die Liquidation beendet sein" (Schubert an EOK, 23.8.1938; ADW, CA 1622 II).
Direktor Schirmacher teilte dem Präsidenten Frick am 23.9.1938 mit, daß er Schröder bei dessen Ausscheiden erklärt habe, "der besonders ihm am Herzen liegende Seelsorgerdienst an Landhelfern würde von mir wahrgenommen werden" (ADW, CA 2022). "Was Herr Pfr. Schröder von den anderen Angelegenheiten geschrieben hat, ist bisher vorzugsweise von diesem weiter behandelt" (a.a.O.).



Entstehung, Überlieferung, Verzeichnung und Ordnung der Akten


Die Akten der Geschäftsstelle Bielefeld und der Reichsgeschäftsstelle Berlin des ESD bilden zwei voneinander unabhängig gebildete Teilbestände, die aber gleichwohl wegen ihres sachlichen Zusammenhanges und ihres geringen Umfanges zusammengefaßt wurden. Der größere Teilbestand Geschäftsstelle Bielefeld war nach Korrespondenzpartnern, der Berliner Teilbestand nach sachlichen Gesichtspunkten geordnet. Die vorgefundenen Akteneinheiten wurden beibehalten, jedoch wurde die systematische Ordnung - soweit möglich - geändert.
Die Akte ADW, ESD 265 enthält ein in Bielefeld unmittelbar vor der Auflösung der Geschäftsstelle (o.D.) angefertigtes Aktenverzeichnis, das alle dort entstandenen Akten mit Angaben über die jeweiligen Abgabeorte enthält. Die mit "B" (= Reichsgeschäftsstelle Berlin) gekennzeichneten Akten waren zum Zeitpunkt der Verzeichnung im Archiv nicht vollständig vorhanden. Die vorhandenen Akten wurden in dem o.a. Verzeichnis gekennzeichnet (rot abgehakt) und in einem vorläufigen Verzeichnis aufgelistet, welches der Akte ADW, ESD 5 beigefügt worden ist. Die von Bielefeld aus an den Westfälischen Provinzialverband für IM abgegebenen Akten werden im Archiv des Diakonischen Werkes Westfalen verwahrt. Für die von der Reichsgeschäftsstelle Berlin des ESD gebildeten Akten ist von deren Geschäftsführer Pfr. Schröder ebenfalls ein Aktenverzeichnis angelegt worden (ADW, ESD 266). Es enthält außer den Akten der Reichsgeschäftsstelle auch Schröders Handakten sowie CA-Akten, welche Arbeitsgebiete betreffen, mit denen sich Schröder auch zu befassen hatte; außerdem eine von dem früheren CA-Siedlungsreferenten Seyferth angelegte Materialsammlung zu Siedlungsfragen. Das am 23.9.1937 angelegte Verzeichnis ist - soweit es den Evangelischen Siedlungsdienst betrifft - identisch mit dem Verzeichnis des Evangelischen Siedlungsdienstes Berlin innerhalb des Aktenverzeichnisses des CA (ADW, ESD 1622/1-32,34,46). Kassierte Akten sind in den vorarchivischen Verzeichnissen als solche gekennzeichnet.
In dem anschließenden Findbuch stehen an erster Stelle die Archiv- und an zweiter Stelle die vorgefundenen Signaturen. Dabei sind die vorgefundenen Signaturen der Akten der Reichsgeschäftsstelle Berlin nur verkürzt und der von Schröder vorgenommenen Gliederung entsprechend wiedergegeben; die Nr. 1622 wurde nicht wiederholt.



Weitere Akten über den Evangelischen Siedlungsdienst im Beständen des Archivs:

ADW, CA 67 B - 1932-36 -; ADW, CA 837 III Nr. 19; ADW, CA 1622 ;
ADW, BP 2121 - 2134 ;
ADW, KSB 393.

und im Archiv des Diakonischen Werkes Rheinland, Bestand Ohl unter 103.1 u. 103.2.



Literatur

Gustav v. BODELSCHWINGH, Die Seßhaftmachung der deutschen Familie und die Kirche. Drei Beiträge zur Siedlungsfrage, o.O. 1935.

D. HYMMEN und H. SCHULTZ, Pfarrerschaft und Landarbeitersiedlung, Bielefeld 1931.

Maximilian KELLER, Siedlung und Katholizismus, Karlsruhe 1933.

Werner KLÄN, Kirche und Volkstum - Nation und Konfession. Der Ev. Siedlungsdienst und die Siedlungsfrage in Pommern 1928 - 1936, in: Kirche im Osten. Studien zur osteuropäischen Kirchengeschichte und Kirchenkunde, Bd. 35 (1992), S. 9 - 58.

Alfred MARCINEK, Die konfessionelle Frage in der ländlichen Siedlung, Berlin 1934.

Kurt NOWAK, Ev. Kirche und Weimarer Republik, Weimar 1981, S. 135f.

Paul SEYFERTH (Hg.), Beiträge zur ländlichen Siedlung, Berlin 1928.

Gerhard SCHRÖDER, Evangelisch-kirchliche Aufgaben bei der Neubildung deutschen Bauerntums, in: Die Innere Mission, Jg. 29 (1934) H.2.

Ders., Innere Mission und Stadt-Landbewegung, in: Die Innere Mission, Jg. 30 (1935) H. 3.

Ders., Ev. Siedlungsdienst. In: Die Innere Mission, Jg. 31 (1936) H.1.

vgl. VSWG 76. Bd. 1989, S. 421

Die Akten wurden 1983 von Frau Hanna Kröger geordnet und verzeichnet.
1998 wurde das Findbuch mit dem Archivprogramm Augias erfaßt. Die Aktenzählung wurde dabei nicht verändert.
Die Akten: ESD 6 ; 7 ; 246 ; 253 ; 254 ; 255 wurden als in zwei Teile getrennt (A+B) in der Verzeichnung vermerkt.





Abkürzungsverzeichnis:

AG Arbeitsgemeinschaft
AV Aktenvermerk
betr. betreffend
BK Bekennende Kirche
bzw. beziehungsweise
CA Central-Ausschuß
Dipl. Diplom
Dr. Doktor
EOK
ESD Evangelischer Siedlungsdienst
ev. / Ev. evangelisch / Evangelische
FAD Freiwilliger Arbeitsdienst
GzF
H. Heft
IM Innere Mission
i.R. im Ruhestand
Jg. Jahrgang
NS- nationalsozialistisch
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
o.D. ohne Datum
o.J. ohne Jahr
P. / Pf. Pfarrer
Rs. Rundschreiben
Schr. Schriftwechsel
TH
u. und
u.a. und andere
v. von

Reference number of holding
ESD

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Archiv für Diakonie und Entwicklung (Archivtektonik) >> Sonstige Verbände und Rechtsträger

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1929-1938

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  • Bestand

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  • 1929-1938

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