Bestand
Kriegsgeschichtliche Forschungsanstalt des Heeres (Bestand)
Bestandsbeschreibung: Nach
drohendem Verbot des Großen Generalstabes durch den Versailler
Vertrag 1919 waren verschiedene Militärs (u. a. Hans v. Seeckt,
Wilhelm Groener, Hermann Ritter Mertz v. Quirnheim und Hans v.
Haeften) bestrebt, die frühere kriegsgeschichtliche Abteilung
des Großen Generalstabes als zivile Institution für die künftige
Militärgeschichtsschreibung und Auswertung der
Weltkriegserfahrungen weiterführen zu können. Nach Zustimmung
des Reichskabinetts wurde deshalb, bedingt durch die schließlich
erfolgte Auflösung des Großen Generalstabes, der
kriegsgeschichtliche Bereich von dem am 1. Oktober 1919 neu
gegründeten Reichsarchiv übernommen. Erster Präsident des
Reichsarchivs war bis zum 31. Oktober 1931 Generalmajor Hermann
Ritter Mertz v. Quirnheim, Leiter der kriegsgeschichtlichen
Abteilung wurde Oberst Hans v. Haeften.
Das Reichsarchiv diente, neben seiner Funktion als
archivalische Zentralstelle für die Geschichte des Deutschen
Reiches seit 1867, auch als Forschungsstelle zur Erarbeitung
eines großen Weltkriegswerkes sowie zur Auswertung der
Kriegserfahrungen des Weltkrieges von 1914 bis 1918 für die
Reichswehr und eine künftige Wiederaufrüstung. 1924 erfolgte die
Umbenennung der Kriegsgeschichtlichen in Historische Abteilung.
Ihre Hauptaufgabe bestand darin, das amtliche militärische
Weltkriegswerk, nebst den Ergänzungsbänden über Kriegsrüstung
und Kriegswirtschaft sowie das Feldeisenbahnwesen, auszuarbeiten
und herauszugeben. Außerdem war sie verantwortlich für die
Herausgabe der Reihe "Schlachten des Weltkrieges"; ferner
unterstützte sie die "Erinnerungsblätter deutscher Regimenter"
und die "Forschungen und Darstellungen aus dem Reichsarchiv". Am
1. November 1931 wurde Generalmajor a.D. von Haeften Präsident
des Reichsarchivs, seine Nachfolge als Direktor der Historischen
Abteilung trat Oberstleutnant a.D. Wolfgang Foerster an.
Nach der nationalsozialistischen
Machtergreifung und dem Übergang zur offenen Wiederaufrüstung
erfolgte eine Neuordnung des Reichsarchivs nach militärischen
Gesichtspunkten. Die amtliche Militär- und
Kriegsgeschichtsschreibung und das militärische Archivwesen
wurden Aufgabe der Wehrmacht. Ab 1. April 1934 unterstand die
Historische Abteilung dem Reichswehrministerium, ein Jahr später
wurde sie völlig aus dem Reichsarchiv herausgelöst und in
"Forschungsanstalt für Kriegs- und Heeresgeschichte" umbenannt.
Zum 1. April 1937 erhielt sie die Bezeichnung
"Kriegsgeschichtliche Forschungsanstalt des Heeres", an die auch
die Bibliothek und die Druckerei des Reichsarchivs übergingen.
Das militärische Archivgut des Reichsarchivs übernahm das am 1.
April 1936 neu gegründete Heeresarchiv in Potsdam. Der bisherige
Direktor der Forschungsanstalt wurde zum Präsidenten der
Dienststelle angehoben. Foerster bekleidete diese Stelle bis zum
Kriegsende.
Als nachgeordnete
Dienststelle des Chefs des Generalstabes des Heeres unterstand
die KGFA nunmehr dem Oberbefehlshaber des Heeres. Im Herbst 1938
kam es im Generalstab zur Wiedereinrichtung der Dienststelle
Oberquartiermeister V unter Generalleutnant Dr. Waldemar
Erfurth, der für alle kriegsgeschichtlichen und archivischen
Einrichtungen des Heeres (7. Kriegswissenschaftliche Abteilung
im Generalstab, Chef der Heeresarchive, Kriegsgeschichtliche
Forschungsanstalt) verantwortlich war. Der KGFA oblag
ausschließlich die militärhistorische Forschung mit der
Fortführung und dem Abschluss des Weltkriegswerkes sowie der
Ergänzungsbände. Daneben sollte auch mit der Erforschung und
Darstellung der Nachkriegskämpfe deutscher Truppen und Freikorps
sowie der Kämpfe in den Kolonien begonnen werden. Mit Ausbruch
des Zweiten Weltkrieges verzögerte sich jedoch der von Foerster
für Jahresende 1942 geplante Abschluss der Arbeiten am
Weltkriegswerk erheblich.
Ende September
1942 wurde die KGFA dem am 17. Mai 1942 neu ernannten
"Beauftragten des Führers für die militärische
Geschichtsschreibung" und Chef der Kriegsgeschichtlichen
Abteilung im Oberkommando der Wehrmacht, Oberst (Später
Generalmajor) Walter Scherff, unterstellt. Beim britischen
Luftangriff auf Potsdam am 14. April 1945 wurden umfangreiche
Unterlagen und Archivalien durch Brand vernichtet, ein großer
Teil war schon zuvor bei einem Luftangriff am 14. Februar 1945
vernichtet worden. De facto endete damit auch die Arbeit der
Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt des Heeres.
Gliederung der KGFA (Quelle: RH 61/72):
1. Präsident:
Leiter der
Zentralstelle (Z), gleichzeitig Sachbearbeiter für Personal
(ZP), Etat (ZH) und Mobilmachungsangelegenheiten (g.
Kdos.);
Dienststellenleiter für
Verwaltung (ZV), für Zentralbüro (ZB) mit Registratur,
Postabsendestelle, Kanzlei und Druckerei
2. Abteilung A: Direktor
Gruppe I :
Weltkriegswerk
Gruppe II: Kriegsrüstung
und Kriegswirtschaft
3. Abteilung B:
Direktor
Gruppe III: Kolonialkrieg
Gruppe IV: Feldeisenbahnwesen
Gruppe VII: Forschungen zum Jahre 1918
Gruppe VIII: Franktireurkrieg
Gruppe
IX: Geschichte der schweren Artillerie
4.
Selbständige Gruppen
Gruppe V:
Nachkriegskämpfe
Gruppe VI:
Kartenwesen
Gruppe X: Kriegs- und
Heeresgeschichte bis zum Beginn des Weltkrieges
Gruppe XI: Forschungsgemeinschaft für
Nachkriegsgeschichte
Gruppe XII:
Einzelschriften
Bücherei
Weitere allgemeine Aufgaben:
Kriegsschuldfragen, Verwaltungsgeschichte Belgiens,
Wehrwissenschaftliche Gesellschaft, Reichsinstitut für
Geschichte des neuen Deutschlands
Vorgänger der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt
(KGFA) war die kriegsgeschichtliche Abteilung des Großen
Generalstabes der preußischen Armee, die bei Kriegsbeginn 1914
aufgelöst, im Reichsarchiv 1919 neu gebildet wurde.
Inhaltliche
Charakterisierung: Das militärische Archivgut des Deutschen
Reiches erlitt im Zweiten Weltkrieg außerordentlich große
Verluste, vor allem durch die Vernichtung der im Heersarchiv
verbliebenen Akten durch den alliierten Luftangriff auf Potsdam
vom 14. April 1945. Dies betraf auch die Unterlagen der
Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt. Mitarbeiter des zivilen
Reichsarchivs und des Heeresarchivs in Potsdam, die im Auftrag
der sowjetischen Besatzungsmacht bis Februar 1946 tätig waren,
konnten allerdings aus dem beschädigten Gebäude große Teile der
Akten der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt bergen. Sie
kamen in das im Juli 1946 neu gegründete Zentralarchiv der
sowjetischen Besatzungszone (später Zentrales Staatsarchiv der
DDR) und wurden dort unter dem Bestand "Reichsarchiv"
zusammengefasst. Der Bestand wurde vom Zentralen Staatsarchiv
der DDR in Potsdam neu geordnet und handschriftlich auf
Karteikarten verzeichnet. Größtenteils wurden dabei die
überlieferten Aktentitel übernommen, vielfach aber zusätzlich
durch "Enthält"-Vermerke ergänzt. Nach seiner Bearbeitung wurde
das Schriftgut der Forschungsanstalt vom übrigen Schriftgut des
Reichs- und Heeresarchivs abgetrennt und Mitte der achtziger
Jahre dem Militärarchiv der Nationalen Volksarmee (NVA) in
Potsdam übergeben. Dort waren die Akten unter der
Bestandsbezeichnung W 10 gelagert. Nach dem staatlichen Ende der
DDR gelangten die Unterlagen 1994 in das
Bundesarchiv-Militärarchiv nach Freiburg und wurden dem schon
vorhandenen Bestand in Freiburg hinzugefügt.
Das im Bestand RH 61 enthaltene Schriftgut der KGFA
entstand vor allem im Zusammenhang mit der Arbeit am
Weltkriegswerk. Es umfasst Geschäftsakten, Schriftwechselakten,
Forschungsarbeiten, Studien, Erfahrungsberichte,
Manuskriptentwürfe, Reinschriften, Fahnenabzüge, Abschriften von
Akten militärischer und politischer Behörden und Dienststellen,
von Kriegstagebüchern und persönlichen Aufzeichnungen von
Offizieren sowie Notizen der Bearbeiter und
Zeitungsausschnitte.
Darüber hinaus
befinden sich herausgelöste Teile von Originalaktenstücke, in
einigen wenigen Fällen sogar ganze Akten, aus dem Reichs- bzw.
Heeresarchiv bei der Überlieferung. Die Unterlagen bieten eine
bedeutende Ersatzüberlieferung für die erheblichen
kriegsbedingten Überlieferungslücken unter den
preußisch-deutschen Heeresakten vor 1919.
Das vorliegende provisorische Findverzeichnis (Abschrift
der Karteikarten) zum Bestand KGFA besteht aus den beiden Teilen
der Überlieferung in Freiburg (RH 61) und ehemals in Potsdam
(früher W 10). Eine Zusammenführung der beiden getrennten
Bestände ist beabsichtigt.
Erschließungszustand:
Online-Findbuch
Umfang, Erläuterung:
2500
Zitierweise: BArch RH
61/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch RH 61
- Umfang
-
2320 Aufbewahrungseinheiten; 3,2 laufende Meter
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Militär >> Reichswehr und Wehrmacht 1919 bis 1945/1946 >> Reichsheer und Heer >> Weitere nachgeordnete Einrichtungen
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: RH 18 Chef der Heeresarchive
RW 9 Der Beauftragte des Führers für die militärische Geschichtsschreibung
N 35 Hans von Haeften
N 2190 Hermann Ritter Mertz von Quirnheim (Bundesarchiv, Abteilung R)
Amtliche Druckschriften: RHD 50
Literatur: Reichsarchiv (Hrsg.): Der Weltkrieg von 1914 bis 1918. Bearbeitet im Reichsarchiv. 14 Bde., davon Bd. 1-9 im Auftrage des Reichsarchivs Berlin 1925-1933; Ergänzungsbände: Das deutsche Feldeisenbahnwesen. Bd. 1: Die Eisenbahnen zu Kriegsbeginn. Berlin 1928; Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft. Bd. 1: Die militärische, wirtschaftliche und finanzielle Rüstung Deutschlands von der Reichsgründung bis zum Ausbruch des Weltkrieges. Berlin 1930 und Anlagen zum ersten Band. Berlin 1930; Bd. 10-11 im Auftrag des Reichskriegsministeriums bearbeitet und hrsg. v. der Forschungsanstalt für Kriegs- und Heeresgeschichte. Berlin 1936-1938; Bd. 12-14 im Auftrag des Oberkommandos des Heeres bearbeitet und hrsg. v. d. Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt des Heeres. Berlin 1939-1944 (Bd. 13 und 14 auch als Neuauflage des Bundesarchivs Koblenz 1956)
Reichsarchiv (Hrsg.): Schlachten des Weltkrieges. In Einzeldarstellungen bearbeitet und hrsg. im Auftrage des Reichsarchivs. 36 Bde. Berlin 1925-1930
Demeter, Karl: Das Reichsarchiv. Tatsachen und Personen. Frankfurt a. M. 1969
Enders, Gerhart: Die ehemaligen deutschen Militärarchive und das Schicksal der deutschen Militärakten nach 1945. In: Zeitschrift für Militärgeschichte 5 (1969), S. 599-608
Haeften, Hans: Neuzeitliche kriegsgeschichtliche Forschungsmethoden. In: Wissen und Wehr (1935), S. 507-521
Hermann, Thomas: Das Reichsarchiv (1919-1945). Eine archivische Institution im Spannungsfeld der deutschen Politik. Berlin, Humboldt-Univ. Diss. 1994
Müsebeck, Ernst: Der systematische Aufbau des Reichsarchivs. In: Preußische Jahrbücher Bd. 19/1923, S. 1-25
Murawski, Erich: Die amtliche deutsche Kriegsgeschichtsschreibung über den Ersten Weltkrieg. In: Wehrwissenschaftliche Rundschau 9 (1959), S. 513-528
Musial, Torsten: Staatsarchive im Dritten Reich. Zur Geschichte des staatlichen Archivwesens in Deutschland 1933-1945. Potsdam 1996
Otto, Helmut: Der Bestand Kriegsgeschichtliche Forschungsanstalt des Heeres im Bundesarchiv, Militärisches Zwischenarchiv Potsdam. In. Militärgeschichtliche Mitteilungen Bd. 51/1992, H.2, S. 429-441
Otto, Helmut: Das ehemalige Reichsarchiv. Streiflichter seiner Geschichte und der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Ersten Weltkrieges. In: Kroener, Bernhard R./Ostertag, Heiger (Hrsg.): Potsdam. Staat, Armee, Residenz in der preußisch-deutschen Militärgeschichte. Frankfurt am Main, Berlin 1993, S. 421-434
Poll, Bernhard: Vom Schicksal der deutschen Heeresakten und der amtlichen Kriegsgeschichtsschreibung. In: Der Archivar 6 (1953), S. 65-76
Rogge, Helmut: Das Reichsarchiv. In: Archivalische Zeitschrift 35 (1925), S. 119-133
Zipfel, Ernst: Die Organisation des Reichsarchivs von der Gründung bis zur Bildung der Wehrmachtsarchive, 1919-1937. In: Archivalische Zeitschrift 45 (1939), S. 1-6
Pöhlmann, Markus: Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik. Der Erste Weltkrieg. Die amtliche deutsche Militärgeschichtsschreibung 1914 bis 1956. Paderborn u.a. 2002.
- Provenienz
-
Kriegsgeschichtliche Forschungsanstalt des Heeres, 1926-1945
- Bestandslaufzeit
-
1926-1945
- Weitere Objektseiten
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- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Kriegsgeschichtliche Forschungsanstalt des Heeres, 1926-1945
Entstanden
- 1926-1945