Bestand

B Rep. 408 Wittenauer Heilstätten / Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik (Bestand)

Vorwort: B Rep. 408 Wittenauer Heilstätten / Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik

1. Behördengeschichte

1880 wurde die jetzige Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik unter dem Namen Städtische Irrenanstalt Dalldorf eröffnet. Ein ehemaliger Gutshof war mit 10 Krankenpavillons für 1000 Patienten bebaut worden, hinzu kamen Gärten für jeden Pavillon, eine Küche ein Maschinenhaus, Werkstätten, eine Wäscherei und an der Südseite des quadratischen Komplexes ein Verwaltungsgebäude. Wenig später wurde der Klinik ein Erziehungsheim für Kinder angegliedert. Bereits 1883 befanden sich in der für ursprünglich 1000 Patienten vorgesehenen Klinik 1100 erwachsene Kranke und 87 Kinder. Nachdem in den Anfangsjahren die Zahl der jährlichen Aufnahmen zwischen 584 und 763 gelegen hatte, stieg später die Aufnahmezahl in den Wittenauer Heilstätten von 1800 (1924) auf 3600 (1928) und 1929 schließlich auf 4000.

Nach dem 2. Weltkrieg pendelte sie sich wieder auf jährlich durchschnittlich 3500 ein. Diese Entwicklung führte zwangsläufig zu einer ständigen Überbelegung. Bereits 1929 wurden 1850 Patienten in dem eigentlich für 1000 Betten vorgesehenen Gebäudekomplex untergebracht. 1961 waren es bereits 2100. Erst in den 80er Jahren konnte die Zahl langsam etwas reduziert werden.

Da nach der Spaltung Berlins 1949 die Unterbringung chronisch kranker Patienten in den brandenburgischen Provinzialanstalten und in der Anstalt Wuhlgarten nicht mehr möglich war, wurde die Versorgung der psychisch Kranken in Berlin (West) erheblich eingeschränkt. 1952 standen unter der Leitung von Dr. Balluff 1825 Betten zur Behandlung von Nerven- und Geisteskranknheiten zur Verfügung.
Um die Klinik von den chronisch Kranken zu entlasten, benutzte man in den 50er Jahren in verschiedenen Stadtteilen gelegene Villen als Großfamilie-Pflegestellen, da immer weniger Menschen geeignet und bereit waren, psychisch Kranke in eigenen Familien aufzunehmen. 1950 wurde die erste dieser Außenstellen der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik, das DRK-Heim Tannengrund in Zehlendorf, in Betrieb genommen. Dem folgten 1959 Birkenhain in Westend, 1961 Erlengrund in Westend, 1960 Konradshöhe in Reinickendorf und 1964 Rosengarten in Wilmersdorf. Ab 1968 wurden diese Heime weitgehend geöffnet, gemischt belegt und in eine Rehabilitationskette für chronisch Kranke mit 100 Arbeitstherapie-Plätzen umgewandelt.
Die ärztliche Versorgung konnte nach dem Zweiten Weltkrieg erst in den 50er Jahren verbessert werden. 1945 musste man das gesamte Haus mit fünf Ärzten versorgen, 1952 konnte man bereits 22 Ärzte und 1957 28 Ärzte beschäftigen. 1958 war die Zahl auf 35 Ärzte und 3 Chefärzte angewachsen.
Nach der Einführung der Neuroleptika war es 1957 möglich, die die Gärten umgebende Mauer zu beseitigen und schließlich auch die Fenstergitter von den Häusern zum Teil zu entfernen sowie die meisten Häuser offen oder halboffen zu führen. Man gab den Patienten erstmalig Bestecke und ersetzte das Blechgeschirr durch Porzellan. Ein Teil der Patienten erhielt Privatkleidung.
1951 wurde eine "Abteilung für tuberkulöse Geisteskranke" gegründet, die alle Tbc-Patienten mit psychischen Störungen aus Westberlin aufnahm und bis Anfang der 90er Jahre diese Aufgabe erfüllte.
Ein weitere Aufgabe der Sonderaufgabe der Klinik war es, psychisch kranke Straftäter für ganz Westberlin aufzunehmen. Dies führte im Laufe der Jahre trotz der Schaffung von Arbeitstherapieräumen zu Schwierigkeiten, da die Räumlichkeiten nicht geeignet waren. Mit der Errichtung eines neuen Gebäudes, das so genannte „Feste Haus“, und der Neuorganisation im Maßregelvollzug konnte dieses Problem seit 1987 gelöst werden.
Von 1945 bis 1956 war Dr. Fritz Balluff Ärztlicher Direktor der Wittenauer Heilstätten. 1957 übernahm Dr. Rudolf Klaue die ärztliche Direkton. Zum gleichen Zeitpunkt wurden die Wittenauer Heilstätten in „Karl-Bonhoeffer-Heilstätten“ umbenannt.
Dr. Klaue erreichte es, dass vermehrt Fachärzte eingestellt und Renovierungen der Häuser im Klinikbereich durchgeführt. 1967 wurden die „Karl Bonhoeffer-Heilstätten“ in „Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik“ umbenannt.
Nach dem Tode von Direktor Klaue 1970 erhielt das Bettenhaus den Namen „Rudolf-Klaue-Haus“ in Würdigung der von ihm geleisteten Modernisierungen der Klinik.
Danach wechselte die Klinikleitung auf Grund von Differenzen über die psychiatrische Betreuung und Versorgung der Bevölkerung mehrfach (Prof. Horst Flegel 1970 - 1971, Prof. Dr. Wolfram Keup 1971 – 1981). Eine Neustrukturierung wurde unumgänglich. Die Klinik verfügte 1980 über zehn medizinische Abteilungen mit 33 Stationen und sechs Pflegeheime in verschiedenen Wohnbezirken. Die Bettenzahl betrug 1804 und sollte auf 1200 Betten reduziert werden.

Durch die Fusion der Karl-Bonhoeffer-Klinik mit dem Humboldt-Krankenhaus entstand am 1. Januar 1997 das Humboldt-Klinikum, welches dem Vivantes-Konzern zugeordnet wurde. Zum Humboldt-Klinikum gehören nun drei Standorte.

Die Akten wurden dem Landesarchiv Berlin 2008 von der VIVANTES Netzwerk für Gesundheit GmbH übergeben.


2. Bestandsbeschreibung

Der Bestand umfasst z.Zt. 9420 Akten ( lfm) mit der Laufzeit 1945 - 1969.

Die Akten betr. Rundschreiben und Rundverfügungen der Abteilungen Gesundheitswesen und Personalfragen/Verwaltung des Bezirksamtes Reinickendorf und der Senatsverwaltung für Gesundheitswesen sowie eine Handakte des Ärztlichen Direktors Dr. Balluff betr. Veranstaltungen waren der grundstuck für die Bildung des Bestandes. Diese Akten befanden sich ursprünglich im Bestand B Rep. 012 Acc. 1359 Nr. 214 und 215 und wurden bei der Bearbeitung des Bestandes Senatsverwaltung für Gesundheitswesen (B Rep. 012) im Jahr 2006 entsprechend der Provenienz herausgelöst und zu einem separaten Bestand formiert.

Die Aktenabgabe des Jahres 2008 beinhaltet v.a. Patientenverwaltungsakten. Bei der Bearbeitung fanden sich Akten zu Blutalkoholuntersuchungen sowie zur Organisation der Familienpflege an und können die Aufgaben des Krankenhauses zur psychiatrischen Versorgung darstellen.

Die Akten wurden mit der Software Augias-Archiv 8.3 verzeichnet und sind nun über eine Datenbank nutzbar.

Zahlreiche Akten sind auf Grund archivgesetzlicher Bestimmungen bzw. der EU-Datenschutz-Grundverordnung für die Benutzung befristet gesperrt. Eine Verkürzung der Schutzfristen kann auf Antrag erfolgen. Dazu bedarf es der besonderen Zustimmung des Landesarchivs.

Der Bestand wird wie folgt zitiert: Landesarchiv Berlin B Rep. 408 Nr. ... .


3. Korrespondierende Bestände

B Rep. 002 - Der Regierende Bürgermeister von Berlin - Senatskanzlei
B Rep. 008 - Senatsverwaltung für Arbeit und Sozialwesen
B Rep. 012 - Senatsverwaltung für Gesundheit
B Rep. 220 BVV - Bezirksverwaltung Reinickendorf
B Rep. 220-01 - Bezirksverwaltung Reinickendorf - Abräumakten
F Rep. 290 - Allgemeine Fotosammlung
F Rep. 290-02-11 - Sammlung Willi Huschke
F Rep. 290-02-15 - Sammlung Günter Schneider


4. Literatur

100 Jahre Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik 1880-1980. Festschrift. – Selbstverlag, Berlin 1980
Denkschrift über die baulichen, sanitären und personellen Verhältnisse sowie über die Belegung der Städtischen Karl-Bonhoeffer-Heilstätten. – Selbstverlag, Berlin 1961
Dr. Balluf: Zur gegenwärtigen Situation der Wittenauer Heilstätten, In: Dienst am Menschen Denkschrift zur Fürsorge am Geisteskranken. Hrsg. Bezirksamt Reinickendorf von Berlin, Abt. Gesundheitswesen. Berlin 1955.
Bericht über Krankenhausbettensituation und Bettenplanung, Sonderdruck des Senators für Arbeit, Gesundheit und Soziales.- Berlin 1970.
Denkschrift über eine Zielplanung für die Berliner Krankenanstalten (Bettenbilanz). Hrsg.: Der Senator für Gesundheitswesen.- Berlin 1960.
Die Krankenanstalten Berlins seit 1945. Hrsg.: Der Senator für Gesundheitswesen Berlin.- Berlin 1958.
Führer durch das soziale Berlin (Graubuch), Hrsg.: Archiv für Wohlfahrtspflege.- Berlin 1952.
Krankenhausplan 1986 für das Land Berlin. Sonderdruck des Senators für Gesundheit und Soziales.- Berlin 1986.



Berlin, März 2007/Juli 2012/Juni 2017 Kerstin Bötticher

Bestandssignatur
B Rep. 408

Kontext
Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> B Bestände (West-) Berliner Behörden bis 1990 >> B 2 Senat von Berlin >> B 2.2 Nachgeordnete Einrichtungen >> B Rep. 400 bis B Rep. 416 Städtische Krankenhäuser

Bestandslaufzeit
1945-1965 (?)

Weitere Objektseiten
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Letzte Aktualisierung
28.02.2025, 14:13 MEZ

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Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1945-1965 (?)

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