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Esther vor Ahasver

Das alttestamentarische Buch Esther erzählt, wie die Jüdin Esther, Gemahlin des Perserkönigs Ahasver (Artaxerxes), ihren Vormund Mordechai vor dem Tod und ihr Volk vor der Verfolgung rettet, indem sie dem König zugleich die verleumderischen Machenschaften des Ministers Haman (im Bild hinter Ahasver) und ihre eigene Herkunft offenbart. Nach längerem Zögern und Bangen hatte sie sich entschlossen, königlich geschmückt vor den Tyrannen zu treten, der auf seinem Thron, in Gold und Edelsteinen prangend, »schrecklich anzusehen« ist (W. Lübke, Esther vor Ahasverus, in: Deutsches Kunstblatt, 7. Jg., 1856, S. 161). Als er sie zornig anblickt, fällt sie in Ohnmacht; erst im weiteren Verlauf der Handlung wird sie den Intriganten Haman entlarven. Seine Kreuzigung wird zum Triumph des Judenvolkes. In der Barockmalerei finden sich des öfteren Szenen aus der Esther-Geschichte. Unter den Dramen und Opern, die den Stoff gestalteten, wurde Jean Racines Trauerspiel (1689) am berühmtesten. Franz Grillparzers Tragödie (1848) blieb Fragment. »Kann diejenige unter den Künsten, deren Aufgabe es ist, das Schöne in leuchtender Farbenpracht zu schildern, sich ein willkommneres Motiv denken, als die siegreiche Macht weiblicher Schönheit in ihrem Triumphe zu zeigen?«, rief ein Kritiker aus, der in Schrader einen Künstler begrüßte, »der gerade im Reiche der Farbe als einer der Großmeister schaltet« (ebd., S. 161). Eine Reise durch England, Belgien und Holland 1847 hatte Schraders Kunst eine dauerhafte Orientierung gegeben, und Eindrücke aus Rubens und Rembrandt konkretisierten die Entwicklung, die die belgischen Historienmaler Anfang der vierziger Jahre ausgelöst hatten. Die im Gemälde dem Betrachter sehr nahe gerückten Dreiviertelfiguren laden zur Einfühlung ein – umso mehr, als der König in seinem verlorenen Profil kaum eine Repräsentationsfigur ist. Wellenartig kontrastierende Bewegungs- und Blickrichtungen bis hin zum argwöhnischen Fluchtreflex Hamans (ganz links) vermitteln das Dramatische des Augenblicks. Alle Aufmerksamkeit liegt auf dem Kontrast zwischen der weich zusammenbrechenden, schönen, von Draperien umwallten Esther und der Erstarrung des Königs, die sich in den zwei langen Diagonalen des Zepters und des Fächers sammelt. Diagonalen bestimmen auch die Komposition als Ganzes: Entlang einer V-Linie, über deren Spitze das nachdenkliche Gesicht der jungen Magd auftaucht, ordnen sich die Hauptgestalten. Die schon im Bibeltext nachdrücklich beschriebene Pracht der Kostüme wird in einem rembrandtesk goldenen, von tiefen Schattenzonen unterbrochenen Licht zusätzlich betont. – Schwarzkunststich von Hermann Dröhmer. | Claude Keisch

Vorderseite | Fotograf*in: Andres Kilger

Public Domain Mark 1.0

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Material/Technik
Öl auf Leinwand
Maße
Höhe x Breite: 196,5 x 251 cm
Rahmenmaß: 240 x 295 x 16 cm
Standort
Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin
Inventarnummer
W.S. 220

Ereignis
Erwerb
(Beschreibung)
1861 Vermächtnis des Bankiers Joachim Heinrich Wilhelm Wagener als Gründungssammlung der Nationalgalerie
Ereignis
Herstellung
(wer)
(wann)
1856

Letzte Aktualisierung
08.08.2023, 11:02 MESZ

Objekttyp


  • Bild

Beteiligte


Entstanden


  • 1856

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