Bestand
Südpreußen (Bestand)
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Vorwort
1. Historischer Hintergrund
1.1 Einrichtung und Verwaltung des Südpreußischen Departements im Generaldirektorium
Die Provinz Südpreußen bestand im Wesentlichen aus den durch die 2. Teilung Polens gewonnenen Gebieten. Die Städte Danzig und Thorn wurden der Provinz Westpreußen eingegliedert. Auf Grund der Petersburger Konvention vom 23. Januar 1793 erfolgte die Besetzung des Landes durch preußische Truppen im Februar 1793. Ein Notifikationspatent vom 25. März 1793 teilte der polnischen Bevölkerung die Besitznehmung durch Preußen mit, die im Einzelnen vom 7. - 24. April von Besitznehmungskommissionen vorgenommen wurde.
Die Verwaltungseinrichtung der neuen Provinz regelte eine Anzahl von Kabinettsorders und Instruktionen Friedrich Wilhelms II. an die Etatsminister von Voß und von Hoym und den Oberpräsidenten von Schrötter aus den Februartagen des Jahres 1793.
Zum Departementschef machte der König den Etatsminister von Voß, der im Generaldirektorium das Kurländische, Magdeburg-Halberstädtische und Neuchâtelsche Departement sowie die Stempelsachen bearbeitete. Er behielt dieses Departement auf ausdrücklichen Wunsch auch nach der Übertragung des Südpreußischen Departements bei. Die Akzise- und Zolleinrichtung hatte der Etatsminister von Struensee zu besorgen, die Justizeinrichtung der Minister von Danckelmann.
Eine Kabinettsorder vom 7. April 1793 unterstellte die neue Provinz in allen Finanz-, Polizei- und Domänenangelegenheiten im Allgemeinen dem ganzen Generaldirektorium und in einzelnen Zweigen derselben dessen Spezialdepartements. Um die Einrichtungsgeschäfte ungehindert von dem durch seine kollegialische Verfassung langsam arbeitenden Generaldirektorium vollführen zu können, wurde die spezielle Leitung des Departements bis zur Vollendung der Einrichtung dem Etatsminister von Voß allein übertragen, der alle Ausgänge allein zu zeichnen berechtigt war. Am 27. September 1794 jedoch schon enthob ihn Friedrich Wilhelm II. dieses Postens. Anlass dazu gaben die in Südpreußen ausgebrochenen Unruhen, die es erforderlich machten, eine ununterbrochene und nahe Aufsicht über die Provinz auszuüben. Diese wurde aus dem Verwaltungsverband des Generaldirektoriums gelöst und dem schlesischen Provinzialminister Grafen von Hoym unterstellt, der sie in der gleichen Weise wie Schlesien verwalten sollte, "bis sie völlig organisiert sein wird".
Voß behielt sein Restdepartement, zog sich aber im Jahre 1795 völlig von den Staatsgeschäften zurück. Am 22. April 1798 berief ihn Friedrich Wilhelm III. wieder in das Generaldirektorium zurück und übertrug ihm zunächst das Neumärkische und Pommersche Departement; das Südpreußische übernahm er formell erst am 12. März 1799, de facto jedoch dirigierte er dieses Departement seit seiner Rückkehr ins Generaldirektorium. Diese Geschäfte führte er bis zur Auflösung des Generaldirektoriums 1807.
1.2 Die Kriegs- und Domänenkammern
Ein Patent vom 7. April 1793 richtete zwei Kriegs- und Domänenkammern in Südpreußen ein; die eine für die Woiwodschaften Posen, Gnesen und Kalisch in Posen, die andere für die Woiwodschaften Lenczicz, Rawa, Plock und Sieradien, für Stadt und Kloster Czenstochau, für das Land Dobrzyn und die Landschaft Cujavien in Lenczicz. Den Sitz der Letzteren verlegte Voß schon am 25. Mai 1793 nach Petrikau, da sich in Lenczicz keine Unterbringungsmöglichkeiten für die Kammer und ihr Personal boten.
Da sich jedoch die neue Erwerbung größer als angenommen erwies (ca. 1000 Quadratmeilen geschätzt, ca. 1300 Quadratmeilen wirkliche Größe), richtete Voß am 21. Juli 1794 eine Kriegs- und Domänenkammerkommission in Plock ein, was im Wesentlichen auf eine Teilung des Petrikauer Kammerdepartements hinauslief. Am 10. Januar 1795 erhielt die Kommission den Charakter einer Kriegs- und Domänenkammer.
Die 3. Teilung Polens brachte eine weitere Veränderung der Kammerdepartements. Plock wurde an die neue Provinz Neuostpreußen abgetreten und zum Sitz einer neuostpreußischen Kriegs- und Domänenkammer bestimmt, die bisherige südpreußische Kriegs- und Domänenkammer nach Kalisch verlegt.
An die Spitze der südpreußischen Kriegs- und Domänenkammern setzte Friedrich Wilhelm II. den bisherigen Präsidenten von Cleve, von Buggenhagen, als Oberpräsidenten ein. Der Ministerwechsel des Jahres 1794 bedeutete auch das Ende seiner Tätigkeit als Oberpräsident. An seine Stelle trat mit dem Titel eines Etatsministers der Oberpräsident von Buchholz. Er schied bei dem neuerlichen Ministerwechsel 1798 aus. Seitdem wurde diese Stelle nicht mehr besetzt.
1.3 Kanzlei- und Registraturverhältnisse
Entsprechend den übrigen Departements des Generaldirektoriums wurde auch für das Südpreußische Departement eine eigene Kanzlei eingerichtet, die unter der Leitung eines Kanzleidirektors stand und bis zu 13 Kanzlisten umfasste. Die Unterbringung der Registratur stieß zunächst auf Schwierigkeiten, denn in der Nähe der übrigen Direktorialregistraturen war kein Raum vorhanden. Erst durch die Räumung der Wohnung eines Kastellans im alten Schloss konnte solcher beschafft werden.
Dem Aufbau der Registratur lag ein von dem Geheimen Oberfinanzrat von Klewitz entworfenes Schema zugrunde, das unter dem 20. Juni 1793 dem Vorsteher der Registratur, dem Geheimen Sekretär und späteren Hofrat Lengnich, als Grundlage für seine Arbeit übermittelt wurde. Das Schema teilte die Registratur in eine General- und eine Spezialregistratur.
Die Generalregistratur sollte alle Akten aufnehmen, die die Provinz im Ganzen betrafen. Da jedoch bei vielen Vorgängen die Spezialia nicht sofort von den Generalia getrennt werden konnten, mussten auch Spezialia in dieser Registratur aufbewahrt werden. Die Generalakten sollten solche verbundenen Gegenstände so lange fortführen, bis sie zum ersten Mal getrennt werden konnten. Die Spezialakten innerhalb der Generalia sollten neben diesen getrennten auch alle für sich bestehenden Sachen aufnehmen und diese den Umständen entsprechend ebenfalls teilen.
Für die Generalregistratur sah die Ordnung ein besonderes Repertorium mit zwei Abteilungen, eine für die Generalia, die andere für die Spezialia vor, in welchem die Akten alphabetisch nach dem Wort aus dem Rubrum, das den Aktenband am treffendsten charakterisierte, zu ordnen waren.
Die Spezialregistratur bestimmte Klewitz zur Aufnahme aller der auf das Departement einer jeweiligen Kriegs- und Domänenkammer bezüglichen Akten. Nach den verschiedenen Veränderungen der Kammerdepartements bestand sie schließlich aus der Kalischer, der Posenschen und der Warschauer Spezialregistratur. Auch diese Registraturen zerfielen wieder für die einzelnen Kammerdepartements in General- und Spezialabteilungen.
Die Generalabteilungen sollten alle einzelnen Gegenstände, die das ganze Kammerdepartement betrafen, aufnehmen und verbundene Gegenstände im Zusammenhang so lange fortführen, wie sie zusammen bearbeitet werden, bis zu ihrer ersten Trennung.
Die Spezialabteilungen sollten die getrennten Sachen aufnahmen, weiter teilen und alle einzeln für sich bestehenden Gegenstände enthalten, die nur Teile des jeweiligen Kammerdepartements betreffen.
Bei der Formierung der Spezialakten sollte eine Sachordnung nur dort vorgenommen werden, wo die dahingehörigen Sachen ein gewisses System von Prinzipien erkennen ließen. Bei allen anderen Akten ordnete Klewitz eine Ordnung nach Orten an. Diese Abteilung sollte in das größte Detail gehen, so dass für jede Stadt und jedes Dorf ein besonderer Aktenband anzulegen war (vgl. Gen.-Dir. Südpreußen Abt. VI). In die Abteilungen der Kreise und steuerrätlichen Inspektionen der südpreußischen Generalregistratur würden dann nur die Ortschaftsakten gelangen, die einen Kreis bzw. eine Inspektion insgesamt beträfen. Für jede Spezialregistratur (eines Kammerdepartements innerhalb der Berliner südpreußischen Registratur) wurde vorgeschrieben, ein besonderes Repertorium, bestehend aus zwei Abteilungen, die eine für die General-, die andere für Spezialakten alphabetisch geordnet, anzulegen.
Das war ein Ordnungsschema, das wesentlich von dem in den Generaldirektorialregistraturen gebräuchlichen abwich. Die zweifache Teilung in General- und Spezialakten führte zu einem Ordnungszustand in der Registratur, der laufend Klagen veranlasste. Je mehr die Aktenmassen anschwollen, desto unübersichtlicher gestaltete sich die Registraturgliederung und desto häufiger gelangten Akten in eine falsche Abteilung, denn diesem Schema fehlte der feste Platz für jeden einzelnen möglichen Aktenband. Die Folge waren häufige Umordnungen innerhalb der einzelnen Abteilungen und Registraturen. Die Herauslösung des Departements aus dem Generaldirektorium, seine Unterstellung unter den schlesischen Provinzialminister von Hoym und schließlich seine Rückkehr an das Generaldirektorium 1798/99 trugen zusätzlich noch zur Vergrößerung des Übels bei.
Besonders spürbar tritt dem Benutzer die ungenügende Registraturordnung in den Abteilungen Allgemeine Verwaltungsangelegenheiten (Universalia bzw. Generalia) der einzelnen Kammerdepartements vor Augen. Sie entsprechen ungefähr der nach alphabetisch klassifizierten Betreffen (Materien) gegliederten Polizeiverwaltung der übrigen Generaldirektorialdepartements, sind jedoch durch eine Ordnung nach Stichworten sehr unübersichtlich und enthalten grundsätzliche Regelungen (Generalia) und Einzelvorgänge (Spezialia) in bunter Gemengelage.
1.4 Die Klassifikationskommission
Eine gesonderte Betrachtung erfordern die Akten der Klassifikationskommission .
Das Steuerwesen Polens differierte von dem Preußens in beträchtlicher Weise. Während in Preußen eine strenge Trennung zwischen der ländlichen Steuer, der Kontribution und der städtischen, der Akzise, bestand, hatten in Polen Stadt und Land eine Grundsteuer, die Rauchfangsteuer, zu zahlen. Die adligen, geistlichen und städtischen Güter waren daneben zur Abgabe der so genannten "Ofiara" verpflichtet. Dafür gab es keine Akzise, sondern nur eine Schlacht- und Tranksteuer. Hinzu traten noch Unterschiede in der Domänenwirtschaft, der Abgaben der Geistlichen und im Stempel-, Zoll- und Tabakswesen. Diese Verhältnisse mussten an die preußischen angegliedert werden.
Nachdem ein Plan des Ministers von Struensee, dessen Hauptpunkte eine Stadt und Land gleichermaßen erfassende Grundsteuer und die Vereinigung der Steuerverwaltung in einer Behörde darstellten, am Widerstand aller bei der Einrichtung der neuen Provinz Beteiligten gescheitert war, kam man wieder auf einen Antrag des Ministers von Voß zurück, das preußische Steuersystem in seinen wesentlichen Zügen auch in Südpreußen einzuführen. Die Kontribution konnte jedoch nur gerecht verteilt werden, wenn eine grundlegende Klassifikation des Landes vorhergegangen war. Zu diesem Zweck wurde am 20. Mai 1793 eine Klassifikationskommission ins Leben gerufen. Sie folgte in Instruktion und Arbeitsweise der 1772 für die Klassifikation von Westpreußen eingerichteten Kommission. Die oberste Leitung sicherte sich Voß. Die eigentlichen Leitungsgeschäfte jedoch nahm der Geheime Oberfinanzrat Schulze in Berlin wahr. Unter ihm standen sieben Oberkommissare, von denen jeder einen bestimmten Distrikt zugewiesen bekam. Es waren die Kriegs- und Domänenräte von Rosey, Behrend und Vetter von der westpreußischen, Mathias und Sydow von der pommerschen und Büttner von der ostpreußischen Kriegs- und Domänenkammer, sowie der Steuerrat Reisewitz aus Schlesien. Sie führten dieses Geschäft auftragsweise gegen Diäten durch. Ihnen unterstanden eine Anzahl von Ökonomiesachverständigen und Kalkulatoren. Die Direktion der Geschäfte in der Provinz selbst übernahmen die Kriegs- und Domänenräte von Rosey und Büttner. Über die Grundsätze der Aufnahme berieten von Rosey, Schulze und der Geheime Oberfinanzrat von Klewitz am 15. Mai 1793 in Posen. Ihre Vorschläge wurden von der Konferenz der drei Organisationskommissare Voß, Hoym und Schrötter am 18. Mai mit einigen Abänderungen angenommen und zu einem Reglement, zu Instruktionen für die Beamten und einem Publikandum verarbeitet. Die Grundlage für die praktische Durchführung der Klassifikation bildete die vorhergegangene Vermessung des Landes. Die geistlichen und starosteilichen Besitzungen mussten eine genaue Klassifizierung über sich ergehen lassen, die adligen und bäuerlichen Güter nahm man nur nach den Angaben der Besitzer auf, um das Geschäft möglichst zu beschleunigen. Die gesammelten Daten wurden dem Oberkommissar des jeweiligen Distrikts zugesandt, der die Anschläge verfertigte und diese an die Direktion überwies. Diese revidierte die Anschläge im Allgemeinen und nahm im Besonderen von denen der geistlichen und starosteilichen Güter Revisionsprotokolle auf. Die mit den Bemerkungen der Direktion versehenen Anschläge gingen für die geistlichen und starosteilichen Güter einzeln, für die Privatbesitzungen kreisweise geordnet an die Kammerpräsidenten, die sie ihrerseits mit Bemerkungen versahen, und von diesen an Voß. Die Direktion war gehalten, dem Minister alle 14 Tage über den Stand der Arbeiten zu berichten, die mit dem Ablauf des Jahres 1794 beendet sein sollten. Da der Fortgang jedoch nicht den Erwartungen entsprach, beschränkte man im Herbst 1793 diese Kommission auf das Kammerdepartement Posen und richtete für das Kammerdepartement Petrikau eine zweite unter dem kurmärkischen Kriegs- und Domänenrat von Knobloch ein. Die Arbeiten beider Kommissionen wurden durch die Revolte von 1794 (Kosciuszko-Aufstand) jäh unterbrochen. Nach ihrer Niederwerfung setzten beide ihre Tätigkeit nicht mehr fort, um nicht die Gefahr einer neuen Erhebung heraufzubeschwören.
Die Akten der Kommission, Verwaltungsakten (Abt. 15), Fragebögen (Indaganda) oder sonstige topographisch-statistische Fragen über den Zustand und die Beschaffenheit des zu klassifizierenden Ortes (Abt. 15a) und Klassifikationsanschläge oder historische Tabellen (Abt. 15b) zusammen mit Urkundenabschriften, Aktenauszügen u. a. m. wurden gesammelt und nach Berlin gebracht, wo sie eine vorläufige Unterkunft in der Wohnung Schulzes fanden. Am 20. März 1799 übernahm sie die südpreußische Geheime Direktorialregistratur, ohne sie sich einzuverleiben. Die Akten wurden verzeichnet und blieben als Sonderkomplex bestehen, bis sie 1807/08 ebenso wie die übrigen ausgesonderten südpreußischen Akten von dem polnisch-sächsischen Kommissar von Szarniawski nach Warschau gebracht wurden. Ihr Bestand umfasste 160 verschnürte und versiegelte Bündel, die auch Dziedzicki nicht öffnete, als er sein südpreußisches Repertorium anlegte. Er vermerkte nur am Schluss der Abteilung II des Repertoriums: "Pakete 505-652 Acta, enthaltend die Verhandlungen der in ihrer Operation unterbrochenen Klassifikationskommission, sowie die bereits aufgenommenen Klassifikationsanschläge und Ortschaftenindaganden".
In den Jahren 1915 - 1918 verzeichneten Mitarbeiter der "Deutschen Archivverwaltung beim Kaiserlich-Deutschen Generalgouvernement Warschau" diese Akten noch einmal. Dieses Verzeichnis ist jedoch ebenso verlorengegangen wie das noch im Generaldirektorium angefertigte Repertorium.
Da im Deutschen Zentralarchiv, Abteilung Merseburg, die Ordnung und Verzeichnung der Akten der Klassifikationskommission zu einem Zeitpunkt vorgenommen wurde, als die Abgabe dieser Akten an Polen bereits feststand, verzichtete man auf eine eingehende Bearbeitung. Lediglich die Verwaltungsakten der Kommission wurden verzeichnet, Fragebögen (Indaganda) und Klassifikationsanschläge jedoch nur grob nach den Anfangsbuchstaben der Orte geordnet und ohne weitergehende Verzeichnisse in Aktenpakete zusammengefasst, die im Repertorium nach Buchstaben und nummeriert aufgeführt sind.
2. Bestandsgeschichte
Der Krieg Preußens gegen Napoleon 1806/07 setzte die preußische Verwaltung in Südpreußen schlagartig außer Kraft. Die letzten Schriftstücke im Generaldirektorialdepartement von Südpreußen sind im Spätsommer oder Frühherbst 1806 datiert.
Zu den Gebietsabtretungen Preußens, die der Tilsiter Friedensvertrag vom 9. Juli 1807 bestimmte, gehörte auch Südpreußen, das zusammen mit der Provinz Neuostpreußen und Teilen der Provinz Westpreußen und des Netzedistriktes zu dem neu gegründeten Großherzogtum Warschau geschlagen wurde. Nach den völkerrechtlichen Grundsätzen mussten jedoch nicht nur die Provinzen abgetreten, sondern auch die auf sie bezüglichen Archivalien und Akten ausgeliefert werden. Der Artikel 26 des Friedensvertrages bestimmte darüber, dass die Archive, welche Eigentumstitel, Dokumente und andere Papiere enthalten, die auf Länder, Territorien, Domänen und Güter Bezug haben, die der König von Preußen abtritt, durch Kommissare des Königs von Preußen an Kommissare der Empfangsländer innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Vertrages abgegeben werden sollten. Da die damalige Zeit noch nicht so scharf wie heute zwischen Archiv und Registratur unterschied, ja diese oft als Einheit behandelte, waren in der Formulierung des Vertrages "les archives" stillschweigend auch die auf die abgetretenen Gebiete bezüglichen Registraturteile mit einbegriffen. Die Aktenforderungen erstreckten sich darum auch auf die Registraturen des Generaldirektoriums.
Am 5. Oktober 1807 begannen die Aussonderungen in diesen, die sich bis Ende des Jahres hinzogen. Sie wurden durchgeführt von französischer Seite durch den Sekretär d'Aubignose, von polnischer durch Landgerichtsdirektor von Szaniawski und von preußischer durch den Kriegsrat Troschel. Als Ergebnis des Aussonderungsgeschäftes blieb nur der kleinste Teil der südpreußischen Registratur in Berlin zurück. Der größte und auch inhaltlich wertvollere Teil wurde Anfang März 1808 zusammen mit den ebenfalls abgegebenen Akten des Generaldirektorialdepartements von Neuostpreußen und Westpreußen und des Netzedistriktes, der Spezialdepartements des Generaldirektoriums, sowie den auf die abgetretenen Gebiete bezüglichen Akten des Geheimen Archivs auf dem Wasserwege nach Warschau abtransportiert, wo er am 22. Mai 1808 eintraf.
Der in Preußen bleibende Registraturteil beruhte weiterhin in der Registratur des Generaldirektoriums, wurde 1810 zur Registratur von dessen ostpreußischem Departement geschlagen, gelangte mit dem gesamten Archiv des Generaldirektoriums, dem späteren Ministerialarchiv, unter die Aufsicht des Finanzministeriums und ruhte die folgenden 60 Jahre für die Geschichtswissenschaft tot und unbekannt in einem schwer zugänglichen Behördenarchiv.
Erst 1873 verlangte der Direktor der preußischen Staatsarchive Duncker vom Vorsteher des Ministerialarchivs Reuter einen genauen Bericht über das Schicksal der nach dem Tilsiter Frieden an Polen abgegebenen Akten. Reuter kam dem Verlangen in zwei Berichten vom 26. Mai 1873 und 30. April 1874 nach. Weitere daraufhin erfolgte Veranlassungen Dunckers sind nicht bekannt.
Im Februar 1895 begann Reuter mit der Ordnung und Neuaufstellung der Akten der südpreußischen und neuostpreußischen Departements des Generaldirektoriums, die im Oktober 1897 abgeschlossen war. Die von ihm angefertigten Findbücher (Nr. 26 und 27) waren bis 1958 in Gebrauch.
Die an das Großherzogtum Warschau abgegebenen Akten - allgemein kurz als "Warschauer Akten" oder "Warschauer Ablieferung" bezeichnet - gelangten in das am 2. September 1808 gegründete "Allgemeine Landesarchiv für das Herzogtum Warschau" (heute: Hauptarchiv der alten Akten).
Die Verzeichnung der Akten des Generaldirektoriums, unter ihnen auch der südpreußischen, übernahm der vierte Beamte des Hauptarchivs, Mathias Dziedzicki, in den Jahren 1809 bis 1810. Für die südpreußischen Akten verfertigte er ein umfangreiches Repertorium, das ebenfalls bis 1958 kurrent war.
Der Wiener Kongress sprach Preußen Teile seiner 1807 im Osten verlorenen Gebiete wieder zu, aus denen die Provinz Posen formiert wurde. Über die diese Gebiete betreffenden Archivalien bestimmte der § 38 des zwischen Rußland und Preußen in Wien am 3. Mai 1815 geschlossenen Vertrages, dass alle in den Archiven des einen oder anderen kontrahierenden Teiles etwa befindlichen Urkunden, Pläne, Karten und Rechtsbelege irgendeiner Art gegenseitig der Macht, deren Gebiet sie beträfen, herausgegeben werden sollten. Auf der Grundlage dieses Vertrages begannen im September 1815 in Warschau die Auslieferungsverhandlungen, die sich bis zum Dezember 1820 hinzogen. Als deren Ergebnis wurden Preußen aus den 1807/08 abgelieferten südpreußischen Akten die die Provinz Posen betreffenden zugesprochen. Die Möglichkeit, die diese Formulierung bot, konnte nicht voll ausgenutzt werden, denn Unkenntnis der preußischen Kommissare verhinderte eine lückenlose Übernahme des zugesprochenen Teilbestandes. Im Februar 1821 gelangten diese Akten in das Ministerialarchiv.
Die in Warschau verbliebenen Akten traten im 1. Weltkrieg wieder an das Licht der Öffentlichkeit, als die angestrengten Bemühungen der "Deutschen Archivverwaltung beim Kaiserlich-Deutschen Generalgouvernement Warschau", sämtliche Akten preußischer Provenienz und auch solche polnischer Herkunft, die sich auf preußische Gebiete bezogen, zusammenzutragen, die Absicht hervortreten ließen, diese Archivalien nach Deutschland zu überführen. Jahrelange Verhandlungen und zähes Bemühen machte der Warschauer Aufstand vom 11. November 1918 zunichte, der die deutsche Besatzung zwang, fluchtartig das Land zu verlassen.
Beim Überfall auf Polen im 2. Weltkrieg fielen auch die preußischen Akten den deutschen Truppen in die Hände. Die Archivverwaltung des Generalgouvernements Polen ließ sie sammeln und brachte sie, unter ihnen auch die südpreußischen, nach Berlin. Hier fanden sie im Geheimen Staatsarchiv nur vorübergehend Unterkunft. Eine Zusammenordnung mit den ursprünglich dort verbliebenen Teilbeständen verhinderten der kriegsbedingte Personalmangel und die bald nötig werdende Auslagerung nach Staßfurt und Schönebeck.
Im Deutschen Zentralarchiv, Abteilung Merseburg, begann die Ordnung des Bestandes Generaldirektorium Südpreußen im Jahr 1957. Als Ordnungsplan wurde festgelegt, aus dem so genannten "Warschauer Akten" und dem im ehemaligen Geheimen Staatsarchiv verbliebenen Teil des Bestandes den einheitlichen Archivkörper wiederherzustellen, um den Erfordernissen des Provenienzprinzips Rechnung zu tragen. Es sollte eine Neuordnung des Bestandes und die Anlage eines wissenschaftlich brauchbaren, die Funktionen der Behörde widerspiegelnden Repertoriums erfolgen, zu welchem Zweck der alte Registraturaufbau wiederhergestellt werden sollte. Dabei ging man von der Voraussetzung aus, dass sich bei der angeblich guten Registraturordnung eine Verkartung erübrige, und dass eine Groß- und Feinordnung der Akten und das Schreiben des Findbuches nach den Aktenbänden genüge. Alle Fehler und Unzulänglichkeiten des Findbuches ergeben sich aus diesem Vorgehen, da sich die Registraturordnung als wesentlich mangelhafter erwies als nach den Erfahrungen mit den übrigen Abteilungen des Generaldirektoriums zu erwarten war.
Die Ordnungsarbeiten führte unter Leitung der wissenschaftlichen Archivare Dr. Boelcke, Dr. Welsch und Blöß der staatlich geprüfte Archivar Oelze in den Jahren 1957 - 1958 aus.
Die "a"-Nummern rühren von Aktenbänden her, die, durch die Auslagerung aus ihrem ursprünglichen Verband gerissen, in andere Bestände geraten waren und bei der Revision dieser gefunden wurden.
Die unter "Altsignaturen" eingetragenen Signaturen spiegeln die Geschichte des Bestandes deutlich wieder: die alleinige Angabe z. B. "Tit. II, Nr. 13" zeigt, dass dieser Aktenband zu dem Bestand gehört, der 1808 in Preußen blieb. Die Signatur "A, Nr. 4, 4" lässt einen Band erkennen, der im Jahre 1940 nach Deutschland zurückgebracht wurde. Die gemeinsame Ausführung zweier Signaturen z. B. "Tit. III, Nr. 4 und A, Nr. 916, 128" bezeichnet einen Aktenband, der nach dem Wiener Kongress an Preußen zurückgegebenen wurde.
Nachtrag
Das Vorwort verfasste 1959 in Merseburg der wissenschaftliche Archivar Wolfgang Blöß.
In Folge eines Abkommens zwischen der DDR und Polen wurde im Jahre 1961 vom damaligen Zentralen Staatsarchiv, Dienststelle Merseburg, der größte Teil der Überlieferung II. HA Generaldirektorium, Abt. 10 Südpreußen an das Hauptarchiv Alter Akten in Warschau (Archiwum Glówne Akt Dawnych w Warszawie) abgegeben.
Für das vorliegende Findbuch wurden im Jahre 2016 die noch vorhandenen Verzeichnungseinheiten der Überlieferung II. HA Generaldirektorium, Abt. 10 Südpreußen durch die Angestellte im Schreibdienst, Frau Petra Kühnel, retrokonvertiert und indexiert . In Anlehnung an die Bestandsgruppenanalyse Generaldirektorium erfolgte durch die Unterzeichnete die Überarbeitung der Klassifikation. Bei der Sachtitelüberprüfung wurden nicht mehr gebräuchliche Begriffe im Aktentitel normalisiert, wobei die ursprüngliche Bezeichnung in Klammern gesetzt ist. Hinsichtlich fraglicher Schreibweisen einiger Orts- und Personennamen sowie fehlender Datierungen fand eine Überprüfung anhand der Akten statt. Abschließend wurde das Vorwort von 1959 leicht überarbeitet bzw. aktualisiert.
Bestandsumfang: 3354 Verzeichnungseinheiten; ca. 51 lfm
Laufzeit: 1782 - 1814
Letzte vergebene Nummer:
Bestell- und Zitierweise
Der Bestand lagert derzeit im Magazin Westhafen.
Die Akten sind auf gelbfarbenen Leihscheinen wie folgt zu bestellen:
II. HA GD, Abt. 10 Südpreußen, #, Nr. #
Zitierweise:
GStA PK, II. HA Gen.-Dir., Abt. 10 Südpreußen, #, Nr. #
Verweis auf andere Bestände des GStA PK
- I. HA GR, Rep. 7 Preußen
- I. HA GR, Rep. 7 A Neuostpreußen
- I. HA GR, Rep. 7 C Südpreußen
- I. HA GR, Rep. 9 Polen
- I. HA Rep. 81 Gesandtschaften (Residenturen) und (General-) Konsulate vor 1808
- I. HA Rep. 81 Generalkonsulat Warschau nach 1807
- I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett
- VI. HA Nachlässe Hoym, v.; Klewitz, v.; Lengnich, v.; Nothardt, v.; Voß, v.
- I. HA Rep. 96 Geheimes Kabinett
- II. HA Generaldirektorium Abt. 3 Generaldepartement; Abt. 5 Generalfinanzkontrolle; Abt. 6, I Preußische Direktorialregistratur; Abt. 6, II Preußische Ministerialregistratur sowie sämtliche Spezial-(Fach-)Departements
Quellen- und Literaturauswahl
- I. HA Rep. 96 A Geheimes Kabinett, Nr. 120 A: Zustände und Verwaltung von Südpreußen, 1799 - 1806
- I. HA Rep. 96 Geheimes Kabinett, Nr. 242 A: Erwerbung, Organisation und Verwaltung von Südpreußen, Bd. 1 - 5, 1793 - 1797
- I. HA Rep. 178 Generaldirektion der Staatsarchive, Nr. 1975: Ordnung der Bestände des Geheimen Staatsarchivs, Bd. 1, 1862 - 1875
- I. HA Rep. 178 Generaldirektion der Staatsarchive, Nr. 1996: Monatskonferenzen im Geheimen Staatsarchiv, Bd. 3, 1894 - 1899
- II. HA Generaldirektorium (im Folgenden GD), Abt. 3 Generaldepartement, Tit. LXXXIX, Nr. 1: Patente bezüglich der Besetzung der Stadt Danzig und der erworbenen (akquirierten) Provinz Südpreußen. Organisation der dortigen Kammern sowie Organisation und Einrichtung der Provinz Südpreußen durch den Grafen von Hoym, 1793 - 1795
- II. HA GD, Abt. 3 Generaldepartement, Tit. LXXXIX, Nr. 10: Neue Einteilung der Provinz Südpreußen sowie Organisation der neuen Kammerdepartements, 1796
- II. HA GD, Abt. 5 Generalfinanzkontrolle, Tit. LVIII, Nr. 32: Zurückberufung des Etatsministers von Voß in den Staatsrat und in das Generaldirektorium, 1798
- II. HA GD, Abt. 10 Südpreußen I, Nr. 188: Erste Einrichtung des südpreußischen Departements sowie Bestellung der wirklichen Mitglieder desselben, 1793 - 1806
- II. HA GD, Abt. 10 Südpreußen I, Nr. 189 - 192: Übergabe des südpreußischen Departements, Bd. 1 - 4, 1794 - 1795
- II. HA GD, Abt. 10 Südpreußen I, Nr. 1180 - 1181: Bestellung der Oberpräsidenten der südpreußischen Kriegs- und Domänenkammern, Bd. 1 und Bd. 3, 1793 - 1801
- II. HA GD, Abt. 10 Südpreußen I, Nr. 1490: Anstellung der Registraturoffizianten beim südpreußischen Departement des Generaldirektoriums, 1793 - 1805
- II. HA GD, Abt. 10 Südpreußen I, Nr. 1492: Einrichtung des Registraturzimmers des südpreußischen Departements des Generaldirektoriums, 1793 - 1794
- Heike, Otto: Die Provinz Südpreußen. Preußische Aufbau- und Verwaltungsarbeit im Warthe- und Weichselgebiet, 1793 - 1806. Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Mitteleuropas, Nr. 12. Marburg, 1953
- Herzberg, Friedrich von: Südpreußen und Neuostpreußen nebst Danzig und Thorn. Berlin, 1798
- Historisch-statistisch-topographische Beschreibung von Südpreußen und Neu-Ostpreußen; oder der Königlich-Preußischen Besitznehmungen von Polen, in den Jahren 1793 und 1795, Leipzig, 1798
- Holsche, August Karl von: Geographie und Statistik von West-, Süd- und Neuostpreußen, Bd. 1 - 3. Berlin, 1800 - 1807
- Klewitz, Wilhelm Anton von: An die polnische Nation. Über die preußische Verwaltung in dem ehemaligen Süd- und Neuostpreußen. Berlin, 1812
- Mayer, Clemens: Studien zur Verwaltungsgeschichte der 1793 und 1795 von Preußen erworbenen polnischen Provinzen. Dissertation. Berlin, 1902
- Prümers, Rodgero (Hrsg.): Das Jahr 1793. Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Organisation Südpreußens. Sonderveröffentlichung der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen 3. Posen, 1895
- Warschauer, Adolf: Die preußischen Registraturen in den polnischen Staatsarchiven. Veröffentlichung der Archivverwaltung bei dem Kaiserlich Deutschen Generalgouvernement Warschau. Bd. II, Heft 1: Die Geschichte der preußischen Registraturen; Heft 2: Der Bestand der Berliner Zentralregistraturen. Warschau, 1918
Berlin, 24. Februar 2017
Constanze Krause
Archivamtsrätin
Zitierweise: GStA PK, II. HA GD, Abt. 10
- Bestandssignatur
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Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, II. HA GD, Abt. 10
- Umfang
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Umfang: 51 lfm (3354 VE); Angaben zum Umfang: ca. 51 lfm (3354 VE)
- Sprache der Unterlagen
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deutsch
- Kontext
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Tektonik >> ZENTRALE VERWALTUNGS- UND JUSTIZBEHÖRDEN BRANDENBURG-PREUSSENS BIS 1808 >> Generaldirektorium >> Territorialdepartements (in Anlehnung an die Behörden-Einteilung von 1804) >> Ostpreußisches, Litthauisches und Westpreußisches; Südpreußisches; Neuostpreußisches Departement
- Bestandslaufzeit
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Laufzeit: 1782 - 1814
- Weitere Objektseiten
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- Letzte Aktualisierung
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28.03.2023, 08:52 MESZ
Datenpartner
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- Laufzeit: 1782 - 1814