Bestand
017 - Wohnungsamt (1918-1933) (Bestand)
Verwaltungsgeschichte/biografische Angaben:
Wohnungsamt der Stadt Worms
Vorwort: Abt. 17
Wohnungsamt (1918-1933)
Umfang: 67
Archivkartons (= 712 Verzeichnungseinheiten, 11
lfm)
Laufzeit: 1918 - 1933
Vorwort
1. Geschichte, Übernahme,
Ordnung und Bedeutung des Bestandes
Die
heutige Abt. 17 des Stadtarchivs umfasst die
geschlossene und offenbar durch keinerlei Verluste
oder Kassationen beeinträchtigte Überlieferung des
städtischen Wohnungsamtes für die Zeit seiner
Existenz von 1918/19 bis zur Aufhebung der
Wohnungsbewirtschaftung 1933. Die Unterlagen sind
offenbar direkt nach dem Abschluß der Tätigkeit des
Amtes in das Stadtarchiv gelangt.
Da ein
Aktenplan für den Bestand nicht vorlag (nur für
einen Teil der Akten läßt sich eine
Registratursignatur feststellen), wurden die Akten
nach ihrer im Frühjahr 2001 erfolgten
Neuverzeichnung durch Frau Jessica Graichen
(Frankenthal, studentische Praktikantin des
Stadtarchivs) nach den Aufgaben und vorgefundenen
Tätigkeitsfeldern des Amtes neu gegliedert und eine
Klassifikation festgelegt. Die Verzeichnung mit der
Archivsoftware Augias-Data erfolgte im August 2001.
Der Bestand wird im Magazin des Stadtarchivs in 67
Archivkartons gelagert und umfaßt 711
Verzeichnungseinheiten.
Der Zustand der
Akten ist im allgemeinen gut;
Benutzungsbeschränkungen bestehen keine.
Der Wert der Akten ist für zahlreiche Fragen
der Sozial- und Kommunalgeschichte von Worms für die
Zeit der Weimarer Republik als sehr hoch
einzuschätzen. Die Akten erlauben einen tiefen
Einblick in die Lebensverhältnisse breiter
Bevölkerungsschichten und dokumentieren eines der
gravierendsten Probleme der Stadt Worms nach dem
Ersten Weltkrieg (vgl. unter 2).
Bei
einem Teil der Akten handelt es sich um Handakten
des Beigeordneten für das Wohnungswesen. Von Oktober
1920 über seine Wiederwahl 1926 bis 1933 amtierte
als solcher (unbesoldet) der Geometer Adam Winkler
(geb. 8.5.1868 in Horchheim, gest. 21.10.1945 Worms)
.
Die Zeitungen werden wie folgt
abgekürzt: WZ Wormser Zeitung, WVZ Wormser
Volkszeitung, WTZ Wormser Tageszeitung.
2. Aufgaben und Tätigkeit des Wohnungsamtes –
Zur Bekämpfung der Wohnungsnot als kommunaler
Aufgabe nach 1918
Die Wohnungsnot gehörte
nach dem Ersten Weltkrieg zu den schwierigsten
kommunalen Problemen. Auch in Worms wurde die
Bekämpfung der Wohnungsnot als dringendste Aufgabe
der Stadtverwaltung angesehen, wie es
Oberbürgermeister Rahn in einem Schreiben von Januar
1925 im Zusammenhang von Kreditgewährungen
ausdrückte . In Hessen hatte es seit der ersten
gesetzliche Regelung der Wohnungsaufsicht (1893) und
einer weiteren Intensivierung der Wohnungsfürsorge
(Wohnungsfürsorgegesetz 1902), an der jeweils
Wormser Politiker stark beteiligt waren, trotz aller
Unzulänglichkeiten deutliche Fortschritte in der
Wohnungsfrage gegeben. Auch überregional wurden die
Erfolge bei der Wohnraumbeschaffung gewürdigt, die
u.a. durch die Förderung gemeinnütziger
Bauvereinigungen erreicht werden konnten. Allerdings
war trotz dieser Anstrengungen die Wohnungsknappheit
bereits vor 1914 durchaus auch in Worms ein
allgemeines Problem. Für die Stadt charakteristisch
waren die Bemühungen der Fabrikherren der
Lederindustrie (v.a. die Lederwerke Cornelius Heyl,
Doerr & Reinhart) um Ansiedlung 'ihrer' Arbeiter
und Arbeiterinnen und die Förderung des
Kleinwohnungsbaus . Seit 1906 trat auch die Stadt
durch den Bau von Wohnungen für städtische Arbeiter
(Textor- und Gibichstraße) hervor . All diese
Bemühungen fanden mit dem Ausbruch des Krieges 1914
ein jähes Ende. Bereits zu Beginn des Jahres 1918
wurde in Worms in Presseberichten auf einen
zunehmenden Wohnungsmangel aufmerksam gemacht, der
bereits im Frühjahr zu ersten, zaghaften Bemühungen
der Stadtverwaltung geführt hat. Jedoch erst am Ende
dieses Jahres offenbarte sich eine völlig neue
Dimension des grundsätzlich vorhersehbaren Problems:
Die Rückkehr der Soldaten aus dem Krieg, ein
Rückstand des Wohnungsbaues seit 1914,
demographische Faktoren in Gestalt einer ganz
erheblichen Zunahme von Heiraten und
Familiengründungen durch geburtenstarke Jahrgänge
sowie die Folgen der französischen Besatzung des
Rheinlandes (u.a. umfangreiche Beschlagnahmungen von
Wohnraum ) führten zu einer katastrophalen
Zuspitzung der Lage. Da die bisher die Hauptlast der
Wohnungsversorgung tragende Lederindustrie wegen der
überaus schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse
als Faktor des Wohnungsbaues nahezu vollständig
ausfiel, oblag der Stadt plötzlich eine riesenhafte
Aufgabe in einer Zeit, in der die wirtschaftlichen
und politischen Verhältnisse alles andere als stabil
waren.
Im September 1918 bestellte die
Stadtverordnetenversammlung eine neunköpfige
Wohnungskommission , die im Zuge der
Zwangsbewirtschaftung des Wohnraumes für die
Zuteilung von Wohnungen zuständig sein sollte.
Dieses Gremium hatte in den folgenden Jahren eine
erhebliche Aufgabenlast zu bewältigen. Nach einer
Verordnung des Bundesrates vom 23.9.1918 über den
Schutz der Mieter und Maßnahmen gegen den
Wohnungsmangel folgten weitere entsprechende
Verordnungen, deren Durchführung der Kommission
übertragen wurden. Noch vor der Novemberrevolution
(und von den politischen Umwälzungen
unbeeinträchtigt), im Oktober 1918, wurde von den
Stadtverordneten der erste Beschluß über die
Errichtung von Kleinwohnungen, zunächst in
Pfiffligheim (Melanchtonstraße, 20 Wohnungen),
gefaßt, dem im Januar 1919 weitere folgten .
Laut einem Beschluß der
Stadtverordnetenversammlung vom 21.1.1919 wurde dann
ein städtisches Wohnungsamt eingerichtet, nachdem
sich die bis dahin bestehende Wohnungsinspektion als
nicht ausreichend erwiesen hatte. Der Dienststelle
wurden übertragen:
- Aufgaben der
Wohnungsaufsicht und –fürsorge nach den gesetzlichen
Bestimmungen der Jahre 1893 und 1902
-
die Durchführung der (zeitgleich erlassenen)
Polizeiverordnung betreffend die Meldepflicht über
das Vermieten von Wohnungen
-
Auskunftserteilung in Wohnungsangelegenheiten
- die Bearbeitung der verschiedenen an die
Stadtverwaltung herangetretenen Fragen
wohnungstechnischer und allgemeiner Art.
Das Wohnungsamt war weiterhin zuständig für die
Anhörung von Wohnungsuchenden, die vorstellig wurden
für eine der wenigen Neubauten. Regelmäßige
Sprechstunden wurden eingeführt. Die Instandhaltung
der Wohnungen, die Durchführung des
Reichmietengesetzes und des Mieterschutzgesetzes
gehörte ebenfalls zu den Aufgaben dieses Amtes. Im
September 1918 wurde aufgrund der
Zwangsbewirtschaftung des Wohnraumes eine
zehnköpfige Wohnungskommission zusammengestellt, die
für die Zuteilung von Wohnungen zuständig war. Laut
einer Vereinbarung zwischen Wohnungsamt und
Poststelle war diese Stelle zuständig für
eingehenden Anzeigen über Wegzüge, Umzüge und Zuzüge
und die Weiterleitung dieser Angaben an das
Wohnungsamt.
Trotz steigender Zahl der
Wohnungsuchenden konnte nur das dringlichste und
notwendigste geschehen, obwohl die Zahl der
Beschäftigten bis 1923 kontinuierlich anstieg (1920:
5 Hilfskräfte, 6 zusätzliche Personen und der
Amtsvorstand; 1923: 14 Hilfskräfte, 15 zusätzliche
Personen und der Amtsvorstand). Bis zum Jahr 1931
wurde die Beschäftigtenzahl auf 10 reduziert.
Vom Jahre 1919 an wurde dann in rascher Folge
die Errichtung weiterer auf Kreditbasis finanzierter
Häuser und Häusergruppen durch die
Stadtverordnetenversammlung beschlossen . Mit diesen
Bemühungen folgte man dem Beispiel benachbarter
Städte. So hatte man in Mainz bereits im Jahre 1917
eine 'GmbH zur Errichtung von Kleinwohnungen in der
Stadt Mainz' gebildet, in der die Stadt die
Anteilsmehrheit innehatte . Die in den folgenden
Jahren errichteten Häuser befanden sich unter
anderem in Pfiffligheim, in der Gau- und
Grenzstraße, vor allem aber im Bereich der
Würdtwein-, Stralenberg-, Thomas- und
Schannatstraße. Die systematische Bebauung des
sogenannten Liebenauer Feldes begann im Jahre 1921.
Das Quartier Güterhallen-, Gaustraße,
Konrad-Meit-Platz, Johann-Hirt-, Würdtwein-,
Stralenberg- und Thomasstraße (1921-1927) ist das
städte-baulich herausragendste, qualitativ
hochwertigste und geschlossenste Ergebnis der
städtischen Anstrengungen nach 1918 . Bei den
durchschnittlich 59 Quadratmeter großen
Dreizimmerwohnungen in der Stralenbergstraße, die
unter anderem von städtischen Beamten bewohnt
wurden, wurde laut einem Vermerk vom August 1926
besonderer Wert auf Güte gelegt, weswegen hier auch
eine höher als sonst bemessene Miete festgelegt
wurde .
Parallel zu den eigenen
Baubemühungen begann man verstärkt,
Baukostenzuschüsse für private Bauvorhaben zu
gewähren. Finanziert wurden die Maßnahmen u.a. mit
reichsseitig gewährten Krediten sowie mit
Unterstützung des hessischen Staates. Verschiedene
Baugenossenschaften konnten in geringem Umfang
ebenfalls Bauprojekte beginnen. In erster Linie trat
hier die 'Aktiengesellschaft zur Erbauung billiger
Wohnungen namentlich zum Besten von Arbeitern in
Worms am Rhein' hervor. Sie war 1897 unter
maßgeblicher Initiative des Lederindustriellen und
Politikers Freiherrn Cornelius Wilhelm von Heyl
gegründet worden und hatte die Errichtung der
Arbeiterwohnhäuser im 'Kiautschau' betrieben. Bei
Kriegsausbruch befanden sich 1914 224 Wohnungen im
Eigentum der AG, die eng mit der Stadt verbunden
war. Im Jahre 1919 war eine Kapitalerhöhung
beschlossen wurde; es kam danach zum Bau
dreistöckiger Häuserblocks (Stralenbergstr. 27-29,
Luperkusstr. 17), 1925 und 1927 konnten zwei
Vorhaben mit 46 Wohnungen verwirklicht werden .
Weitere Genossenschaften waren die Gemeinnützige
Baugenossenschaft, gegr. 1913, die Gemeinnützige
Siedlungsgenossenschaft 'Eigenheim', die
Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft 'Selbsthilfe'
eGmbH, die Gemeinnützige Aktiengesellschaft für
Angestellten-Heimstätten und die Hessische
Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Kleinwohnungen.
Ergänzend hinzu traten das Reich und der Volksstaat
Hessen, die an einigen Stellen der Stadt für ihre
Bediensteten Wohnraum schufen, so Offizierswohnungen
am Nibelungenring und an der Hochheimer Straße sowie
an der Begardistraße .
Flankiert wurden
die kommunalen Bestrebungen vom Bemühen des
hessischen Staates, die Bekämpfung der Wohnungsnot
zu unterstützen. Auch in den Debatten des Landtages
spielte die Lage eine wichtige Rolle. Immerhin waren
im Volksstaat 1924 nach einer Erhebung des
Ministeriums für Arbeit und Wirtschaft nicht weniger
als 20.000 Familien ohne Wohnung auf der Suche nach
einer Unterkunft, weitere 11.000 Familien waren 'in
gesundheitsschädlichen, menschenunwürdigen oder zum
Bewohnen ungeeigneten Räumen' untergebracht. In etwa
10.000 Fällen waren mehrere Familien in einer
Wohnung zusammengedrängt .
Zwischen den
Jahren 1923 und 1930 wurde von den Stadtverordneten
jährlich ein immer umfangreicher werdendes
Wohnungsbauprogramm festgelegt. Laut Einschätzung
des Wohnungsamtes vom August 1924 stand die Arbeit
der Wohnungskommission, die neben Mitgliedern der
Stadtverordnetenversammlung auch von ehrenamtlich
tätigen Vertretern des Mieterschutzvereins (er hatte
Anfang 1922 mehr als 2000 Mitglieder) und der
Hausbesitzer gebildet wurde und der die Zuteilung
des knappen Wohnraums oblag, mehr als irgend eine
sonstige Kommission des Rates im Brennpunkt der
öffentlichen Kritik. Angesichts der überaus
angespannten Verhältnisse erscheint es wenig
verwunderlich, daß die Beamten des Wohnungsamtes
Beleidigungen und tätlichen Angriffen ausgesetzt
waren; sie mußten daher unter Polizeischutz gestellt
werden . Im Rechenschaftsbericht der Stadtverwaltung
für das Jahr 1924 (S. 166) heißt es dazu
bei-spielsweise: In jeder Sprechstunde gab es
Auftritte und Beamtenbeleidigungen und stärkste
Drohungen waren tägliche Erscheinungen, unter denen
die Nerven des Beamtenpersonals nicht wenig in
Anspruch genommen werden. Wenige Monate zuvor, im
Oktober 1923, heißt es in den Akten, das
Wohnungselend werde täglich größer, die Lage auf dem
Wohnungsmarkt täglich verzweifelter.
Auch
die Presse griff die Verhältnisse häufig genug auf.
Stellvertretend sei auf einen Artikel in der
sozialdemokratischen ‚Wormser Volkswacht‘ vom
18.8.1925 verwiesen, der unter dem Titel
'Wohnungsnot, Wohnungselend, Wohnungsskandal in
Worms' die Schwierigkeiten der Unterbringung
Obdachloser anprangert. Von den vor der Vollendung
stehenden, städtischerseits errichteten Baracken zur
Unterbringung wegen Mietrückständen oder aus
ähnlichen Gründen aus ihren Wohnungen ausgesetzter
Personen links der Mainzer Straße (In den Trumpen,
Kiesgrube) heißt es, der Bau bietet für acht
Familien Raum mit je 1 Stube und 1 Küche mit einer
Gesamtfläche von 30-35 qm. Diese 'Abhilfe' wird
geradezu als Strafmaßnahme bezeichnet auf das
Schärfste verurteilt. Die Stadt versuchte
gegenzusteuern. Allein im Jahre 1926 wurde für die
Würdtwein-, Stralenberg- und Schannatstraße ein
Bauprogramm im Umfang von 180 Wohnungen in mehreren
Wohnhausgruppen für mehr als zwei Millionen
Reichsmark (Haushalt insgesamt) beschlossen und in
der Folgezeit zügig umgesetzt . Dem Bedarf
entsprechend wurden hier vornehmlich Drei- und
Vier-Zimmer-Wohnungen errichtet. Beeindruckend ist
aus heutiger Sicht die hohe Qualität der Bauten.
Wegen der 'außerordentlich großen' Kinderzahl wurden
neben der Durchfahrt in der Mitte der
Stralenbergstrasse Räume für eine Kleinkinderschule
mit Schwesterwohnung vorgesehen. Im Mai 1927 konnte
hier ein vom Evangelischen Missions-Frauenverein
betriebener Kindergarten eingeweiht werden.
Im Jahr zuvor, 1926, hatte der Stadtbaumeister
(1899-1933) und technische Beigeordnete Georg
Metzler (1868-1948) eine Zwischenbilanz der
städtischen Wohnungspolitik seit 1918 gezogen und
dabei zu recht die angesichts der Schwierigkeiten
erheblichen Anstrengungen der Stadt Worms
hervorgehoben . Zunächst stellte er heraus, wie
unvorhergesehen die Kommunen das Problem ereilt
habe, die Probleme der Baumaterialversorgung, der
finanziellen Knappheit werden anschaulich
geschildert. Besonders betont Metzler anhand von
Zahlen des Deutschen Städtetages den relativ guten
Stand des Wohnungsbaues (und hier insbesondere der
kommunalen Bemühungen) in Worms im Vergleich mit den
anderen vier großen Städten im Volksstaat. Auf
tausend Einwohner entfielen danach in Worms 5,7
erbaute Wohnungen (Mainz 4,7; Darmstadt 1,05;
Offenbach 1,7; Gießen 3,8). Der Anteil der von der
Stadt in Angriff genommenen Wohnprojekte war
gegenüber denen anderer Träger hier vergleichsweise
besonders hoch. Im Blick auf die Zukunft ist der
Verfasser skeptisch, ob sich ein baldiges Ende der
Not einstellen wird. Zu recht vermutet Metzler, auf
die aktive Rolle der Stadt werde so schnell nicht
verzichtet werden können.
Die Angaben in
dem Beitrag Metzlers für Worms entstammten
vermutlich im Frühjahr 1925 von der Stadtverwaltung
ermittelten Zahlen. Laut einer im Mai diesen Jahres
erstellten Denkschrift über das Wohnungs- und
Siedlungswesen ('Bericht über die Wohnverhältnisse')
lag die Zahl der unerledigten Wohnungsgesuche beim
Wohnungsamt bei 2214 - Tendenz steigend, die
Wohnungsnot wird als ganz außerordentlich gross
bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt bestanden bei einer
Einwohnerzahl von 48.500 Menschen 12.129 Wohnungen.
Berichtet wird auch hier von Tätlichkeiten gegenüber
den Beamten. In dem Bericht wird auch auf die vom
1.1.1919 bis Mai 1925 errichteten 553 neuen
Wohnungen hingewiesen; im überregionalen Vergleich
wird die Vorbildlichkeit der in Worms erbrachten
städtischen Leistungen herausgestrichen. Als
besondere Probleme wird neben den Folgen der
Besatzung (Beschlagnahmungen) die Betreuung der aus
dem besetzten Gebiet Ausgewiesenen und wieder
Zurückgekehrten benannt. Die Lösung dieses Problems
habe die Verwaltung ein Jahr zurückgeworfen.
Zugleich galt es, die wegen Räumungsklagen obdachlos
gewordenen Mieter unterzubringen.
Wie
schwierig die zu bewältigenden Aufgaben waren, zeigt
auch ein angesichts der Festlegung der
Wohnungsbauvorhaben für das Jahr 1929
zusammengestellter Bericht zur Situation auf dem
Wohnungsmarkt nach dem Stand vom 1.11.1928. Nach wie
vor fehlten nach Berechungen des Wohnungsamtes nicht
weniger als 1168 Wohnungen . Ende 1927 waren noch
immer 2582 Wohnungsuchende in den Akten und Karteien
der Stadt vermerkt - dies trotz eines in diesem Jahr
erreichten Zuwachses von immerhin 260 Wohnungen
(fast alle städtische Objekte). Das Bauprogramm für
149 Wohnungen sollte durch Zuweisungen aus einer
staatlicherseits eigens dazu eingeführten, den
Städten zu-gewiesenen Sondersteuer (Hauszins- bzw.
Sondergebäudesteuer) sowie durch Darlehen der
Städtischen Sparkasse - zusammen 1,75 Mio RM -
finanziert werden; erhofft hatte man sich wesentlich
mehr. Diese Summe muß im Verhältnis zum Gesamtumfang
des städtischen Etats gesehen werden, dessen
Ausgabevolumen für das Haushaltsjahr 1927 20,6
Millionen Reichsmark betrug . Neben dem reinen
Wohnungsbau und den Mitteln für die Gewährung von
Darlehen (die auch 1927 längst nicht ausreichten, um
die starke Nachfrage zu befriedigen), schlug auch
die Beschaffung von Baugelände als Ersatz für das
bebaute Land zu Buche - im Jahre 1927 mit immerhin
850.000 Reichsmark. In Mainz (1926 mit 108.000
Einwohnern) nahm die Stadt in den Jahren 1924 bis
1931 allein für den Wohnungsbau 27, 6 Millionen RM
und zum Ankauf von Grundstücken und Gebäuden weitere
13,5 Millionen RM an Reichsdarlehen auf.
Abgesehen von dem erwähnten großen Baugebiet im
Bereich Neuhausen kam es in Worms-Hochheim
(Römergarten mit Einfamilien-Kleinhäusern, vgl. Abb.
1, 1927/28) und im Bereich der Innenstadt
(Torturmplatz/Ludwigstraße, Karolingerstraße 7-9,
hier Bezug der 24 Wohnungen im Mai 1928) zu weiteren
Baumaßnahmen. Neben den 'regulären' Wohnbauten zwang
die Situation aber auch zum Bau der schon erwähnten
barackenartigen Notwohnungen in der sogenannten
'Nordsiedlung' (In den Trumpen, Kiesstraße etc.),
die in den Jahren 1925 bis 1928 errichtet wurden, z.
T. in Form zu Wohnzwecken umgebauter Eisenbahnwagen
IV. Klasse (1927). Nach dem Abzug der französischen
Besatzung Ende Juni 1930 wurden auch Teile der
freigewordenen Kaserne für Wohnzwecke hergerichtet
(1931/32).
Das letzte reguläre
Bauprogramm des Jahres 1930 stand bereits im Zeichen
der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise. Die
Zuspitzung der finanziellen Verhältnisse ließ eine
Fortführung der umfangreichen Programme trotz
zweifellos vorhandenen Bedarfs nicht mehr zu. Die
Stadt versuchte, wie auch in Mainz, das Problem mit
der Förderung vorstädtischer Kleinsiedlungen zu
entschärfen. Da es nicht mehr möglich sei,
Kapitalien für die Erbauung grosser städtischer
Miethäuser zu beschaffen, sollte auf diese Weise mit
geringeren Mitteln den künftigen Siedlern eine
Siedlungsstelle zur Verfügung gestellt werden, die
diese selbst zu bebauen hätten. Eine solche
Initiative wurde in Worms laut einem Schreiben der
Bürgermeisterei im August 1932, auf dem Höhepunkt
der Krise, angestoßen. Im Laufe des Jahres hatte die
Stadt mit staatlichen Stellen wegen entsprechender
Mittelzuweisungen verhandelt, konnte jedoch nicht
mehr als Kredite für 30 Stellen erlangen. Hier lag
der Keim für die spätere Stadtrand- bzw.
Karl-Marx-Siedlung, die aus den 1932 skizzierten
Plänen für Kleinsiedlerhäuser hervorgegangen
ist.
Die Tätigkeit des Wohnungsamtes
endete mit dem Auslaufen der Zwangsbewirtschaftung
von Wohnraum im Frühjahr 1933.
3.
Weiterführende Literatur
- Bönnen,
Gerold, Zum kommunalen Wohnungsbau in Worms in der
Zeit der Weimarer Republik, in: 50 Jahre Wohnungsbau
GmbH Worms (1950-2000), Worms 2000, S. 5-20.
- Brüchert-Schunk, Hedwig, Städtische
Sozialpolitik vom Wilhelminischen Reich bis zur
Weltwirtschaftskrise. Eine sozial- und
kommunalhistorische Untersuchung am Beispiel der
Stadt Mainz 1890-1930, Stuttgart 1994
(Geschichtliche Landeskunde 41)
- Franz,
Eckhart G./Manfred Köhler (Hg.), Parlament im Kampf
um die Demokratie. Der Landtag des Volksstaates
Hessen 1919-1933, Darmstadt 1991 (Arbeiten der
Hessischen Historischen Kommission NF 6 =
Vorgeschichte und Geschichte des Parlamentarismus in
Hessen 6)
- Metzler, Gerog, Das
Wohnungswesen in Worms, in: 150 Jahre Wormser
Zeitung (1776-1926), S. 84-87
- Reuter,
Fritz, Karl Hofmann und 'das neue Worms'.
Kommunalbau und Stadtentwicklung 1882-1918,
Marburg/Darmstadt 1993 (Quellen und Forschungen zur
hessischen Geschichte 91)
- Spille, Irene
(Bearb.), Stadt Worms (Denkmaltopographie
Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in
Rheinland-Pfalz 10), Worms 1992
- Süss,
Martin, Rheinhessen unter französischer Besatzung.
Vom Waffenstillstand im November 1918 bis zum Ende
der Separatistenunruhen im Februar 1924, Stuttgart
1988 (Geschichtliche Landeskunde 31)
-
Verwaltungs-Rechenschaft des Oberbürgermeisters der
Stadt Worms (für die Jahre 1924 bis 1928)
4. Ergänzendes Archivmaterial (Auswahl)
Stadtarchiv Worms
Abt. 13 Nr.
1921-1925 (Wohnungsfürsorge), vgl. masch. Findbuch
S. 162f. (Abt. XXIV.6)
Abt. 30 (Kreisamt
Worms) Nr. 207 (Einzelfälle)
Abt. 5 Nr.
4415 (Bericht über die Wohnungsverhältnisse); Nr.
4387 (Bericht über die Wohnungsnot an das Hessische
Ministerium für Arbeit und Wirtschaft,
1922)
Zitierhinweis:
Abt. 17
Erschließungszustand, Umfang: Augias-Datei
(Findbuch mit Index), 2001
- Bestandssignatur
-
Stadtarchiv Worms, 017
- Kontext
-
Stadtarchiv Worms (Archivtektonik) >> Stadt Worms
- Bestandslaufzeit
-
1918-1933
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
15.12.2023, 14:57 MEZ
Datenpartner
Stadtarchiv Worms. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1918-1933