Grafik
Auditus
"Die rechte Seite des Kupferstiches wird von der im Freien sitzenden Musikerin „Auditus“, der Personifikation des Gehörs, eingenommen. Das rechte Bein angewinkelt, das linke Bein nach vorn ausgestreckt lehnt sie an einer hinter ihr liegenden Trommel und konzentriert sich auf ihr Lautenspiel. Dabei hält sie die Augen geschlossen. Ein links von ihr unter einem Baum liegender Hirsch lauscht ebenfalls mit geschlossenen Augen der Musik. Um Auditus herum sind die unterschiedlichsten Musikinstrumente sowie mehrere Notenhefte auf dem Boden verstreut. Der Text am unteren Bildrand erläutert in kurzer Form die Funktion des Gehörs. Während das Ohr das äußere Sinnesorgan des Gehörs sei, sei das innere Sinnesorgan gewissermaßen verdickte Luft, in der Nerven vom Ohr zum Gehirn führten. Der Kupferstich gehört zu einer Serie von fünf Bildern, die jeweils einen der Fünf Sinne (das Gesicht, das Gehör, das Gefühl, der Geschmack und der Geruch) darstellen und von Hieronymus Cock 1561 verlegt wurden. Die Serie stieß auf breite Resonanz, was an verschiedenen Werken anderer Künstler zu erkennen ist, die sich stark an den motivischen Vorgaben von Frans Floris orientiert haben. In Tradition der mittelalterlichen Darstellungsweise verbindet Frans Floris jeden der Fünf Sinne mit einem Tier, bei dem der Sinn besonders stark ausgeprägt ist. Neu ist jedoch, dass er dem Gehör einen Hirsch und nicht – wie sonst üblich – einen Maulwurf oder Eber zur Seite stellt. In der christlichen Ikonographie kann der Hirsch auch als Symbol der gottsuchenden Seele dienen. Dies unterstreicht die im 16. Jahrhundert weit verbreitete Auffassung, daß das Gehör einer der wichtigsten Sinne zur Aufnahme der christlichen Botschaft sei. Floris stellt in dieser Graphikserie den Menschen als Sinnes- und damit auch als Naturwesen dar. Seine Personifikationen befinden sich alle in der freien Natur, wo sie sich konzentriert einem Sinneseindruck hingeben. Diese Darstellungsweise basiert nicht zuletzt auf der im 16. Jahrhundert voranschreitenden Naturforschung, die für die Serie von großer Bedeutung gewesen ist. So hat der Künstler beispielsweise die erläuternden Unterschriften der Stiche wortgetreu der naturwissenschaftlichen Abhandlung „De Anima“ von Johannes Vives entnommen. Die Fünf Sinne sind ein sehr geschätztes und häufig aufgenommenes Thema der frühen Neuzeit, dessen graphische Darstellung sich besonders in den Niederlanden des 16. Jahrhunderts großer Beliebtheit erfreut hat. Dabei wechseln sich jedoch positive und negative Deutung miteinander ab. Einerseits werden sie zwar als Möglichkeit angesehen, das Wort Gottes aufzunehmen und die Ordnung des Weltalls zu verstehen, andererseits bieten sie jedoch auch der Sünde Einlaß in die Seele des Menschen. So wurden die Fünf Sinne im 16. Jahrhundert sowohl als Verführer, welche die Wollust suchen, angesehen, als auch als positiv bewertete Möglichkeit, sich alles auf der Erde mit ihnen erschließen zu können. Außerhalb der Niederlande hat das Thema der Fünf Sinne nur eine Nebenrolle eingenommen. In Deutschland hat der niederländische Einfluß jedoch das Thema auch in den Westen des Landes, nach Niedersachsen und bis hinauf nach Lübeck verbreitet, wo es beispielsweise als Schmuck an Fachwerkhäusern sehr beliebt gewesen ist."
- Alternativer Titel
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Das Gehör, aus der Serie „Die fünf Sinne“
- Standort
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Georg-August-Universität Göttingen / Kunstgesch. Seminar und Kunstsammlung der Universität, Göttingen
- Inventarnummer
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D 4139
- Maße
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Höhe: 209 mm
Breite: 268 mm
- Material/Technik
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Papier; Kupferstich
- Inschrift/Beschriftung
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Aufschrift: FF inve. h. cock excu (recto unten rechts)
Aufschrift: AUDITUS (recto oben rechts)
Marke: BIBL. R. A.CAD. G.A. (Recto unten rechts; Göttinger Bibliotheksstempel (vollständig sichtbar bei kID: 172441), recto unten rechts, abgeschnitten)
Aufschrift: AUDITUS SENSORIUM EXTERIUS EST AURIS ET CRASSUS QUIDAM IN EA AER,INTERIUS|VERO NERVI AB AURIBUS AD CEREBRUM PERTINENTES (recto in Einrahmung unter der Abbildung)
- Verwandtes Objekt und Literatur
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Beschrieben in: T. A. Riggs, „Hieronymus Cock (1510-1570) ; printmaker and publisher in Antwerp at the sign of the four winds“. 1972. (Riggs 1972.83)
Beschrieben in: M. Sellink, H. Leeflang, C. Cort, und F. Hollstein, The @new Hollstein Dutch & Flemish etchings, engravings and woodcuts, 1450 - 1700. Sound & Vision Publ. [u.a.], Rotterdam, 2000. (New Hollstein Dutch and Flemish (Cornelis Cort) III.109-112.205)
Beschrieben in: „Gott & die Welt : niederländische Graphik des 16. Jahrhunderts aus der Kunstsammlung der Universität Göttingen ; [Carsten-Peter Warncke zum 60. Geburtstag] ; [Kunstsammlung der Universität Göttingen, 10. Juni bis 8. Juli 2007, Emslandmuseum Schloß Clemenswerth, 2. September bis 31. Oktober 2007, Ostfriesisches Landesmuseum Emden, 17. Februar bis 30. März 2008]“. Cuvillier, Göttingen, 2007. (Ausst. Kat. Göttingen 2007, Kat. Nr. 53)
Beschrieben in: HoC. VI p. 255, no. 70.74.
- Klassifikation
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Zeichnung/Grafik (Hessische Systematik)
Kupferstich (Oberbegriffsdatei)
- Bezug (was)
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Musikerin
Trompete
Notenschrift
Blasinstrument
Violine
Streichinstrument
Flöte
Allegorie
Schlaginstrument
Trommel
Laute
Zupfinstrument
Hirsche
Orgel
Tasteninstrument
Sackpfeife
Horn
Ripa: Udito
musizieren; Musiker mit Instrument
Violine, Geige, Fiedel
Kirchenorgel
Flöte, Aulos, Schnabelflöte
Dudelsack, Musette
Horn, Trompete, Kornett, Posaune, Tuba
Notenschrift
Trommel
Laute; Sonderformen der Laute, z.B.: Theorbe
Huftiere: Hirsch
- Ereignis
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Entstehung
- Ereignis
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Herstellung
- (wo)
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Niederlande
- Ereignis
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Veröffentlichung
- (wann)
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1561 (Ausst. Kat. Göttingen 2007)
- Förderung
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Die Digitalisierung wurde gefördert durch die Deutsche Digitale Bibliothek aus Mitteln des Programms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
- Letzte Aktualisierung
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24.04.2025, 12:58 MESZ
Datenpartner
Kunstsammlung der Universität Göttingen. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Grafik
Beteiligte
Entstanden
- 1561 (Ausst. Kat. Göttingen 2007)