Akten | Bestand
Kurbayern Bücherzensurkollegium (Bestand)
Bücherzensurkollegium und Bücherzensur-Spezialkommission: Registraturgeschichte und Behandlung im Archiv Der vorliegende Bestand umfasst diejenigen Archivalien, die bei der in den letzten Jahrzehnten im Bayerischen Hauptstaatsarchiv durchgeführten Analyse dem "Bücherzensurkollegium", der "Bücherzensur-Spezialkommission" und dem "Bücherspeditionsamt München" zugewiesen worden waren. Da außer einem alphabetisch geordneten "Registratur-Renner" aus dem Jahr 1800 kein Registraturplan zu ermitteln war und eine rein alphabetische Ordnung nicht sinnvoll erschien, wurde bei der Gliederung des vorliegenden Bestandes auf die Geschäftsverteilung innerhalb des Zensurkollegiums zurückgegriffen. Welches Ordnungsschema der Registratur ursprünglich zugrundelag, kann heute nicht mehr mit Sicherheit festgestellt werden. Sicher ist nur, dass das Zensurkollegium von Anfang an unter Raumnot litt, da es nicht nur personell eng mit dem Geistlichen Rat verflochten war, sondern auch dessen Kanzlei und Sitzungsräume mitbenutzen musste. Die daraus resultierenden Schwierigkeiten beschreibt der Direktor des Zensurkollegiums v. Schneider in einem Bericht vom 27. Mai 1791 an den Geheimen Rat: "der einzige Kasten, welcher zu dessen [des Zensurkollegiums] Registratur dient (und für mehrere ist der dem geistl. Rathe selbst nötige Platz zu klein) erkleket [!] kaum für ein Drittel der Akten und für diese nicht einmal zur gehörigen registratursmässigen Abtheilung; für die in mehrern hundert Exemplarien oft bestehende gedruckte vielfältige Werke, welche oder confiscando oder zur Einsicht und Aufbewahrung einkommen, ist einige Gelegenheit zum Unterbringen gar nicht vorhanden". Auf diesen Bericht hin wurden dem Zensurkollegium zwar 1792 anscheinend ein Sitzungsraum sowie ein zweites Zimmer für die Sekretäre, das Expeditionsamt und die Registratur zugewiesen, das Sessionszimmer sollte es sich aber schon ab 1798 mit dem Wechsel- und Merkantilgericht teilen. 1802 musste die Bücherzensur-Spezialkommission schließlich den Sitzungsraum ganz dem Merkantilgericht überlassen - sie selbst erhielt einen neuen Raum zugewiesen -, das zweite Zimmer, in dem Kanzlei und Registratur untergebracht waren, sollte fortan gemeinschaftlich genutzt werden, was wiederum dem Merkantilgericht nicht passte. Nach bereits im Juli vorangegangenen Reibereien schritt letzteres im September zur Tat. Erbost berichtete der Bücherspediteur v. Bube, man habe "das Kommissionszimmer und die Kanzlei erbrochen", das Türschild der Bücherzensur-Spezialkommission abgenommen und die Türschlösser ausgetauscht, so "daß nicht blos die Registratur, die zur Expedition nöthige Manualien u. Signets s. a., sondern auch die Manualien, Catalogen u. Akten des Speditionsamtes versperrt" seien. Im November wurden daraufhin der Bücherzensur-Spezialkommission zur Überbrückung die Räumlichkeiten des ehemaligen lateinischen Schulrektorats zugewiesen, worauf Westenrieder im Januar 1803 erst einmal die noch immer eingeschlossenen Zensurakten beim Hofgerichtskanzleramt einforderte. Bereits wenig später dürften die Akten dann abermals umgezogen sein, diesmal ins Geheime Landesarchiv. Ein zweites Problem neben dem beständigen Platzmangel bestand in der Person des Registrators v. Schintling. Bis 1791 war die Registratur des Zensurkollegiums - zu dessen vollster Zufriedenheit - von Franz Xaver Graf, dem Sekretär des Geistlichen Rats, betreut worden, weshalb die älteren Akten auch die für den Geistlichen Rat typische Foliierung (arabische Ziffer, darüber und darunter je ein wagrechter Strich) aufweisen. Im August 1791 wurde Alois v. Schintling als eigener Registrator angestellt. In den folgenden Jahren kam es zu Beschwerden über dessen häufige Abwesenheit, sein "nachlässiges, lüderliches Nichtarbeiten in der ihm anvertrauten Registratur", in der er "alles in der größten Unordnung hält". 1797 stellte sich sogar heraus, dass v. Schintling einige der vom Hofoberrichteramt bei Johann Nepomuk Knott beschlagnahmten und dem Zensurkollegium zur Beurteilung vorgelegten Bücher entwendet und vermutlich verkauft hatte, worauf v. Schintling am 3. Mai 1797 vorübergehend vom Dienst suspendiert wurde. Ersatzweise beauftragte man "provisorio modo" Christoph v. Schmöger, den Sekretär des Zensurkollegiums, mit der Betreuung der Registratur. In einem Bericht vom 14. August 1797 beschreibt dieser deren Zustand wie folgt: "Nicht nur allein, daß man schon gar nicht wußte, was und ob etwas von diesem oder jenem Gegenstande in der Registratur sich befände, sondern selbst, wenn man gewis wußte, daß Priora vorhanden seyn müssen, konnten solche gewöhnlich nur durch Durchsuchung der ganzen Registratur vorgefunden werden". Aus diesem Grund machte v. Schmöger sich an eine komplette Neuordnung der Registratur, "welche doch aus mehr denn 900 Akteln besteht", und zwar nach dem Alphabet. Erschwert worden sei diese Arbeit dadurch, daß "unter 100 Akteln nicht 5 waren, welche nicht auseinander zerstreut [...] waren [... und] bey grössern akten 30 und 40, ja auch mehr Producten abgiengen". Außerdem seien bei der Neuordnung zahlreiche einzelne Produkte übrig geblieben, die keinem Akt zugeordnet werden konnten. In dieser alphabetischen Neuordnung, evtl. durch die oben erwähnten Umzüge wieder leicht in Unordnung gebracht, kam die Registratur 1803 ins Geheime Landesarchiv - um abermals neu geordnet zu werden. Sie wurde nämlich letztendlich, wie die Registraturen der anderen bereits 1799 aufgehobenen Behörden in die im Aufbau begriffenen großen nach Sachbetreff gegliederten Pertinenzbestände eingearbeitet. Da eine Aufteilung nach Ortsbetreff kaum in Betracht kam, fanden sich bei der im Bayerischen Hauptstaatsarchiv durchgeführten Provenienzanalyse erwartungsgemäß in den Beständen GL und KL nur einige wenige Einzelstücke, ebenso im Bestand Staatsverwaltung. Letzterem hatte man die von 1769 bis März 1799 komplett erhaltenen Sitzungsprotokolle einverleibt. Die große Masse wurde allerdings auf die Bestände HR I und GR verteilt. In HR I steckte man in den Abschnitt "Zensurkollegium" v. a. die - sehr lückenhaften - "Personalakten" der Mitglieder des Zensurkollegiums und in den Abschnitt "Theater und Hofmusik" die Akten zur Theaterzensur. Auch im Bestand GR waren zwei Schwerpunkte auszumachen: im Abschnitt "Bücherzensurwesen" waren v. a. Generalakten (Errichtung, Instruktionen, Aufstellung von Bücherspediteuren etc.) enthalten, während sich die einzelnen Zensurakten v. a. im Abschnitt "Gelehrte Sachen", sowie vereinzelt unter anderweitig passenden Sachgruppen ("Kalenderwesen", "Schauspielwesen", "Schulwesen" etc.) fanden. Die Unternummern im Abschnitt "Gelehrte Sachen" wiederum orientierten sich - wie das vorliegende Repertorium - am Geschäftsverteilungsplan des Zensurkollegiums (z. B. Sachgruppen Politik, Theologie, Philosophie, Recht, Medizin, Ökonomie, Geschichte, Poesie/Literatur), wobei - wie im vorliegenden Repertorium - noch einige Abschnitte ergänzt wurden (z. B. Bibliotheken, Zeitungen). Der einzelne Zensurakt, der in der Regel aus drei bis vier Produkten besteht (Antrag, Zensurgutachten, Bescheid, evtl. Begleitschreiben bei Übersendung der Belegexemplare), war im Idealfall mit einer "Bauchbinde" zusammengeschnürt, was vermutlich noch auf die Neuordnung v. Schmögers zurückgeht. Von den bis zu sechs Belegexemplaren, die von jedem in Bayern gedruckten Werk an das Zensurkollegium abgegeben werden mussten, und von den beschlagnahmten verbotenen Büchern, die sich ursprünglich auch in der Registratur des Zensurkollegiums befunden hatten, sind heute nur noch einige wenige Exemplare im Bestand erhalten. Mit den konfiszierten Büchern wurde nämlich 1797/1798 die 1771 verbrannte Bibliothek des Münchner Theatinerklosters wieder aufgestockt, der Rest musste 1802/1803 an die Hof- und Nationalbibliothek abgegeben werden. Joseph Burgholzer, der Registrator des Geheimen Landesarchivs, den man anscheinend mit der Neuordnung der Registratur des Zensurkollegiums nach Sachbetreffen beauftragt hatte, stand bald vor demselben Problem wie die Bearbeiterin dieses Repertoriums (und ursprünglich wohl schon die Zensurräte selbst bei der Abgrenzung ihrer jeweiligen Zuständigkeit): oft war eine eindeutige Zuordnung zu einer einzigen Sachgruppe nicht möglich. So konnte z. B. die von Wilhelm Rothammer anlässlich der Einweihungsfeier der evangelischen Hofkirche in München verfasste Schrift "Die Toleranz" sowohl in politischer als auch in theologischer Hinsicht bedenklich erscheinen. Burgholzer entschied sich gar für den Abschnitt "Bayerische Geschichte". Bei der von dem Ingolstädter Rhetorik-Professor Anton Trauner verfassten "Einleitung in die Dicht- und Redekunst" konnte Burgholzer sich nicht zwischen den Abschnitten "Schulwesen" (GR Fasz. 789 Nr. 17) und "Poesie/Rhetorik" (GR Fasz. 793 Nr. 27) entscheiden, weshalb er den Antrag zum "Schulwesen" und den Bescheid zur "Poesie/Rhetoik" steckte. Das eigentliche Zensurgutachten konnte nicht ermittelt werden. Problematisch war auch die Zuteilung der Theaterzensur, die ja eigentlich in HR I untergebracht war, vermutlich, weil der mit Abstand umfangreichste Akt auf das Hoftheater entfiel. Allerdings gab es auch im Bestand GR einen Abschnitt "Schauspielwesen", weshalb Burgholzer sich zur Aufteilung entschloss. So fand sich etwa in HR I Fasz. 461 Nr. 54 die Bitte des Landsberger Rhetorikprofessors der Jesuiten Ignatius Abpfalter um Druckerlaubnis für die am Schuljahresende aufzuführende Komödie "Aetius oder glücklich über den Meineid siegende Unschuld" (ohne Prod.-Nr.) samt Zensurgutachten (Prod. 39) und Bescheid (Prod. 40). Die Rückseite des Antrags mit der Adresse und der Produktnummerierung "38" hingegen war vom Antrag abgetrennt und - vermutlich als eine Art Querverweis gedacht - in GR Fasz. 1285 Nr. 7 gesteckt worden. Immerhin ergänzte Burgholzer auf den teilweise dem Zusammenhang entrissenen Zensurzetteln nötigenfalls Titel und Autor des betroffenen Werks, wobei er gelegentlich auch vor orthographischen Berichtigungen und inhaltlichen Kommentaren nicht zurückschreckte. Trotz der beschriebenen Schwierigkeiten bot sich als Ordnungsschema für den vorliegenden Bestand eine sachliche Gliederung nach dem Geschäftsverteilungsplan an, der jedem Zensurrat ein oder mehrere Fächer zuwies. Auch Burgholzer hatte ja bei seiner Ordnung nach Sachbetreffen im wesentlichen auf ebendiese Zensurfächer zurückgegriffen, so dass schon arbeitsökonomische Gründe für eine möglichst weitgehende Beibehaltung und - wo nötig - Ergänzung bzw. Korrektur dieses Grundschemas sprachen. Im Unterschied zu Burgholzer, der wie oben beschrieben einen Akt notfalls auf mehrere Sachbetreffe verteilt hatte, war die Bearbeiterin des vorliegenden Repertoriums allerdings stets bemüht, jeden Akt der jeweils am besten passenden Sachgruppe zuzuweisen, was sich schon alleine wegen des Fehlens der zensierten Schrift selbst oft als schwierig erwies. Auch ist eine eindeutige Abgrenzung oftmals - z. B. bei den Sachgruppen "Philosophie" gegenüber "Naturwissenschaften" bzw. "Theologie" oder auch beim Abschnitt "Schulwesen" gegenüber "Geschichte" bzw. "Naturwissenschaften" - kaum möglich. Es empfiehlt sich daher bei der Benutzung des Repertoriums, im Zweifelsfall alle passend erscheinenden Abschnitte durchzusehen. Ebenfalls anders als bei Burgholzers Ordnung wurden die Einzelakten innerhalb eines Abschnitts nicht alphabetisch, sondern entsprechend ihrer Laufzeit eingereiht, um so auch die chronologische Entwicklung des Zensurkollegiums zu verdeutlichen. Christoph von Schmögers alphabetische Ordnung schließlich, die bis auf wenige Ausnahmen auf einer alphabetischen Aneinanderreihung von Autorennamen beruht, findet sich im Personenregister wieder, das allerdings nur solche Namen erfasst, die im Repertorium einzeln aufgeführt werden, nicht jedoch alle in Sammelakten vorkommenden Personennamen. Bei der Bearbeitung wurde ferner die oft variierende Schreibweise von Eigennamen vereinheitlicht und die Buchtitel weitgehend der heutigen Rechtschreibung angeglichen. Schwer zu beurteilen ist die Frage nach der Vollständigkeit der Überlieferung. Christoph v. Schmöger spricht 1797 in seinem Bericht von 900 Akten, der vorliegende Bestand umfasst 794 Nummern, der Registratur-Renner von 1800 führt ca. 650 Akten auf. Ein Abgleich des Personenregisters zu diesem Bestand mit dem Registratur-Renner von 1800 ergab, dass ca. 150 der in letzterem aufgeführten Namen in ersterem nicht enthalten sind. Der Verbleib der betreffenden Akten, die teilweise in Sammelakten enthalten sein mögen, konnte bisher nicht geklärt werden. München, im Juli 2002 Claudia Mannsbart Hinweis: Das im Repertorienzimmer einsehbare Findbuch enthält zusätzlich eine ausführliche Behördengeschichte und Quellenhinweise.
- Bestandssignatur
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Kurbayern Bücherzensurkollegium
- Umfang
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794
- Sprache der Unterlagen
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ger
- Kontext
-
Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Archivtektonik) >> Beständetektonik des Bayerischen Hauptstaatsarchivs >> 1 Abteilung I: Ältere Bestände >> 1.2 Kurbayern >> Geistlicher Rat
- Provenienz
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Kurbayern Bücherzensurkollegium
- Vorprovenienz
-
Claudia Mannsbart
- Bestandslaufzeit
-
1769-1803
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
03.04.2025, 11:05 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
- Akten
Beteiligte
- Kurbayern Bücherzensurkollegium
- Claudia Mannsbart
Entstanden
- 1769-1803