Bestand
Konzentrationslager Auschwitz (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Die nach dem Reichstagsbrand aufgrund der Notverordnung zum Schutz von
Volk und Staat vom 28. Februar 1933 in großer Zahl verhafteten
politischen Gegner des NS-Regimes wurden in unabhängig von Polizei- und
Justizgefängnissen eingerichtete Konzentrationslager (KZ) ver‧bracht.
Eine systematische Organisation und Vereinheitlichung der KZ und ihrer
Wachmann‧schaften, der im Herbst 1934 aus der Allgemeinen SS
herausgelösten SS-Totenkopfverbän‧de (SS-TV), erfolgte 1934. Die seit
1938 in Oranienburg bei Berlin ansässige Dienststelle des Inspekteurs der
KZ war zunächst dem SS-Hauptamt, ab 1940 dem SS-Führungshaupt‧amt
unterstellt, ehe diese 1942 als Amtsgruppe D dem neu gebildeten
SS-Wirtschafts-Ver‧waltungshauptamt angegliedert wurde. In zunehmenden
Maße wurden auch Gewohnheits‧verbrecher, sog. Asoziale, Zeugen Jehovas
und ab 1938 verstärkt Juden in den KZ inhaftiert. Während des Krieges
wuchsen die Häftlingszahlen durch die Massen‧einweisungen von Angehörigen
fremder Nationalitäten sprunghaft an. Die KZ, denen in vielen Fällen
besondere Abteilungen für sowjetische Kriegsgefangene ange‧gliedert
waren, entwickelten sich zu Vernichtungslagern oder zu Produktionsstätten
der SS, deren Insassen in zahlreichen Arbeitskommandos für die
Kriegswirtschaft eingesetzt wurden.
Im Jahre 1940
wurde auf Befehl Heinrich Himmlers das größte nationalsozialistische KZ
in Auschwitz (polnisch: Oświêcim) etwa 60 Kilometer westlich von Krakau
an der Bahnstrecke Ostrau-Krakau im ostoberschlesischen Industriegebiet
errichtet. Es diente zunächst als Arbeitslager und ab August 1941 auch
als Vernichtungslager im Sinne der rassistischen NS-Ideologie und setzte
sich aus drei Einzellagern zusammen:
Auschwitz I
(Stammlager, errichtet zwischen Mai und Juli 1940)
Auschwitz II (Auschwitz-Birkenau, errichtet 1941/42)
Auschwitz III (Auschwitz-Monowitz, errichtet 1941 als
Zwangsarbeitslager)
Des weiteren bestanden
zeitweise bis zu 40 Außen- und Nebenlager. Als Lagerkommandanten waren
folgende SS-Führer eingesetzt:
SS-Obersturmbannführer Rudolf Höß (Mai 1940 - Nov. 1943)
SS-Obersturmbannführer Artur Liebehenschel (Nov. 1943 -
Mai 1944)
SS-Sturmbannführer Richard Baer (ab Mai
1944 in Auschwitz I und in Auschwitz II ab Nov. 1943 - Jan. 1945)
SS-Hauptsturmführer Friedrich Hartjenstein (Nov. 1943 -
Mai 1944 in Auschwitz II)
SS-Hauptsturmführer
Heinrich Schwarz (Ende 1943 - Jan. 1945 in Auschwitz III)
SS-Hauptsturmführer Josef Kramer (ab Frühjahr 1944 -
Jan. 1945)
Das Lager Auschwitz I war zunächst mit
Angehörigen des Widerstandes und der polnischen Intelligenz belegt worden
und wuchs bis zum Jahre 1943 auf eine Häftlingszahl von 30.000 an. Es
bestand aus dem sogenannten Schutzhaftlager für die Häftlinge und den
Gebäuden des Kommandanturbereichs außerhalb des Lagers. Auschwitz II
entstand etwa 3 Kilometer vom Stammlager entfernt und verfügte über
mehrere Teillager mit bis zu 250 Steingebäuden und Baracken. Dazu
gehörten auch das Quarantänelager, das tschechische "Familienlager" mit
Häftlingszugängen aus Theresienstadt, das "Zigeunerlager" und das
Effektenlager. In Auschwitz II waren bis zu 150.000 Häftlinge
untergebracht. Auschwitz III wurde 1941 für die IG-Farben-Industrie
errichtet. Wegen der dortigen Produktionsstätte für die Buna-Werke wurde
es zunächst auch "Lager Buna" genannt. Im Laufe des Jahres 1943 kam es zu
großangelegten Deportationen und Inhaftierungen von Sinti und Roma. Viele
von ihnen kamen im August 1943 bei der Liquidierung des sogenannten
"Zigeunerlagers" in Birkenau ums Leben. Im November 1943 wurden die Lager
Birkenau und Monowitz organisatorisch abgetrennt. Nach der Besetzung
Ungarns und der Auflösung des Ghettos in £odz (damals Litzmannstadt)
gelangten im Laufe des Jahres 1944 mehrere zehntausend Menschen nach
Auschwitz-Birkenau. Im November 1944 wurde das Stammlager
verwaltungstechnisch wieder mit dem Lager Birkenau vereinigt. Bereits im
November 1943 hatte das Reichssicherheitshauptamt verfügt, dass die
jüdischen Häftlinge aller KZ in das Lager Auschwitz und das
"Kriegsgefangenenlager Lublin" zu überstellen waren. Beide Lager sollten
als Arbeitskräftereservoir für die geplante Ostsiedlung dienen. Schon ab
September 1941 hatten die ersten Tötungen von Häftlingen mittels Zyklon B
im Stammlager begonnen. Bis Oktober 1942 blieb dort die Gaskammer des
Krematoriums in Betrieb. In Birkenau entstanden Anfang und Mitte 1942
weitere Gaskammern. Später entstanden auch in Auschwitz I zwecks Erhöhung
der Tötungskapazität zwei weitere große sowie zwei kleinere Krematorien
mit Gaskammern. Diese gingen im Jahre 1943 in Betrieb. Die Selektion von
zu tötenden Personen erfolgte in der Regel schon bei der Einlieferung in
das Lager, aber auch in späteren Fällen durch die Aussonderung kranker
und nicht arbeitsfähiger Häftlinge. Der berüchtigte Arzt und SS-Führer
Josef Mengele nutzte in diesem Zusammenhang seine Dienststellung zur
Auswahl der Opfer für seine medizinischen Experimente aus. Wegen des
Vorrückens der sowjetischen Armee wurden bereits ab Spätherbst 1944 gemäß
Himmler-Befehl die Vergasungsanlagen zerstört. Am 27. Januar 1945
befreiten sowjetische Soldaten noch etwa 7.000 von der SS zurückgelassene
Häftlinge, die krank und nicht transportfähig waren. Über 58.000
Häftlinge waren von der SS bereits ab dem 18. Januar 1945 im Rahmen von
"Evakuierungen" gezwungen worden, den Marsch in verschiedene andere KZ
des NS-Herrschaftsgebiets anzutreten.
Bestandsbeschreibung:
Bestandsgeschichte
Im Zuge von Rückführungen
deutscher Akten aus den USA, die dort nach einem dem Einheitsaktenplan
(EAP) der Wehrmacht zu Grunde liegenden Schema alfa-numerisch geordnet
worden waren, gelangte der Bestand im Jahre 1962 in das Bundesarchiv.
Nach der Eingliederung des sogenannten NS-Archivs des Ministeriums für
Staatssicherheit der DDR (1990) und des ehemaligen Berlin Document Center
(1994) in das Bundesarchiv konnten bei Bestandsbereinigungen Unterlagen
aus diesen Sammlungen integriert und neu erschlossen werden. Darüber
hinaus wurden aus dem Bestand NS 4 Flossenbürg ausgesonderte Akten (4 AE)
und Kopien des Archivs des Instituts für Marxismus-Leninismus (2 AE)
hinzugefügt.
Archivische Bewertung und
Bearbeitung
Anfang 1963 wurde zunächst ein
vorläufiges Findbuch erstellt. Dieses Provisorium wird durch die nunmehr
vorliegende Findmittel-Fassung ersetzt. Das Findmittel wurde den gültigen
Erschließungsrichtlininen angepasst und standardisiert sowie ein neues
Klassifikationsschema gebildet. Serien und Bandfolgen wurden zur
Verbesserung der Übersichtlichkeit angelegt. Von einer Zusammenführung
der Teil-Bestände von NS 4 in einen Gesamt-Bestand wurde
abgesehen.
Inhaltliche Charakterisierung:
Neben Aufstellungen von Häftlingen und deren Bewegungen innerhalb des
Lagersystems liegen Unterlagen zum SS-Personal und dessen Beförderung,
Ernennung und Kommandierung sowie zu einzelnen SS-Kommandos vor. Ebenso
überliefert sind Truppenstammrollen-Auszüge, Kommandantur-Befehle und
Ermittlungsverfahren zu einzelnen SS-Männern. Personenbezogene Akten zu
einzelnen Häftlingen und SS-Angehörigen liegen sonst nur im Falle der
Häftlingsakte von Walter Olber und der SS-Personalakte von Josef Mengele
vor; bei letztgenannter Akte handelt es sich um Kopien aus dem ehemaligen
Berlin Document Center. Darüber hinaus enthält der Bestand Verwaltungs-
und Organisations-Akten sowie verschiedene Karteimittel betreffend
Bedarfsermittlungen für Lebensmittel, Einsatz der Werkstätten und
Möglichkeiten des Häftlingseinsatzes.
Häftlinge
1943-1945 (5), SS-Personal 1937-1945 (16), Organisation und Verwaltung
1941-1945 (7)
Erschließungszustand:
Findbuch
Zitierweise: BArch NS
4-AU/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch NS 4-AU
- Umfang
-
34 Aufbewahrungseinheiten
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Inneres, Gesundheit, Polizei und SS, Volkstum
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Fremde Archive: Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau in Oświêcim
ul. Wiêźniów Oświêcimia 20
PL-32620 Oświêcim
Archiwum Pañstwowe w Krakowie
ul. Sienna 16
PL-30960 Kraków
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: Ergänzende Überlieferung zu den KZ findet sich in den Beständen SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt (NS 3) - hier auch Häftlingsdatenbank -, Persönlicher Stab Reichsführer-SS (NS 19), Reichssicherheitshauptamt (R 58), SS-Hauptamt (NS 31), SS-Führungshauptamt (NS 33), SS-Personalhauptamt (NS 34) sowie in den personenbezogenen Sammlungen des ehemaligen Berlin Document Center (R 9361), des NS-Archivs des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (R 9355) und in der Überlieferung zu den Alliierten Prozessen (ALLPROZ). In der Akte NS 4 MA/59 befinden sich Pläne des Fundaments und eines Einmuffel-Einäscherungsofens im KZ Auschwitz. Hingewiesen werden soll noch auf den Bestand Ministerium des Innern der DDR/Staatliche Archiv-Verwaltung/Dokumentationszentrum (DO 1) mit seiner ergänzenden Überlieferung zu KZ und Haftanstalten der NS-Zeit.
Literatur: Assmann, Aleida: Firma Topf & Söhne - Hersteller der Öfen für Auschwitz. Ein Fabrikgelände als Erinnerungsort, Frankfurt am Main 2002;
Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, hg. v. Wolfgang Benz und Barbara Distel; München 2007;
Deselaers, Manfred: "... und Sie hatten nie Gewissensbisse?" Biografie von Rudolf Höß, Kommandant von Auschwitz, und die Frage nach seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, Leipzig 1997;
Kilian, Andreas: " ... so dass mein Gewissen rein ist und ich am Vorabend meines Todes stolz darauf sein kann". Handlungsräume im Sonderkommando Auschwitz in Lagersystem und Repräsentation, Tübingen 2004;
Levi, Primo: Bericht über Auschwitz, Berlin 2006;
Orth, Karin: Die Konzentrationslager der SS. Sozialstrukturelle Analysen, Göttingen 2000;
Rees, Laurence: Auschwitz. Geschichte eines Verbrechens, München 2005;
Schüle, Annegret: Industrie und Holocaust. Topf & Söhne - Die Ofenbauer von Auschwitz, Göttingen 2010;
Völklein, Ulrich: Josef Mengele - der Arzt von Auschwitz, Göttingen 1999;
Wagner, Bernd: IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941-1945, Bochum 2000;
Zürcher, Regula Christina: "Wir machen die schwarze Arbeit des Holocaust". Das Personal der Massenvernichtungsanlagen von Auschwitz, Nordhausen 2004
- Provenienz
-
Konzentrationslager Auschwitz (KZ Auschwitz), 1940-1945
- Bestandslaufzeit
-
1937-1945
- Weitere Objektseiten
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Konzentrationslager Auschwitz (KZ Auschwitz), 1940-1945
Entstanden
- 1937-1945