Zeichnung

Drei Männerköpfe in der Glorie (Sog. Dreigesicht)

Die kuriosen Gestalten dieser Trias gaben der Forschung seit jeher Rätsel auf. Eng vom stark beschnittenen Papierbogen gefaßt, werden drei ganz unterschiedliche Physiognomien unter einer scheinbar gemeinsamen Frisur zusammengeführt und von einer Strahlengloriole umgeben. In der Mitte steht die Büste eines alten Mannes mit schütterem, schulterlangem Haar, langer Nase und weit herabhängendem spitzen Kinn, faltigem Hals und markantem Ohr. Mit seinen kleinen, hochsitzenden und leicht in die Winkel gestellten Augen nimmt diese Gestalt als einzige Kontakt zum Betrachter auf. Ein vorn geschlossener Umhang scheidet sie rechts von einer gespannt aufwärts blickenden Gestalt im verlorenen Profil. Tief in die Stirn gekämmte Haare, buschige Augenbrauen und möglicherweise ein Backenbart rahmen dieses Gesicht mit langer flacher Nase, hohen Wangenknochen und einem wiederum massigen, spitzen Kinn. Betont markierte Augen und ein leicht geöffneter Mund mit hängenden Mundwinkeln vermitteln den Ausdruck angespannten Staunens. In die Höhe gerichtet ist auch der Blick des massigen Profilkopfs links. Der stoppelbärtige, feiste Charakterkopf mit fliehendem Doppelkinn und kraftlosem, leicht geöffnetem, verquollenem Mund schaut aus kleinen Augen tumb oder gar verängstigt(?) nach oben. Nur wenig treten die flachen Brauenbögen zwischen der Nase mit einer markanten Warze und der flachen, fliehenden Stirn aus dem Umriß hervor. Unten trägt das rätselhafte Blatt ein ligiertes Monogramm MG – nur diese eine Zeichnung hat Meister Matthis Gothart, wie Grünewald sich wahrscheinlich selbst nannte, damit signiert. Die ungewöhnliche Darstellung hat vielfältige Interpretationen und tiefgründige Einschätzungen hervorgerufen. Zunächst unter Vorbehalt als göttliche Dreifaltigkeit gedeutet, wandelte sich die Interpretation auf Grund der wenig idealen Physiognomien bald in ihr Gegenteil. Schmid erkannte darin gar eine Verhöhnung der Dreieinigkeit. In einer eingehenden Studie gelangte Münzel zu der Überzeugung, hier seien in Anlehnung an den ersten Johannesbrief (1 Joh 2, 16) die drei »Konstituentien des satanischen Wesens«, die Fleischeslust (concupiscentia carnis) links, die Augenlust oder Habsucht (concupiscentia oculorum) rechts sowie die Hoffart des Lebens (superbia vitae) in der Mitte als Gegenbild der Trinität dargestellt. Die Gloriole deutete er konsequenterweise als Zeichen der Macht, nicht der Heiligkeit. Aufbauend auf dieser allegorischen Interpretation erkannte Markert dann die Zeichnung als ein dezidiert reformatorisches Kampfblatt und deutete sie als satirische Darstellung der Römischen Dreifaltigkeit, als spöttische »Trias Romana«. Unter Verweis auf Ulrich von Huttens 1521 publiziertes Gesprächbüchlein mit der darin enthaltenen Satire »Vadiscus und die Römische dreyfaltigkeit« gelangte Markert zu weiterer Differenzierung Hutten prangert hier Mißstände im päpstlichen Rom an, darunter »Was ietz zu(o) Rom wär die losantz / Sprich ich dry ding regierens gantz / Hoffart, unküscheit vmder gydt«. Hutten sieht folglich im papalen Rom die Untugenden Hoffart, Unkeuschheit und Geiz an der Macht. Unter seinen Triaden hielt Markert besonders jene für den Schlüssel zu Grünewalds Darstellung, in der von den verruchten Bürgern Roms die Rede ist: Die zentrale Figur sei Simon Magus (Apg 8, 18–21), der mit dem Heiligsten Handel zu treiben versucht, der Struppige rechts Judas Ischarioth, der Christus verriet (Joh 6, 70 f.), während der Dicke links das Volk von Gomorra in Gestalt eines unwürdigen Priesters repräsentiere. Allerdings dürfte eine gezielt antipapale Bildsatire, wie sie Markert in der Zeichnung des Dreigesichts vermutet hat, kaum dazu angetan gewesen sein, mit einem Namenszeichen versehen und damit ungeachtet drohender Repressalien persönlich kenntlich gemacht zu werden. So verwundert es nicht, daß neben diesen moralischen Deutungen auch weniger zeitkritische Interpretationen vorgelegt wurden. Zülch un

Material/Technik
Schwarze Kreide, gewischt
Maße
Höhe x Breite: 27,2 x 19,9 cm
Standort
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
Inventarnummer
KdZ 1071

Klassifikation
Zeichenkunst

Ereignis
Herstellung
(wer)
(wann)
1510 - 1515

Rechteinformation
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
Letzte Aktualisierung
03.03.2023, 08:33 MEZ

Objekttyp


  • Zeichnung

Beteiligte


Entstanden


  • 1510 - 1515

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