Bestand
Reichsstelle für die Elektrizitätswirtschaft (Reichslastverteiler) (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Auf der Grundlage der Verordnung über den Warenverkehr vom 4. September
1934 wurden für alle wichtigen Fachgebiete der gewerblichen Wirtschaft
ca. 30 Überwachungsstellen zur Überwachung des Warenverkehrs auf dem
inneren Markt und zur Kontrolle, Lenkung und Verteilung der
Rohstoffgütereinfuhr als nachgeordnete Dienststellen des
Reichswirtschaftsministeriums (vgl. Bestand R 3101) errichtet. Jede
Überwachungsstelle wurde mit ihrer Errichtung juristische Person und
unterstand einem vom Reichswirtschaftsminister berufenen und
verpflichteten Reichsbeauftragten. Die Reichsbeauftragten waren
berechtigt, Anordnungen mit Verordnungscharakter zu erlassen, die im
Reichsanzeiger veröffentlicht wurden. Seit dem 18. Aug. 1939 (RGBl. I, S.
1429 und RAnz. Nr. 192) hießen die bisherigen Überwachungsstellen
einheitlich Reichsstellen.
Die Reichsstelle für
die Elektrizitätswirtschaft (Reichslastverteiler) wurde mit der vom
Reichswirtschaftsminister und Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft,
Walter Funk, erlassenen Verordnung zur Sicherstellung der
Elektrizitätsversorgung vom 3. Sept. 1939 (RGBl. I, S. 1607f) gebildet.
Ihre Aufgabe war die Aufrechterhaltung der Energieversorgung im Krieg für
die wichtigen industriellen Verbraucher. Dazu wurde sie ermächtigt, die
Elektrizitätsversorgung nach dem Grad der Dinglichkeit zu regeln und
Verbraucher vom Strombezug auszuschließen oder ihre Stromabnahme zu
beschränken. Außerdem konnte die Behörde „auch direkt in die
Betriebsführung der Kraftwerke eingreifen, Fahrpläne der Werke festlegen
sowie Kooperationen und Aushilfslieferungen anordnen." Durch die 1.
Durchführungsverordnung zur Verordnung zur Sicherstellung der
Elektrizitätsversorgung vom 30. Nov. 1942 (RGBl. I, S. 681f) „wurde der
Reichslastverteiler von der Bindung an den Staatshaushalt gelöst, was
weitere Flexibilisierung in seiner Geschäftsführung ermöglichte." (Stier,
Staat und Strom, S. 478)
Leiter der Behörde und
damit Reichslastverteiler wurde Dr. Richard Fischer, der bereits
Vorstandsvorsitzender der Berliner Licht- und Kraft-AG (BEWAG),
Vorstandsmitglied der Ostpreußenwerk AG, stellvertretender Leiter der
Reichsgruppe Energiewirtschaft und kommissarischer Leiter der
Energieabteilung des Reichswirtschaftsministeriums war. Er richtete sechs
verschiedene Referate ein, deren Tätigkeitsbereiche die Aufgaben der
Reichsstelle wiedergeben: Regelung der Lastverteilung (Ref. 1), Regelung
der Kohlenzuteilung (Ref. 2), Regelung des Arbeitseinsatzes und der
Freistellung von Kraftfahrzeugen und Betriebsstoffen (Ref. 3),
Fortführung wichtiger Bauvorhaben (Ref. 4), Nachrichten- und Messwesen
(Ref. 5) sowie Personal, Haushalt und Rechtsfragen (Ref. 6). Außerdem
ernannte er als mittlere Ebene Bezirkslastverteiler in den
Bezirkswirtschaftsämtern und auf lokaler Ebene Ortslastverteiler aus den
Industrie- und Handelskammern.
Zur Verbesserung
der Versorgungssicherheit mit Energie und zur Durchsetzung von
Rationalisierung und Zentralisierung in der Energiewirtschaft wurde durch
Erlass des Führers und Reichskanzlers vom 29. Juli 1941 das Amt eines
Generalinspektors für Wasser und Energie (GIWE) geschaffen (RGBl. I, S.
467f) und Fritz Todt damit beauftragt, der bereits als Generalinspekteur
für das deutsche Straßenwesen und Reichsminister für Bewaffnung und
Munition fungierte. Der Energieinspektor erhielt Stellung und Befugnisse
eines Reichsministers und umfassende Zuständigkeiten im Energiesektor
einschließlich der staatlichen Energieaufsicht sowie bei Wasserwirtschaft
und -straßen. Auch die Reichsstelle für die Elektrizitätswirtschaft
(Reichslastverteiler) wurde aus dem Geschäftsbereich des
Reichswirtschaftsministeriums herausgelöst und dem neuen Generalinspektor
für Wasser und Energie untergeordnet.
Aber weder
Fritz Todt noch seinem Nachfolger Albert Speer gelang eine radikale
Umstrukturierung und Zentralisierung der Energieerzeugung. Der immer
spürbarer werdende Mangel an Elektrizität führte ab dem Winter 1941/1942
zu Kürzungen im Spitzenbedarf, und die fehlende Kraftwerksleistung wurde
in Folge des durch die massiven Rüstungsanstrengungen nach dem Scheitern
der Blitzkriegsstrategie gestiegenen Energiebedarfs immer
problematischer. Im Winter 1942/43 betrugen die Stromabschaltungen in der
Bedarfsspitze 4%, im Januar 1944 dann knapp 8% und ein Jahr später
aufgrund der im Luftkrieg zerstörten Kraftwerke und Leitungen gut 29% (s.
Eichholtz, Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945, Bd. 2, S.
391).
Bestandsbeschreibung: Die
Reichsstelle für die Elektrizitätswirtschaft (Reichslastverteiler) war
eine in den ersten Kriegstagen vom Reichswirtschaftsministerium
geschaffene Behörde zur Sicherstellung und Priorisierung der
Dringlichkeit der Elektrizitätsversorgung.
Bestandsgeschichte
Die Akten aller
Reichsstellen waren bis Mitte 1941 wohl noch vollständig vorhanden. Erst
der Erlass des Reichswirtschaftsministers vom 31.05.1941 ließ bei den
Reichsstellen eine totale Aktenvernichtung nach fünf Jahren zur
Papiergewinnung zu. Davon wurde offensichtlich alsbald und fortlaufend in
weitestem Umfang Gebrauch gemacht, da sich Vorgänge aus den Anfangsjahren
kaum erhalten haben. In den Unterlagen der Reichsstelle für die
Elektrizitätswirtschaft ist immerhin eine Akte von 1939 mit dem
Errichtungserlass und ersten Dienstanweisungen sowie eine
Versorgungskarte von 1937 überliefert.
Ins
Bundesarchiv nach Koblenz gelangten die Unterlagen des
Reichslastverteilers im Wesentlichen als Rückgaben aus amerikanischer
Hand. Nur einige wenige Akten wurden dem Bundesarchiv vom britischen
Imperial War Museum Anfang der 1960er Jahre übergeben.
Archivische Bearbeitung
Die jetzt im Bestand
R 8 IV zusammengefassten Akten wurden in Koblenz 1956/57 erstmals in
einer Findkartei erschlossen und 1962 zu einem vorläufigen
Archivverzeichnis zusammengestellt. 1965 wurden Signaturen nochmals
umgestellt, um aus dem Imperial War Museum erhaltene Akten ohne größere
Änderung in den Bestand einfügen zu können (jetzt die Signaturen Nr.
9-13).
Eine elektronische Verzeichnung in der
Datenbank Basys des Bundesarchivs erfolgte 2014/2015. Dabei wurden auch
eine Klassifikation und eine Findbucheinleitung erarbeitet.
Inhaltliche Charakterisierung: Von
den Unterlagen der Reichsstelle für die Elektrizitätswirtschaft
(Reichslastverteiler) haben sich nur wenige Akten erhalten, die lediglich
einen kleinen Teil der Tätigkeit der Behörde dokumentieren.
Zur Errichtung der Dienststelle liegen genau zwei Akten
vor mit Geschäftsverteilungsplan, Dienstanweisungen für die
Bezirkslastverteiler und einer Deutschlandkarte mit Versorgungswegen.
Daneben haben sich einige wenige Leistungsbilanzen und Monats- oder
Quartalsberichte mit statistischem Material erhalten, die durch
vereinzelte Exemplare in anderen Beständen (R 4604/13, R 3101/31137)
ergänzt werden können.
Von der Tätigkeit der
Reichsstelle ist vor allem eine ganze Reihe von Erlassen und Anordnungen
zur Einschränkung des Stromverbrauchs überliefert. Die wichtigsten
Dokumente dabei bilden Abschaltlisten, die für jeden Energiebezirk
definierten, welche Unternehmen ihren Stromverbrauch bei verschiedenen
Dringlichkeitsstufen um welchen Anteil zu drosseln hatten. Diese
Prioritätensetzung bei der Verteilung der knappen Elektrizität gehörte
zum Kernbereich der Aufgaben der Reichsstelle für die
Elektrizitätswirtschaft, auch nachdem ansonsten der Generalinspektor für
Wasser und Energie zur bestimmenden Figur bei der Energieversorgung im
Krieg geworden war.
Als weitere Aufgabe wird der
Luftschutz für Energieversorgungsanlagen und die Bevorratung mit
Ersatzteilen und Materialien der Elektrizitätswirtschaft deutlich.
Überlieferung
- Einrichtung,
Aufgaben, Wirkungskreis (2)
- Tätigkeitsberichte
und Statistiken (6)
- Maßnahmen zur Sicherung der
Stromversorgung und zur Verbrauchseinschränkung (11)
Erschließungszustand: Findbuch
(2014)
Zitierweise: BArch R
8-IV/...
- Bestandssignatur
-
Bundesarchiv, BArch R 8-IV
- Umfang
-
19 Aufbewahrungseinheiten
- Sprache der Unterlagen
-
deutsch
- Kontext
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Norddeutscher Bund und Deutsches Reich (1867/1871-1945) >> Wirtschaft, Rüstung, Landwirtschaft
- Weitere Objektseiten
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- Letzte Aktualisierung
-
16.01.2024, 08:43 MEZ
Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Reichsstelle für die Elektrizitätswirtschaft (Reichslastverteiler), 1939-1945
Entstanden
- (1937) 1939-1945