Archivale

Blutbuch Bl. 53 v.-55 r.

Regest: Urgicht (= Schuldbekenntnis) der Ursula Römer.
Ursula Römer von Genkingen hat zum Teil ungenötigt, zum Teil nach peinlicher Frag (= Folterung) folgendes bekannt:
Ungefähr um letzt vergangene Lichtmess sei ein Stumpen (= Sack) Korn hier zu Reuttlingen verloren worden. Sie wisse darüber nichts weiter, als dass damals ihre Gespielschaft (= Gesellschaft) zu ihr sagte, sie haben 2 Simri Kern gekauft; sie, Ursula, solle mit ihnen gehen, sie wollen ihr auch kaufen. +)
Hernach in der Palmwoche habe sie mit ihren Mithelfern 2 Simri Kern entwert (= gestohlen), zum Neuen Tor an die Stadtmauer getragen, daselbst geteilt; ihr sei ein Simri davon worden (= zugefallen).
Drittens habe sie, Ursula, mit ihren Gespielen 4 Simri Kern entwert (= gestohlen) in einem Sack in Anton (?) Deckhers Haus gestohlen und geteilt.
Viertens haben sie miteinander zu Riedlingen auf dem Markt 2 Kessel, Schuh und Schleher (= Schleier) gestohlen und heimgetragen. Seien ihr etliche Schuh und ein Schleier (= Kopftuch) worden.
Fünftens seien sie und ihre Gesellschaft abermals miteinander gen Riedlingen gegangen, haben zwei Örni-Häfen ++), Schuh, Leder und was ihnen werden (= in die Hände fallen) mochte, gestohlen. Als sie teilten, habe sie, Ursula, den einen Orni-Hafen mit Gewalt genommen, und seien ihr 2 Stück Leder, aufeinander geheftet, und ein Paar Schuh dazu worden.
Auf demselben Gang sagte Ursula zu einer ihrer Gespielen: "Wie soll ich's gegen meinen Mann verantworten, dass ich mit euch gen Riedlingen gehe und er weiss nicht darum?" Gab sie ihr zur Antwort: " Sag deinem Mann, du habest zu Mägerkingen (?) Hanf gebrochen", und gab ihr darauf 2 Schilling, damit sie etlich Geld dem Mann zeigen könne.
Sechstens seien sie und ihre Gespielschaft gen Hechingen auf den Markt gezogen, haben daselbst miteinander gestohlen Schuh, Leder, Säckel, Gürtel, ...(?) Hüte, Wagenschnüre und was ihnen werden (= in die Hände fallen) mochte. Ursula habe den Sack getragen, und bei der Teilung seien ihr 2 Paar Schuh und etlich Leder worden.
Siebtens haben sie abermals miteinander zu Hechingen Schuh und Leder und was ihnen unter Handen gestossen (= in die Hände fiel), weggetragen. Davon seien ihr, Ursula, bei der Teilung worden ein Paar Schuh und Leder. Sagte die eine ihrer Gespielen: "Ich nehm' gern Schuh und Leder. Denn wenn ich's verkauf', geb' ich vor, es sei meines Tochtermanns. Der ist ein Schuhmacher."
Achtens sei sie mit ihrer Gespielschaft vor 4 Jahren zu Melchingen auf dem Markt gewesen. Da habe eine ihrer Gespielen einen Kessel gestohlen und zu Ursula gesagt, sie wolle ihr auch einen kaufen +), und bald einen genommen und der Ursula geben wollen, aber sie, Ursula, habe ihn nicht genommen. Denn sie besorgte, man hätte es gesehen. Aber eine andere aus ihrer Gesellschaft nahm den Kessel, ging weg und gab ihn ihr später. Den habe sie noch bei Handen.
Neuntens habe Ursula und ihre Gespielschaft so oft miteinander zu Melchingen gestohlen, dass sie die Zahl nicht wisse anzugeben. Sie haben genommen, was sie zuwege bringen (= sich verschaffen) konnten.
Zehntens habe Ursula zu einer anderen Zeit auch zu Melchingen 2 Paar Schuh genommen.
Elftens seien ungefähr vor 2 Jahren sie und ihre Mithelferin auf den St. Gallen-Markt gen Egingen gekommen und haben dort einen Kessel, viel Schuh, Leder, Kromerei (= Kramware) ein ... (?) voll, Erbsen, Weissbrot, Nadeln und Glufen (= Stecknadeln) gestohlen und das untereinander geteilt.
Sie, Ursula, habe auch dem Hirten zu Giningen (Gönningen) ein Orni und einen kupfernen Hafen, auch ein grosses Paar Stiefel zu kaufen gegeben.
Sie habe auch etlich Fleisch ...(?) zu Reuttlingen gekauft und sei ohne es zu bezahlen, weggegangen.
Auf dieses ihr Bekenntnis hat der Rat mit Urteil und Recht erkannt, dass Ursula Römer 1/2 Stunde hier in das Halseisen am Pranger gestellt, dann dem Nachrichter überantwortet, von diesem gebunden vom Markt zum Metmannstor hinaus über die steinerne Brücke mit Ruten gestrichen und ihr daselbst beide Ohren vom Haupt geschnitten werden sollen. Ferner solle sie einen Eid schwören, strackes (= gerades) Wegs aus dem Gebiet der Stadt Reutlingen und der Dörfer zu gehen und in ewiger Zeit nie mehr darein zu kommen.

Archivaliensignatur
A 2 b (Verfassung u.a.) Nr. A 2 b (Verfassung u.a.) Nr. 7403/439
Sonstige Erschließungsangaben
Bemerkungen: +) Im Rotwelsch (Gaunersprache) = stehlen
++) Fischer: Schw. WB: VI/2 Sp. 3334: Orn, Ürn ein Weinmass. Hier?

Verweis: S 161 Nr. 22

Kontext
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 7 u. 20) >> Bd. 20 Blutbuch 1527-1645
Bestand
A 2 b (Verfassung u.a.) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 7 u. 20)

Provenienz
HStA Stuttgart B 201 Bü. 30
Laufzeit
1551 Juli 17

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Letzte Aktualisierung
20.03.2025, 11:14 MEZ

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Objekttyp

  • Archivale

Beteiligte

  • HStA Stuttgart B 201 Bü. 30

Entstanden

  • 1551 Juli 17

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