Bestand

A Rep. 260 Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) (Bestand)

Vorwort: A Rep. 260 - Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG)

1. Unternehmensgeschichte

Mit dem im 19. Jahrhundert einsetzenden rapiden Wachstum der europäischen Städte wurde auch die Frage der dortigen Beförderung von Einheimischen und Fremden drängender. Zu deren Lösung wurde im Laufe der Zeit in immer zahlreicheren Kommunen ein öffentlicher Personennahverkehr aufgebaut.

Dem Vorbild anderer Städte folgend entwickelte sich seit Mitte des Jahrhunderts auch in Berlin ein System zur städtischen Personenbeförderung. Bis in die 1920er Jahre hatten sich hierbei für den Betrieb von Omnibussen, von Straßenbahnen und von Untergrund- bzw. Hochbahnen drei getrennte Betreiberorganisationen ausgebildet, die im Jahre 1929 in der Berliner Verkehrs-Aktien-Gesellschaft (BVG) als einzigem kommunalen Nahverkehrsunternehmen zusammengefasst wurden. Bei den drei Betreiberorganisationen handelte sich zum einen um die "Allgemeine Berliner Omnibus Actien-Gesellschaft" (ABO-AG). In ihrer Hand waren seit ihrer Gründung 1868 alle Konzessionen der verschiedenen Fuhrbetriebe vereint worden, die – beginnend mit der Concessionierten Berliner-Omnibus-Compagnie 1847 – eigene Linien in der Stadt unterhalten hatten. Die Straßenbahnen, die seit 1865 zunächst als Pferdebahnen und seit 1902 elektrifiziert in Berlin verkehrten, unterstanden hingegen der 1920 gegründeten "Berliner Straßenbahn-Betriebs-GmbH". Den Betrieb der Untergrund- und Hochbahnen nahm schließlich die 1897 ins Leben gerufene Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrundbahnen in Berlin (Hochbahngesellschaft) wahr, an der die Firma Siemens & Halske und die Deutsche Bank beteiligt waren.

Die Hoch- und Untergrundbahn (H- und U-Bahn, später kurz: U-Bahn) erwies sich dabei schon nach kurzer Zeit als das geeignete Massenverkehrsmittel, das die zur Jahrhundertwende weiter angewachsenen Verkehrsströme Berlins aufzunehmen vermochte. Nach ersten 1891 einsetzenden Bemühungen von Siemens & Halske um die Errichtung einer solchen Bahn und der Zustimmung der Städte Charlottenburg und Schöneberg 1893 und 1895, sie über ihr Gebiet fahren zu lassen, wurden die Planungen seit 1896 umgesetzt. Im Februar 1902 nahm das neue Verkehrsmittel seinen Betrieb auf. Die Strecke führte als Ost-West-Verbindung oberirdisch von der Warschauer Brücke bis zum Nollendorfplatz und von dort als Untergrundbahn weiter bis zum Bahnhof Zoologischer Garten. Zusätzlich bog am Gleisdreieck eine Linie Richtung Potsdamer Platz ab.

Rasch stieg die Zahl der Fahrgäste an. Dementsprechend unterstützte die Stadt den Ausbau des U-Bahn-Netzes durch den Abschluss weiterer Verträge mit privaten Betreibern, die neue Linien errichteten. Auf diese Weise konnte der Massenverkehr der Metropole bewältigt, die Städte und späteren Berliner Bezirke enger miteinander verbunden und neue Wohn- sowie peripher gelegene Industriegebiete erschlossen werden.

Zur Schaffung eines leistungsstarken und einheitlichen Nahverkehrssystems in der 1920 gebildeten Gemeinde von Groß-Berlin, aber auch begleitet von sozialpolitischen und städteplanerischen Vorstellungen ging die Stadtverwaltung unter dem maßgeblichen Einfluss des Stadtrats für Verkehr, Ernst Reuter (SPD), Mitte der 1920er Jahre daran, den weit-gehend noch privaten Nahverkehr zu kommunalisieren. Während die Straßenbahn-Betriebs-GmbH bereits ein städtischen Unternehmen war, wurden die Hochbahngesellschaft und die ABOAG 1926 von der Stadt erworben. Am 1. Januar 1929 wurden alle drei Firmen zur Berliner Verkehrs-Aktien-Gesellschaft mit einem Stammkapital von 400 Millionen Reichsmark zusammengeschlossen. Die Gesellschaftsform änderte sich im Jahre 1938, als die BVG unter der Bezeichnung Berliner Verkehrs-Betriebe (BVG) in einen Eigenbetrieb der Stadt umgewandelt wurde. Damit stellte sie ein aus dem Haushalt der Stadt ausgegliedertes Sondervermögen dar, das selbständig nach betriebs- und finanzwirtschaftlichen Maßstäben verwaltet wurde.

Seit ihrer Gründung 1929 verdichtete die BVG unter Hinnahme einer steigenden Verschuldung ihr Streckennetz weiter und baute zusätzlich ihre sozialbetrieblichen Leistungen aus. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten fanden darüber hinaus massive Eingriffe in die innerbetriebliche Organisation statt. So wurden wie in anderen Unternehmen auch rassisch oder politisch missliebige Personen entlassen und die Betriebsorganisation nach dem Führerprinzip neu aufgebaut. Darüber hinaus kündigte sich der von den Nationalsozialisten vorbereitete Krieg mit verschiedenen Mobilitäts- und Luftschutzübungen frühzeitig Mitte der 1930er Jahre an.

Noch bevor der Zweite Weltkrieg auch Berlin mit Luftangriffen der Alliierten traf und das Streckennetz der BVG schwer beschädigte, spürte das Verkehrsunternehmen durch den Abzug militärtauglichen Personals, die Bereitstellung von Fahrzeugen und die Beschränkung von Betriebsmitteln die Folgen des Kriegs deutlich. Allerdings gelang es zunächst noch, die Ausfälle zu kompensieren und die bisherige Leistungsfähigkeit weitgehend zu erhalten. Seit Ende 1941 wurde die Arbeitsfähigkeit des Betriebs aber zunehmend ein-geschränkt bis der Verkehr am 22. April 1945 endgültig eingestellt werden musste.

Die administrative Spaltung Berlins in der Nachkriegszeit führte im Jahre 1949 auch zur Teilung der BVG in zwei eigenständige Unternehmen: die im Ostsektor tätige BVG, die später im VE Kombinat Berliner Verkehrsbetriebe (BVB) aufging sowie die den West-Berliner Nahverkehr organisierenden Berliner Verkehrs-Betriebe (BVG). Die betriebliche Aufspaltung wurde erst zum 1. Januar 1992 überwunden, als der Nachfolger der Ost-Berliner Einrichtung mit der West-Berliner BVG zu den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) fusionierte. In diesem Zusammenhang wurde auch das Nahverkehrsnetz, das zwischen-zeitlich in zwei von einander unabhängige Teile zerschnitten worden war, wieder über das gesamte Stadtgebiet geknüpft.

2. Bestandsgeschichte

Der überwiegende Teil der Unterlagen des Bestands A Rep. 260 Berliner Verkehrs-Gesellschaft (BVG) wurde vermutlich schon vor 1945 von dem Unternehmen an das Stadtarchiv Berlin übergeben. Im Jahre 2004 wurde das Schriftgut um Handakten des Oberbaurats Hermann Zangemeister ergänzt, die der abgebende Berliner Unterwelten e.V. in Abstellräumen des U-Bahnhofs Gesundbrunnen gefunden hatte. Sie betreffen ausschließlich die Umbauplanungen des Alexanderplatzes in der Vorkriegszeit.

Eine vorläufige Verzeichnung auf Karteikarte wurde im Jahre 2005 durch eine Neuverzeichnung mit der Verzeichnungssoftware Augias 7.4 abgelöst, die im Rahmen der Ausbildung zum gehobenen Archivdienst durch Frau Carolin Pilgermann erstellt wurde. Auf Grund fehlender aussagekräftiger Organisationsunterlagen wurde dabei selbstständig eine neue Klassifikation erarbeitet. Eine Neunummerierung erfolgte lediglich zur Auflösung der wenigen Bandnummern, um eine einheitliche, dv-konforme Nummerierung zu gewährleisten. Eine Konkordanz gibt Auskunft über die veränderten Signaturen.

Im Zusammenhang mit der Neuverzeichnung erfolgte zusätzlich eine technische Bearbeitung der Unterlagen nach konservatorischen Gesichtspunkten.

Insgesamt umfasst der Bestand A Rep. 260 Berliner Verkehrs-Gesellschaft (BVG) nunmehr 207 AE (ca. 2,20 lfm). Seine Laufzeit reicht von 1892 bis 1949, in Einzelfällen bis 1955.

Einzelne Akten sind auf Grund archivgesetzlicher Bestimmungen bzw. der EU-Datenschutz-Grundverordnung für die Benutzung befristet gesperrt. Eine Verkürzung der Schutzfristen kann auf Antrag erfolgen. Dazu bedarf es der besonderen Zustimmung des Landesarchivs Berlin.

Der Bestand wird wie folgt zu zitieren:

Landesarchiv Berlin, A Rep. 260 Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG), Nr. ...

3. Schwerpunkte des Bestands

Zu den Schwerpunkten des Bestands gehören die zahlreichen Verträge zwischen der Stadtgemeinde Berlin und privaten Unternehmen über die Errichtung verschiedener Linien der Hoch- und Untergrundbahn sowie der Straßenbahn. Sie dokumentieren die allmähliche Verdichtung des städtischen Nahverkehrssystems seit dem Ende des 19. Jahrhunderts.

Besondere Beachtung verdienen darüber hinaus die Handakten des Oberbaurats Hermann Zangemeister (A Rep. 260, Nr.204 bis 206), die die Umgestaltung des Alexanderplatzes seit Ende der 1920er bis in die 1930er Jahre betreffen. In ihnen sind Schriftwechsel, Panoramafotografien und zahlreiche Entwürfe für die Neubauplanung, an der Architekten wie Erich Mendelsohn, Peter Behrens und Paul Schultze-Naumburg beteiligt waren, über-liefert.

4. Korrespondierende Bestände

A Rep. 014 Magistrat der Stadt Berlin, Deputation für das Verkehrs-wesen
A Rep. 015 Magistrat der Stadt Berlin, Stadtwirtschaftsamt / Stadtbetriebsamt
C Rep. 775 VE Kombinat Berliner Verkehrsbetriebe (BVB)
C Rep. 775-05 VE Kombinat Berliner Verkehrsbetriebe (BVB) - Betriebsgewerkschaftsleitung
F Rep. 270 Karten und Pläne [Allgemeine Kartensammlung]
F Rep. 290 Fotosammlung

5. Literaturauswahl

50 Jahre BVG. Ein Rückblick auf ein Stück Berliner Verkehrsgeschichte 1929-1979, Berlin 1979.
Hattig, Susanne u. Schipporeit, Reiner: Großstadt-Durchbruch. Pioniere der Berliner U-Bahn. Photographien um 1900, Berlin 2002.
Hilkenbach, Sigurd u. Kramer, Wolfgang: Typisch Berlin. Ein BVG-Porträt, Berlin 1987.
Huter, Otto u. Landerer, Christoph: Die Berliner Eigenbetriebe als Instrumente kommunaler Politik, Berlin 1984, S. 124-155.
Reichhardt, Hans D.: Berliner U-Bahn, Düsseldorf 1974.
Ders.: Die Straßenbahnen Berlin. Eine Geschichte der BVG und ihrer Straßenbahnen, Berlin 1974.
Reif, Heinz: Mobilität für alle - 75 Jahre BVG, 1929-2004, o.O. o.J. [Berlin 2004].
Richter, Michael: Der Alexanderplatz zwischen Weltwirtschaftskrise und Drittem Reich. Die Handakte des Oberbaurates Zangemeister, in: Schattenwelt, hrsg. v. d. Berliner Unterwelten e.V., Heft 2/2005, Berlin 2005, S.32-40.
U-Bahn Berlin, hrsg. v. d. Berliner Verkehrs-Betrieben (BVG), Berlin o. J. [um 1974].

6. Abbildungsnachweis

Abb. 1 F Rep. 290 Fotosammlung, Album 70 / 1 - 129, Nr. 9
Abb. 2 A Rep. 260 Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG), Nr. 8

7. Konkordanz

Im Rahmen der Neuverzeichnung 2005 erfolgte in einigen Fällen eine Trennung von Akten, die eine gleiche Nummerierung aufwiesen oder mehrere selbstständige Bände unter einer Nummer verzeichneten. Über die Neunummerierung der getrennten Akten gibt nachfolgende Aufstellung Auskunft. Nicht genannte Akten wurden nicht getrennt und behielten ihre bisherige Nummer.

alte Signatur neue Signatur
A Rep. 260, Nr.1 A Rep. 260, Nr.1
A Rep. 260, Nr.1 A Rep. 260, Nr.140
A Rep. 260, Nr.10, Bd.1 A Rep. 260, Nr.10
A Rep. 260, Nr.10, Bd.2 A Rep. 260, Nr.141
A Rep. 260, Nr.39, Bd.1 A Rep. 260, Nr.39
A Rep. 260, Nr.39, Bd.2 A Rep. 260, Nr.142
A Rep. 260, Nr.51, Bd.1 A Rep. 260, Nr.51
A Rep. 260, Nr.51, Bd.2 A Rep. 260, Nr.143
A Rep. 260, Nr.60, Bd.1 A Rep. 260, Nr.144
A Rep. 260, Nr.60, Bd.2 A Rep. 260, Nr.145
A Rep. 260, Nr.77, Bd.1 A Rep. 260, Nr.77
A Rep. 260, Nr.77, Bd.2 A Rep. 260, Nr.146
A Rep. 260, Nr.91, Bd.1 A Rep. 260, Nr.91
A Rep. 260, Nr.91, Bd.2 A Rep. 260, Nr.147
A Rep. 260, Nr.92, Bd.1 A Rep. 260, Nr.91
A Rep. 260, Nr.92, Bd.2 A Rep. 260, Nr.148
A Rep. 260, Nr.129, Bd.1 A Rep. 260, Nr.129
A Rep. 260, Nr.129, Bd.2 A Rep. 260, Nr.149
A Rep. 260, Nr.200, Bd.1 A Rep. 260, Nr.150
A Rep. 260, Nr.200, Bd.2 A Rep. 260, Nr.151
A Rep. 260, Nr.200, Bd.3 A Rep. 260, Nr.153
A Rep. 260, Nr.200, Bd.4 A Rep. 260, Nr.201


Berlin, im Juni/Dezember 2005 Carolin Pilgermann
Michael Klein (Vorwort)

Bestandssignatur
A Rep. 260

Kontext
Landesarchiv Berlin (Archivtektonik) >> A Bestände vor 1945 >> A 6 Unternehmen der Wirtschaft >> A 6.3 Berliner Eigenbetriebe

Bestandslaufzeit
1892 - 1955

Weitere Objektseiten
Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
Rechteinformation
Für nähere Informationen zu Nutzungs- und Verwertungsrechten kontaktieren Sie bitte info@landesarchiv.berlin.de.
Letzte Aktualisierung
28.02.2025, 14:13 MEZ

Datenpartner

Dieses Objekt wird bereitgestellt von:
Landesarchiv Berlin. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.

Objekttyp

  • Bestand

Entstanden

  • 1892 - 1955

Ähnliche Objekte (12)