Collage aus Bildern, Zeitungsartikeln, Zweigen und Worten
Rosannas und Lenas Amazonen

Göttinnen und Gattinnen neu gedacht: Interpretationen antiker Mythen von Schüler*innen des Walter-Rathenau-Gymnasiums in Berlin

24.06.2025

Gemeinsam mit der 11. Klasse des Walther-Rathenau-Gymnasiums in Berlin-Grunewald hat die Deutsche Digitale Bibliothek in Kooperation mit dem Alten Museum den dreiteiligen Workshop „Göttinnen und Gattinnen neu gedacht: Von der Antike in die Gegenwart“ durchgeführt. 

Die Schüler*innen besuchten die Ausstellung „Göttinnen und Gattinnen: Frauen im antiken Mythos“ im Alten Museum und konnten bei einer Führung durch das Haus ihr Wissen zu Frauenfiguren in der Antike vertiefen. Im Anschluss daran wählten die Schüler*innen interessengeleitet die Göttin oder Gattin, mit der sie sich beschäftigen wollten. 

Die Aufgabe der Schüler*innen war es, eine eigene Neuerzählung oder Re-Interpretation dieser Frauenfigur zu gestalten – sei es als Text, Zeichnung oder Video. Sie recherchierten in der Datenbank der Deutschen Digitalen Bibliothek nach Darstellungen ihrer Göttinnen, um sich über die verschiedenen Darstellungsweisen dieser Frauen über die Jahrhunderte und Jahrtausende zu informieren. Ein zentraler Kritikpunkt vieler Jugendlicher an den Frauenfiguren der Antike war, dass sie sich oft nicht solidarisch mit anderen Frauen verhalten haben. So hat besonders die Beziehung zwischen Medusa und Athene die Schüler*innen dazu animiert, diese Frauenbeziehung neu zu denken. 

Insgesamt haben sich neun Gruppen oder Einzelpersonen mit sechs Frauenfiguren: Athene, Medusa, Artemis, Aphrodite, Amazonen und Europa. Sie haben ihre Interpretationen mit unterschiedlichen Techniken von Videos bis AI umgesetzt. Die Ergebnisse der Schüler*innen können Sie selbst entdecken.

Medusa und Athene treten ein gegen sexualisierte Gewalt

Louisa hat eine Kampagne gegen Opfer-Täter-Umkehr nach Fällen sexualisierter Gewalt gestaltet. Sie wählte als Motiv das Gesicht von Medusa : „In meiner Neuinterpretation dient Medusa als Symbolfigur einer Werbekampagne, die über Victim Blaming aufklärt und Betroffene ermutigt, über ihre Erlebnisse zu reden und Anzeige gegen den/die Täter zu erstatten. Mit dem #BelieveMedusa soll ausgedrückt werden, wie ungerecht sie und viele andere Opfer von Sexualstraftaten behandelt werden. Es sollte eher den Opfern als den Tätern geglaubt werden.“

Eine dunkle Grafik mit dem Kopf einer modernen Medusa, die in die Kamera blickt, darüber das Hashtag #believeMedusa
Louisa Webers Medusa-Kampagne

Nelly hat in ihrer Geschichte die Beziehung von Athene und Medusa umgedeutet und diese als Freundinnen dargestellt. In dieser Neuerzählung beschützt Athene ihre Freundin Medusa vor Gewalt, statt sie zu bestrafen. Mit der Hilfe von AI hat sie ihre Erzählung durch Darstellungen bebildern lassen. In Nellys Worten „wurde Medusa nicht als Monster erinnert, sondern als eine starke Frau, die gegen ihr Schicksal kämpfte.“

Farbiges Gemälde, auf der zwei sich umarmende Frauen zu sehen sind
Nellys Neudeutung der Beziehung zwischen Athene und Medusa: Athene tröstet Medusa nach ihrer Verwandlung.

Auch Sinin hat sich mit Medusa beschäftigt und diese in einer Zeichnung als wehrhafte Kämpferin, statt als brutales Monster, imaginiert. In seiner Geschichte verleiht Athene Medusa „eine besondere Kraft, welche so stark war, dass sie sich selbst beschützen und verteidigen konnte“.

Schwarz-weiß Zeichnung der Medusa als Kriegerin mit Schwert und Schild in ihren Händen
Sinins Medusa, der von Athene neue Kräfte zum Selbstschutz verliehen wurden

Aryan und Leon haben die Geschichte der Vergewaltigung Medusas durch Poseidon in einem Stop-Motion Film neu erzählt. Die beiden betonen: „Wir wollten Medusa nicht als Opfer oder Ungeheuer darstellen, sondern als starke Frau, die von der Göttin Athene gesegnet wurde (anstatt verflucht) und somit andere auf Kommando versteinern kann.“

Leon und Aryan: Stop Motion Medusa

Amazonen im Kampf für den Feminismus

Rosanna und Lena wählten die Amazonen und gestalteten eine Collage in der die Amazonen als Kämpferinnen für Feminismus in der Gegenwart dargestellt wurden. Die Schülerinnen erklären, dass es im Kampf für den Feminismus noch viel zu tun gibt, aber sich seit der Antike doch einiges geändert hat: „Der Kampf ist also noch nicht vorbei, aber er ist deutlich friedlicher geworden. Trotzdem bleibt die Idee der Amazonen ein Symbol für starke Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen.“
 

Bunte Collage unterschiedlicher Materialien auf der in der Mitte ein großes A prangt, herum können Wörter wie Feminist zu lesen sind
Rosannas und Lenas Amazonen-Collage

Aphrodite ermutigt zu Selbstliebe

Paula und Rayan haben sich in zwei Collagen Aphrodite gewidmet und diese nicht als Göttin der Liebe und Sinnbild für ästhetische Perfektion interpretiert, sondern als Botschafterin für die Selbstliebe und Selbstakzeptanz der eigenen Einzigartigkeit. 

Farbige Collage unterschiedlicher Frauen und Texte
Paulas und Rayans Aphrodite Collagen (Teil 1)

Paula und Rayan schreiben: „Aphrodite ermutigt Menschen, sich selbst mit all ihren Gefühlen, Fehlern, Kurven, Ecken und Kanten anzunehmen. Als Göttin zeigt sie, dass wahre Schönheit nicht aus Perfektion, sondern aus Echtheit und Selbstvertrauen entsteht. Ihre Symbole – wie die Perle oder die Rose – erinnern uns daran, dass jeder Mensch wertvoll ist, unabhängig davon, wie er aussieht oder was andere sagen.“

Viele gezeichnete Aphrodites vor buntem Hintergrund
Paula und Rayans zweite Collage

Europa als Sinnbild für die Europäische Union

Paul und Kenan haben sich den Mythos „Europa und der Stier“ ausgesucht und eine Karikatur zur Beziehung Europas zu den USA zu Beginn des Jahres 2025 geschaffen. Die Schüler erläutern ihre Botschaft: „Die Karikatur symbolisiert den Bruch der Zusammenarbeit der USA mit der Europäischen Union und den Alleingang den die USA mit ihrer Politik im Jahr 2025 einschlägt.“

Teilweise farbige Zeichnung: eine am Boden liegende Frau im blauen Kleid und Hufabdrücken auf dem Kleid, dahinter ein Stier mit USA-Zylinder auf dem Kopf, der von ihr weggeht
Pauls und Kenans „Europa und der Stier“

Artemis kämpft gegen Unterdrückung

Selenay und Fiorella beschäftigten sich mit Artemis und erstellten eine Collage, die sich auf ihre Eigenschaften als Beschützerin der Frauen und Kinder bezieht. In ihr wird Artemis zur modernen Kämpferin gegen sexuelle Gewalt und Unterdrückung, die die Schülerinnen von der Antike bis in die Gegenwart als gesellschaftliches Problem identifiziert haben. Die beiden Schülerinnen erklären: „Diese Themen wie sexuelle Gewalt, Missbrauch und Ungerechtigkeit behandelt die vorliegende Collage. Verwendet wurden dafür vor allem Bilder von weinenden, verletzten und verzweifelten Frauen und Kindern. Schriftzüge und Ausrufe wie ‚no means no‘, ‚are you a man or a monster?’, ‘I was a child’ und ‘I said I’m fucking fine’ dienen dazu das Thema unmissverständlich klar zu machen und fordern den Betrachter zur Reflektion über die wahren Auswirkungen dieser Erfahrungen auf.“

Collage weinender Kinder und Frauen mit Texten wie No means no
Selenays und Fiorellas Artemis-Collage

Florian hat sich auch mit der Göttin Artemis als Göttin des Waldes und der Jagd beschäftigt und diese in einer post-apokalyptischen Welt imaginiert. Er schreibt: „Einst war diese Erde unter ihrem Schutz gestanden. Die Wälder hatten sich unter ihren Füßen geneigt, das Wild hatte auf ihren Ruf gehorcht. Jetzt war nichts mehr heilig. Nicht der Boden, nicht der Himmel, nicht einmal die Jagd. Und doch, sie blieb.“

Grafik einer jungen Jägerin mit Pfeil und Bogen bei Nacht vor einem hell leuchtenden Mond
Florians Artemis

Zum Schluss

Wir danken den Schüler*innen des Walther-Rathenau-Gymnasiums und ihrer Schulleiterin Solveig Knobelsdorf für die tolle Zusammenarbeit. Wenn Sie Lust haben mit Ihrer Klasse das Thema antike Götter und Göttinnen zu bearbeiten, können Sie sich unsere Lernmaterialien anschauen. Für Fragen zum Projekt stehen wir Ihnen unter bildung [at] deutsche-digitale-bibliothek.de zur Verfügung. 

 

In Kooperation mit dem Walther-Rathenau-Gymnasium Berlin und der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz

Die Logos des WRG und der Antikensammlung nebeneinander