Diskretion Ehrensache – (fast) druckfrische Kontaktanzeigen aus dem Zeitungsportal

14.02.2022 Wiebke Hauschildt (Online-Redaktion)

Die erste bekannte Kontaktanzeige erscheint am 19. Juli 1695 in einem Londoner Wochenblatt: „Ein Herr von etwa 30 Jahren mit ansehnlichem Besitz sucht eine junge Dame mit einem Vermögen von ca. 3.000 Pfund.“ Im 17. Jahrhundert war dies eine Sensation, allerdings eine eher anrüchige, war es doch absolut unüblich die Angetraute mittels einer öffentlichen Zeitungsannonce zu suchen. Der Herausgeber des Blattes, John Houghton, musste daraufhin zurückrudern. Bloß ein Scherz sei das Heiratsinserat gewesen, erklärt er seiner Leserschaft. Bis sich die durchsetzt, sollte noch ein Jahrhundert vergehen. Und der Herr mit dem ansehnlichen Besitz? Wurde hoffentlich dennoch fündig.

Unser Zeitungsportal ist seit Oktober 2021 online – 247 historische Zeitungen, über 600.000 Ausgaben und mehr als 4,5 Millionen Zeitungsseiten können aktuell durchsucht werden – und zwar über einen Zeitraum von fast drei Jahrhunderten. Die älteste Kontaktanzeige, die wir im Zeitungsportal gefunden haben, stammt aus dem „Düsseldorfer Volksblatt“ vom Freitag, 6. Juli 1877, die jüngste aus dem New Yorker Nachrichtenblatt vom German-Jewish Club Inc. „Aufbau: an American weekly“ vom Freitag, 29. Dezember 1950. Unser Suchbegriff? „Zwecks Heirat…“

„Heiraths-Gesuch. Ein strebsamer Mann, katholisch, in den 30er Jahren, Besitzer einer Bierbrauerei, Bäckerei und Wirthschaft auf dem Lande, dem eß an Damenbekanntschaft fehlt, sucht eine Lebensgefährtin. Heirathslustige Mädchen mit einigem Vermögen wollen sich unter … wenden. Discretion Ehrensache.“

In den allermeisten Annoncen geht es natürlich um Heirat, aber auch um Aussehen, die Religion und, wie so häufig, um Geld. Vermögensverhältnisse werden schon im Zeitungsgesuch geklärt. Fotos gerne zusenden – anonyme Anfragen? Zwecklos. Diskretion? Ehrensache!

Gesucht wird Ende des 19. Jahrhunderts/Anfang des 20. Jahrhunderts von Menschen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen. Da ist der „Oberkellner, 27 Jahre alt, von angenehmen Äußeren“, der „die Bekanntschaft einer jungen Dame mit Vermögen“ sucht. „Wittwe nicht ausgeschlossen… Diskretion Ehrensache.“ (Dritte Anzeige linke Seite)

Da ist die eher zurückhaltende Annonce einer Frau, die fragt: „Gäbe es einen charaktervollen Mann (Jude), dessen Position es gestattet und dem genehm wäre, einfache und häuslich erzogene Jüdin, hübsch, blond, aus guter Familie, jedoch unverheiratet, bei gegenseitiger Neigung zu heiraten?“ (Zweite Anzeige rechte Seite).

Da ist der eher forsche Ansatz des 36-jährigen Kaufmanns, „evangelisch mit feinem Special-Geschäft in Rheinpreußen“, der sich wünscht, sich „baldigst mit einer sehr reichen, unabhängigen Dame zu verheirathen“ (letzte Anzeige rechte Seite). Und da sind diejenigen, die das große Geschäft wittern: die Heiratsvermittlungen. „Behufs Verehelichung sind bei 1000 Damenanträge vorgemerkt mit Vermögen von 1000 bis Millionen. Aristokratie, Offiziere, Gutsbesitzer, Beamte, Industrielle und Geschäftsleute… wenden sich vertrauensvoll an das seit 16 Jahren bestehende Interventionsbureau Eugen Nagy, Budapest…“.

Zwischen Anzeigen für Tanzstunden, Kronleuchtern, Klavierstimmern und Violinen-Unterricht sucht dieser Herr „zwecks baldiger Heirat mit evangelischem, vermögendem Fräulein, gesetzten Alters und stattlicher Figur, das nach glücklichem Heim strebt“. Er selbst „ist Kaufmann, Ende der 20er Jahre, von angenehmen Äußeren, tadellosem Ruf und ruhigem Charakter, mit größerem Einkommen und über 70 Mille Vermögen.“ Allerdings: „Vermittler verbeten“. Eine Formulierung, die sich immer wieder in den Annoncen findet und darauf hindeutet, dass vielleicht auch schon auf dem damaligen Heiratsmarkt manchmal zwielichtige Geschäfte mit dem Glück getrieben wurden – oder die erfolgreiche Vermittlung schlicht zu teuer war. 

In den 1920er Jahren ändert sich das Vokabular der Annoncen – nun werden auch Größenangaben gemacht, das Wort „Freidenker“ wird häufig verwendet und auch wenn das Vermögen nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, liest man öfter, dass das Materielle nicht ausschlaggebend ist.

„Kameradschaft mit gediegenem Herrn, 45-55, sucht Dame von angenehmen Äußeren, aus gutem Hause, der nicht an materieller Versorgung gelegen ißt, zwecks späterer Heirat“ liest man in der dritten Anzeige auf der linken Seite. In der rechten Spalte sucht ein „Direktor, Freidenker, Selbstinserent, angenehme Erscheinung, 1,72 gr., 40 Jahre, Wertbesitz M. 350 000.-, daraus festes Einkommen ohne Geschäfte monatlich M. 2000.-, wünscht Neigungsehe. … Diskretion Ehrensache.“

Auch in den Kriegsjahren wird viel gesucht. Der Zeitstrahl zeigt die meisten Anzeigen in den Beständen des Zeitungsportals für das Jahr 1943 an: über 1.700 Treffer allein in diesem Jahr.

Was sich nach dem Zweiten Weltkrieg in den Annoncen ändert, ist nicht nur die Schrift (keine Fraktur mehr), sondern auch der völlige Wegfall des Satzes „Diskretion Ehrensache“. Was sich hingegen nicht ändert, ist die Angabe der Vermögensverhältnisse. Während aber in den Anzeigen der 1920er und 1930er Jahre noch konkrete Zahlen genannt wurden, verlegen sich die Heiratssuchenden nach 1945 darauf, ihre finanzielle Unabhängigkeit zu betonen.

In „Aufbau: an American weekly“ sind die Gesuche zum Ende der 1940er und Anfang der 1950er zahlreich und zumindest ein Herr weiß sehr genau, wen er sucht und wen nicht: „If you are a charming woman of fine character, tact and poise, very good-looking, fairly slender, with a warm and open heart, having ideals and interests, loving fine arts, cooperative and well balanced, not over 43 (?) and not under 5.5 ftt., and if you are able to love and want to enjoy a congenial husband, please write fully and with full confidence… I am of fine German-Jewish background, not wealthy but with profession and ambition and I want to get married again.“ (Erste Anzeige oben links) Wir hoffen, dass alle Heiratswilligen bei ihrer Suche erfolgreich waren.

Zum Abschluss eine nicht ganz ernstgemeinte Kontaktanzeige aus den „Blättern für Scherz und Ernst“, die sich des Themas schon 1854 angenommen hatten.

„Heirathsgesuch. Ein junger Mann sucht auf diesem nun nicht mehr ungewöhnlichen Wege eine Lebensgefährtin. Dieselbe muss jung und von außerordentlicher Schönheit sein, und schriftliche Beweise beibringen, dass sie ihr ABC geläufig kann und sich nicht so leicht ein Ä für ein U machen lässt. Unter 2000 Pfund jährlicher Rente thut es der Suchende gar nicht; die doppelte Summe wäre ihm noch einmal so lieb. Der junge Mann kann rauchen, seinen eigenen Kaffe machen und Whist spielen; hat sein Geld, weiß, falls er ganz nüchtern ist, genau zwischen einem Louisdor und einem Vierschillingstück zu unterscheiden. Er sieht sich gezwungen, den Weg der Öffentlichkeit einzuschlagen, nicht weil es ihm an Damenbekanntschaft fehlt – Gott bewahre! er kennt die halbe Stadt – sondern, weil alle diejenigen Damen, um deren Gunst und Hand er sich bewarb, ihm eine Antwort gaben, welche hier mitzutheilen seinem Zwecke nicht entsprechen möchte. Die strengste Verschwiegenheit wird zugesichert. Etwaige Offerten erbittet man unter der Adresse: „Bummler 1ster Klasse.“

Historische Kontaktanzeigen lesen? Alle 38.000 Ergebnisse im Deutschen Zeitungsportal

Quellen

Deutschlandfunk Kultur https://www.deutschlandfunkkultur.de/er-sucht-sie-sie-sucht-ihn-102.html

Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Kontaktanzeige

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