Druck

Diogenes

Die mächtige Gestalt des Philosophen sitzt - raumgreifend in sich gedreht und vom wehenden Mantelbausch hinterfangen - zwischen einem Bücherstapel und seiner Tonne. Rechts ist ein stehendes, gerupftes Huhn zu sehen, eine Anspielung auf die spöttische Antwort des Kynikers an Platon, der den Menschen als federlosen Zweifüßer definiert hatte. Die Figur des Diogenes geht, nach der Beischrift, auf eine verlorene Zeichnung Parmigianinos zurück, die wie der Nachstich Caraglios (Bartsch, Nr. 61) vor dem Sacco di Roma 1527 entstanden sein muß [...]. Die Plünderung Roms durch spanische Truppen zwang Parmigianino und da Carpi, nach Bologna zu fliehen, wo Vasari zufolge der Holzschnitt entstand. Unklar bleibt, ob da Carpi direkt nach einer Vorlage Parmigianinos oder der vor allem im Hintergrund abweichenden Reproduktion Caraglios arbeitete. Mehrere Studien zu dem »Diogenes« haben sich von Parmigianinos wie möglicherweise auch von da Carpis Hand erhalten [...]. Beim Clairobscur dient die schwarz druckende Platte in der Regel dazu, Umrisse und wichtige Binnenmerkmale zu charakterisieren. Man nennt sie, dieser Funktion entsprechend, auch Strich- oder Strukturplatte. Häufig zu findende Einzelabzüge solcher Druckstöcke ähneln dem einfachen Holzschnitt. In unserem Fall jedoch wären nur fleckenhaft isolierte, sinnlose Formen zu sehen. Ugo da Carpi, der um 1516 beim venezianischen Senat um das Privileg für die Erfindung des Clairobscur-Schnitts nachsuchte, das ihm 1518 in Rom vom Papst bestätigt wurde, ist der erste und wohl auch bedeutendste Künstler, der dem Wortsinn des »Chiaroscuro« gerecht wird und das Schwarz als reinen Schattenwert in die malerische Gesamtwirkung einbezieht. Der »Diogenes« gibt das beste Beispiel für dieses Verfahren ab und gilt zudem als da Carpis Meisterwerk. Das Kabinett besitzt zwei weitere Abzüge, die in den Farben variieren. Inv. Nr. 978-301 ist in Schwarz und drei Grüntönen gedruckt, Inv. Nr. 402-38 etwas verschwommen in Schwarz, einem leimfarbenen Gelbton, Ocker und Lindgrün; auf dem letzten Blatt ist mit roter Kreide von älterer Hand der Titel »ECCE HOMINEM PLATONICUM« notiert. Text: Hein-Th. Schulze Altcappenberg in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 260-262, Kat. V.20 (mit weiterer Literatur)

Material/Technik
Clairobscur-Holzschnitt
Maße
Blattmaß: 48,0 x 35,1 cm
Standort
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
Inventarnummer
401-38

Klassifikation
Druckgraphik

Ereignis
Herstellung
(wer)
(wann)
um 1527/1530
Ereignis
Aktivität

Rechteinformation
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
Letzte Aktualisierung
03.03.2023, 08:33 MEZ

Objekttyp


  • Druck

Entstanden


  • um 1527/1530

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