Bestand
Bucher, Ewald (Bestand)
Geschichte des Bestandsbildners:
Jurist, Abgeordneter, Bundesminister; 1941 Promotion, nach dem Krieg
Rechtsanwalt, 1950 Eintritt in die DVP/FDP, 1953 Mitglied des
Bundestages (FDP), 1962 Bundesminister der Justiz, 1965 Bundesminister
für Wohnungswesen und Städtebau, nach 1966 Tätigkeit in der
Wirtschaft, 1972 Austritt aus der FDP
Biographische Angaben
fr. Bundesminister
für Wohnungswesen und Städtebau; Dr. jur.
Ewald
Bucher, kath., wurde am 19. Juli 1914 in Rottenburg/Neckar geboren. Er
besuchte von 1924-1929 das Progymnasium in Rottenburg und von
1929-1933 das Realgymnasium in Schwäbisch-Gmünd.
Bucher studierte von 1933-1937 Rechtswissenschaft in Tübingen und
München, diente dazwischen 1934 und bestand 1937 die erste juristische
Staatsprüfung. Von 1938-1941 war er Gerichtsreferendar in
Schwäbisch-Gmünd und München. 1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen
und machte den Frankreichfeldzug mit. Danach erhielt er zum Abschluss
seiner Berufsausbildung Arbeitsurlaub. 1941 bestand er die große
juristische Staatsprüfung in München und promovierte dort bei dem
Rechtshistoriker Claudius von Schwerin mit summa cum laude über „Die
Juristen in der Frankfurter Nationalversammlung". Von 1941 - 1943 war
er Regierungsassessor in Regensburg, von 1943-1945 wieder Soldat,
zuletzt Leutnant und Batterieführer bei der leichten Artillerie. Er
hat den Stellungskrieg am Ladogasee und den Rückzug an der Ostfront
mitgemacht.
Nach Rückkehr aus amerikanischer
Gefangenschaft ließ er sich 1945 als Rechtsanwalt in Schwäbisch-Gmünd
nieder. Die Entnazifizierung trug ihm 18 Monate Berufsverbot ein, weil
er in seiner Jugend Träger des Goldenen HJ-Abzeichens und Mitglied der
NSDAP gewesen war. 1951 wurde er Geschäftsführer des Landesverbandes
der württembergischen Gewerbe- und Handelsvereine.
1950 trat Bucher in die DVP/FDP ein und wurde 1952
Kreisvorsitzender in Schwäbisch-Gmünd. Seit 1953 sitzt Bucher im
Bundestag, wo er 1953 seine Jungfernrede gegen die
Konsumgenossenschaften hielt. Er hat seither zu zahlreichen
Mittelstandsfragen sowie zu Justiz- und Wehrfragen Stellung genommen.
Seit 1956 war er Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Freien
Demokraten als Nachfolger von Dr. Mende und seit 1957 Mitglied des
Bundesvorstandes der FDP. Seit 1957 war er auch stellvertretender
Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag, dem er im 4.
Bundestag wieder angehörte.
Am 11. Dez. 1962
wurde Bucher nach der „Spiegelaffäre" an Stelle von Wolfgang
Stammberger trotz heftigem Widerstand aus CDU-Kreisen neuer
Justizminister im 5. Kabinett Adenauer. Die Regelung der
Hinterlassenschaft aus der erwähnten „Spiegelaffäre" gehörte zu seinen
vordringlichsten Aufgaben. Im Jan. 1963 sprach sich Bucher für eine
Abänderung des Landesverrats-Paragraphen aus, im März 1963 trat er für
Meinungs- und Pressefreiheit ein und wertete diese Freiheiten als
höherstehende Rechtsnorm als den Staatsschutz. Im gleichen Monat legte
er den Entwurf der Großen Strafrechtsreform vor und befürwortete im
Juli 1963 das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten. Im Dez. 1963
legte er dem Bundestag Gesetzentwürfe für ein neues Urheberrecht vor,
das auch verabschiedet worden ist.
Ein
telefonisches Interview Buchers mit der „Berliner Morgenpost" im
Januar 1964 löste bei Politikern aller Parteien in Bonn eine
regelrechte Protestwelle aus. Als man ihm (im Zusammenhang mit den
Passierschein-Gesprächen) den Plan vortrug, Pankow eine Garantie zu
geben, dass Ost-Berliner-Besuchern des westlichen Berlins die
Möglichkeit der Ausreise nach der Bundesrepublik versperrt werde,
hielt Bucher ihn für erwägenswert. Man warf ihm darauf vor, dass eine
solche Regelung gegen das im Grundgesetz verankerte Prinzip der
Freizügigkeit verstoßen würde, worauf Bucher seine ursprünglichen
Erklärungen einschränkte. Im weiteren Verlauf des Jahres 1964 unterlag
Bucher als Kandidat der FDP bei den Wahlen für die
Bundespräsidentenschaft dem CDU-Kandidaten Heinrich Lübke.
Am 25. März 1965 trat Bucher wegen seiner ablehnenden
Haltung in der Frage der Verlängerung der Verjährungsfrist für
NS-Verbrechen als Justizminister zurück. Der Rücktritt löste im
Zusammenhang mit der stark umstrittenen Entscheidung des Bundestages,
die Verjährungsfrist um fünf Jahre zu verlängern, eine heftige Polemik
in der deutschen Presse aus. Bucher vertrat den Standpunkt, der Staat
dürfe auch in diesem außergewöhnlichen Falle das Recht nicht
nachträglich manipulieren. Das Justizministerium übernahm bis zum Ende
der Legislaturperiode Dr. Karl Weber (CDU). Im zweiten Kabinett Erhard
vom 26. Okt. 1965 wurde es von Dr. Richard Jaeger (CSU)
verwaltet.
Bucher selbst übernahm im 2.
Kabinett Erhard das Ministerium für Wohnungswesen und Städtebau. Am
27. Okt. 1966 brach infolge des Rücktritts der FDP-Minister, darunter
auch Bucher, die Regierungskoalition zwischen CDU/CSU und FDP
auseinander als Folge von Meinungsverschiedenheiten über den Ausgleich
des Bundeshaushaltes 1967. Die Folge davon war der Sturz Erhards und
die Große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD unter Leitung Kiesingers.
Bucher ging in die Wirtschaft und ist seither Generalbevollmächtigter
der Firma Dr. Koope & Co KG in Mainz. Aus seinen Erfahrungen als
Ressortchef heraus wählte man ihn zum Vorsitzenden des Kuratoriums des
Instituts für Städtebau, Wohnungswirtschaft und Bausparwesen
(Arnold-Knoblauch-Institut) in Bonn, ferner des Verbandsrates des
Deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung e.V.
in Köln.
In der praktischen Politik trat Bucher
zunehmend in den Hintergrund, wobei deutlich wurde, dass er dem Kurs
des neuen Parteivorsitzenden Scheel in Richtung auf eine
sozialliberale Koalition, wie sie dann 1969 zustande kam, nicht recht
folgen wollte. Dem 6. Bundestag gehörte er nicht mehr an. Unmittelbar
nach der für SPD und FDP so erfolgreichen Wahl zum 7. Bundestag am 19.
Nov. 1972 erklärte Bucher seinen Austritt aus der FDP wegen ihrer so
eindeutigen Festlegung auf die SPD, die Bucher für zu starr hält. Er
hatte mit diesem Schritt absichtlich zugewartet, bis die Wahlen
vorüber waren, um seinen Entschluss, den er rein privat verstanden
wissen will, keine politische Absicht zu unterlegen.
Bucher ist mit Ruth, geb. Haas, verheiratet und hat einen Sohn.
Bucher wandert gern und treibt Musik (Klavier, Flöte). Er interessiert
sich für Lyrik und sammelt Weinetiketten.
Bestandsbeschreibung: Unterlagen
aus der Tätigkeit als Bundesminister und Mitglied des Bundestages
1962-1966, Korrespondenz als Mitglied der Hilfsgemeinschaft "Freiheit
für Rudolf Heß" e.V.
Inhaltliche Charakterisierung:
Dr. Bucher hat im Jahre 1974 Papiere im Bundesarchiv hinterlegt (vgl.
Vertrag in der Dienstakte 4211). Es handelt sich ganz überwiegend um
Akten aus der Zeit als Bundesminister der Justiz und Bundesminister
für Wohnungswesen und Städtebau, die in den jeweiligen Ministerbüros
geführt worden sind. Sie werden ergänzt um eine kleine Überlieferung
als Mitglied des Bundestags.
Im Jahre 1992
überließ Frau Buchner einen weiteren Nachlassteil dem Bundesarchiv
(vgl. Vertrag in der Dienstakte), er wurde unter den Nrn. 55 - 72
verzeichnet; die im Vermerk von Dr. Ritter vom 08.04.1992
angesprochene Autographensammlung verblieb im Besitz von Frau
Bucher.
Koblenz, 1993
Elisabeth Kinder
Zugang 2005
Im Juli 2005 überließ Frau Ruth M. Bucher dem
Bundesarchiv eine „Autographensammlung" ihres Mannes (Bde.
73-76).
Koblenz, 2005
Gregor Pickro
Zitierweise: BArch N
1087/...
- Reference number of holding
-
Bundesarchiv, BArch N 1087
- Extent
-
76 Aufbewahrungseinheiten; 2,7 laufende Meter
- Language of the material
-
deutsch
- Context
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Nachlässe und Sammlungen >> Nachlässe >> B
- Provenance
-
Bucher, Ewald, 1914-1991
- Date of creation of holding
-
1962 - 1989
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
16.01.2024, 8:43 AM CET
Data provider
Bundesarchiv. If you have any questions about the object, please contact the data provider.
Object type
- Bestand
Associated
- Bucher, Ewald, 1914-1991
Time of origin
- 1962 - 1989