Zeichnung

Arm- und Gewandstudien

Über das Blatt verteilt nimmt man Arm- und Gewandstudien wahr, die zu verschiedenen Figuren gehören: in Leserichtung zunächst eine Schulterpartie, mit Augenmerk auf die Armhaltung und die dadurch bedingte Fältelung des Stoffes; daneben einen ähnlichen, reduzierten Ausschnitt, nun mit ausgestrecktem Arm; darüber und auf der rechten unteren Blatthälfte mehrfache Wiederholungen des entsprechenden Details der Draperie an Schulter und Armbeuge. Rechts oben schließlich zeichnete Maratti Frauenarme in einem Tragegestus und repetierte Gewandstudien, die möglicherweise die Arm- oder Kniebeuge einer Gestalt wiedergeben. Die zarten, mit gleichmäßigem Druck aufgetragenen Rötelschraffen lassen auf eine Entstehung in der ersten Hälfte der 1650er Jahre schließen, als Maratti sich von dem stilistischen Einfluß seines Lehrers Andrea Sacchi befreite. Aufgrund der offensichtlich schon sehr weit fortgeschrittenen Suche nach Lösungen für bildnerische Detailprobleme ist zu vermuten, daß die Zeichnung zu den Vorarbeiten für einen konkreten Auftrag zählt. Zuordnungsversuche zu bekannten Kompositionen - so zur »Heimsuchung« von 1656 oder zum Wettbewerb um das große Fresko »Joseph und seine Brüder« für die Galerie des Quirinalspalastes 1657 - brachten bisher aber kein befriedigendes Ergebnis. Die »Gewandstudie« ist ein besonderer Zeichnungstyp, dessen Ursprung auf die norditalienische und florentinische Renaissance zurückgeht. Mit steigender Wertschätzung der auf Wirkung bedachten, äußeren Effekte kam ihr im Seicento erneut eine wichtige Funktion, ja sogar eine Vorrangstellung zu, die auch kunsttheoretisch untermauert wurde. Maratti selbst soll nach Angaben seines Biographen Bellori auf die Frage, welche Aufgabe in der Malerei am schwierigsten sei: die nackte Gestalt oder die Bekleidung?, geantwortet haben: »Die Draperie [...]. Die nackte Gestalt als Aufgabe der Kunst kann ganz auf das Vorbild der Natur zurückgreifen; die Gewänder dagegen haben keine natürliche Form, sie sind ganz abhängig von der Kunst und von dem Vermögen der Zeichnung, sie auch als solche zu begreifen und zu erschaffen« (Bellori [Vite di Guido Reni, Andrea Sacchi e Carlo Maratti, Rom] 1942, S.119). Text: Hein-Th. Schulze Altcappenberg in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 287-288, Kat. V.50 (mit weiterer Literatur)

Urheber*in: Maratti, Carlo / Fotograf*in: Jörg P. Anders / Rechtewahrnehmung: Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin

Namensnennung - Nicht kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland

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Standort
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin
Inventarnummer
KdZ 16419
Maße
Blattmaß: 27,5 x 41,2 cm
Material/Technik
Rötel, weiß gehöht, auf bräunlichem Papier

Klassifikation
Zeichenkunst

Ereignis
Herstellung
(wer)
(wo)
Entstehungsort stilistisch: Rom
(wann)
um 1650/1655

Rechteinformation
Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin
Letzte Aktualisierung
07.04.2025, 07:53 MESZ

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Objekttyp

  • Zeichnung

Beteiligte

Entstanden

  • um 1650/1655

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