Bestand
INTERFLUG GmbH (Bestand)
Bestandsbeschreibung:
Vorbemerkung
Anfänge der Zivilen Luftfahrt in der
DDR [1]
Nach der Kapitulation Deutschlands im Jahr
1945 kam jeglicher deutscher Flugverkehr zum Erliegen.
Die Proklamation Nr. 2 vom 20.09.1945 des Alliierten Kontrollrates
untersagte der deutschen Bevölkerung die Wiederaufnahme des Luftverkehrs,
die Herstellung, den Besitz, die Unterhaltung und den Betrieb von
Flugzeugen.
In der Sowjetischen Besatzungszone
fand eine Wiederbelebung des Luftverkehrs anlässlich der Leipziger
Herbstmesse auf dem Flughafen Leipzig-Mockau durch die Sowjetische
Militäradministration Deutschlands (SMAD) statt.
Auch nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik am
07.10.1949 lag die Lufthoheit weiterhin beim Sowjetischen Hohen
Kommissar.
Ab dem Jahr 1954 gab es erste
Bestrebungen nach dem Aufbau einer eigenen zivilen Luftfahrt durch das
Staatssekretariat für Kraftverkehr und Straßenwesen.
Nachdem die UdSSR der Regierung der DDR weitreichende
Souveränitätsrechte übertrug, kam es im März 1955 zu konkreten
Verhandlungen.
So konnte am 01.05.1955 offiziell
die Deutsche Lufthansa der DDR als nationale Fluggesellschaft unter
Leitung von Arthur Pieck gegründet werden [2].
Im
Juli 1955 fand die Eintragung beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen
statt..
Die Namenswahl sorgte von Anfang an für
Probleme, da auch in der Bundesrepublik bereits im Jahr 1954 die
Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf in Deutsche Lufthansa AG
umbenannt wurde.
Durch die Nutzung des gleichen
Namens und Warenzeichens kam es zum Rechtsstreit beider
Fluggesellschaften, welcher im Jahr 1963 damit endete, dass nach einem
Prozess der Namensstreit außergerichtlich beendet wurde. Die Deutsche
Lufthansa der DDR wurde zum 31.08.1963 liquidiert .
Im Laufe des Jahres 1955 wurden Luftverkehrsabkommen mit den
sozialistischen Staaten Bulgarien, Polen, Rumänien, der Tschechoslowakei
und Ungarn getroffen. Ebenso fand ein Betritt zu internationalen
Vereinbarungen zum Luftverkehr statt.
Im Jahr 1956
eröffnete die erste Inlandfluglinie der DDR zum Messeflugverkehr
Leipzig.
Ab 1957 wurden die Inlandflughäfen Barth,
Berlin, Dresden, Erfurt, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) und Leipzig
regelmäßig angeflogen [3].
Interflug Gesellschaft
für Internationalen Flugverkehr mbH
Zusammenfassung der Entwicklung der Interflug
Am 18. September 1958 wurde die offizielle Gründung der Interflug
Gesellschaft für Internationalen Flugverkehr mbH als zentralstaatlich
geleitetes Luftverkehrsunternehmen der DDR vollzogen und war dem
Ministerium für Verkehrswesen (DM 1) direkt unterstellt.
Sitz der Interflug GmbH war der Zentralflughafen
Berlin-Schönefeld.
Während der Linienverkehr in
der DDR weiterhin in den Aufgabenbereich der Deutschen Lufthansa der DDR
fiel, sollte mit der Interflug der Charterverkehr vor allem im westliche
Ausland ausgebaut werden.
Dieses nunmehr zweite
Luftfahrtunternehmen der DDR diente somit vorrangig dem Zweck, im
internationalen Luftverkehr Verwechslungen und Auseinandersetzungen mit
der in der BRD gegründeten Deutschen Lufthansa AG zu vermeiden.
Im Jahr 1963 erhielt die Interflug nach der Liquidation
der Deutschen Lufthansa DDR den Status als einziges Luftfahrtunternehmen
der DDR.
Alle bis dato von der Deutschen Lufthansa
der DDR wahrgenommenen Aufgaben wurden von der Interflug GmbH
weitergeführt und der Name „Deutsche Lufthansa" im Register der
volkseigenen Wirtschaft gelöscht [4].
In den
Folgejahren fand ein kontinuierlicher Ausbau mit steigenden
Fluggastzahlen des Unternehmens statt.
Alle
eingesetzten Flugzeuge der Interflug wurden in Russland, Polen oder der
Tschechoslowakei hergestellt. Erst im Jahr 1989 konnten drei Flugzeuge
des Typs Airbus zum Bestand gezählt werden, eine Folge von Verzögerungen
bei Auslieferung modernerer Flugzeuge aus der UdSSR.
Nach der Öffnung der innerdeutschen Grenzen im November 1989
gründete sich eine Kommission, welche die Zusammenarbeit mit der
Deutschen Lufthansa AG fokussierte.
Im darauf
folgendem Jahr sollte eine Entflechtung des Unternehmens stattfinden.
Vorgesehen war eine Verteilung der Anteile von 51 % für den Staat, 26 %
für die Deutschen Lufthansa AG und 23 % für andere Partner [5].
Die Deutsche Lufthansa AG meldete beim Bundeskartellamt
im Mai 1990 den Erwerb einer Beteiligung an der Interflug an [6].
Das Bundeskartellamt untersagte jedoch die Beteiligung
der Deutschen Lufthansa AG an der Interflug GmbH mit der Begründung, dass
durch einen möglichen Zusammenschluss andere Luftverkehrsunternehmen
benachteiligt werden könnten [7].
Die Interflug
ging mit der Wiedervereinigung am 03. Oktober 1990 in den Besitz des
Bundes über. Eine treuhänderische Übernahme wurde vorgeschlagen
[8].
Am 07. Februar 1991 entschied sich die
Treuhandanstalt für die Liquidation der Interflug GmbH und gab am 08.
Februar 1991 diesen Beschluss bekannt.
Der
Rechtsanwalt Dr. Jobst Wellensiek wurde als Liquidator der Interflug GmbH
eingesetzt.
Der letzte offizielle Linienflug fand
am 30. April 1991 auf der Fluglinie
Berlin-Schönefeld-Wien-Berlin-Schönefeld statt.
Organisation und Struktur der Interflug GmbH
Strukturell gliederte sich die Interflug in Abteilungen sowie in die
Teilbetriebe [9]:
Betrieb Flughäfen
Betrieb Verkehrsflug
Betrieb
Flugsicherung
Betrieb Agrarflug
Betrieb Bildflug bzw. Spezialflug später Fernerkundungs-, Industrie-
und Forschungsflug
Im Jahr 1965 fand zunächst die
Bildung der Betriebsteile Flughäfen, Verkehrsflug und Wirtschaftsflug
statt.
Die Zuordnung des Betriebsteiles
Flugsicherung erfolgte 1972 durch den Minister für Verkehrswesen. Vorher
war diese eine Abteilung der 1961 entstandenen Hauptverwaltung der
Zivilen Luftfahrt des Ministeriums für Verkehrswesen.
Der Betriebsteil Agrarflug mit dem Bereich Spezialflug ging im Jahr
1972 aus dem Wirtschaftsflug hervor. Im Jahr 1975 löste sich der Bereich
Spezialflug als eigener Teilbetrieb vom Agrarflug. Im Jahr 1978 erfolgte
wiederum eine Umbildung des Spezialfluges in den Teilbetrieb Bildflug.
Dieser erhielt im Jahr 1984 den Namen Fernerkundungs-, Industrie- und
Forschungsflug (FIF).
An der Spitze der Interflug
stand die Generaldirektion unter Leitung eines Direktors.
Die Generaldirektoren waren [10]:
1958-1961 Arthur Pieck (Hauptdirektor Deutsche Lufthansa DDR, ab
1958 der Interflug)
1961-1970 Karl Heiland (1.
Generaldirektor der Interflug)
1970-1978 Kurt
Dietrich
1978-1990 Dr. Klaus Henkes
Der Generaldirektor fungierte ab 1978 zugleich als
Stellvertreter des Ministers für Verkehrswesen für den Bereich Zivile
Luftfahrt.
Bestandsgeschichte
Mit Beginn der Liquidation der Interflug im Jahr 1991 bemühte sich
das Bundesarchiv um eine Übernahme der Unterlagen des staatlichen
Luftfahrtunternehmens der DDR, jedoch ohne Erfolg.
Erst im Jahre 1995 wurde die Verantwortung für die Archivierung des
Schriftgutes von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte
Sonderaufgaben (BvS) an die Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH
übertragen.
Nach erneuter Interessenbekundung des
Bundesarchivs erfolgten Übergaben in den Jahren bis 2011.
Archivische Bearbeitung
Die
Unterlagen gelangten überwiegend mit Ablieferungsverzeichnissen in das
Bundesarchiv.
Das Findmittel unterlag 2011 der
Retrokonversion und Umsetzung in die Bundesarchiv-Datenbank. Der Bestand
wurde vorläufig zugänglich gemacht.
Die ersten
Schritte der archivischen Bearbeitung galten der Erstellung einer
Klassifikation.
Diese wurde nach der ersten
Onlinestellung des vorläufigen Findbuches weiter bearbeitet und anhand
der Organisationsstruktur der Interflug bzw. der Deutschen Lufthansa der
DDR weiter untergliedert.
Es erfolgte die
Überprüfung und Korrektur der Verzeichnungsangaben, Enthält-Vermerke und
Laufzeiten wurden ergänzt.
Neben den bereits
formierten Akten war der Zustand einiger Verzeichnungseinheiten eher als
ungeordnet, umfangreich und in Form einer losen Blattsammlung zu
betrachten.
Diese Verzeichnungseinheiten erwiesen
sich als körperlich zu umfangreich, so dass diese neu formiert sowie neu
signiert wurden. Hierzu erfolgte außerdem die Erstellung einer
Konkordanzliste.
Der ursprüngliche Bestand wurde
des Weiteren durch die Erschließung von rund 3 laufenden Metern
unverzeichneter Unterlagen ergänzt und ist nun mithilfe dieses Findbuches
recherchierbar und für die Forschung zugänglich.
Anmerkungen
[1] Vogel, Elke: Von der
Deutschen Lufthansa der DDR zur Interflug GmbH. Die Anfänge der zivilen
Luftfahrt in der DDR. In: Mitteilungen aus dem Bundesarchiv, Koblenz
1.2011, S. 56-60.
[2] BArch, DM 104/143.
[3] BArch, DM 1/3661.
[4] BArch,
DM 1/12928 und BArch DM 104/143
[5] Erfurth,
Helmuth: Interflug: das Buch der DDR-Luftfahrt, GeraMond, München 2009,
S. 120.
[6] BArch, DM 104/2360.
[7] Ebd.
[8] Ebd.
[9]
Seifert, Karl-Dieter: Weg und Absturz der Interflug : die Geschichte des
Unternehmens, S. 189 ff.
[10] Biographische
Datenbanken der Bundesstiftung Aufarbeitung, Online abrufbar unter:
http://stiftung-aufarbeitung.de (letzter Zugriff: 12.12.2012).
Inhaltliche Charakterisierung: Der
Bestand beinhaltet in erster Linie das Schriftgut der INTERFLUG GmbH von
der Gründung im Jahr 1958 bis zum Abschluss der Liquidationsphase.
Der Klassifikationspunkt Leitung und Organisation
enthält vor allem Dokumente zum Grundsatz der Unternehmensorganisation
sowie der Generaldirektion mit den Protokollen der Direktionssitzungen
und zu rechtlichen Angelegenheiten inklusive der Liquidationsphase.
Des Weiteren weist der Bestand die Klassifikationspunkte
Internationale Angelegenheiten mit der Mitwirkung der Interflug in
internationalen Organisationen wie SITA, ICAA und den Gremien des RGW
auf.
Unterlagen zur Planung und Finanzierung geben
Auskunft zu den wirtschaftlichen Voraussetzungen innerhalb der Interflug
GmbH, zum Investitionsgeschehen sowie zur Valutaplanung. Für die letzten
Jahre des Bestehens der Interflug GmbH wird die Hinwendung zur
Kommerzialisierung einschließlich der Marktforschung deutlich, um sich
gegen die Konkurrenz zu behaupten.
Unter dem
Klassifikationspunkt Teilbetriebe sind die Betriebe Agrarflug,
Verkehrsflug, Flughäfen, Bildflug/ Spezialflug bzw. Fernerkundungs-,
Industrie- und Forschungsflug (FIF) sowie dem Betrieb Flugsicherung sind
enthalten. Diese untergliedern sich weiter in die jeweiligen
Betriebsteile.
Teilweise sehr detaillierte
Beschreibungen in den Unterlagen lassen Forschungen zum jeweiligen
Flugbetriebsgeschehen und der technischen Ausstattung der Teilbetriebe
zu.
Hervorzuheben ist außerdem, dass der Bestand
Dokumente zum Betrieb und zum Ausbau des Zentralflughafens
Berlin-Schönefeld sowie zu den Flughäfen Leipzig, Dresden und Erfurt
aufweist.
Die technische Dokumentation von
Luftfahrzeugen ist ebenfalls im Bestand überliefert.
In dem Klassifikationspunkt Luftfahrzeuge treten getrennt nach
Verkehrsflug bzw. Agrarflug/Bildflug und Fernerkundungs-, Industrie und
Forschungsflug die in den Betriebsteilen eingesetzten Flugzeuge und
Hubschrauber in Erscheinung.
Im Bestand vorhandene
Vertrauliche Dienstsachen wurden dem jeweiligen Klassifikationspunkten
zugeordnet und treten nicht separat in Erscheinung.
Ergänzt wird der Bestand der INTERFLUG GmbH durch das Schriftgut des
1955 in der DDR gegründeten Luftfahrtunternehmens Deutsche Lufthansa,
welche im Jahr 1963 liquidiert wurde und dessen Rechtsnachfolger die
INTERFLUG GmbH wurde.
Hier tritt vor allem der
Klassifikationspunkt Generaldirektion mit den ersten Direktionssitzungen
von 1955 in den Vordergrund. Darüber hinaus enthält das Schriftgut der
Deutschen Lufthansa der DDR Dokumente zur Unternehmensorganisation,
Planung, sowie Dokumente des Direktors Verkehr.
Im
Ganzen betrachtet spiegelt der Bestand DM 104 mit den vorhanden
Dokumenten die Entstehung und Entwicklung der Zivilen Luftfahrt in der
DDR wider und bildet somit eine wichtige Ergänzung zum Bestand DM 1
(Teilfindbuch Zivile Luftfahrt).
Die Akten sind zu
bestellen und zu zitieren unter Angabe der Bestandsbezeichnung (DM 104)
und der Signatur.
Die Quellenangabe lautet in
Langform z. B. bei Bestellung der Verzeichnungseinheit Nr. 1:
Bundesarchiv DM 104 (INTERFLUG GmbH) / 1 und in Kurzform: BArch, DM 104/
1.
Zitierweise: BArch DM
104/...
- Reference number of holding
-
Bundesarchiv, BArch DM 104
- Extent
-
2870 Aufbewahrungseinheiten; 153,1 laufende Meter
- Language of the material
-
deutsch
- Context
-
Bundesarchiv (Archivtektonik) >> Deutsche Demokratische Republik mit sowjetischer Besatzungszone (1945-1990) >> Verkehr, Post- und Fernmeldewesen
- Related materials
-
Verwandtes Archivgut im Bundesarchiv: Die wichtigste Ergänzung stellt der Teilbestand Zivile Luftfahrt der DDR im Bestand DM 1 (Ministerium für Verkehrswesen) dar.
Literatur: Seifert, Karl-Dieter: Weg und Absturz der Interflug: die Geschichte des Unternehmens. VDM Heinz Nickel, Zweibrücken 2008.
Erfurth, Helmut: Interflug: das Buch der DDR-Luftfahrt. GeraMond, München 2009.
Vogel, Elke: Von der Deutschen Lufthansa der DDR zur Interflug GmbH. Die Anfänge der zivilen Luftfahrt in der DDR. In: Mitteilungen aus dem Bundesarchiv, Koblenz 1.2011, S. 56-60.
Lehweß-Litzmann, Jörn: Die Gründer der DDR-Luftfahrt, Berlin, 2010.
Breiler, Klaus: Vom Fliegen und Landen. Zur Geschichte der ostdeutschen Luftfahrt, Leipzig 2012.
- Provenance
-
INTERFLUG Gesellschaft für internationalen Flugverkehr mbH Berlin (INTERFLUG GmbH), 1955-2000
- Date of creation of holding
-
(1953 - 1957) 1958 - 1991 (1991 - 2000)
- Other object pages
- Online-Beständeübersicht im Angebot des Archivs
- Last update
-
16.01.2024, 8:43 AM CET
Data provider
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Object type
- Bestand
Associated
- INTERFLUG Gesellschaft für internationalen Flugverkehr mbH Berlin (INTERFLUG GmbH), 1955-2000
Time of origin
- (1953 - 1957) 1958 - 1991 (1991 - 2000)