Bestand
Sachthematische Materialsammlungen: Fischer, Joachim (Bestand)
Enthält: Sammlung des Joachim
Fischer, Archivoberrat am Stadtarchiv Frankfurt/Main, zur Geschichte
der Hanauer Soldaten in Nordamerika während des Amerikanischen
Unabhängigkeitskrieges
Aufsatz: Rund 2400
hessisch-hanauische Soldaten wurden im Zeitraum von 1776 bis 1783
gegen die nach Unabhängigkeit von England strebenden Rebellen der 13
amerikanischen Kolonien eingesetzt. Von ihnen desertierte jeder zweite
Soldat, jeder dritte kam zurück und jeder vierte blieb in Amerika.
Insgesamt kamen 1441 Soldaten nach Hanau zurück. Der Frankfurter
Archivar Dr. Joachim Fischer hatte sich in einer jahrzehntelangen
Forschungsarbeit insbesondere mit der Geschichte des
hessen-hanauischen Infanterie-Regiments ,,Erbprinz' beschäftigt. Dem
Regiment zur Seite gestellt war die hessen-hanauische
Artillerie-Kompanie Paeusch. Ein weiteres Truppenkontingent, die
hessisch-hanauischen Jäger, traf erst 1777 in Kanada ein und war somit
zu spät, uni sich noch der Armee von General John Burgoyne
anzuschließen. Nach Burgoynes Kapitulation bei Saratoga sicherte es
die von englischen Truppen entblößte kanadische Grenze. 1780 wurde in
Gestalt des hessen-hanauischen Freikorps noch eine weitere
militärische Einheit aufgestellt, die dann zwischen 1781 und 1783 in
der Gegend von New York zum Einsatz kam.
Das Regiment
,,Erbprinz' war 1776 nach Kanada verschifft worden. Es nahm u.a. im
Sommer 1777 an Burgoynes Offensive teil und geriet bei Saratoga in
amerikanische Kriegsgefangenschaft. Fischer schlug daher die
Überschrift .,Saratoga - Geschichte der hessen-hanauischen Infanterie
und Artillerie in der Amerikanischen Revolution' als möglichen Titel
einer Veröffentlichung vor Die gefangenen hessisch-hanauischen
Soldaten wurden im Winter 1778/79 von Boston nach Charlottesville
verlegt. Ihrer Marschroute folgte Fischer auf seiner dritten und
letzten Amerikareise im Jahr 1973, was ihn seinerzeit zur Behauptung
veranlasste, überall dort gewesen zu sein, wo ,,seine Soldaten' im
Zeitraum von 1776 bis 1783 in den USA und Kanada gewesen waren. In den
amerikanischen Südstaaten verbrachten sie dann Jahre in
Gefangenschaft. Gleichzeitig wurde das Regiment in Kanada neu
aufgestellt. 1783 kehrten die Truppen dann nach Hanau zurück. Dort
wand man ihnen, wie Fischer schrieb, jedoch keine Kränze. Die Mehrzahl
der Soldaten bestand nun aus Veteranen, die die Welt gesehen hauen und
die in der Regel noch zwei Jahre zu dienen hatten, was zu Desertionen
führte. Dem Unmut begegnete der Fürst Wilhelm IX. rasch, indem er das
Regiment acht Tage nach seiner Rückkehr auflöste. Offiziere und
Mannschaften wurden versetzt und die Lücken mit Neuzugängen aufgefüllt
Nach ihrer ehrenvollen Verabschiedung emigrierten manche heimlich nach
Amerika, andere wurden Dorfschulze oder Physikus in einem Dorf am
Vogelsberg, um dann vielleicht noch im hohen Alter, nach 1830,
Staatspensionär zu werden.
Begonnen hatte das
Forschungsprojekt 'Geschichte der Hanauischen Truppen im
Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg' im Herbst 1961 bzw. Mitte 1962,
als zwischen Joachim Fischer und der Historischen Kommission für
Hessen und Waldeck wiederholt das Vorhaben diskutiert wurde, eine
zweibändige Monographie über das Infanterie-Regiment Erbprinz und die
Artillerie-Kompanie Paeusch zu erstellen. Die Monographie sollte aus
einem Textband und einem weiteten Band mit Namen und Stichwörtern zu
ungefähr 1.200 Kriegsteilnehmern bestehen. Grundlage waren Fischers
Forschungen zur Thematik, die er bereits seit mehreren Jahren als
persönliches Steckenpferd neben seinen beruflichen Verpflichtungen als
Archivar im Frankfurter Stadtarchiv betrieben haue. Fischer ermittelte
im Laufe seiner umfangreichen, drei Jahrzehnte überspannenden
Forschungsarbeit in Deutschland, England und den USA nicht nur die
Namen der Soldaten, sondern es gelang ihm auch, eine Vielzahl von
biographischen Informationen zusammenzutragen. Zu ihnen zählten u.a.
die Familien- und Vermögensverhältnisse der Soldaten, ihre erlernten
zivilen Berufe, die Stationen ihrer militärischen Laufbahn sowie ihr
Werdegang nach dem Krieg. Vermerkt sind u.a. das Datum der Überfahrt,
Kompanie. Beförderungen, Versetzungen, Verwundungen, Krankheiten, Tod
oder Flucht während der Gefangenschaft, Dienstzeit, Desertion und die
daraus resultierende Vermögenskonfiskation durch den Landgrafen, gegen
welch dann die Angehörigen z.T. Einspruch erhoben.
Aufgrund
der von Fischer erschlossenen Materialfülle und inner wieder neu
auftauchender Funde kombiniert mit der Tatsache, dass er nur während
seiner Freizeit und in den Urlaubswochen zur Thematik forschen konnte
sowie verschiedenen durch Krankheiten verursachten Unterbrechungen zog
sich das Projekt bis in die 1990er Jahre hin. Es kam dann schließlich
wegen seines sich verschlechternden Gesundheitszustands vollends zum
Erliegen. Nach Fischers Tod übergab seine Witwe im Jahr 2004 die
umfangreichen Forschungsunterlagen der Historischen Kommission für
Hessen. Fischer hatte akribisch recherchiert, so dass der inzwischen
vom Hessischen Staatsarchiv Marburg übernommene Bestand aus über 600
Einzelstücken besteht. Sein Herzstück bilden die rund 90 Karteikästen
mit Informationen zu den Soldaten, Regimentern, Schiffen,
topographischen Bezeichnungen und einer Vielzahl weiterer Angaben.
Ergänzt werden sie durch eine reiche Sammlung an Büchern, Karten, Dias
und Akten. Auf Grundlage dieses Materials wurde im Auftrag der
Historischen Kommission von Dr. Stephan Schwenke eine Access-Datenbank
erstellt, die in ihrer jetzigen Fassung etwa 1700 Datensätze zu
Soldaten des Regimentes Erbprinz, der Artillerie-Kompanie Paeusch
sowie weiterer Einheiten enthält. Es wurde insbesondere darauf
geachtet Fischers detaillierte Informationen möglichst vollständig in
die Datenbank zu übernehmen. da sie eine Reihe z.T. überraschender
Einblicke in die Materie gewähren. So belegen die Angaben über
Musterungen, Vermögensverhältnisse und die militärische Laufbahn u.a.,
dass das Regiment 1776 bei der Einschiffung nach Amerika zu achtzig
Prozent aus Rekruten bestand, die erst vierzehn Tage vorher
eingekleidet worden waren. Der militärische Stellenwert des Regiments
war somit bei seiner Ankunft in Kanada gleich Null. Fischer
schlussfolgerte daraus, dass der Erbprinz Wilhelm IX. als
Vertragspartner der britischen Krone ein Betrüger gewesen sei. Die
Soldaten selbst verfügten hingegen, im Gegensatz zu ihren
verschuldeten Offizieren, sehr oft über Vermögen. Sie waren in ihrer
Mehrzahl wohl eingezogen worden, da es für sie wenigstens keine
wirtschaftliche Veranlassung gegeben haue, sich freiwillig für den
Militärdienst in Amerika zu melden. Diese Beispiele zeigen, dass es
insbesondere die von Fischer erwähnten ,,Ecken und Kanten' der
individuellen Karrieren sind, welche der Datenbank ihren besonderen
Reiz verleihen. Die Informationen sind in diesem Detailgrad in keiner
anderen Publikation vorhanden und bilden daher einen wertvollen
Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte der hessischen Truppen im
amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Johannes Koenig Limburg a.d. Lahn
den 20.4.09
Findmittel:
HADIS-Datenbank
- Bestandssignatur
-
M 170
- Umfang
-
10,5 MM Karteien pp, 10 MM Bibliothek
- Kontext
-
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10.06.2025, 08:12 MESZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand