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Nachlässe: Dürr, Karl Heinrich, Oberkirchenrat, Vorsitzender der Badischen Bekenntnisgemeinschaft (Bestand)

Dürr, Karl Heinrich (1892 - 1976)
Karl Dürr wurde am 31. Januar 1892 in Pforzheim geboren und wächst im religiösen Umfeld der Hahn'schen Gemeinschaft auf. Nach dem Abitur 1910 in Pforzheim studiert er in Bethel und Tübingen Theologie. Von 1915 bis 1917 leistet er Kriegsdienst und gerät dann in französische Gefangenschaft, aus der er 1920 entlassen wird. Im Mai 1920 legt er sein 2. Examen ab. Nach seiner Vikariatszeit in Müllheim, Konstanz und Karlsruhe-Mühlburg tritt er seine erste Pfarrstelle 1925 in seiner Heimatgemeinde Pforzheim-Brötzingen an, wo er bis 1935 bleibt. 1933 wird er zum Vorsitzenden der Kirchlich-Positiven Vereinigung in Baden gewählt. Als solcher bekommt er im selben Jahr Kontakt zu Martin Niemöller, der ihn auf den neugegründeten Pfarrernotbund hinweist. Am 29. Dezember 1933 wird Dürr von Niemöller mit der Führung der badischen Pfarrer des Notbundes beauftragt. Am 19. Januar 1934 hält Dürr den Vortrag "Die Lage unserer Kirche" in Karlsruhe, in dessen Folge es bei Dürr und anderen Pfarrern zu Hausdurchsuchungen durch die Gestapo kommt, die sich in den Besitz der Akten des Pfarrernotbundes und der KPV bringen wollte. Kurz darauf rief Dürr zur Bildung eines "Bekennerbundes" auf, der "die ganze Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments und ihre Auslegung durch die Bekenntnisse der Reformation" zur Grundlage haben sollte. Der Bund verpflichtete sich "für das lautere, unverkürzte Evangelium und für die um solchen Bekenntnisse willen gefährdeten Brüder und Schwestern" unerschrocken einzustehen. Der Bekennerbund ebnete später den Weg zur badischen Bekenntnisgemeinschaft. Dürr nahm sowohl an der Ausarbeitung der "Ulmer Erklärung" - die Geburtsstunde der Bekennenden Kirche - am 22. April 1934 teil, als auch an der Bekenntnissynode im Mai 1934 in Barmen, in deren Folge er im Sommer die Badische Bekenntnisgemeinschaft gründete. Diese stellte sich unter seiner Leitung bei der Landessynode 1934 gegen die Eingliederung der Badischen Landeskirche in die Reichskirche, was endgültig zur Feindschaft mit den Deutschen Christen führte. Nach der unrechtmäßig erfolgten Eingliederung schrieb Dürr einen Protestbrief an Hitler. Nachdem der badische Landesbischof Julius Kühlewein die Eingliederung öffentlich rechtfertigte, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und Dürr. Infolgedessen distanzierte sich der Bruderrat von der Meinung Kühleweins. Nach weiterem Protest gegen die Eingliederung gelang es, im November 1934 eine Wiederausgliederung der badischen Landeskirche aus der Reichskirche mit Zustimmung von Kühlewein zu erzielen. Drei Wochen später organisierte Dürr den ersten badischen Bekenntnistag in Pforzheim.
Im August 1935 wurde Dürr an die Pauluspfarrei Freiburg versetzt, kurz zuvor war er als Reichsbruderrat der Bekennenden Kirche zugewählt worden. Am 8. Januar 1936 heiratete Karl Dürr Elisabeth Holzhausen in Freiburg. 1937 unterstützte er Martin Niemöller, der sich in Schutzhaft befand und rief zu Unterschriftensammlungen und Fürbitte auf. 1938 stellte Dürr sich zusammen mit dem Bruderrat der badischen Bekenntnisgemeinschaft der Einrichtung einer staatlichen Finanzabteilung im EOK entgegen, weil diese eine immense Erweiterung des Einflusses seitens des Staats auf Kirchenbelange hatte.
Dürrs autoritärer Führungsstil und seine absolute Konzentration auf kirchenpolitische Fragen unter Ausgrenzung der Judenverfolgung, führte zu Widerständen und Spannungen innerhalb der eigenen Reihen.
Nach 1945 war Dürr an der Neuordnung der Badischen Landeskirche beteiligt, lehnte da Amt des Landesbischofs ab, wurde aber der Stellvertreter von Landesbischof Julius Bender. Zudem hatte er maßgeblichen Anteil bei der Neugestaltung des Gesangbuchs von 1953 mit badischem Regionalteil.
1958 ging Karl Dürr in den Ruhestand, in dem er allerdings als Vorsitzender Verwaltungsrat des Krankenhauses Siloah in Pforzheim aktiv blieb.
Er starb am 28. September 1976 in Freudenstadt.
Enthält: Dokumentation "Bekennenden Kirche"; Nachrichten aus dem Reich; Persönliches; Kirchenausschüsse; Flugblätter zum Kirchenkampf; Rundbriefe der "Bekennenden Kirche"; Finanzangelegenheiten; Sonderdrucke, Zeitungen und Flugschriften aus der Nachkriegszeit; Unterlagen zu einer kirchlichen und theologischen Neubestimmung nach 1945; Lageberichte aus Freiburg 1945
Findmittel: Findbuch
Umfang: 1,8 lfm.
Laufzeit: 1916 - 1972
Benutzbarkeit: frei
Quellen, Literatur: Personalakte, Landeskirchliches Archiv Karlsruhe [2.0., Nr. 5271]
- Lang, Christoph: Karl Dürr (1892-1976). Wegbereiter der badischen Bekenntnisgemeinschaft. In: Lebensbilder aus der evangelischen Kirche in Baden im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. II: Kirchenpolitische Richtungen (= Sonderveröffentlichungen der Vereins für Kirchengeschichte in der Evangelischen Kirche in Baden; 6). Heidelberg u.a. 2010, S. 444-469;
- Klausing, Caroline: Die Bekennende Kirche in Baden. Machtverhältnisse und innerkirchliche Führungskonflikte 1933-1945. Diss. phil. Mainz 2010. Stuttgart 2014 (= Veröffentlichungen zur badischen Kirchen- und Religionsgeschichte; 4) [speist sich v. a. aus dem Nachlass Karl Dürr]

Reference number of holding
150.011.

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Landeskirchliches Archiv Karlsruhe (Archivtektonik) >> Nachlässe

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03.06.2025, 10:08 AM CEST

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