Archivalie
Analyse eines Bildes
Der Aufsatz behandelt Bedingungen künstlerischen Schaffens, formelle Gesetzmäßigkeiten des Bildes, Möglichkeiten der Bild-Analyse. Im Mittelpunkt steht das Bild "Vorübergehender".
Transkription: Analyse eines Bildes Zunächst sei bemerkt, dass umstehende Analyse nach- träglich Sezierung des Bildes bedeuten, womit gesagt sein soll, dass bei der Entstehung des Bildes nicht die bewusste konstruktion, sondern das unbewusste Gefühl am Werke war. Es soll nicht geleugnet werden, dass die in der Analyse zu Tage tretenden "ormalen Elemente beteiligt waren, aber im Unterbewusst- sein, wenn wir schreiben, ist auch nicht mehr der Gefühlszustand herrschend, der es beim erlernen der Schreibstaben in der ABC- schule war, die Entferung vom ehedem systematisch erlernten Schriftzeichen bis zur Unleserlichkeit des freien Indivi- duellen Ausdrucks ist Fundgrube für den analysierenden Grafologen und bestes Beispiel der Metamorphose von Konstruktion zu Gefühl. Der Einwand, dass es müssig wäre, sich auf den konstruktiven Zustand zurückzuschrauben, trifft nicht zu beim Kunstwerk, wo auf dem umgekehrten Wege die Elemente, Mittel und Gesetze erkannt werden können, die das Gefühl regulieren und die Form erstehen liessen. Adolf Hoelzel und andere haben sich bemüht, alte Meister auf Mass und Gesetz hin nachzuprüfen und sind dabei zu überraschenden Feststellungen gelangt, nicht dass damit der Nachweis erbracht sein soll, dass die alten tatsächlich und in der vermuteten Weise konstruiert haben. was z.B. im Falle Rembrandt mehr als zweifelhaft erscheint. Erwiesen ist vielmehr nur die nachtwandlerische Sicherheit von Auge und Hand, die unbewusst mass-voll und gesetz-mässig geschaffen. Zumal beim Bild - im Gegensatz zur labileren Zeichnung-; denn dieses, die recht- eckige Bildtafel, die durch den abschliessenden Rahmen noch verstärkt wird, ist Zahl und Mass und Gesetz, denen mehr oder weniger stark alles unterworfen ist, was sich auf der elementaren Grundform der rechtwinklingn Fläche in der Folge ereignet, die jüngstvergangenen Radikalkuren in der Malerei führten bei dem Bestreben, zunächst einmal reinen Tisch zu machen, bevor neues getan werde. zur verherrlichung der ein- farbigen, grossen leeren fläche und es zeigte sich, dass ein Minimum an linearer und farbiger Aufteilung unerhörten spannungen vermitteln kann. Es ist verwunderlich, dass die äussere Form des Bildes, das Rechteckige Mass, seit Jahrhunderten gleichblieb und es ist erstaunlich, welche Fülle verschiedenartiger und immer neuere Aufbau- und Gliederungsorganisationen ,,Komposition genannt, in diesem Zeichen gelangen, eigentümlich aber bleibt die Tatsache, das bis heute kein allgemeingültiger Kanon für die Gesetze in der Malerei gefunden wurde. im Gegensatz zur Musik, der so Gesetzgebunden. Wohl wünschte Goethe, dass der Kontrabass auch in der Malerei gefunden werden möge, wohl war im Werk eines Dürer, spaeter in dem eines Kaspar David Friedrich ein bedeutendes Mass von farbig-formalem Gesetz enthalten, wohl träumten ein Delauny und Hoelzel von der endgültigen Malerakade- mie, wo die regeln der kunst, endlich gefunden. nun wohl verwaltet würden. Aber was ist selbst die Form-Farblehre eines Klee und Kandinsky. welche die Träume jener wohl am weitesten re- alisiert haben. indem sie eine wohlgeordnete Pädagogik schufen.- was ist sie anderes als der Schlüssel zu ihrem eigenen Reich und- im pädagogischen Sinne- das ABC und die ersten Hilfeleistungen bei Kompositionen der Form. der Farbe. der Fläche? Denn jen- seits des Formgerüstes und der Farbtonleiter beginnen die [...]; das Unmessbare, unwaegbare, mystische des Kunstwerks, das je originaler es ist, jeweils die Rätsel und die Frage nach dem Gesetz erneuert. Viel weniger als die Gesetze in der Musik vermögen jene den sicheren Grund zu bilden. darauf sich die Phantasiewelt stütze und zur Kühnheit steigere. Warum wird das Gesetz in der Malerei, wenn nicht von überlegenem Geist geübt, so leicht zum engenden Dogma? Warum ist hier das Resultat so oft sterile stilisierung statt erfüllter Stil? Wenn hier versucht wurde, ein Bild zu sezieren, so geschah es wie schon gesagt, als na
- Sammlung
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Archiv Oskar Schlemmer
- Inventarnummer
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AOS 2016/2172
- Material/Technik
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Papier; maschinenschriftlich
- Ereignis
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Herstellung
- (wer)
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Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)
- Rechteinformation
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Staatsgalerie Stuttgart
- Letzte Aktualisierung
-
28.03.2025, 12:10 MEZ
Datenpartner
Staatsgalerie Stuttgart. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Archivalie
Beteiligte
- Oskar Schlemmer (04.09.1888 - 13.04.1943)