Archivale

Staat (Dienstanweisung) eines Apothekers zu Reuttlingen, worauf er seinen Eid abzulegen hat

Regest: 1) Ein Apotheker, der bei der Stadt Reuttlingen angenommen wird, soll dem Regierenden Amtsbürgermeister, geloben und darauf einen Eid zu Gott schwören, in seiner Apotheke fleissig und unverdrossen sich zu erzeigen, den Armen wie den Reichen aufzuwarten, alle gebührliche Bescheidenheit gegen sie zu gebrauchen und hierin weder Tag noch Nacht seinen Fleiss zu sparen, sondern sich so zu erweisen, wie einem getreuen, fleissigen Apotheker gebührt und ihm vertraut wird, ferner alle Stücke, Simplicia wie Composita, in guter Bereitschaft zu haben, damit menniglich (= jedermann) versehen und auf zutragende Fälle versorgt werde.
Auf dem Rand in anderer Handschrift: Obwohl vor diesem nur 2 Corpora in unserer Stadt gewesen, jedoch heute 3 derselben sich aufgerichtet befinden, so soll es bei solcher ohnedem überflüssigen Anzahl ohne weitere Vermehrung verbleiben, keinem auch künftig mehr eine von diesen 3 Apotheken zu führen gestattet werden, er sei denn zuvor durch den Physicus und den ältesten Apotheker examiniert und genugsam dazu qualificiert erfunden worden.
2) Wenn dem Apotheker ein Recept von einem Doctor medicinae, besonders aber von dem Physicus oder dessen obrigkeitlich beliebten Adjunctus zu Handen kommt, hat er solches mit höchstem Fleiss unaufhältlich zu machen, bei der Apotheke zu behalten und ohne des Medicus Vorwissen in keinerlei Krankheiten zu iterieren (= wiederholen) und auf Begehren des Patienten nur Abschriften zu erteilen. Weiter sollen die Apotheker sich keines Arztens und Curierens mit Wasserbesehen, Pulstangieren, Verordnen, Purgieren und andern den Medici zustehenden Dingen bei den Kranken unterfangen, es wäre denn der Patient so nah verwandt, dass sie es ihm natürlicher Zuneigung halber nicht abschlagen könnten, als da sind Eltern und Kinder. Denn solchen mag ein Apotheker wohl Rat und Hilfe auf ihr Begehren tun, so gut er kann. Wenn aber gesunde Personen zu ihm kommen und ihre gewöhnlichen Purgationen begehren, dann mögen sie wohl geben Suppositoria, die laxierenden Simplicia (es folgen die latein. Namen, z. Tl. abgekürzt), auch Salben und Schweisstränklein, für Husten und ... (?), Engigkeit der Brust einen Brustsaft ... Doch sollen sie, soviel möglich, solche Leute an den Medicus weisen.
3) Der Apotheker soll zu rechter Zeit des Jahrs seine Simplicia, die ihm zu halten notwendig und etwa auferlegt worden sind, fleissig sammeln und präparieren, die Composita, wenn besondere Dispensationes medicamentorum (= Vorschriften für die Herstellung der M.) vorhanden sind, mit Rat und in Gegenwart des Stadtphysicus oder dessen Adjunctus vornehmen, Tempus (= Zeit) compositionum auf die Behältnisse, worin sie aufbewahrt werden, wie auch in einem besonderen Büchlein, von dem Medicus oder dessen Adjunctus unterschrieben, nach Jahr, Monat und Tag aufzeichnen.
4) Er darf niemand ohne Vorwissen und Bewilligung des jeweiligen Amtsbürgermeisters Gift verkaufen noch sonst widerfahren lassen und soll deswegen bei seinen Dienern, Gesellen oder Jungen sorgfältig Inspection haben (= Acht geben).
5) Er soll auf alle Simplicia und Composita gute Achtung geben, sie oft besichtigen, Mangelhaftes von selbst hinwegschaffen, alle Jahre die aquae destillaciae, die gebräuchlich und nötig sind, entweder ganz neu präparieren oder wenigstens erfrischen, in Dispensierung der Medicamenta aber, sonderlich der Composita nach dem Dispensatorium Norimbergense oder Augustanum sich verhalten.
6) Er soll samt seinen Untergebenen stets diese Ordnung beobachten. Wenn von den Doctores medicinae ein Recept ihnen zu Handen kommt, sollen sie sich bei dem Überbringer alsbald erkundigen, und aufzeichnen, für was für einen Patienten es verordnet ist, auch wenn es nach der ärztlichen Vorschrift präpariert und in die vasa (= Gefässe) gebracht ist, gut Achtung geben, dass jedem sein verordnetes Medicament mit Fleiss zugestellt und nicht in Veränderung (= durch Verwechslung) der Recepte ein Irrtum begangen und jemand verderbt oder verwahrlost werden möge.
7) Nach dem von der Obrigkeit mit vorher gepflogenem Rat der Medici vorgeschriebenen oder sonst geliebten anderwärtigen Tax sind die Medicamenta hinzugeben, niemand wider die Gebühr hierin zu beschweren, sondern allerdings (= durchweg) und ohne Respect (= Rücksicht) der Personen dabei zu verbleiben.
8) Bei Hingabe und Präparierung der Medicamente ist das pondus medicinale, im Handkauf aber das mercatorium oder civile zu gebrauchen.
9) Wenn er inne würde, dass Circumforanei (= auf den Märkten umherziehende) und Pseudomedici öffentlich Composita verkaufen und damit höchstschädlich die Leute hinterführen, so ist es jedesmal dem Amtsbürgermeister anzuzeigen, damit zu Verhütung alles Betrugs die Circumforanei und Pseudomedici von dem Physicus und dessen Adjunctus um ihre Composition und Composita und deren Gebrauch, sowie, um den Ursprung ihrer erlangten Wissenschaft notwendig examiniert, darauf nach erheischender Notdurft gebührender Bescheid erteilt und sowohl die Bürgerschaft wegen solcher gefährlichen Stimpeleien vor Schaden und Betrug bewahrt als auch die verpflichteten Medici in ihrer zuverlässigen Kunst sicherer konsultiert und der Apotheker in seinem Vertrieb nicht gehindert noch in merklichen Verlust gesetzt werde.
10) Wenn dem Apotheker Recepte unter die Hände kommen, worin etwa für die unzüchtigen Frauenbilder zu Abtreibung der Leibesfrucht Medicamente verordnet wären oder sie dergleichen aus der Apotheke zu holen begehren, darf er solche ebenso wenig wie die venena (= Gifte) verabfolgen lassen. Das hat er seinen Gesellen und Jungen ebenfalls scharf einzubinden (= einzuschärfen). Wenn er von Stimplern und gottlosen Leuten dergleichen inne würde, soll er solches dem Amtsbürgermeister fleissig anbringen, desgleichen keine Philtra oder Liebestränke, welche zu Erweklung unziemender gezwungener Schandlust und Liebe angesehen sind (= bei welchen es abgesehen ist auf ...) machen und geben, sondern die Personen, die eben diese verbotenen Mittel verlangen, dem Amtsbürgermeister anzeigen.
11) Seinen zugeordneten Doctoren hat er allezeit die gebührende Superintendenz (= Aufsicht) und Inspection bei ihm, seinen Gesellen und Jungen und über die ganze Apotheke zu gestatten, sich gegen die Doctoren bescheidenlich und freundlich zu erzeigen, sich ihnen nicht unnötig zu widersetzen, viel weniger von sich aus ohne Befragung des Medicus etwas in den Recepten zu ändern, Ingredientia (= Bestandteile) gar (= ganz) auszulassen oder andere anstatt vorgeschriebener nach seinem Gutdünken zu gebrauchen oder auch die verordneten in dosi (= in der Menge) zu mindern ..., sondern wenn er in den Recepten wegen der Ingredientien und der Dosis, weil er den Stand der Krankheit und des Patienten Affect (= Verfassung) und Alter auf zugelassenenes Nachfragen erkundigt hat, anstünde (= Bedenken hatte), deswegen freundlich und bescheiden mit dem Medicus darüber zu conferieren und die vermeinte Notdurft ohne schimpfliche Traducierung (= Übermittlung ?) ihm zu hinterbringen.
12) Wenn der Rat zu füglichen Zeiten durch bestimmte verordnete Personen neben dem Physicus ordinarius und seinem Adjunctus die Apotheke würde visitieren lassen und dem Apotheker auferlegen, den einen und andern Mangel zu verbessern, so hat er dem stets gehorsam und getreulich nachzukommen.
Auf dem Rand der Seite 3:
Mit der Bitte an den Magistrat, sowohl den neuen Materialisten (= Drogisten) wie an anderen Orten auf seinen gewissen Staat zu verpflichten als auch alle übrigen zur Zeit passierenden Stimpeleien zu stecken (? abzustellen) verpflichten sich auf die Ordnung:
J. G. Pfenning, Apotheker.
Johann Adam Schreyvogel, Apotheker.
Johann Heinrich Keller, Apotheker,
subscribiert auch, jedoch mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass diese Ordnung (= Reihenfolge) der Unterschriften den beiden letzten an der Priorität nichts praejudicieren und dieser Statt (= Staat, Dienstanweisung) nicht beschworen, sondern statt dessen harte Straf auf das Übertreten gesetzt werden möchte.

Reference number
A 2 c (Zünfte) Nr. A 2 c (Zünfte) Nr. 4400
Formal description
Beschreibstoff: Pap.
Further information
Bemerkungen: +) Diese ungefähre Datierung ist gewonnen aus Angaben über die 3 Apotheker bei Gayler: Histor. Denkwürigkeiten II S. 219. 314 f. Über das Datum 1666 (siehe Raum 4 Schachtel 6/4 a) der Abfassung der Ordnung soll damit nichts gesagt sein.

Genetisches Stadium: Abschrift

Context
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18) >> Bd. 11 Zünfte Apotheker
Holding
A 2 c (Zünfte) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18)

Date of creation
1666

Other object pages
Last update
20.03.2025, 11:14 AM CET

Data provider

This object is provided by:
Stadtarchiv Reutlingen. If you have any questions about the object, please contact the data provider.

Object type

  • Archivale

Time of origin

  • 1666

Other Objects (12)