Bestand
Gansberg, Fritz (Bestand)
Enthält: Korrespondenz, u. a. mit Verlagen, Lehrervereinen und Einzelpersonen über Schulreform, Abschaffung des Religionsunterrichts, Einführung der Gansberg-Fibel, Neugestaltung des ''Roland'', Monatsschrift für freiheitliche Pädagogik - Manuskripte zu Schul- und Lesebüchern und pädagogischen Veröffentlichungen - Korrespondenz des Gansbergkreises 1950-1960
Geschichte des Bestandsbildners: Der Pädagoge und Schriftsteller Friedrich Wilhelm (gen. Fritz) Gansberg wurde am 9.4.1871 als Sohn der Eheleute Friedrich und Elisabeth Gansberg, geb. Eysel, in Bremen geboren. Seine Mutter verstarb bereits zwei Jahre später bei der Geburt ihres siebten Kindes. Während seine Geschwister beruflich ebenso wie der Vater im kaufmännischen Gewerbe tätig wurden, besuchte Friedrich nach Abschluss der Volksschule ab 1885 das Bremer Lehrerseminar. Hier wurde er gemeinsam mit Heinrich Scharrelmann, mit dem er über Jahrzehnte in einem engen Kontakt stand, bis 1890 ausgebildet.
Enttäuscht vom damals üblichen Ausbildungswesen suchte Gansberg unter Einwirkung der Kunsterziehungs- und Arbeitsschulbewegung schon früh nach neuen pädagogischen Wegen. Er forderte u.a. eine Verkindlichung der Unterrichtsgegenstände sowie eine Demokratisierung des Unterrichtsverfahrens. Lebensvolle Schilderungen aus der Erfahrungswelt der Schüler sollten die kindliche Initiative wecken. Wenn auch programmatisch eine "neue Schule" fordernd, ist Gansbergs Theorie dennoch von den radikalen Forderungen der sog. entschiedenen Schulreformer abzugrenzen. Ab 1890 widmete sich der unverheiratete Gansberg zwei Jahrzehnte lang seiner pädagogischen Tätigkeit in der Volksschule an der Birkenstraße. Während dieser Zeit veröffentlichte er seine ersten Bücher und Beiträge zur pädagogischen Theorie und wurde neben Scharrelmann zu einem führenden Kopf der von Bremen ausgehenden Arbeitsschulbewegung. Er gehörte dem Vorstand des 1885 gegründeten Bremischen Lehrervereins an und war Mitbegründer der Monatszeitschrift für freiheitliche Pädagogik "Roland" (erschien bis 1914) sowie der Vereinigung für Schulreform (gegründet 1905). Dass die von ihm geäußerten Ideen auf Resonanz stießen, zeigen seine Vortragsreisen, zu denen er von unzähligen, auch ausländischen Lehrervereinen eingeladen wurde. Seine Bemühungen um eine Reform des Religionsunterrichts führten mehrfach zu Verwicklungen in gerichtliche Prozesse .
Geschichte des Bestandsbildners: Ab Anfang 1914 folgte der Einsatz als Soldat und Lehrer in Lettland. Nach dem Krieg setzte er seine Lehrtätigkeit an der Domschule in Bremen fort, musste sich jedoch ab 1933 zunehmend dem Druck einer nationalsozialistisch geprägten Theorie der Pädagogik, der er skeptisch gegenüberstand, beugen. Gansbergs Unterrichtsbücher erfuhren eine tiefgehende Überarbeitung.
1936 wurde der Pädagoge schließlich in den Ruhestand versetzt. Den späteren Luftkrieg überlebte Gansberg durch Flucht nach Fallingbostel, litt jedoch unter der fortbestehenden räumlichen Trennung zu seinem früheren Wohnort und bemühte sich bis zu seinem Tod am 12.2.1950 um Anerkennung seines Lebenswerks bei der Schulbehörde.
Heute ist der Name Gansberg vor allem deshalb ein Begriff, da er die moderne Fibelliteratur einleitete ("Bei uns zu Haus, eine Fibel für kleine Stadtleute", 1905), indem er die zuvor üblichen zusammenhanglosen Silben und Wörter zu kleinen Sätzen und Geschichten verband. Zeitlebens veröffentlichte er neben seinen wissenschaftlich-theoretischen Schriften unzählige Kinderlesebücher und Sprachlehren. Sein geistiges Erbe bestand nach seinem Tod im sog. Gansberg-Kreis, einer Arbeitsgemeinschaft an der Pädagogischen Hochschule Bremen, die an seinen pädagogischen Ideen festhielt und seine Werke weiterhin publizierte, fort. Heute tragen mehrere Schulen und Straßen auch außerhalb Bremens (Wiesbaden, Berlin) seinen Namen.
Bestandsgeschichte: Der etwa 2,75 m (28 Kartons) umfassende Nachlass wurde unmittelbar nach dem Tode Gansbergs von dessen Schwestern der Pädagogischen Hochschule Bremen übergeben (StAB 7,36-117). Hier wurde er zunächst von dem Dozenten Julius Lübbren, der auch an der Herausgabe weiterer Werke mitwirkte, verwaltet. Schon diese Tatsache führt dazu, dass der Nachlass auch Teile umfasst, die nicht vom eigentlichen Bestandsbildner stammen (etwa die Korrespondenzen des Gansberg-Kreises oder das Bremer Lesebuch, das nachträglich als Karton 27 bzw. 28 angefügt wurde), sodass bei Differenzierung nach Nachlasstypen im Sinne Mommsens und Meisners von einem angereicherten Nachlass gesprochen werden muss. Der Bestand mit der Laufzeit 1896 - 1950 (1950 - 1956) besteht zu etwa 50 % aus Korrespondenzen und zu einem Drittel aus zumeist undatierten Manuskripten. Der Großteil der Unterlagen entstammt der Sphäre seines beruflichen Wirkens, nur wenige Unterlagen geben Aufschluss über sein Privatleben.
Am 15.10.1962 gelangte der Nachlass als Schenkung ins Staatsarchiv Bremen (Zugangsbuch 258-70-05/1). Laut Erfassungsbogen erfolgte am 30.11.1962 eine Nachlieferung. Von Juni bis August 2015 wurde der Bestand neu geordnet, verzeichnet und verpackt.
Bestandsgeschichte: 1956 wurden Studenten mit der Erschließung der umfangreichen Korrespondenzen beauftragt. Sie ordneten die Schreiben chronologisch, vergaben jedem Schreiben eine Nummer und fertigten Kurzregesten an. Problematisch bei dieser Art der Erschließung ist die Tatsache, dass es sowohl bei der Recherche nach bestimmten Inhalten als auch nach Korrespondenzpartnern unumgänglich ist, in den erstellten Verzeichnissen Eintrag für Eintrag durchzusehen und so mehr oder weniger zufällig auf Ergebnisse zu stoßen. Von diesen Verzeichnissen existieren noch zwei, sie wurden unter der Signatur StAB 7,36-146 dem Bestand angefügt. Die chronologische Ordnung der Korrespondenzen wurde aufgelöst und die Briefe und Postkarten zunächst Ein- bzw. Ausgängen, Gruppen von Korrespondenzpartnern (Verlage, Vereine, Behörden, Natürliche Personen) und schließlich einzelnen Personen zugeordnet. Die Korrespondenzpartner wurden gemäß den Grundsätzen der OVG (§ 300 f.) alphabetisch geordnet. Institutionen, die keinen Personennamen als Bezeichnung führen, sind unter dem Ort, an dem sie ansässig sind, zu finden. Nicht mehr bestehende Orte sind unter heutigen Bezeichnungen eingeordnet (z.B. Altona unter Hamburg). Innerhalb eines Korrespondenzpartners wurden die Schreiben chronologisch geordnet. Dankschreiben etc. ohne weiteren Inhalt wurden separat chronologisch geordnet. Thematisch formierte Schreiben, die nur einen sehr kleinen Teil ausmachen, wurden in dieser Ordnung belassen. Da bei der Verzeichnung die Aufnahme aller Korrespondenzpartner aufgrund der Menge nicht möglich war, wurden unterschiedliche Verzeichnungstiefen gewählt.
Die Kartons 18 - 26 dienten zuvor als Auffangbecken für Manuskripte und solches Schriftgut, das sich nicht eindeutig bestimmten Tätigkeiten zuordnen ließ. Im Erfassungsbogen wurde der Inhalt dieser 9 Kartons mit "Manuskripte, Notizen, Diverses" beschrieben. Eine Neuordnung war unumgänglich.
Bestandsgeschichte: Da der Bestand einem Schriftstellernachlass sehr ähnlich ist, erschien bei der Neuordnung eine Orientierung am Schema der inneren Ordnung von Nachlässen im Goethe- und Schiller- Archiv in Weimar zweckmäßig. Die vorliegende Klassifikation baut hierauf auf, wurde jedoch angepasst. In der Klassifikationsgruppe "Werke" findet sich das Schriftgut zur Erstellung und Herausgabe eigener Veröffentlichungen. Es wurde differenziert nach Werken wissenschaftlich-theoretischen und politischen Inhalts, Geschichten und Erzählungen sowie Lehrmaterial. Zwischen Letzteren ergeben sich Überschneidungen, im Zweifelsfall ist in beiden Bereichen zu recherchieren. Rezensionen zu Veröffentlichungen Gansbergs wurden ebenfalls der Klassifikationsgruppe "Werke" zugeordnet. Arbeitsmaterial, das sich keinem bestimmten Werk zuordnen ließ, wurde der Klassifikationsgruppe "Allgemeines Arbeitsmaterial" angefügt. Die Klassifikationsgruppe "Geschäftlich-berufliche und persönliche Unterlagen" umfasst Schriftgut zu Gansbergs Tätigkeit als Lehrer, zu seiner Mitgliedschaft in verschiedenen Vereinigungen sowie in geringem Umfang zu seinen persönlichen Lebensumständen.
Altsignaturen wurden grundsätzlich in die Verzeichnungsmaske aufgenommen und eine Konkordanz dem Aktenverzeichnis nachgestellt. Bei den Korrespondenzen wurde aufgrund der großen Anzahl von Altsignaturen bewusst auf die Angabe verzichtet. Durch den neuen Rechercheweg über die Korrespondenzpartner sind dennoch alle, auch früher unter alter Signatur benutzten Schreiben auffindbar.
Der Bestand wurde enteist und in säurefreien Materialien verpackt. Eine Nachbewertung wurde nicht vorgenommen.
Bestandsgeschichte: Auf ein Werksverzeichnis wurde aufgrund der großen Anzahl an Veröffentlichungen (mindestens 52) an dieser Stelle verzichtet (es findet sich in Bienzeisler, Gansberg, S. 252-256). Einige Veröffentlichungen Gansbergs sind in der Bibliothek des Staatsarchivs vorhanden.
- Bestandssignatur
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7.36
- Umfang
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2,5
- Kontext
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Staatsarchiv Bremen (Archivtektonik) >> Gliederung >> 7. Nichtamtliche Überlieferung >> 7.1. Nachlässe von Einzelpersonen und Familien >> Nachlässe G - H
- Verwandte Bestände und Literatur
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Literatur: - Bienzeisler, Renate: Der Bremer Reformpädagoge Fritz Gansberg - Ein Beitrag zur His-toriographie der Reformpädagogik (= Pädagogik 2), Bochum 1986. (StAB Ai-215) - Hagener, Dirk: Radikale Schulreform zwischen Programmatik und Realität - Die schulpo-litischen Kämpfe in Bremen vor dem Ersten Weltkrieg und in der Entstehungsphase der Weimarer Republik (= Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen 39), Bremen 1973. (StAB Za-115.39) - Rusch, Irmgard: Die Vorschläge des Pädagogen Gansberg zur Gestaltung des Reli-gionsunterrichts in Bremen (Hausarbeit, eingereicht an der Pädagog. Hochsch.), Bremen 1968. (StAB U-211) - Schwarzwälder, Herbert: Art. "Gansberg, Friedrich (Fritz)", in: Ders.: Das Große Bremen-Lexikon, Bd. 1, Bremen 2003, S. 288. (StAB Ak-490) - Ulm, Eberhard: Die schulpolitischen und pädagogischen Auffassungen des Reformpäda-gogen Fritz Gansberg (1871 - 1950) - Unter besonderer Berücksichtigung der Subjekt- position des Schülers (Dissertation), Leipzig 1987. (StAB U-804)
Literatur: - Wulff, Hinrich: Art. "Gansberg, Fritz", in: Bremische Biographie 1912 - 1962, hrsg. von der Historischen Gesellschaft Bremen und dem Staatsarchiv Bremen, in Verb. mit Fritz Peters und Karl H. Schwebel bearb. von Wilhelm Lührs, Bremen 1969, S. 172/173. (StAB Ai-54) - Wulff, Hinrich: Art. "Gansberg, Fritz" in: Neue deutsche Biographie, hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 6, Berlin 1964, S. 66-67. (StAB H-216.6) - Wulff, Hinrich: Geschichte und Gesicht der bremischen Lehrerschaft - Gestalten und Generationen aus hundert Jahren (1848 - 1948] - Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Volksschule, Bremen 1950. (StAB Af-60.1/2) Weitere Literaturhinweise sind zu entnehmen: Bienzeisler, Gansberg, S. 256-263.
- Bestandslaufzeit
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1896-1950
- Weitere Objektseiten
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- Letzte Aktualisierung
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30.06.2025, 11:55 MESZ
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1896-1950