Bestand
G 167 - Evangelisches Pfarramt Nordhausen (Bestand)
Einleitung: ===== Ortskirchengeschichte =====
Der Ort Nordhausen wurde am 24. Juni, dem Tag Johannes des Täufers, im Jahr 1700 durch die Ansiedlung waldensischer Glaubensflüchtlinge im altwürttembergischen Amt Brackenheim gegründet. Nordhausen ist damit die jüngste Waldensersiedlung Württembergs.
Von 1806 bis 1938 gehörte Nordhausen zum Oberamt Brackenheim. Seither ist es Teil des Landkreises Heilbronn. Mit der Gemeindereform im Jahr 1975 fand eine Eingliederung des Ortes nach Nordheim statt, seit 2007 gehört Nordhausen außerdem mit Neckarwestheim zur Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft Lauffen am Neckar.
Die Anfänge der religiösen Laienbewegung der Waldenser reichen zurück bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts. Petrus Waldes, ein Kaufmann aus Lyon, begründete als Wanderprediger die später nach ihm benannte Glaubensgemeinschaft, wurde aber mit seinen Anhängern bereits im Jahr 1184 auf dem Konzil von Verona von Papst Lucius III. exkommuniziert. Auf dem IV. Laterankonzil im Jahr 1215 wurde vermutlich der Kirchenbann bestätigt. Ab diesem Zeitpunkt waren die Waldenser immer wieder Verfolgungen ausgesetzt, die sich durch den Anschluss der Laienbewegung an die Reformation im Beschluss der Synode von Chanforan im Jahr 1532 noch verstärkten. Nach einer großen Vertreibungswelle am Ende des 17. Jahrhunderts wurden etwa 3000 bis 4000 waldensische Flüchtlinge aus dem Piemont in protestantischen Territorien des Heiligen Römischen Reichs aufgenommen, darunter auch im Herzogtum Württemberg.
Die Siedler Nordhausens stammten ursprünglich vorwiegend aus den Orten Mentoulles, Usseaux und Fenestrelles am Cluson im Chisonetal und suchten zunächst Zuflucht in Waldensberg in Südhessen. Dort allerdings konnte die Versorgung der Flüchtlinge nicht sicher gestellt werden, weshalb sich insgesamt 55 Waldenserfamilien mit Erlaubnis des württembergischen Herzogs Eberhard Ludwig im altwürttembergischen Amt Brackenheim niederließen.
Die waldensischen Siedlungen wurden häufig nach den Herkunftsorten der Kolonisten benannt; so entstanden zum Beispiel im Amt Leonberg die Waldenserorte Pinache, Perouse oder Serres. Im Amt Brackenheim konnten sich die Siedler, die aus verschiedenen Orten im Piemont stammten, nicht auf einen französischen Namen einigen. Schließlich wurde die Bezeichnung "Nordhausen" aus den Namen der Nachbargemeinden Nordheim und Hausen gebildet, die jeweils einen Teil ihres Landes für die Besiedlung bereitstellen mussten.
Wie die bereits bestehenden Waldensergemeinden in Württemberg genossen auch die waldensischen Siedler in Nordhausen verschiedene vom Herzog bewilligte Privilegien, wie zum Beispiel eine 15 Jahre andauernde Steuerfreiheit. Die wirtschaftliche Situation der Waldenser war dennoch zunächst schwierig; sie waren auf Subventionen des Landesherren angewiesen, etwa für die Besoldung des Pfarrers und des Lehrers. Bescheidene Einkünfte bezogen die Nordhausener Einwohner aus Äckern, (Obst-) Wiesen und Weinbergen, die von meist mäßiger Qualität waren. In einem Inventar aus dem Jahr 1734 werden in Nordhausen neben einem Kirchengebäude ein Rat- und Schulhaus, ein Pfarrhaus mit Scheune, eine Kelter und ein Keller aufgelistet. Die meisten Bewohner Nordhausens lebten zunächst in provisorischen Baracken. Heute ist im letzten erhaltenen Haus, das im Stil der Ortsgründungzeit erbaut wurde, das Dorfmuseum untergebracht. Zu sehen ist dort zum Beispiel eine Altarbibel aus dem Jahr 1777, die in französischer Sprache abgefasst wurde.
Aufgrund angeblicher Missstände in den Waldensergemeinden Württembergs wurden diese am 18.3.1806 der Oberaufsicht des Königlichen Evangelischen Konsistoriums unterstellt. In der Folge wurde der Eingriff der Landesregierung immer erheblicher: Zunächst wurde Einfluss auf die Wahl des Pfarrers und Schulmeisters genommen, außerdem wurde die Abschaffung der französischen Sprache im Gottesdienst und in der Schule in kleinen Schritten durchgesetzt. Eine weitere Maßnahme war der Zusammenschluss der Waldensergemeinden zu einer Diözese, deren Dekanatssitz in Cannstatt lag. Der reformierte Dekan Johannes Anhäusser blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1824 im Amt, dieses wurde anschließend jedoch nicht neu besetzt. Mit einem königlichen Erlass aus dem Jahr 1823 wurde schließlich die Eingliederung der Waldenserkirchengemeinden (und damit auch der Schulen) in die Württembergische Landeskirche abgeschlossen. Die Waldensergemeinde Nordhausen gehörte ab diesem Zeitpunkt zum Kirchenbezirk Brackenheim. Einige waldensische Traditionen und Rituale waren allerdings weiterhin zugelassen, darunter beispielsweise der waldensische Abendmahlsritus. Der letzte Pfarrer französischer Abstammung, Johann Daniel Louis Mulot, war von 1812 bis 1826 im Amt. Etienne Clapier, der letzte französische Schulmeister Nordhausens, übte sein Amt von 1810 bis 1851 aus. Noch während Clapiers Amtszeit wurde das Unterrichtsfach "Französisch", mit dem Erlass aus dem Jahr 1823, abgeschafft.
Der Bau des ersten Kirchengebäudes Nordhausens, das ein Provisorium ersetzte, war nur durch die finanzielle Unterstützung der Glaubensgenossen aus den Niederlanden möglich. Der "Tempel" der Waldenser konnte im Jahr 1721 eingeweiht werden. Knapp 100 Jahre später wurde das Kirchengebäude wegen Baufälligkeit abgerissen. Im Jahr 1821 wurde die noch heute existierende Kirche eingeweiht, die zum Teil ebenfalls durch Kollekten finanziert wurde. Der Betsaal und der untere Teil des Turms wurden aus Stein erbaut, wohingegen der obere Turmteil sowie der Giebelbereich Fachwerkkonstruktionen sind. Über der Eingangstüre sind die Worte "Siehe da, eine Hütte Gottes bei den Menschen" zu lesen - eine ähnliche Inschrift trug bereits der Vorgängerbau an selber Stelle. Im schlicht gehaltenen Innenraum ist in reformatorischer Tradition - die Predigt ist zentraler Bestandteil der waldensischen Gottesdienste - die Kanzel in der Mitte des Kirchenschiffes angebracht. Oberhalb der Kanzel befindet sich ein Wandteppich, auf den der Wahlspruch der Waldenser gestickt ist: Lux lucet in tenebris.
Mit dem Einmarsch französischer Truppen im Zweiten Weltkrieg kurz vor Kriegsende, trug die Waldenserkirche erhebliche Schäden durch Artilleriebeschuss davon. Im Jahr 1946 war das Gebäude größtenteils wieder aufgebaut - lediglich die Orgel blieb beschädigt. Die Bronzeglocken der Kirche waren zu diesem Zeitpunkt bereits beschlagnahmt. Erst im Jahr 1956 konnten neue Glocken angebracht werden. Im Jahr 1962 fand eine grundlegende Sanierung des Gebäudes statt, im Zuge derer eine Leichenhalle mit Geräteraum sowie eine Sakristei integriert wurden.
Nach dem Krieg wurde durch die Ansiedlung von Flüchtlingen aus Rumänien und Evakuierten aus Heilbronn eine Erweiterung des Wohngebietes notwendig. Die Einwohnerzahl nahm um etwa ein Drittel zu.
Ende der 1950er Jahren wurde die Pfarrstelle Nordhausen mit der Pfarrstelle Dürrenzimmern zusammengelegt.
===== Bestandsbeschreibung =====
Auf der Grundlage eines Kirchengemeinderatsbeschlusses wurde das Pfarrarchiv Nordhausen am 28.6.2005 an das Landeskirchliche Archiv in Stuttgart abgegeben.
Das Pfarrarchiv wurde nach den Richtlinien des Landeskirchlichen Archivs verzeichnet. Die Verzeichnung erfolgte durch Senta Herkle. Die Abschlussredaktion erfolgte durch Dr. Bertram Fink und Senta Herkle im Sommer/Herbst 2012.
Der Bestand ist in drei Hauptgattungen gegliedert: Amtsbücher, Akten und Rechnungsunterlagen. Dazu kommen eine Sammlung von Feldpostbriefen, eine Abteilung Genealogie und Fotos. Bei den Akten wurde in eine ältere und eine jüngere Abteilung unterschieden. Die zeitliche Zuordnung zu den Abteilungen wurde quantitativ nach Schriftgutanfall vorgenommen. Der Bestand umfasst insgesamt 213 Bestellnummern, die rund 4 Regalmeter ausmachen. Die Überlieferung setzt im Jahr 1701 ein; bei den ältesten Archivalien handelt es sich um Kirchenbücher. Das jüngste Archivale, eine Sammlung von Fotos der Pfarrkirche, stammt aus dem Jahr 2005. Die erste Kirchenpflegerechnung aus den Jahren 1907 bis 1910 wurde inklusive Tagbuch und ausgewählten Beilagen verzeichnet.
Zum Teil befinden sich auf den Archivalien Alt-Signaturen, die von einer vorhergehenden Verzeichnung stammen.
===== Besonderheiten des Bestandes =====
An erster Stelle ist zu bemerken, dass insbesondere die Archivalien des 18. Jahrhunderts zum Teil in französischer Sprache überliefert sind.
Eine herausragende Besonderheit des Pfarrarchivs Nordhausen ist das "Verzeichnis Diversa Opfergaben" (Bestellnummer 19) mit einer Laufzeit von 1703 bis 1801, das zum Teil in französischer Sprache abgefasst wurde. Aufgeführt sind in diesem Verzeichnis beispielsweise "Heiligendarlehen", die Vergabe von Darlehen an Bedürftige durch den Pfarrer. Es enthält Listen der Obligationen inklusive Hypotheken und Zahlungsterminen. Daneben sind unter anderem Sammlungen und Kollekten verzeichnet, etwa für den Kirchenbau in verschiedenen Waldensergemeinden. Darunter ist auch eine so genannte "Collecte d'Angleterre" angeführt, die zur Unterstützung von Waldensergemeinden in England eingerichtet wurde. Somit stellt das Opfergabenverzeichnis eine aufschlussreiche Quelle für das Kreditwesen im 18. Jahrhundert in ländlichen Gemeinden dar und dokumentiert die Solidarität und den Austausch der Waldensergemeinden untereinander.
Ebenfalls außergewöhnlich ist ein Viehprotokoll (Bestellnummer 144), das eine Laufzeit von 1770-1828 umfasst und ebenfalls teilweise in französischer Sprache niedergeschrieben wurde. In diesem Protokoll sind An- und Verkäufe von Vieh eingetragen, es kann dementsprechend als wirtschaftsgeschichtliche Quelle verwendet werden. Vermerkt sind darüber hinaus einige jüdische Viehhändler; das Protokoll kann somit auch aufschlussreiche Informationen zur jüdischen Regionalgeschichte liefern.
Eine weitere Besonderheit ist das alphabetisch geordnete Konvolut von Feldpostbriefen und -karten (Bestellnummern 173-209) aus dem Ersten Weltkrieg. Der Pfarrer Nordhausens versorgte die Soldaten auf dem Feld regelmäßig mit dem Gemeindeblatt, Zigarren und Informationen von den Familien und Gemeindemitgliedern. Die Soldaten antworteten mit zum Teil sehr ausführlichen und eindrucksvollen Berichten über das Soldatenleben und die Kriegsschauplätze im Westen und Osten.
Beachtenswert ist darüber hinaus die Überlieferung der Kindergottesdienste während der Zeit des Nationalsozialismus. Erhalten sind Liturgien, Rechnungen und Programme der Gottesdienste.
===== Benutzung des Archivinventars und Einsichtnahme in die Quellen =====
Die Archivalien können mit Ausnahme der Kirchenbücher (bis 1875) während der Öffnungszeiten des Landeskirchlichen Archivs eingesehen werden. Die Originalkirchenbücher sind für die Benutzung gesperrt, allerdings sind die Kirchenbücher auf Mikrofilm einsehbar. (Filmnummer KB 1016/II) Die Mikrofilme können außerdem beim Landeskirchlichen Archiv ausgeliehen werden. Die Einsichtnahme in die Kirchenbücher nach 1875 regelt die jeweils gültige Kirchenregisterordnung der Württembergischen Landeskirche.
Weitere Überlieferung zur Kirchengemeinde Nordhausen im Landeskirchlichen Archiv befindet sich in den Ortsakten des Konsistoriums bzw. des Oberkirchenrates (A 29, A 129) sowie im Dekanatsarchiv Brackenheim. Zu einzelnen Pfarrern werden Personalakten überliefert. Im Landeskirchlichen Archiv wird auch die Überlieferung weiterer Waldensergemeinden aufbewahrt.
Einleitung: Der Ort Nordhausen wurde am 24. Juni, dem Tag Johannes des Täufers, im Jahr 1700 durch die Ansiedlung waldensischer Glaubensflüchtlinge im altwürttembergischen Amt Brackenheim gegründet. Nordhausen ist damit die jüngste Waldensersiedlung Württembergs.
Von 1806 bis 1938 gehörte Nordhausen zum Oberamt Brackenheim. Seither ist es Teil des Landkreises Heilbronn. Mit der Gemeindereform im Jahr 1975 fand eine Eingliederung des Ortes nach Nordheim statt, seit 2007 gehört Nordhausen außerdem mit Neckarwestheim zur Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft Lauffen am Neckar.
Die Anfänge der religiösen Laienbewegung der Waldenser reichen zurück bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts. Petrus Waldes, ein Kaufmann aus Lyon, begründete als Wanderprediger die später nach ihm benannte Glaubensgemeinschaft, wurde aber mit seinen Anhängern bereits im Jahr 1184 auf dem Konzil von Verona von Papst Lucius III. exkommuniziert. Auf dem IV. Laterankonzil im Jahr 1215 wurde vermutlich der Kirchenbann bestätigt. Ab diesem Zeitpunkt waren die Waldenser immer wieder Verfolgungen ausgesetzt, die sich durch den Anschluss der Laienbewegung an die Reformation im Beschluss der Synode von Chanforan im Jahr 1532 noch verstärkten. Nach einer großen Vertreibungswelle am Ende des 17. Jahrhunderts wurden etwa 3000 bis 4000 waldensische Flüchtlinge aus dem Piemont in protestantischen Territorien des Heiligen Römischen Reichs aufgenommen, darunter auch im Herzogtum Württemberg.
Die Siedler Nordhausens stammten ursprünglich vorwiegend aus den Orten Mentoulles, Usseaux und Fenestrelles am Cluson im Chisonetal und suchten zunächst Zuflucht in Waldensberg in Südhessen. Dort allerdings konnte die Versorgung der Flüchtlinge nicht sicher gestellt werden, weshalb sich insgesamt 55 Waldenserfamilien mit Erlaubnis des württembergischen Herzogs Eberhard Ludwig im altwürttembergischen Amt Brackenheim niederließen.
Die waldensischen Siedlungen wurden häufig nach den Herkunftsorten der Kolonisten benannt; so entstanden zum Beispiel im Amt Leonberg die Waldenserorte Pinache, Perouse oder Serres. Im Amt Brackenheim konnten sich die Siedler, die aus verschiedenen Orten im Piemont stammten, nicht auf einen französischen Namen einigen. Schließlich wurde die Bezeichnung "Nordhausen" aus den Namen der Nachbargemeinden Nordheim und Hausen gebildet, die jeweils einen Teil ihres Landes für die Besiedlung bereitstellen mussten.
Wie die bereits bestehenden Waldensergemeinden in Württemberg genossen auch die waldensischen Siedler in Nordhausen verschiedene vom Herzog bewilligte Privilegien, wie zum Beispiel eine 15 Jahre andauernde Steuerfreiheit. Die wirtschaftliche Situation der Waldenser war dennoch zunächst schwierig; sie waren auf Subventionen des Landesherren angewiesen, etwa für die Besoldung des Pfarrers und des Lehrers. Bescheidene Einkünfte bezogen die Nordhausener Einwohner aus Äckern, (Obst-) Wiesen und Weinbergen, die von meist mäßiger Qualität waren. In einem Inventar aus dem Jahr 1734 werden in Nordhausen neben einem Kirchengebäude ein Rat- und Schulhaus, ein Pfarrhaus mit Scheune, eine Kelter und ein Keller aufgelistet. Die meisten Bewohner Nordhausens lebten zunächst in provisorischen Baracken. Heute ist im letzten erhaltenen Haus, das im Stil der Ortsgründungzeit erbaut wurde, das Dorfmuseum untergebracht. Zu sehen ist dort zum Beispiel eine Altarbibel aus dem Jahr 1777, die in französischer Sprache abgefasst wurde.
Aufgrund angeblicher Missstände in den Waldensergemeinden Württembergs wurden diese am 18.3.1806 der Oberaufsicht des Königlichen Evangelischen Konsistoriums unterstellt. In der Folge wurde der Eingriff der Landesregierung immer erheblicher: Zunächst wurde Einfluss auf die Wahl des Pfarrers und Schulmeisters genommen, außerdem wurde die Abschaffung der französischen Sprache im Gottesdienst und in der Schule in kleinen Schritten durchgesetzt. Eine weitere Maßnahme war der Zusammenschluss der Waldensergemeinden zu einer Diözese, deren Dekanatssitz in Cannstatt lag. Der reformierte Dekan Johannes Anhäusser blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1824 im Amt, dieses wurde anschließend jedoch nicht neu besetzt. Mit einem königlichen Erlass aus dem Jahr 1823 wurde schließlich die Eingliederung der Waldenserkirchengemeinden (und damit auch der Schulen) in die Württembergische Landeskirche abgeschlossen. Die Waldensergemeinde Nordhausen gehörte ab diesem Zeitpunkt zum Kirchenbezirk Brackenheim. Einige waldensische Traditionen und Rituale waren allerdings weiterhin zugelassen, darunter beispielsweise der waldensische Abendmahlsritus. Der letzte Pfarrer französischer Abstammung, Johann Daniel Louis Mulot, war von 1812 bis 1826 im Amt. Etienne Clapier, der letzte französische Schulmeister Nordhausens, übte sein Amt von 1810 bis 1851 aus. Noch während Clapiers Amtszeit wurde das Unterrichtsfach "Französisch", mit dem Erlass aus dem Jahr 1823, abgeschafft.
Der Bau des ersten Kirchengebäudes Nordhausens, das ein Provisorium ersetzte, war nur durch die finanzielle Unterstützung der Glaubensgenossen aus den Niederlanden möglich. Der "Tempel" der Waldenser konnte im Jahr 1721 eingeweiht werden. Knapp 100 Jahre später wurde das Kirchengebäude wegen Baufälligkeit abgerissen. Im Jahr 1821 wurde die noch heute existierende Kirche eingeweiht, die zum Teil ebenfalls durch Kollekten finanziert wurde. Der Betsaal und der untere Teil des Turms wurden aus Stein erbaut, wohingegen der obere Turmteil sowie der Giebelbereich Fachwerkkonstruktionen sind. Über der Eingangstüre sind die Worte "Siehe da, eine Hütte Gottes bei den Menschen" zu lesen - eine ähnliche Inschrift trug bereits der Vorgängerbau an selber Stelle. Im schlicht gehaltenen Innenraum ist in reformatorischer Tradition - die Predigt ist zentraler Bestandteil der waldensischen Gottesdienste - die Kanzel in der Mitte des Kirchenschiffes angebracht. Oberhalb der Kanzel befindet sich ein Wandteppich, auf den der Wahlspruch der Waldenser gestickt ist: Lux lucet in tenebris.
Mit dem Einmarsch französischer Truppen im Zweiten Weltkrieg kurz vor Kriegsende, trug die Waldenserkirche erhebliche Schäden durch Artilleriebeschuss davon. Im Jahr 1946 war das Gebäude größtenteils wieder aufgebaut - lediglich die Orgel blieb beschädigt. Die Bronzeglocken der Kirche waren zu diesem Zeitpunkt bereits beschlagnahmt. Erst im Jahr 1956 konnten neue Glocken angebracht werden. Im Jahr 1962 fand eine grundlegende Sanierung des Gebäudes statt, im Zuge derer eine Leichenhalle mit Geräteraum sowie eine Sakristei integriert wurden.
Nach dem Krieg wurde durch die Ansiedlung von Flüchtlingen aus Rumänien und Evakuierten aus Heilbronn eine Erweiterung des Wohngebietes notwendig. Die Einwohnerzahl nahm um etwa ein Drittel zu.
Ende der 1950er Jahren wurde die Pfarrstelle Nordhausen mit der Pfarrstelle Dürrenzimmern zusammengelegt.
Auf der Grundlage eines Kirchengemeinderatsbeschlusses wurde das Pfarrarchiv Nordhausen am 28.6.2005 an das Landeskirchliche Archiv in Stuttgart abgegeben.
Das Pfarrarchiv wurde nach den Richtlinien des Landeskirchlichen Archivs verzeichnet. Die Verzeichnung erfolgte durch Senta Herkle. Die Abschlussredaktion erfolgte durch Dr. Bertram Fink und Senta Herkle im Sommer/Herbst 2012.
Der Bestand ist in drei Hauptgattungen gegliedert: Amtsbücher, Akten und Rechnungsunterlagen. Dazu kommen eine Sammlung von Feldpostbriefen, eine Abteilung Genealogie und Fotos. Bei den Akten wurde in eine ältere und eine jüngere Abteilung unterschieden. Die zeitliche Zuordnung zu den Abteilungen wurde quantitativ nach Schriftgutanfall vorgenommen. Der Bestand umfasst insgesamt 213 Bestellnummern, die rund 4 Regalmeter ausmachen. Die Überlieferung setzt im Jahr 1701 ein; bei den ältesten Archivalien handelt es sich um Kirchenbücher. Das jüngste Archivale, eine Sammlung von Fotos der Pfarrkirche, stammt aus dem Jahr 2005. Die erste Kirchenpflegerechnung aus den Jahren 1907 bis 1910 wurde inklusive Tagbuch und ausgewählten Beilagen verzeichnet.
Zum Teil befinden sich auf den Archivalien Alt-Signaturen, die von einer vorhergehenden Verzeichnung stammen.
An erster Stelle ist zu bemerken, dass insbesondere die Archivalien des 18. Jahrhunderts zum Teil in französischer Sprache überliefert sind.
Eine herausragende Besonderheit des Pfarrarchivs Nordhausen ist das "Verzeichnis Diversa Opfergaben" (Bestellnummer 19) mit einer Laufzeit von 1703 bis 1801, das zum Teil in französischer Sprache abgefasst wurde. Aufgeführt sind in diesem Verzeichnis beispielsweise "Heiligendarlehen", die Vergabe von Darlehen an Bedürftige durch den Pfarrer. Es enthält Listen der Obligationen inklusive Hypotheken und Zahlungsterminen. Daneben sind unter anderem Sammlungen und Kollekten verzeichnet, etwa für den Kirchenbau in verschiedenen Waldensergemeinden. Darunter ist auch eine so genannte "Collecte d'Angleterre" angeführt, die zur Unterstützung von Waldensergemeinden in England eingerichtet wurde. Somit stellt das Opfergabenverzeichnis eine aufschlussreiche Quelle für das Kreditwesen im 18. Jahrhundert in ländlichen Gemeinden dar und dokumentiert die Solidarität und den Austausch der Waldensergemeinden untereinander.
Ebenfalls außergewöhnlich ist ein Viehprotokoll (Bestellnummer 144), das eine Laufzeit von 1770-1828 umfasst und ebenfalls teilweise in französischer Sprache niedergeschrieben wurde. In diesem Protokoll sind An- und Verkäufe von Vieh eingetragen, es kann dementsprechend als wirtschaftsgeschichtliche Quelle verwendet werden. Vermerkt sind darüber hinaus einige jüdische Viehhändler; das Protokoll kann somit auch aufschlussreiche Informationen zur jüdischen Regionalgeschichte liefern.
Eine weitere Besonderheit ist das alphabetisch geordnete Konvolut von Feldpostbriefen und -karten (Bestellnummern 173-209) aus dem Ersten Weltkrieg. Der Pfarrer Nordhausens versorgte die Soldaten auf dem Feld regelmäßig mit dem Gemeindeblatt, Zigarren und Informationen von den Familien und Gemeindemitgliedern. Die Soldaten antworteten mit zum Teil sehr ausführlichen und eindrucksvollen Berichten über das Soldatenleben und die Kriegsschauplätze im Westen und Osten.
Beachtenswert ist darüber hinaus die Überlieferung der Kindergottesdienste während der Zeit des Nationalsozialismus. Erhalten sind Liturgien, Rechnungen und Programme der Gottesdienste.
Die Archivalien können mit Ausnahme der Kirchenbücher (bis 1875) während der Öffnungszeiten des Landeskirchlichen Archivs eingesehen werden. Die Originalkirchenbücher sind für die Benutzung gesperrt, allerdings sind die Kirchenbücher auf Mikrofilm einsehbar. (Filmnummer KB 1016/II) Die Mikrofilme können außerdem beim Landeskirchlichen Archiv ausgeliehen werden. Die Einsichtnahme in die Kirchenbücher nach 1875 regelt die jeweils gültige Kirchenregisterordnung der Württembergischen Landeskirche.
Weitere Überlieferung zur Kirchengemeinde Nordhausen im Landeskirchlichen Archiv befindet sich in den Ortsakten des Konsistoriums bzw. des Oberkirchenrates (A 29, A 129) sowie im Dekanatsarchiv Brackenheim. Zu einzelnen Pfarrern werden Personalakten überliefert. Im Landeskirchlichen Archiv wird auch die Überlieferung weiterer Waldensergemeinden aufbewahrt.
- Bestandssignatur
-
G 167
- Umfang
-
4 lfd. m
- Kontext
-
Landeskirchliches Archiv Stuttgart (Archivtektonik) >> G - Pfarrarchive >> Orte mit N
- Verwandte Bestände und Literatur
-
Ehmer, Hermann: Die Waldenser in Württemberg und Baden (1699-1823), in: Lange, Albert de (Hrsg.): Dreihundert Jahre Waldenser in Deutschland, 1699-1999. Herkunft und Geschichte; mit einem Führer durch die deutschen Waldenserorte, Karlsruhe 1998.
Baden-Württemberg - Das Land in seinen Kreisen. Der Landkreis Heilbronn, bearbeitet von der Abt. Fachprogramme und Bildungsarbeit des Landesarchivs Baden-Württemberg, herausgegeben vom Landesarchiv Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Heilbronn, 2 Bände, Ostfildern 2010, Band 2, S. 273-287.
www.waldenserort-nordhausen.de
- Indexbegriff Ort
-
Nordhausen, Nordheim, Landkreis Heilbronn
- Provenienz
-
Evangelisches Pfarramt Nordhausen
- Bestandslaufzeit
-
1700-2005
- Weitere Objektseiten
- Letzte Aktualisierung
-
27.03.2025, 11:46 MEZ
Datenpartner
Landeskirchliches Archiv Stuttgart. Bei Fragen zum Objekt wenden Sie sich bitte an den Datenpartner.
Objekttyp
- Bestand
Beteiligte
- Evangelisches Pfarramt Nordhausen
Entstanden
- 1700-2005