Archivale

Revidierte Güterordnung

Regest: 1) Wenn jemand im Feld an Hägern (= Hecken, Einfriedigungen) und Zäunen dürre oder grüne Stecken herauszieht oder an Hägern abhaut und Lücken macht, wodurch vielen Bürgern grosser Schaden geschieht, indem solches zur Frühlingszeit mit Kosten wieder gemacht werden muss, so soll er neben denen, die Dornbüschlen (= Reisigbüschel) aus den Hägern heraushauen, wodurch dieselben übel ruiniert werden, je nach der Grösse des Schadens von 20 Kr bis auf 2 oder 3 fl unnachlässig gestraft werden, dabei auch gehalten sein, dem Bürger den zugefügten Schaden gutzumachen.
2) Wenn einer dem andern auf einem Baumgarten oder Wiese Gras abschneidet oder mäht, welches besonders im Sommer durch die Weibspersonen und Mägde vielfach geschieht, so soll er von 20 Kr bis auf 1 fl gestraft werden.
3) Keiner soll Erde auf der Allmand oder den Wasen nehmen, wodurch dem rinderhaften Vieh seine Nahrung entzogen wird. Wer das ohne Erlaubnis täte und darob angetroffen würde, der ist nach Beschaffenheit des Schadens von 1 bis auf 5 fl zu strafen. Wenn einer auf seinem Eigentum Wasen oder Erde wegtragen lässt, wodurch dem Nachbar Schaden geschieht, so soll nicht nur der Eigenmann (= Eigentümer), wenn solches mit seinem Willen und Wissen geschieht, sondern auch die, die die Erde hinwegtragen, härtlich gestraft werden. Ferner soll bei 2 fl Strafe auf den Wasen und Allmanden niemand Wasen machen und die Weinberge damit beziehen oder die jungen Traubenstöcke damit setzen. Desgleichen soll kein Bürger ohne Erlaubnis des Feldschultheissen auf den Allmanden Gräben aufschlagen noch die durch das Schultheissenamt aufgeschlagene Erde wegtragen, bei Straf von 1 fl.
4) Wenn einer mit einem Haufen Schafe oder rindermässigem Vieh durch ein Gut fährt und die Häger und Zäune verderbt, so hat er nach der Sache Erkenntnis von 2-5 fl Strafe zu erstatten, dabei auch dem Bürger den zugefügten Schaden gutzumachen. Da einige Jahre her das Nachrechen im Heuet und Öhmdet (= Öhmdernte) zu einem grossen Missbrauch geworden ist, wodurch der Bürger Schaden erlitten hat, so soll solches dergestalt verboten sein, dass, solang Heu oder Öhmd auf einem Gut liegt, sich von Nachrechern niemand darauf sehen lassen soll.
5) Wenn einer mit einem Haufen Schafe oder Vieh auf einen Baumgarten, Wiese oder Samenacker (= Saatfeld) führe, die Weide oder Samen (= die Saat) abätzte (= abfressen liesse), an alten oder jungen Bäumen Schaden täte oder durch die Schafe die Bäume vernagen liesse, so ist er gleichfalls von 2 bis 5 fl sträflich anzusehen neben Ersetzung des dem Bürger geschehenen Schadens.
6) Wenn einer den rechten Weg im Gehen, Reiten oder Fahren nicht gebraucht, so gibt, welcher auf solche Weise geht, zu Straf 10 Kr, der, der reitet, 20 Kr und der, der fährt, 30 Kr oder auch mehr je nach dem angerichteten Schaden. Der Schaden muss zugleich dem Bürger ersetzt werden. Wenn die Lücken in den Gütern von den Besitzern nicht zu rechter Zeit zugemacht werden, hat einer das erstemal 10 Kr und das zweitemal auf geschehene Verwarnung 20 Kr Straf abzurichten. Auch soll der Schaden, der hieraus besonders im Herbst erfolgt, demjenigen, der ihn erlitten hat, gebührend abgetragen werden.
7) Wenn einer führe und täte dem andern an Zäunen oder Hägern Schaden, so soll er 3 Pfund 5 ß zu Straf geben und daneben schuldig sein, den Zaun oder das Hag auf seine Kosten wieder machen zu lassen. Darunter wird besonders auch der Schaden verstanden, der im Herbst mit den Leitfässern +) auf Baumgärten, Äckern und Wiesen mit grosser Verwüstung geschieht. Er soll auf gleiche Art abgestraft, auch der Schaden dem Eigenmann (= Eigentümer) gutgemacht werden.
8) Das bisherige sehr schädliche frühzeitige Heuen wird dergestalt verboten, dass künftig keiner mehr vor Johannis Baptistae (= 24. Juni), ehe das Gras zur Zeitigung (= Reife) gekommen ist, die Segis (= Sense) anschlagen und mähen soll, es sei denn in den Gärten und Gütern, wo man auf sich selbst (d. h. auf eigenem Grund und Boden) ohne Schaden des Nachbars aus- und einkommen kann, also den Nachbar nicht übergehen noch überfahren darf. Wie denn dieses Orts ein Einsehen (= Aufsicht?) gehalten, besonders aber Baumgärten und Wiesen nimmer über einmal angegriffen werden sollen bei Straf von 2 fl.
9) Wenn jemand in den Feldern und Gütern junge Bäume setzen will, wird derselbe hiermit dahin verbunden (= verpflichtet), solche Bäume wenigstens 9-10 Schuh von dem Untermark (= der Grenze) zu setzen.
10) Die überständigen Häger sollen keineswegs mehr geduldet und nicht höher als 3 1/2 Schuh passiert (= erlaubt) werden. Wenn einer ein Gut für sich beschliessen und umhagen oder einen Graben auf ihm selbst (d. h. auf seinem eigenen Grund und Boden) machen wollte, soll das 1 1/2 Schuh vom Untermark geschehen, es sei denn, dass beide Nachbarn solches miteinander unternehmen täten, welchenfalls es auf dem Untermark geschehen kann.
11) Künftig sollen die Zwetschgenbäume nicht mehr so nahe am Untermark sein, sondern 4-5 Schuh weg gesetzt werden.
12) Das bisherige Laubabschneiden und -reissen an den Hägern hat am Wachstum nicht wenig gehindert. Deswegen wird auf derlei Excesse 1 Pfund heller zur Straf gesetzt, auch bei gleicher Straf das Bandabschneiden ++) vor Michaelis ernstlich verboten und jedermann aufgegeben, auf den Gütern, so viel sich's tun lässt, Felben (= Weidenbäume) zu stecken.
Ordnung der Wälder und Hölzer.
1) Wenn ein Mann oder eine Weibsperson aufgemachtes Holz oder Reis (= Reisig), das gemeiner Stadt oder Bürgerschaft gehört, wegträgt oder wegführt, so gibt der, welcher wegträgt, das erstemal 20 Kr, das zweitemal 40 Kr, dagegen der, der wegführt, das erstemal 1 fl, das zweitemal 2 fl zur Straf. Täte einer ganz merklichen Schaden, so soll der Übertreter nach Erkenntnis des Rats oder Feldschultheissenamts höher gestraft werden.
2) Wer ein Bauholz anwendet (= sich aneignet?), es gehöre gemeiner Stadt oder einem andern, der soll von 2-5 fl sträflich angesehen werden. Käme er aber wieder, ist er in eine mehrere Straf nach der Sachen Erkenntnis gefallen.
3) Wer von einer grünen Eiche den oberen Wipfel oder sonst einen Nast (= Ast) herabhaut, wodurch die Hölzer am Wachstum ganz gehindert und verderbt werden, folglich (= in der Folge) zur Fäulung (= zum Absterben) kommen, der soll nicht allein in den Turm gesetzt, sondern noch dazu von 3 bis 5 fl gestraft werden. Darunter sind auch die Felben (= Weidenbäume) verstanden, die man gleichfalls nicht angreifen soll.
4) Wer eine kleine oder grosse Eiche umhaut ohne Erlaubnis des Schultheissen, der soll um 5-10 fl gestraft werden.
5) Wer schadhaft Holz führt oder trägt, er bringe es her, wo er wolle, dem soll es unter den Toren abgenommen und er dazu das erstemal in 30 Kr oder nach Erkenntnis in eine grössere Straf verfällt (= verurteilt) und von solcher Straf dem Torwart um fleissiger Aufsicht willen ein Drittel zugestellt werden.
Würde aber ein Schütz (= Feldschütz) oder sonst jemand dergleichen Waldfrevler antreffen und gehörig anzeigen, so soll ihm und nicht dem Torwart dieses Drittel fürs Anbringen (= Anzeigen) gereicht werden.
6) Wenn einer in gemeiner Stadt Reutlingen Gebiet oder einer hiesiger angehöriger Dorfschaften Reifen +++) oder andere grüne Stangen haut oder verbotene Widen (= Weidenruten) schneidet, worunter besonders auch die Garbwiden (= Weiden zum Garbenbinden) zu verstehen sind, wodurch die Wälder nicht wenig ruiniert werden, und dabei erhascht wird, der ist von 30 Kr bis auf 1 fl oder auch nach des Schadens Beschaffenheit höher zu strafen. Jedoch sind die häselen (= vom Haselnuss-Strauch) Reifen +++) und Widen wie von alters her ohne Schaden zu hauen und zu schneiden vergönnt, ebenso die hagebuchenen, sonst aber keine Widen.
7) Niemand soll Holz auf den Schlitten hereinführen als nur von seinem eigenen Gut oder was einer beim 5jährigen gemeinsamen Holzausgeben bekommen hat und ihm ordentlich angewiesen worden ist.
8) Niemand soll einen wilden Äpfel- oder Birnenbaum, er sei grün oder dürr, ohne besondere Erlaubnis umhauen, fürnehmlich aber keineswegs sich gelüsten lassen, künftig, wie bisher geschehen, das wilde Obst, wenn es noch nicht erlaubt ist, herabzutun oder auch die Eicheln unerlaubterweis zu schöllen ++++), alles bei unnachlässiger Straf von 2 fl.
9) Kein Schütz (= Feldschütz) soll erlauben, dürres oder grünes Holz, auch Erde zu graben (= auszugraben) ohne Vorwissen der Schultheissen bei Strafe von 5 fl oder gar bei Verlust seines Diensts.
10) Keiner soll Holz auf den Fürkauf aufkaufen und wieder verhandeln, damit der Arme neben dem Reichen verbleiben möge. Wer das überfährt (= übertritt), gibt zur Straf 30 Kr. Das ist auf dasjenige Holz zu verstehen, das man von den Wäldern hereinträgt.
11) Wenn eine Eiche oder andere Bäume in Wäldern Schaden nehmen von Schnee und anderem Ungewitter, ganz umfallen oder, davon Näste (= Äste) herabfallen und jemand solches ganz oder zum Teil wegführen oder wegtragen würde, so gibt der, der eigenes Gewalts (= eigenmächtig) dergleichen Holz wegführt, zur Straf 1 fl, der Tragende 30 Kr oder nach Erkenntnis der Sache ein mehreres.
12) Diejenigen jungen Eichlein, welche bei jedesmaligem Holzausgeben vor der geschworenen Steuer in den Wäldern, und zwar in jedem Morgen derselben wenigstens 8 oder 10 Stämme, ausgezeichnet werden, sollen nimmer dem hievorigen (= früheren) Missbrauch gemäss umgehauen, sondern conserviert werden oder im Gegenfall der, der solches unterstünde, empfindlich gestraft werden.
13) Die Wälder sollen bei jedesmaligem gemeinsamem Holzausgeben auf den Tag Urbani (= 25. Mai) nach geschworener Steuer bei unausbleiblicher gewisser Straf völlig ausgeräumt und das Holz aus einem jeden Bürgerteil gänzlich weggeführt werden.
14) Ernstlich wird verboten, dass ein Bürger einem Ausländischen sein durch das Los zugeteiltes Holz ganz oder zum Teil gibt. Er soll es vielmehr einem Bürger zu billigem Preis überlassen, wobei jedoch der darüber geordnete Haupt- oder Obmann wie von alters observiert wurde, die Losung +++++) dazu haben soll.
15) Es soll bei den angeordneten Holztagen, nämlich Dienstag und Freitag, füraus (= weiterhin) verbleiben, jedoch so, dass das ganze Jahr aus einer Haushaltung nur eine Person und an jedem Holztag nicht mehr als zweimal ins Holz gehen darf. Übrigens ist das schädliche Hauen von Bohnenstecken, nicht weniger der Stecken und Stangen, die man zu den Hüttenschilden ++++++), Büschelen und Ausruhen bisher strafbarer Weise gebraucht hat, desgleichen das Ausgraben junger Stumpen bei harter Straf verboten.
Damit niemand sich mit Unwissenheit entschuldigen kann, ist vom Rat beschlossen worden, dass beide Ordnungen auf allen 12 Zünften öffentlich verlesen werden.

Archivaliensignatur
A 2 c (Zünfte) Nr. A 2 c (Zünfte) Nr. 2590 a
Umfang
15 S. Text
Formalbeschreibung
Beschreibstoff: Pap.; geheftet
Sonstige Erschließungsangaben
Zeugen / Siegler / Unterschriften: kleines Insigel der Stadt Reuttlingen

Bemerkungen: +) Fischer: Schw. WB: Leitfass = Transportfass, Fass, in dem die von den Kämmen losgetrennten Traubenbeeren zur Kelter geführt werden
++) Band aus Weidenzweigen
+++) Fischer: Schw. WB: = Stangenholz f. Fassreifen und dergl.
++++) Fischer: Schw. WB: = gewaltsam von den Bäumen herabschlagen
+++++) vermutlich: Recht des Vorkaufs
++++++) Fischer: Schw. WB: Schild = Bretterrückwand am Haus. Hier?

Genetisches Stadium: Kopie

Kontext
Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18) >> Bd. 8 Zünfte Allgemeines
Bestand
A 2 c (Zünfte) Reichsstädtische Urkunden und Akten (Bde. 8-11 u. 18)

Laufzeit
1757 Mai 2

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Letzte Aktualisierung
20.03.2025, 11:14 MEZ

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Entstanden

  • 1757 Mai 2

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