Bestand
Persönliches Archiv Prof. Dr. Dr. Hannes Rettich, Ministerialdirigent im Ministerium für Wissenschaft und Kunst (* 1927, + 2004) (Bestand)
Inhalt und Bewertung
Rettich, Hannes (20.11.1927 - 25.4.2004), Jurist; Ministerialdirigent im Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg, Kunstkoordinator der Landesregierung im Staatsministerium Baden-Württemberg, Professor für Kulturmanagement; Mitglied des Rundfunkrates des Süddeutschen Rundfunks Stuttgart, Präsidiums-Mitglied des Deutschen Bühnenvereins
Enthält: Dienstliche Korrespondenz aus der Tätigkeit als Ministerialdirigent im Ministerium für Wissenschaft und Kunst und als Kunstkoordinator der Landesregierung
1. Zur Person Hannes Rettichs: Hannes Rettich wurde am 20. November 1927 in Ulm geboren. Nach dem Abitur in Ulm studierte er 1946-1950 Literaturgeschichte, Geschichte und Theaterwissenschaften an der Universität in Erlangen. 1950 wurde er mit einer Arbeit über die "Gestalt des Künstlers im Werke Gerhard Hauptmanns" zum Dr. phil. promoviert. Während des Studiums engagierte er sich als Schauspieler und Regisseur bei der Erlanger Studiobühne. 1950-1954 studierte er Rechtswissenschaften in München, was er 1957 mit der Promotion ("Das Recht bei Jakob Wassermann") zum Dr. jur. abschloss. In München absolvierte er den ersten Teil seines Referendariats, für den zweiten wechselte er ins Kultusministerium Baden-Württemberg in Stuttgart. 1958 heiratete er Hildegard Friedrich, Tochter eines Chefarztes am Ulmer Krankenhaus. 1959 begann Rettich als Regierungsassessor beim Oberschulamt in Tübingen. 1961 wurde er ins Kultusministerium Baden-Württemberg versetzt, wo er zunächst als Referent für Musikhochschulen, künstlerischen Nachwuchs und Filmangelegenheiten und später als Leiter des Referates für Theater und Orchester tätig war. Nachdem ihm bereits 1965 die stellvertretende Leitung der Abteilung Kunst im Kultusministerium übertragen worden war, übernahm er 1974 die Leitung dieser Abteilung. Er blieb Abteilungsleiter, als die Abteilung als Abteilung 5 in das Ministerium für Wissenschaft und Kunst eingegliedert wurde. Ein Angebot der Regierung von Weizäcker in Berlin von 1981, den dortigen Gesamtbereich Kunst zu leiten, lehnte er ab. Als leitender Ministerialbeamter war Rettich auch in zahlreichen Gremien tätig. Er war 1974-1996 Mitglied des Rundfunkrates beim SDR Stuttgart, 1980 versah er das Amt des Vorsitzenden des Fernsehausschusses. Verwaltungsratsmitglied des SDR war er von 1983 bis 1996. Ferner war er Mitglied des Verwaltungsrats der Versorgunganstalt der deutschen Kulturorchester und des Verwaltungsrats der Deutschen Bühnen. Außerdem war er Vorstandsmitglied mehrerer Kulturorchester und Theatergremien in Baden-Württemberg. 1988 wurde er von Lothar Späth zum Kunstkoordinator ins Staatsministerium berufen. Es kam bald zu Spannungen mit Staatsrat Wolfgang Gönnenwein, weshalb Rettich den bis 1992 geschlossenen Vertrag zum Mai 1990 kündigte. Seine Kunstkonzeption für das Land Baden-Württemberg, in der gedruckten Fassung 391 Seiten umfassend, konnte er vorher noch vorlegen. Sie stellt im ersten Teil die existierenden vielfältigen Kunstförderungen durch das Land Baden-Württemberg dar und untersucht im zweiten Teil noch bestehende Defizite und macht Vorschläge für deren Beseitigung. Sein Projekt einer Künstlerakademie im Schloss Solitude konnte wenige Tage nach seiner Verabschiedung von den ersten Stipendiaten bezogen werden. Der Aufbau einer Theaterakademie, die für alle künstlerischen, künstlerisch-technischen und administrativen Theaterberufe eine zentrale Ausbildung bieten sollte, gelang ihm nicht, sondern wurde in München verwirklicht. Nach dem Rücktritt als Kunstkoordinator wirkte Rettich am Aufbau des Studiengangs Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg mit und leitete diesen von 1990 bis 1992. Hierher rührt sein Professorentitel. Rettichs Motto war "Mir brauchet koi Krombiere, mir brauchet Konscht" (=Wir brauchen keine Kartoffeln, wir brauchen Kunst), eine bewusste Umkehrung eines alten schwäbischen Spruchs, der die Priorität der elementaren Bedürfnisse vor den kulturellen behauptet hatte. In der modernen Industriegesellschaft, die die elementaren Bedürfnisse zufriedenstellt, sei demnach die Förderung der Kultur vordringlich. Rettich wirkte in Zeiten, als die Mittel für Kultur ungehindert flossen. Der Umschwung kam nach dem Rücktritt von Lothar Späth (1991). Die Kunstkonzeption mit ihrer großzügigen Kunstförderung wurde angesichts knapper staatlicher Kassen und der Sparzwänge zunehmend illusionär. Hannes Rettich starb am 25. April 2004 im Alter von 76 Jahren.
2. Bearbeitung des Bestandes: Die vorliegenden Unterlagen übergab Hannes Rettich 1993 dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart zur Archivierung. Die 20 Leitz-Ordner hatte er nach Ausscheiden aus dem Dienst in seiner Wohnung als sein persönliches Archiv aufgehoben. Es handelt sich um dienstliche, im Ministerium für Wissenschaft und Kunst bzw. im Staatsministerium entstandene Korrespondenz, die er als "Privatablage" (diese Bezeichnung findet sich in den Unterlagen) verwahrte und selber ordnete. Ordnungsprinzip war das Korrespondenzpartnerprinzip, also die Ordnung nach Namen der Adressaten bzw. Schreiber der Briefe. Die Unterlagen umfassen sowohl Konzepte ausgehender Schreiben wie Originale der eingehenden. Die Aktenordner wurden für feste Zeiträume angelegt. 1967 bis 1973 erfasste ein Leitz-Ordner die Spanne von 3 Jahren, ab 1974 betrug die Zeitspanne jeweils ein Jahr (nicht identisch mit dem Kalenderjahr), das Jahr 1988 umfasst drei Ordner und 1989 zwei. Innerhalb dieser Ordner erfolgte die Untergliederung alphabethisch nach Korrespondenzpartnern, wobei als solche auch Institutionen fungierten und in einigen Fällen Einordnungen nach Sachbegriffen erfolgten. Teilweise finden sich chronologische Fehlzuweisungen, die dadurch entstanden, dass Rettich alte Korrespondenz in die neue hineinzog, um alles an einer Stelle zusammen zu haben. Gewöhnungsbedürftig ist, dass die Abteilung 5 des Wissenschaftsministeriums unter A zu finden ist. Einiges wurde anscheinend auch alphabetisch falsch abgelegt. Das war eine persönliche Ordnung, die für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar ist, für Rettichs Privatablage aber genügte. Die Schreiben haben selten Betreffzeilen mit Angabe des Inhalts, sondern sind oft inhaltlich sehr diffus: es geht um Beziehungen, die Rettich durch seine Korrespondenz pflegte, um persönliche Beziehungen im Kulturbereich, es geht um offizielle oder persönliche Einladungen und deren Ab- oder Zusage, Danksagungen, Gratulationen und auch um Lob für erbrachte Leistungen. Die Neckar Chronik charakterisierte Rettich einmal so: "Es gibt kein Museum, keinen Konzertsaal und kein Theater in Baden-Württemberg, das er nicht kennt und dessen Leiter ihn nicht kennt. Und es gibt keine Ministeriumsstube und keinen Politiker, denen es anders erginge" (Ausgabe Nr. 269 vom 20.11.1992). Sein Wirken beruhte auf einem Beziehungsgeflecht, das sich in dieser Korrespondenz ausdrückt. Hierfür ist einzig die Ablage nach dem Korrespondenzpartnerprinzip sinnvoll. Eine systematische Ablage stand Rettich mit der offiziellen Dienstregistratur zur Verfügung. Die Erschließung des Bestandes erfolgte von November 2011 bis März 2012 durch den 50. Anwärterkurs des gehobenen Archivdienstes unter Anleitung des Unterzeichneten. Die Titelaufnahmen werfen im Wesentlichen die Korrespondenzpartner aus, wobei diese mit ihrer Funktion und ihrem Dienst- oder Wohnort ergänzt werden. Eine Korrektur der Fehleinordnungen Rettichs wurde nicht erstrebt. Namen, die im Büschel außerhalb der im Titel genannten Anfangsbuchstaben vorgefunden werden, sind für das fragliche Büschel aufgeführt, so dass sie über Index oder elektronische Suche gefunden werden können. Außergewöhnliche Sachverhalte oder inhaltliche Aspekte der Korrespondenz werden unter "Darin" oder "Enthält auch" ausgeworfen. Einige Unterlagen informieren über die Person von Hannes Rettich. Z.B. sind Manuskripte von ihm erhalten sowie auch Zeitungsartikel über ihn. Sie werden in den Titelaufnahmen eigens ausgeworfen und in den Index aufgenommen, so dass eine gezielte Suche hiernach möglich ist. Die vorliegenden Unterlagen dokumentieren die Kontakte Rettichs zu einer Vielzahl von Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Politik und informieren darüber hinaus über die Kunstförderung und Kunstpolitik der 1970er bis 1990er Jahre. Hiermit ergänzen sie die Unterlagen der Ministerialüberlieferung. Der Bestand umfasst 134 Bü in ca. 1,5 lfd. m und hat eine Laufzeit von September 1967 bis Dezember 1989. Stuttgart, im März 2012 Dr. Peter Schiffer
3 . Literatur: Rettich, Hannes (Hrsg.) und Späth, Lothar: Kunstkonzeption des Landes Baden-Württemberg, Freudenstadt: VUD, Verl. u. Dr., 1990 Rettich, Hannes: Zwischen Kunst und Politik - Erinnerungen eines musischen Bürokraten, Stuttgart: Hohenheim-Verlag, 2000
- Bestandssignatur
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Q 1/53
- Kontext
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Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Archivtektonik) >> Nachlässe, Verbands- und Familienarchive >> Politische Nachlässe
- Indexbegriff Person
- Bestandslaufzeit
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1967-1989
- Weitere Objektseiten
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- Rechteinformation
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- Letzte Aktualisierung
-
20.01.2023, 15:09 MEZ
Datenpartner
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Objekttyp
- Bestand
Entstanden
- 1967-1989