Archivale

Auseinandersetzung mit dem Buch Julius Meyers (3): Briefwechsel Gottlieb von Tuchers mit William Pierson

Enthält:
1871 April 24: Brief des W(illiam) Pierson, Professors an der dorotheenstädtischen Realschule in Berlin, wohnhaft Luisenstraße 3, an den Oberappellationsgerichtsrat (Gottlieb von Tucher in München).
Schreiber ist Historiker und möchte in der Sache Kaspar Hauser forschen. Nachfragen in Österreich und beim Badischen Gesandten, Grafen Türkheim, wurden nicht einmal beantwortet. Daher die Bitte an den Adressaten um Unterstützung des Vorhabens.
Darauf:
1871 April 30: Antwort (Entwurf) Tuchers aus M(ünchen).
Zusage.

1871 Mai 14: Brief Piersons aus Berlin an Tucher.
Breite Erzählung eines angeblichen Findelkindes aus Schlesien, das mit Hauser verschwistert sein soll, was Schreiber aber keineswegs glaubt. Es handelt sich um Nanny Führböter, Frau des Arztes Dr. Führböter in Hirschberg. Dieser hat seit längerem das sächsische Herrscherhaus mit Briefen bombardiert, da er seine Frau für ein Kind der Prinzessin Auguste von Sachsen hält. Führböter teilte dem Schreiber auch seine Ansicht mit, Kaspar Hauser sei ein Kind Napoleons und in einem Nonnenkloster aufgezogen worden.
Das in Brochs Veröffentlichung ("Kaspar Hauser. Kurze Schilderung seines Erscheinens und seines Todes." Zürich 1859) enthaltene Anagramm S. Hanes. Sprancio löst Schreiber folgendermaßen auf: R. O. Anspachensis. Eine Nachfrage bei Ludwig Feuerbach, ob in Ansbach jemals eine Person mit diesen Initialen in Zusammenhang mit Hauser in Verdacht geraten sei - blieb unbeantwortet.

1872 März 6: Brief Piersons aus Berlin an Tucher.
Verweis auf Tuchers Veröffentlichung in der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Überlegungen zu (Johann Heinrich David von) Hennenhofer, zu Führböter usf.

1872 März 16: Brief Piersons aus Berlin an Tucher.
Zeitungsnotiz zu Hennenhofers Nachlass, der angeblich von ihm in der Schweiz, wohl in Bern, deponiert worden sein soll.

1872 März 18: Brief Piersons aus Berlin an Tucher.
Diskussion der Flaschenpost mit S. Hanes Sprancio von 1816.

1872 März 25: Brief Piersons aus Berlin an Tucher.
Schreiber hat das Meyer'sche Buch (= Dr. Julius Meyer) noch nicht erhalten. U. a. Überlegungen zur Erbprinzentheorie.

1872 März 27: Brief Piersons aus Berlin an Tucher.
Nach Lektüre des Meyer'schen Buchs ist Schreiber nicht mehr von Selbstverwundung Hausers überzeugt. Bei beiden Anschläge, nämlich Nürnberg und Ansbach, sind die Tatwaffen nie gefunden worden.

1872 April 1: Brief Piersons aus Berlin an Tucher.
Ausführliche Diskussion verschiedener Themenbereiche gemäß der Anordnung bei Meyer. Kritik an Daumer und an Stanhope, denen Schreiber einen schädlichen Einfluss auf Hauser zuschreibt.
Dabei:
Zettel mit Daten und Aussagen des (Georg Leonhard) Weickmann, den Schreiber als unzuverlässigen Zeugen einstuft.

1872 Oktober 17: Brief Piersons aus Berlin an Tucher.
Dank für eine zugesandte Broschüre. Kritik an (Paul Johann Anselm v.) Feuerbach. Erwähnung der (angeblichen) Staatsratssitzung 1830, die wohl nur aus dem Buch (F. Sebastian) Seilers "Kaspar Hauser. Der Thronerbe Badens. Paris 1845" genommen ist. (...) Anbei die Arbeit des Schreibers aus dem Maiheft der "Deutschen Warte".

1875 Januar 26: Brief Piersons aus Berlin, Möckernstraße 135, an Tucher.
Direktor (Dr. Wilhelm) Martens schickte aus Danzig eine Broschüre über Hauser ("Über Caspar Hauser. Ein Vortrag." Danzig), die nur ein Auszug aus Daumers Werk ist (s. Nr. 2837). Einige Neuigkeiten über Hauser, die Martens vom Adressaten erhalten hatte, sandte er in dessen Auftrag an Schreiber. Schreiber ist mit dem Adressaten einer Meinung, nämlich, dass Hauser kein Betrüger war und, dass er ermordet wurde. Die Prinzentheorie hält Schreiber hingegen für unzutreffend. Die Ermordung kann aber auch nicht von Baden aus angeordnet worden sein, da Großherzog Leopold so etwas nicht zuzutrauen ist. Ob Herr (Franz Xaver) von Andlaw (s. Nr. 2827) hier Auskunft geben könnte? - er kannte den Großherzog ja.

1875 Februar 3: Brief Piersons aus Berlin, Möckernstraße 135, an Tucher.
Es erstaunt Schreiber, dass die Prinzentheorie auch bei der Prinzessin (Marie v.) Hamilton so fest steht. Weitere Diskussion dieses Themas. Aus Karlsruhe schrieb eine Frau, man sei hier fest davon überzeugt, dass Hauser ein badischer Prinz war. Sogar Großherzogin Stephanie war davon überzeugt, aber natürlich konnte auch sie nicht wollen, dass ein Cretin auf den Thron kam.

1875 Februar 6: Brief Piersons aus Berlin an Tucher.
Meyer erwähnt in seinem Hauserbuch zwar die Vernehmung Stanhope's in München, druckt das Protokoll aber nicht ab. Ob Adressat Einblick in die Akten verschaffen könnte?

1875 April 4: Brief Piersons aus Berlin, Möckernstraße 135, an Tucher.
Schreiber veröffentlichte Ende letzten Monats einen Aufsatz über Hauser in der hiesigen Nationalzeitung ("Der Kaspar-Hauser-Mythus"). Er äußerte dort, die Prinzentheorie sei bis heute nicht mehr als Hypothese. Er schloss mit dem Wunsch, die badische Regierung möge endlich aus ihrer Reserve heraustreten. Daraufhin erhielt Schreiber am 27. vorigen Monats ein anonymes Schreiben folgenden Inhalt: Das Geheimniss Caspar Hauser ist den deutschen Höfen wohl bekannt. Im Jahr 1838 war ich mit dem Präsidenten Vahlkampf in Kissingen. Dort erfuhren wir aus dem Munde des geheimen Conferenzraths Lotz aus Coburg, dass er um das Geheimniss wisse. In der Nacht vom 12 - 13 Nov. 1838 starb Lotz, und am 31 Januar 1858 auch Albert von Vahlkampf. Dies ad memoriam.
Darin:
Handzeichnung des Siegels des anonymen Briefs.

Archivaliensignatur
E 29/II Nr. 2826
Umfang
Umfang/Beschreibung: 14 Prod
Sonstige Erschließungsangaben
Bemerkungen: Acc.Nr. D 1/2014

Bemerkungen: Prod 2: F. K. Borch war das Pseudonym des Georg Friedrich Kolb

Bemerkungen: Prod 9 (bei 8): Weickmann war einer der 'Entdecker' Hausers 1829 auf dem Unschlittplatz

Bemerkungen: Allgemein: Die Häufigkeit des Briefverkehrs im Frühjahr 1872 erklärt sich aus der bevorstehenden Veröffentlichung Piersons: "Geschichte Kaspar Hausers (...)" In: Deutsche Warte, Bd. II, Heft 9, Mai 1872, Leipzig.

Bemerkungen: Prod. 10: Die Staatsratssitzung, in welcher nach dem Tod des letzten Zähringers, Großherzog Ludwigs, auf die Existenz Kaspar Hausers in Nürnberg hingewiesen worden sein soll, ist eine Erfindung, die erstmalig in einem Hauser-Roman (!!) auftauchte.

Bemerkungen: Prod 12: Marie v. Hamilton war eine Schwester des 1812 geborenen und gestorbenen badischen Prinzen, der angeblich vertauscht worden ist

Indexbegriff Person: Andlaw, Franz Xaver von

Indexbegriff Person: Auguste von Sachsen

Indexbegriff Person: Broch, F K = Kolb Georg Friedrich

Indexbegriff Person: Daumer, Georg Friedrich Prof.

Indexbegriff Person: Feuerbach, Ludwig

Indexbegriff Person: Feuerbach, Paul Johann Anselm Dr. Ritter von

Indexbegriff Person: Führböter, N Dr

Indexbegriff Person: Führböter, Nanny

Indexbegriff Person: Hamilton, Marie von

Indexbegriff Person: Hauser, Kaspar

Indexbegriff Person: Hennenhofer, Johann Heinrich David von

Indexbegriff Person: Kolb, Georg Friedrich

Indexbegriff Person: Leopold (Großherzog Baden)

Indexbegriff Person: Lotz, N (Konferenzrat Coburg)

Indexbegriff Person: Martens, Wilhelm Dr

Indexbegriff Person: Meyer, Julius Dr

Indexbegriff Person: Napoleon I.

Indexbegriff Person: Pierson, William Prof Dr

Indexbegriff Person: Seiler, F Sebastian

Indexbegriff Person: Stanhope, Philipp Heinrich

Indexbegriff Person: Stephanie, Großherzogin Baden

Indexbegriff Person: Tucher, Christoph Karl Gottlieb Sigmund

Indexbegriff Person: Tucher, Gottlieb (= Christoph Karl Gottlieb Sigmund)

Indexbegriff Person: Türkheim, N Graf (badischer Gesandter)

Indexbegriff Person: Vahlkampf, Albert von

Indexbegriff Person: Weickmann, Georg Leonhard

Indexbegriff Sache: Klassifikation E/F-Bestände: Hauseriana (Quellen und Forschungen zu Kaspar Hauser)

Indexbegriff Sache: Klassifikation E/F-Bestände: Briefwechsel Gottlieb von Tucher

Indexbegriff Sache: Klassifikation E/F-Bestände: Briefwechsel Diverse

Indexbegriff Sache: Klassifikation E/F-Bestände: Herkunft

Indexbegriff Sache: Klassifikation E/F-Bestände: Tod

Indexbegriff Sache: Klassifikation E/F-Bestände: Ankunft in Nürnberg

Kontext
Tucher/Gesamtgeschlecht und Jüngere Linie/Akten und Rechnungen
Bestand
E 29/II Tucher/Gesamtgeschlecht und Jüngere Linie/Akten und Rechnungen

Indexbegriff Sache
Professor, Berlin
Realschule
Oberappellationsgerichtsrat
Historiker
Forschung
Badischer Gesandter
Gesandter, badisch
Unterstützung
Findelkind
Arzt
Prinzessin von Sachsen
Nonnenkloster
Anagramm
Flaschenpost (1816 Kaspar Hauser)
Augsburger Allgemeine Zeitung
Artikel
Nachlass
Depositum
Erbprinzentheorie (Kaspar Hauser)
Geschichte Kaspar Hausers 1872 (Pierson)
Authentische Mitteilungen über Caspar Hauser 1872
Deutsche Warte Bd II Heft 9
Anschlag
Mord
Selbstverletzung
Tatwaffe
Beeinflussung
Zeuge
Broschüre
Kritik
Staatsrat Baden
Kaspar Hauser. Thronerbe Badens (Paris 1845)
Über Caspar Hauser. Ein Vortrag (Danzig 1875)
Auszug
Betrügertheorie (Kaspar Hauser)
Mord
Großherzog von Baden
Großherzogin von Baden
Kretin
Vernehmung
Protokoll
Nationalzeitung Berlin
Der Kaspar-Hauser-Mythus (Berlin 1875)
Aufsatz
Hypothese
Anonymus
Brief
Siegel
Präsident
Konferenzrat
Geheimnis
Kaspar Hauser. Kurze Schilderung seines Erscheinens und seines Todes. 1859
Indexbegriff Ort
Ansbach
Baden, Großherzogtum
Berlin, Dortheenstädter Realschule
Berlin, Luisenstraße 3
Berlin, Möckernstraße 135
Bern
Coburg
Danzig
Hirschberg (Schlesien)
Karlsruhe
Kissinge
München
Paris

Laufzeit
24.04.1871 - 04.04.1875

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Rechteinformation
Letzte Aktualisierung
05.06.2025, 13:01 MESZ

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Objekttyp

  • Archivale

Entstanden

  • 24.04.1871 - 04.04.1875

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